Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 938/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_938/2012

Urteil vom 3. Juli 2013

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Nussbaumer.

Verfahrensbeteiligte
S.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Ernst Michael Lang, Beschwerdeführer,

gegen

Personalfürsorgestiftung der X.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Gnädinger,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 19. September 2012.

Sachverhalt:

A.
S.________ (geboren 1955) arbeitete ab 1. Februar 2002 als Drucker bei der
X.________ AG und war dadurch bei der Personalfürsorgestiftung der X.________
AG (nachfolgend: Personalfürsorgestiftung) vorsorgeversichert. Am 6. April 2002
stürzte er beim Skifahren auf die rechte Hüfte und zog sich dabei einen
Knochenriss zu. Auf Ende September 2002 kündigte die Arbeitgeberin das
Arbeitsverhältnis. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2002 stellte die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) die Versicherungsleistungen ein. Die
Österreichische Pensionsversicherungsanstalt richtet S.________ seit 1. Juli
2003 eine Invaliditätspension aus. Mit Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts
vom 24. November 2008 wurde ihm ab 1. Mai 2005 eine Viertelsrente und ab 1.
März 2006 eine ganze Invalidenrente zugesprochen. Mit Schreiben vom 30. August
2010 lehnte die Personalfürsorgestiftung die Ausrichtung einer Invalidenrente
ab.

B.
Die von S.________ gegen die Personalfürsorgestiftung eingereichte Klage vom
26. Oktober 2011 mit dem Antrag auf Ausrichtung einer Vollinvalidenrente ab 1.
Januar 2003 wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid
vom 19. September 2012 ab.

C.
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die
Personalfürsorgestiftung zu verpflichten, ihm beginnend ab 1. Januar 2003,
eventuell beginnend zu einem späteren Zeitpunkt, eine Vollinvalidenrente gemäss
Reglement auszurichten. Eventuell sei die Sache zur Sachverhaltsergänzung und
neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1.

2.1.1. Nach Art. 23 lit. a BVG hat Anspruch auf eine Invalidenrente, wer im
Sinne der Invalidenversicherung zu mindestens 40 % invalid ist und bei Eintritt
der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert
war. Entscheidend im Rahmen von Art. 23 BVG ist einzig der Eintritt der
relevanten Arbeitsunfähigkeit (zu diesem Begriff vgl. BGE 130 V 343 E. 3.1 S.
345 f. mit Hinweisen; SZS 2003 S. 521, B 49/00 E. 3), unabhängig davon, in
welchem Zeitpunkt und in welchem Masse daraus ein Anspruch auf
Invalidenleistungen entsteht. Die Versicherteneigenschaft muss nur bei Eintritt
der Arbeitsunfähigkeit gegeben sein, dagegen nicht notwendigerweise auch im
Zeitpunkt des Eintritts oder der Verschlimmerung der Invalidität. Für eine
einmal aus - während der Versicherungsdauer aufgetretener - Arbeitsunfähigkeit
geschuldete Invalidenleistung bleibt die Vorsorgeeinrichtung somit
leistungspflichtig, selbst wenn sich nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses
der Invaliditätsgrad ändert. Entsprechend bildet denn auch der Wegfall der
Versicherteneigenschaft keinen Erlöschungsgrund (Art. 26 Abs. 3 BVG e
contrario; BGE 123 V 262 E. 1a S. 263; 118 V 35 E. 5 S. 45).

2.1.2. Die Leistungspflicht einer Vorsorgeeinrichtung für eine erst nach
Beendigung des Vorsorgeverhältnisses eingetretene oder verschlimmerte
Invalidität setzt voraus, dass zwischen der relevanten Arbeitsunfähigkeit und
der nachfolgenden Invalidität ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang
besteht. Der sachliche Zusammenhang ist zu bejahen, wenn der der Invalidität
zugrunde liegende Gesundheitsschaden im Wesentlichen derselbe ist, der zur
Arbeitsunfähigkeit geführt hat (BGE 123 V 262 E. 1c S. 264 f.; 120 V 112 E. 2c/
aa und bb S. 117 f. mit Hinweisen). Die Annahme eines engen zeitlichen
Zusammenhangs setzt voraus, dass die versicherte Person nach Eintritt der
Arbeitsunfähigkeit nicht während längerer Zeit wieder arbeitsfähig wurde (BGE
123 V 262 E. 1c S. 265 mit Hinweisen).

2.1.3. Für den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Sinne von Art. 23 lit. a BVG
ist die Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Beruf
massgeblich; sie ist relevant, wenn sie mindestens 20 % beträgt und sich auf
das Arbeitsverhältnis sinnfällig auswirkt oder ausgewirkt hat (Urteile 9C_18/
2009 vom 7. April 2009 E. 3.2.1; 9C_772/2007 vom 26. Februar 2008 E. 3.2). Der
zeitliche Zusammenhang zur später eingetretenen Invalidität als weitere
Voraussetzung für den Anspruch auf Invalidenleistungen der damaligen
Vorsorgeeinrichtung beurteilt sich hingegen nach der Arbeits (un) fähigkeit in
einer der gesundheitlichen Beeinträchtigung angepassten zumutbaren Tätigkeit.
Diese Beschäftigungen müssen jedoch bezogen auf die angestammte Arbeit die
Erzielung eines rentenausschliessenden Einkommens erlauben (BGE 134 V 20 E. 5.3
S. 27; Urteil 9C_292/2008 vom 22. August 2008 E. 2.2.2).

2.2.

2.2.1. Vorinstanzliche Feststellungen zur Art des Gesundheitsschadens (Befund,
Diagnose etc.) und zur Arbeitsfähigkeit, die Ergebnis einer Beweiswürdigung
sind, sind für das Bundesgericht grundsätzlich bindend (E. 1; vgl. BGE 132 V
393 E. 3.2 S. 397). Tatfrage ist auch jene nach dem Zeitpunkt des Eintritts der
Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat (SVR 2008 BVG Nr.
31 S. 126, 9C_182/2007 E. 4.1.1). Frei überprüfbare Rechtsfrage ist dagegen,
nach welchen Gesichtspunkten die Entscheidung darüber erfolgt (SVR 2009 BVG Nr.
7 S. 22, 9C_65/2008 E. 2.2; Urteil 9C_670/2010 vom 23. Dezember 2010 E. 1.2).

2.2.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich
unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und
augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Eine offensichtlich
unrichtige Sachverhaltsfeststellung weist damit die Tragweite von Willkür auf
(Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4338; MARKUS SCHOTT, Basler Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 9 f. zu Art. 97 BGG). Es liegt noch
keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls
in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (Urteil
9C_570/2007 vom 5. März 2008 E. 4.2). Eine Sachverhaltsfeststellung ist etwa
dann offensichtlich unrichtig, wenn das kantonale Gericht den Sinn und die
Tragweite eines Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne
sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens
entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen
unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteile 8C_5/2010 vom
24. März 2010 E. 1.2; 9C_368/2008 vom 11. September 2008 E. 4.2).

3.

3.1. Das kantonale Gericht ging in Würdigung der ärztlichen Unterlagen davon
aus, dass die Femurkopfnekrosen beidseits nicht direkt aufgrund des Unfalls vom
6. April 2002 entstanden seien. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit handle es
sich dabei auch nicht um indirekte Unfallfolgen infolge Fehl-/Überlastung,
zumal beide Seiten betroffen seien. Die Arbeitsunfähigkeit während des
Arbeitsverhältnisses sei somit in sachlicher Hinsicht einzig wegen der
Unfallfolgen - nämlich der Fissur am Trochanter major - ausgewiesen. Es sei
daher bei der Hüftnekrose von einem eigenständigen Leiden auszugehen, dessen
Beginn und Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers festzulegen
sei. Den medizinischen Akten sei zu entnehmen, dass beidseitige Hüftbeschwerden
bereits im Zeitpunkt festgestellt worden seien, als der Beschwerdeführer noch
bei der Personalfürsorgestiftung angeschlossen gewesen sei. Zusammenfassend kam
die Vorinstanz zum Schluss, dass zwar bereits während des bestehenden
Vorsorgeverhältnisses beidseitige Hüftschmerzen bestanden hätten, diese
allerdings lediglich möglicherweise, aber nicht mit dem im
Sozialversicherungsrecht erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit auf die im Februar 2003 erstmals diagnostizierten
beidseitigen Femurkopfnekrosen zurückzuführen seien und die Arbeitsunfähigkeit
des Beschwerdeführers bewirkt hätten. Der enge sachliche Zusammenhang zwischen
der während des Vorsorgeverhältnisses entstandenen Beeinträchtigung des
Leistungsvermögens und der schliesslich zur Zusprechung einer Rente der IV
führenden Invalidität sei somit nicht genügend nachgewiesen.
Was den zeitlichen Zusammenhang betrifft, ging das kantonale Gericht davon aus,
den Akten zufolge habe beim Beschwerdeführer im Januar 2003 noch keine
bleibende Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 25 % bestanden. Demnach sei ein
Rentenanspruch frühestens ab Januar 2004 zu bestimmen gewesen. Der
Beschwerdeführer hätte damit bis zur frühest möglichen Entstehung des
Rentenanspruchs mindestens während eines Jahres ein rentenausschliessendes
Einkommen erzielen können. Dass ihm ab 1. Juli 2003 eine österreichische
Invaliditätspension zugesprochen worden sei, sei vorliegend nicht zu
berücksichtigen. Dem Begehren, es sei ein medizinisches
Sachverständigengutachten insbesondere aus dem Fachbereich der Unfallchirurgie
einzuholen, sei nicht stattzugeben. Da nicht anzunehmen sei, dass weitere
medizinische Abklärungen für die Behandlung des vorliegend relevanten
Sachverhalts neue Erkenntnisse brächten, könne darauf in antizipierter
Beweiswürdigung verzichtet werden.

3.2. Im Lichte der eingangs erwähnten Beweisregeln und Grundsätze zur
Beweiswürdigung (E. 2.2.2) ist die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und
die entsprechende Beweiswürdigung nicht mangelhaft im Sinne von Art. 97 Abs. 1
BGG. Das kantonale Gericht hat sich mit allen relevanten medizinischen
Unterlagen auseinandergesetzt und eingehend begründet, weshalb kein sachlicher
Zusammenhang zwischen dem beim Skiunfall am 6. April 2002 zugezogenen
Knochenriss und den beidseitigen Femurkopfnekrosen, welche die Ausrichtung
einer Rente der Invalidenversicherung begründet haben, besteht. Ebenso wenig
hat es mit der antizipierten Beweiswürdigung Bundesrecht verletzt. Nicht
stichhaltig ist auch die geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs,
denn entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat das kantonale Gericht
(E. 3.4 und 3.5 seines Entscheids) das Gutachten des Prof. Dr. B.________ vom
3. September 2005 in seine Beurteilung miteinbezogen. Selbst wenn ein
sachlicher Zusammenhang bejaht wird, führt dies zu keinem andern Ergebnis. Das
kantonale Gericht hat mit eingehender Begründung den zeitlichen Zusammenhang
verneint. Es hat festgestellt, dass beim Beschwerdeführer im Januar 2003 noch
keine bleibende Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 25 % bestand und er bis zur
frühest möglichen Entstehung des Rentenanspruchs mindestens während eines
Jahres ein rentenausschliessendes Einkommen hätte erzielen können. Mit dieser
tatsächlichen Feststellung, welche für das Bundesgericht verbindlich ist (Art.
105 Abs. 1 BGG), setzt sich der Beschwerdeführer mit Blick auf Art. 42 Abs. 2
BGG nicht in rechtsgenügender Weise auseinander (BGE 133 IV 119 E. 6.3 S. 120
f. mit Hinweisen; vgl. auch Urteile 8C_796/2010 vom 25. März 2011 E. 4 und
8C_1000/2010 vom 8. Dezember 2010). Mit Bezug auf den zeitlichen Zusammenhang
wird einzig vorgebracht, das beantragte neue Gutachten hätte mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit gezeigt, dass nicht nur der sachliche, sondern
auch der zeitliche Konnex zwischen dem Unfall vom 6. April 2002 und der
Invalidität des Klägers gegeben sei. Nach dem Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2008 bestand in einer
leidensangepassten Tätigkeit bis zum 1. Mai 2005 eine volle Arbeitsfähigkeit
und ein Anspruch auf eine Viertelsrente ab 1. Mai 2005. Da der Beschwerdeführer
nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses mit der Beschwerdegegnerin nach den
verbindlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts ein rentenausschliessendes
Einkommen hätte erzielen können, hat der zeitliche Konnex zwischen der
Arbeitsunfähigkeit während des Vorsorgeverhältnisses und der rund 11 /2 Jahre
später eingetretenen Invalidität als unterbrochen zu gelten (BGE 134 V 20 E.
5.3 S. 27). Der kantonale Gerichtsentscheid hält daher vor Bundesrecht stand.

4.
Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. Juli 2013
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Der Gerichtsschreiber: Nussbaumer

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