Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 950/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_950/2012

Urteil vom 7. April 2013
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
Stiftung X.________,
vertreten durch Advokatin Gertrud Baud,
Beschwerdeführerin,

gegen

L.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ronald Pedergnana,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid
des Obergerichts des Kantons Schaffhausen
vom 5. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
L.________ erlitt am xxx 1995 einen Autounfall. In diesem Zeitpunkt war sie im
Rahmen ihrer Tätigkeit für die Y._________ AG bei der Stiftung X.________
berufsvorsorgeversichert. Die obligatorische Unfallversicherung richtete für
die erwerblichen Folgen des Unfalles Taggelder aus. Die IV-Stelle Schaffhausen
sprach L.________ Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art (Umschulung vom xxx
1999 bis xxx 2001) sowie wegen der neuropsychologischen Defizite ab 1. Januar
2002 eine halbe und ab 1. April 2004 eine Dreiviertelsrente der
Invalidenversicherung zu (Verfügung vom 6. Juni 2007). Die Stiftung X.________
hatte grundsätzlich eine Leistungspflicht anerkannt, zufolge Überversicherung
indessen keine Leistungen ausgerichtet.
Mit Urteil 8C_234/2010 vom 8. Juni 2010 bestätigte das Bundesgericht, I.
sozialrechtliche Abteilung, den Einspracheentscheid des Unfallversicherers vom
5. August 2008, womit dieser die bisher erbrachten Leistungen mangels
rechtserheblichen Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall vom xxx 1995 und den
neuropsychologischen Störungen eingestellt hatte. Unter Hinweis auf dieses
Erkenntnis lehnte die Stiftung X.________ die Ausrichtung von
Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge ab (Schreiben vom 2. August und
24. September 2010).

B.
Am 25. Oktober 2010 liess L.________ beim Obergericht des Kantons Schaffhausen
Klage gegen die Stiftung X.________ einreichen mit dem Rechtsbegehren, diese
sei zu verpflichten, ihr aufgrund ihres selbst verschuldeten Autounfalles vom
xxx 1995 eine BV-Invalidenrente analog der IV-Rente der Eidg.
Invalidenversicherung auszurichten.
Mit Entscheid vom 5. Oktober 2012 hiess das kantonale Obergericht die Klage im
Sinne der Erwägungen teilweise gut. Es stellte fest, dass die Klägerin ab 1.
Januar 2002 Anspruch auf eine halbe Invalidenrente der beruflichen Vorsorge
hat.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Stiftung
X.________, der Entscheid vom 5. Oktober 2012 sei aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
L.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das kantonale
Obergericht verzichtet unter Hinweis auf seine Erwägungen auf eine
Stellungnahme. Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat sich nicht vernehmen
lassen.

Erwägungen:

1.
Die Vorinstanz hat erwogen, aufgrund der ärztlichen Berichte sei davon
auszugehen, dass nach dem Unfall vom xxx 1995 noch während der Dauer des
Vorsorgeverhältnisses neuropsychologische Störungen aufgetreten seien. Der
Klägerin sei wegen der aus neuropsychologischer Sicht eingeschränkten
Arbeitsfähigkeit mit Verfügung vom 6. Juni 2007 eine halbe Rente der
Invalidenversicherung für die Zeit ab 1. Januar 2002 (nach Beendigung der
Umschulung mit Ausrichtung von Taggeldern) zugesprochen worden. Der enge
sachliche Zusammenhang zwischen der noch während der Dauer des
Vorsorgeverhältnisses (Versicherungsdeckung für das Risiko Invalidität bis Ende
September 1995; Art. 10 Abs. 3 BVG) und der Erwerbsunfähigkeit sei somit
gegeben (Art. 23 BVG, in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung; BGE 134 V
20 E. 3.2 S. 22). Sodann sei die Klägerin nach dem Unfall vom 24. Februar 1995
nicht während längerer Zeit wieder voll arbeitsfähig gewesen. So sei die
IV-Stelle bei der Zusprechung der Umschulung vom xxx 1999 bis xxx 2001 von
einer Arbeitsfähigkeit von 50 % ausgegangen. Der enge zeitliche Zusammenhang
zwischen der während der Dauer des Vorsorgeverhältnisses bestandenen
Arbeitsunfähigkeit und der Invalidität sei daher ebenfalls gegeben (BGE 134 V
20 E. 2.2 S. 22 und E. 5.3 S. 27). Damit sei der Anspruch der Klägerin auf eine
halbe Invalidenrente der beruflichen Vorsorge - nach Massgabe des
Leistungsreglements der Beschwerde führenden Vorsorgeeinrichtung vom 27. April
2006 - ab 1. Januar 2002 begründet.

2.
Die Beschwerdeführerin rügt, der angefochtene Entscheid beruhe auf einem
offensichtlich unrichtig festgestellten Sachverhalt (Art. 97 Abs. 1 BGG) und
auf einer willkürlichen Beweiswürdigung und verstosse gegen das Urteil 8C_234/
2010 vom 8. Juni 2010. Darin habe das Bundesgericht festgehalten, dass zwischen
den heutigen Beschwerden (neuropsychologische Störungen) und dem Unfall vom 24.
Februar 1995 kein natürlicher Kausalzusammenhang im
unfallversicherungsrechtlichen Sinne (vgl. dazu BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit
Hinweisen) mehr bestehe. An diese Erkenntnis habe sich die Vorinstanz zu
halten.

3.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass die neuropsychologischen
Störungen während der Dauer des Vorsorgeverhältnisses (mit dem Unfall vom xxx
1995) aufgetreten waren. Sie macht auch nicht geltend, die Störungen stellten -
ungeachtet ihrer Ursache (Krankheit oder Unfall; Art. 3 f. ATSG) - keine
gesundheitliche Beeinträchtigung dar, welche die Arbeitsfähigkeit in
berufsvorsorgerechtlich relevanter Weise einschränkte (Urteil 9C_849/2012 vom
16. März 2013 E. 2.1.2 mit Hinweisen; vgl. Art. 6 ATSG). Sie hatte denn auch
bis zu dem mit Urteil 8C_234/2010 vom 8. Juni 2010 bestätigten
Einspracheentscheid vom 5. August 2008, womit der (obligatorische)
Unfallversicherer die bisher erbrachten Taggeldleistungen eingestellt hatte,
ihre Leistungspflicht im Grundsatz bejaht. Unter diesen Umständen ist es für
die Belange der (obligatorischen) beruflichen Vorsorge unerheblich, ob die
Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, nach Art. 23 BVG
krankheits- oder unfallbedingt ist (Urteil 9C_597/2008 vom 3. Dezember 2008 E.
2.2.2). Dem Leistungsreglement der Beschwerdeführerin lässt sich für den
überobligatorischen Bereich nichts anderes entnehmen. Für ihre Leistungspflicht
ist somit nicht entscheidend, ob die neuropsychologischen Störungen natürlich
kausale Folge des Unfalles vom xxx 1995 im unfallversicherungsrechtlichen Sinne
sind oder nicht. Schliesslich stellt die Verneinung des natürlichen
Kausalzusammenhangs im unfallversicherungsrechtlichen Kontext für sich allein
genommen keinen Grund für eine autonome, d.h. nicht einen IV-Entscheid
nachvollziehende Anpassung der Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge dar
(vgl. BGE 138 V 409 E. 3.2 S. 415, 137 V 76 E. 3.3.1 S. 80 und BGE 133 V 67 E.
4.3.1 und E. 4.3.5 S. 68 ff.).
Die Beschwerde ist unbegründet.

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und der Beschwerdegegnerin eine
Parteientschädigung gemäss der von ihrem Rechtsvertreter eingereichten
Kostennote vom 5. Februar 2013 zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'157.30 zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. April 2013
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Der Gerichtsschreiber: Fessler