Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 936/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_936/2012

Urteil vom 7. Juni 2013

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

P.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Diego Quinter,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 29. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
Die 1966 geborene P.________ meldete sich im Dezember 2004 bei der
lichtensteinischen und im Februar 2005 bei der schweizerischen
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Beschluss vom 27. Oktober 2009
sprach ihr die lichtensteinische Invalidenversicherung eine ganze
Invalidenrente ab 1. September 2004 zu (Invaliditätsgrad von 88 %). Hingegen
verneinte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens einen Rentenanspruch mit der Begründung, die Versicherte
sei in einer leidensadaptierten Tätigkeit soweit arbeitsfähig, dass weder im
Erwerbs- noch im Haushaltsbereich eine Einschränkung resultiere (Verfügung vom
22. Juli 2010).

B.
Mit Beschwerde beantragte P.________ eine ganze Invalidenrente ab 15. September
2003, eventuell ab Datum nach richterlichem Ermessen; die IV-Stelle ersuchte um
Abweisung des Rechtsmittels. In Gutheissung der Beschwerde hob das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die Verfügung vom 22. Juli 2010 auf
und wies die Sache zur Festsetzung von Höhe und Beginn der Rente auf Basis
einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit an die Verwaltung zurück (Entscheid vom
29. Oktober 2012).

C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Antrag, der Entscheid vom 29. Oktober 2012 sei aufzuheben und die Verfügung
vom 22. Juli 2010 zu bestätigen. Ferner ersucht sie um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung.
P.________ lässt sich nicht vernehmen. Das kantonale Gericht und das Bundesamt
für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.

1.1. Beim vorinstanzlichen Rückweisungsentscheid handelt es sich in der
Terminologie des BGG um einen Zwischenentscheid. Er kann daher nur unter den
Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG selbstständig angefochten werden (BGE
133 V 477 E. 4.2 S. 481 f.). Lit. a dieser Bestimmung lässt die selbstständige
Anfechtung eines Zwischenentscheids zu, wenn dieser einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Nach der Rechtsprechung ist diese
Voraussetzung seitens des Versicherers erfüllt, wenn der Rückweisungsentscheid
eines kantonalen Gerichts verbindliche Vorgaben zu den Grundlagen der
Anspruchsbeurteilung enthält (BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.; Urteil I 126/07
vom 6. August 2007 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 133 V 504, aber in SVR 2008 IV
Nr. 31 S. 100; Urteil 8C_274/2012 vom 4. Dezember 2012 E. 1, nicht publ. in:
BGE 138 V 522). Diese Konstellation liegt hier vor (E. 2). Auf die Beschwerde
ist somit einzutreten.

1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Die Vorinstanz hat dem Gutachten des Dr. med. K.________, Facharzt für
Psychiatrie und Neurologie sowie Psychotherapeut, vom 8. Oktober 2009
Beweiskraft beigemessen. Gestützt darauf hat sie festgestellt, mit der
chronifizierten Depression liege eine selbstständige, vom Schmerzsyndrom
losgelöste psychische Komorbidität vor, welche die Arbeitsfähigkeit der
Versicherten seit September 2003 vollumfänglich einschränke. Damit hat sie -
bei einem Erwerbsstatus von 80 % (vgl. Art. 28a Abs. 3 IVG) - implizite den
Anspruch auf eine ganze Invalidenrente bejaht (vgl. Art. 16 ATSG in Verbindung
mit Art. 28 Abs. 2 IVG), auch wenn sie deren Höhe und Beginn nicht festgelegt
hat.

3.

3.1.

3.1.1. Somatoforme Schmerzstörungen und ähnliche aetiologisch-pathogenetisch
unerklärliche syndromale Leidenszustände vermögen in der Regel keine lang
dauernde, zu einer Invalidität im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG führende
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit zu bewirken (BGE 136 V 279 E. 3 S. 280 ff.;
130 V 352 E. 2.2.2 und 2.2.3 S. 353 f.; 132 V 65; 131 V 49; 130 V 396). Die -
nur in Ausnahmefällen anzunehmende - Unzumutbarkeit eines Wiedereinstiegs in
den Arbeitsprozess setzt das Vorliegen einer mitwirkenden, psychisch
ausgewiesenen Komorbidität von erheblicher Schwere, Intensität, Ausprägung und
Dauer oder aber das Vorhandensein anderer qualifizierter, mit gewisser
Intensität und Konstanz erfüllter Kriterien voraus wie chronische körperliche
Begleiterkrankungen und mehrjähriger Krankheitsverlauf bei unveränderter oder
progredienter Symptomatik ohne längerfristige Remission, ein ausgewiesener
sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens, ein verfestigter, therapeutisch
nicht mehr angehbarer innerseelischer Verlauf einer an sich missglückten,
psychisch aber entlastenden Konfliktbewältigung (primärer Krankheitsgewinn)
oder schliesslich unbefriedigende Behandlungsergebnisse trotz konsequent
durchgeführter Behandlungsbemühungen (auch mit unterschiedlichem
therapeutischem Ansatz) und gescheiterte Rehabilitationsmassnahmen bei
vorhandener Motivation und Eigenanstrengung der versicherten Person voraus (BGE
130 V 352 E. 2.2.3 S. 354 f.). Je mehr dieser Kriterien zutreffen und je
ausgeprägter sich die entsprechenden Befunde darstellen, desto eher sind die
Voraussetzungen für eine zumutbare Willensanstrengung zu verneinen (BGE 137 V
64 E. 4.1 S. 67 f.; 131 V 49 E. 1.2 S. 50 f. mit Hinweisen).

3.1.2. Auch wenn eine invalidisierende Wirkung einer mittelschweren depressiven
Störung nicht von vornherein auszuschliessen ist, bedingt deren Annahme
jedenfalls, dass es sich dabei nicht bloss um die Begleiterscheinung einer
Schmerzkrankheit handelt (vgl. in Bezug auf mittelgradige depressive Episoden
Urteil 9C_736/2011 vom 7. Februar 2012 E. 4.2.2.1 mit Hinweisen), sondern um
ein selbstständiges, vom psychogenen Schmerzsyndrom losgelöstes depressives
Leiden (Urteil 9C_869/2011 vom 18. April 2012 E. 4.5; SVR 2008 IV Nr. 1 S. 1, I
176/06 E. 5.2). Fehlt es daran, ist nach der Rechtsprechung in der Regel keine
invalidisierende Wirkung des Gesundheitsschadens anzunehmen (BGE 137 V 64; 130
V 352).

3.2.

3.2.1. Bei der Beurteilung der Arbeits (un) fähigkeit stützt sich die
Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen
und gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind.
Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen
und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher
Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des
Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen
Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die
geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese)
abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie
der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der
Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352
mit Hinweis).

3.2.2. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG [SR 830.1];
vgl. BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober
2007 E. 4 mit Hinweisen) darf sich die Verwaltung - und im Streitfall das
Gericht - weder über die (den beweisrechtlichen Anforderungen genügenden)
medizinischen Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen noch sich die ärztlichen
Einschätzungen und Schlussfolgerungen zur (Rest-) Arbeitsfähigkeit unbesehen
ihrer konkreten sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen
machen. Die rechtsanwendenden Behörden haben diesfalls mit besonderer Sorgfalt
zu prüfen, ob die ärztliche Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit auch
invaliditätsfremde Gesichtspunkte (insbesondere psychosoziale und
soziokulturelle Belastungsfaktoren) mitberücksichtigt, die vom
invaliditätsrechtlichen Standpunkt aus unbeachtlich sind (vgl. BGE 130 V 352 E.
2.2.5 S. 355 f.; 127 V 294 E. 5a S. 299; SVR 2012 IV Nr. 22 S. 95, 8C_302/2011
E. 2.5.1). Wo psychosoziale Einflüsse das Bild prägen, ist bei der Annahme
einer rentenbegründenden Invalidität Zurückhaltung geboten (vgl. BGE 127 V 294
E. 5a S. 299; Urteile 9C_2010/2012 vom 9. Juli 2012 E. 3.3.2; 9C_1041/2010 vom
30. März 2011 E. 5.1).

3.3. Die Vorinstanz hat die Frage nach der Arbeitsfähigkeit aus somatischer
Sicht offengelassen. Im Gutachten der Klinik X.________ vom 25. August 2008
wurden mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit ein chronisches myofasziales
generalisiertes Schmerzsyndrom sowie ein chronisches
zervikothorakospondylogenes Syndrom diagnostiziert und für angepasste
Tätigkeiten eine ganztägige Arbeitszeit mit zusätzlichen Pausen von 1,5 bis 2
Stunden pro Tag für zumutbar gehalten. Davon ist in somatischer Hinsicht
auszugehen: Dass diesbezüglich das Gutachten der Klinik X.________ den
bundesrechtlichen Anforderungen an die Beweiskraft (E. 3.2.1) nicht genügen
oder sich der Gesundheitszustand resp. die Arbeitsfähigkeit seit der
Begutachtung verschlechtert haben sollte, ist nicht ersichtlich und wurde resp.
wird nicht geltend gemacht.

3.4.

3.4.1. Mit Blick auf die psychiatrischen Aspekte hat die Vorinstanz
festgestellt, ein langjähriger, chronifizierter Krankheitsverlauf mit
weitgehend unveränderter Symptomatik ohne länger dauernde Rückbildung lasse
sich mit Bezug auf die Schmerzproblematik nicht in Abrede stellen. Demgegenüber
sei ein sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens nicht ersichtlich. Laut
Dr. med. K.________ sei die depressive Störung nicht verbesserbar; das
Vorliegen eines gefestigten, nicht mehr angehbaren innerseelischen Verlaufs und
damit eine selbstständige psychische Erkrankung lasse sich nicht verneinen. Die
Verhaltensauffälligkeiten seien nicht auf Aggravation, sondern auf eine
Persönlichkeitsstörung zurückzuführen. Die fachärztliche Bestätigung einer
chronifizierten Depression mit schlechter Prognose stelle nicht eine blosse
(reaktive) Begleiterscheinung des Schmerzgeschehens dar, vielmehr sei von einer
selbstständigen, vom Schmerzsyndrom losgelösten psychischen Komorbidität
auszugehen.

3.4.2. Soweit die Vorinstanz aus einem gefestigten, therapeutisch nicht mehr
angehbaren Krankheitsverlauf resp. aus der fachärztlichen Diagnose einer
chronifizierten Depression resp. "rezidivierenden depressiven Störung (F33 nach
ICD-10) " den Schluss zieht, es bestehe nebst dem syndromalen Schmerzleiden (E.
3.3) eine davon losgelöste, selbstständige psychische Komorbidität, kann ihr
nicht beigepflichtet werden. Solches lässt sich nicht aus der allgemeinen
Lebenserfahrung ableiten und steht auch nicht im Einklang mit der Aktenlage.
Bereits im Bericht des Hausarztes vom 10. Januar 2005 wurde die im November
2003 eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes auf Depressionen
und "chronisch rezidivierende multifaktorielle Probleme von Seiten des
Bewegungsapparates" zurückgeführt. In den weiteren medizinischen Unterlagen
wurde neben der Stimmungslage immer auch die Schmerzproblematik thematisiert,
was teilweise in die Diagnosen Fibromyalgie oder somatoforme Schmerzstörung
mündete. Selbst Dr. med. K.________ verwies auf die Verbindung der depressiven
Erkrankung mit den körperlichen (Schmerz-) Symptomen. Von einer eigenständigen
psychischen Komorbidität kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden,
zumal dies auch Dr. med. K.________ nicht (nachvollziehbar) darlegte.

3.4.3. Im Bericht der Klinik Y.________ vom 19. April 2006 wurde die bisherige
Diagnose einer rezidivierenden Depression revidiert und neu, nach rund
zweimonatiger stationärer Behandlung der Versicherten, eine Dysthymie
diagnostiziert. Diese Diagnose wurde vom behandelnden Psychiater (Berichte vom
25. Mai 2006 und 30. April 2007) und von Dr. med. F.________, Facharzt für
Psychiatrie und Psychotherapie, bestätigt (Gutachten vom 18. Januar 2007 und
10. Juli 2008). Der Experte Dr. med. K.________ vertrat indessen die
Auffassung, beim Leiden der Beschwerdeführerin handle es sich seit 2003 nicht
lediglich um eine Dysthymie, sondern um mindestens eine leichte depressive
Störung. Dies begründete er im Wesentlichen mit den Angaben der Versicherten,
ihres Ehemannes und des behandelnden Psychiaters, während er sich mit den
Befunden und Erkenntnissen der Klinik Y.________ und des Dr. med. F.________
nicht näher auseinandersetzte. Die Frage, ob Dr. med. K.________ seine Diagnose
überzeugend begründete, kann indessen offenbleiben.
Auch wenn von einer rezidivierenden depressiven Störung auszugehen ist, hat sie
letztlich unter versicherungsrechtlichen Aspekten keinen invalidisierenden
Charakter (Urteile 9C_521/2012 vom 17. Januar 2013 E. 4.3; 9C_210/2012 vom 9.
Juli 2012 E. 4.2 mit Hinweisen) : Einerseits steht sie im Zusammenhang mit dem
Schmerzleiden (E. 3.4.2), und Episoden schweren Ausmasses (vgl. SVR 2012 IV Nr.
56 S. 200, 9C_302/2012 E. 4.3.2; SVR 2011 IV Nr. 57 S. 171, 8C_958/2010 E.
6.2.2.2) wurden einzig von Dr. med. K.________ erkannt, allerdings lediglich in
retrospektiver Beurteilung nicht konkret genannter Symptome. Anderseits scheint
die depressive Beeinträchtigung weitgehend auf sozialen Problemen und somit
grundsätzlich invaliditätsfremden Faktoren zu beruhen: So stellten die Ärzte
der Klinik Y.________ einen chronischen Paarkonflikt als "Grundkonflikt" fest,
bei dessen Zuspitzung die ängstlich-depressiven Symptome der Versicherten
exazerbierten. Zusätzlich verwiesen sie auf Erziehungsprobleme mit dem Sohn und
das mittlerweile fehlende eigene Einkommen der Versicherten. Dr. med.
F.________ sah "erheblichen Einfluss" auf die Entstehung und den Erhalt der
geklagten Symptome in ehelichen Problemen, Erziehungsproblemen, der
Mehrfachbelastung als Hausfrau, Mutter und Arbeiterin sowie in der fehlenden
Möglichkeit, den gelernten Beruf adäquat umzusetzen. Der behandelnde Psychiater
nannte den einen Rentenanspruch verneinenden Vorbescheid der IV-Stelle und
damit verbundene Existenzängste als Ursache für eine "Krise". Anlässlich der
somatischen Begutachtung in der Klinik X.________ wurde eine "ausgeprägte
Fixierung auf eine Rentenzusprache" festgestellt. Dr. med. K.________ hielt
zwar - ohne nähere Begründung - die Depression für die Ursache des
Ehekonflikts; indessen vertrat auch er die Auffassung, dass die angespannte
Ehesituation eine "Akzentuierung der Symptomatik" bewirke, was den
Krankheitsverlauf negativ beeinflusse. Unter diesen Umständen ist nicht
ersichtlich und wurde namentlich im Gutachten des Dr. med. K.________ nicht
nachvollziehbar dargelegt (vgl. E. 3.2.2), weshalb trotz Ausklammerung der
genannten Gegebenheiten eine vollständige, seit September 2003 andauernde
Arbeitsunfähigkeit resultieren sollte. Für eine solche Annahme genügen auch ein
verfestigter, therapeutisch nicht mehr angehbarer innerseelischer Verlauf einer
Konfliktbewältigung und gescheiterte Behandlungsbemühungen wie im konkreten
Fall nicht, zumal erhebliche körperliche Begleiterkrankungen und ein sozialer
Rückzug in allen Belangen des Lebens (E. 3.1.1) ausgeschlossen sind (E. 3.3 und
3.4.1).

3.5. Nach dem Gesagten bleibt es bei der unter somatischen Aspekten
festgelegten Restarbeitsfähigkeit in angepassten Tätigkeiten (E. 3.3). Bei
Berücksichtigung des Pausenbedarfs von täglich 1,5 bis 2 Stunden sind der
Versicherten somit durchschnittlich 32,95 Arbeitsstunden pro Woche zumutbar,
was einem Pensum von knapp 80 % entspricht. Angesichts des Erwerbsstatus in
dieser Höhe (E. 2) und der weiteren Invaliditätsbemessungsfaktoren (Art. 28a
Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG und Art. 28a Abs. 2 IVG) ist ein
rentenbegründender Invaliditätsgrad (Art. 28 Abs. 2 IVG) auszuschliessen. Die
Beschwerde ist begründet.

4.
Mit dem Urteil in der Sache wird das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden
Wirkung gegenstandslos.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 29. Oktober 2012 wird aufgehoben und die Verfügung der
IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 22. Juli 2010 bestätigt.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zurückgewiesen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. Juni 2013
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Meyer

Die Gerichtsschreiberin: Dormann

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