Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 857/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_857/2012

Urteil vom 4. Dezember 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Nussbaumer.

Verfahrensbeteiligte
T.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen die Verfügung des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
31. August 2012.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 7. März 2007 wies die IV-Stelle des Kantons Aargau das Gesuch
des I.________ (geboren 1963) um Ausrichtung einer Invalidenrente ab. Dagegen
liess er durch Advokatin lic. iur. T.________ Beschwerde beim
Versicherungsgericht des Kantons Aargau einreichen und die Zusprechung "einer
angemessenen Rente" nebst Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
beantragen. Am 25. Mai 2007 bewilligte der Instruktionsrichter die
unentgeltliche Rechtspflege und ernannte lic. iur. T.________ zur
unentgeltlichen Rechtsvertreterin. Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsenem
Entscheid vom 11. März 2008 wies das Versicherungsgericht die Beschwerde ab.
Mit Eingaben vom 15. September und 6. Oktober 2009 reichte T.________ ihre
Honorarnote ein. Darin machte sie einen Aufwand von 23,5 Stunden à Fr. 180.-
sowie Auslagen in Höhe von Fr. 142.- sowie Mehrwertsteuer von Fr. 332.25 im
Gesamtbetrag von Fr. 4'704.25 geltend. Mit Entscheid vom 31. August 2012 setzte
das Versicherungsgericht das Honorar auf Fr. 2'520.- (inkl. Fr. 178.-
Mehrwertsteuer) fest.

B.
T.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei ihr eine
Entschädigung von Fr. 4'230.- zuzüglich Spesen in Höhe von Fr. 142.- und
Mehrwertsteuer von Fr. 332.25 zuzusprechen. Eventuell sei ihr eine angemessene
- höher als von der Vorinstanz festgesetzt - Entschädigung zuzusprechen.
Subeventuell sei die Frage der Höhe der Entschädigung mit verbindlichen
Weisungen an die Vorinstanz zur Entscheidung zurückzuweisen.
Das Versicherungsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdeführerin ist als unentgeltliche Rechtsbeiständin legitimiert, in
eigenem Namen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die
von der Vorinstanz zugesprochene Entschädigung für ihre Tätigkeit zu führen
(Art. 89 Abs. 1 BGG; z.B. Urteil 9C_284/2012 vom 18. Mai 2012 E. 1 mit
Hinweis). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.
2.1 Die Bemessung der Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes im
kantonalen Verfahren ist mangels bundesrechtlicher Bestimmungen dem kantonalen
Recht überlassen (BGE 131 V 153 E. 6.1 S. 158; Kieser, ATSG-Kommentar, 2.
Aufl., N 109 zu Art. 61 ATSG), mit welchem sich das Bundesgericht unter
Vorbehalt der in Art. 95 lit. c-e BGG genannten Ausnahmen grundsätzlich nicht
zu befassen hat. Eine Bundesrechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG
liegt vor, wenn die Anwendung kantonalen Rechts, sei es wegen seiner
Ausgestaltung oder aufgrund des Ergebnisses im konkreten Fall, zu einer
Verfassungsverletzung führt. Im Bereich der nach kantonalem Recht
zuzusprechenden und zu bemessenden Parteientschädigungen, und damit namentlich
auch der Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes, fällt praktisch
nur das Willkürverbot (Art. 9 BV) in Betracht (vgl. das bereits zitierte Urteil
9C_284/2012 vom 18. Mai 2012 E. 2 mit Hinweis; zu dessen Voraussetzungen: BGE
132 I 13 E. 5.1 S. 17).

2.2 Dem erstinstanzlichen Gericht ist bei der Bemessung der Entschädigung
praxisgemäss ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen (vgl. die
Zusammenfassung der Rechtsprechung in SVR 2000 IV Nr. 11 S. 31, I 308/98 E.
2b). Das Bundesgericht greift nur ein, wenn der Ermessensspielraum klarerweise
überschritten worden ist und wenn Bemühungen nicht honoriert werden, die
zweifelsfrei zu den Obliegenheiten eines amtlichen Vertreters gehören (BGE 118
Ia 133 E. 2d S. 136).

3.
3.1 Der Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand umfasst nicht alles, was
für die Wahrnehmung der Interessen des Mandanten von Bedeutung ist. Ein
verfassungsrechtlicher Anspruch besteht gemäss Art. 29 Abs. 3 BV vielmehr
einzig, soweit es zur Wahrung der Rechte notwendig ist. Der Begriff der
Notwendigkeit bestimmt nicht nur den qualitativen Anspruch (die Bestellung
eines Rechtsbeistands), sondern auch den quantitativen (den Umfang der
Vergütung). Entschädigungspflichtig sind jene Aufwendungen, die in einem
kausalen Zusammenhang mit der Wahrung der Rechte im Prozess stehen und
notwendig und verhältnismässig sind. Nur in diesem Umfang lässt es sich
rechtfertigen, die Kosten der Staatskasse oder gegebenenfalls dem Prozessgegner
aufzuerlegen. Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung wird es deshalb
beispielsweise als zulässig erachtet, das Honorar für amtliche Mandate im
Vergleich zu demjenigen für freie Mandate tiefer anzusetzen (BGE 132 I 201 E.
7.3.4 S. 209 und 8.6 S. 217), wobei die Entschädigung so festzusetzen ist, dass
der unentgeltlichen Rechtsvertretung ein Handlungsspielraum verbleibt und das
Mandat wirksam ausgeübt werden kann (Urteil des Bundesgerichts 6B_130/2007 vom
11. Oktober 2007 E. 3.2.5).

3.2 Sofern die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung gegeben sind, hat der Staat ab Einreichung des Gesuchs die
Kosten der Verbeiständung zu übernehmen. Mit Bezug auf die Ansprüche vor der
Verleihung des öffentlich-rechtlichen Mandats hat das Bundesgericht
entschieden, dass der Staat den Anspruch des Rechtsbeistandes nicht erst auf
den Zeitpunkt der Gesuchsbewilligung beziehen darf, sondern die unentgeltliche
Verbeiständung bereits Wirkung auf die anwaltlichen Bemühungen für die
gleichzeitig mit dem Gesuch eingereichte Rechtsschrift entfaltet. Selbst wenn
keine weiteren Prozesshandlungen mehr erforderlich sind, kann die
unentgeltliche Verbeiständung daher nicht mit der Begründung abgelehnt werden,
es bedürfe der Bestellung eines unentgeltlichen Vertreters nicht mehr, weil
dessen Arbeit bereits geleistet sei (BGE 122 I 322 E. 3b S. 325 f.). In
zeitlicher Hinsicht erstreckt sich das Mandat auf den im Anschluss an den
kantonalen Gerichtsentscheid anfallenden Aufwand, insbesondere das Studium des
Entscheids und die Schlussbesprechung mit der Klientschaft (Urteil 9C_387/2012
vom 26. September 2012 E. 4).

4.
4.1 Das kantonale Gericht ging bei seinem Entscheid davon aus, dass in
Beschwerdesachen betreffend IV-Renten, in denen medizinische Akten zu würdigen,
die Bemessungsmethode zu bestimmen, das Validen- und Invalideneinkommen
festzulegen sind, der langjährige Durchschnitt der zugesprochenen
Parteientschädigungen am Versicherungsgericht rund Fr. 2'500.- betrügen, was
beim üblichen Stundenansatz von Fr. 220.- und unter Berücksichtigung von
Auslagen sowie Mehrwertsteuer einem Aufwand - ohne Verhandlung - von rund 10
Stunden entspreche. Die Honorierung erfolge nur für das Beschwerdeverfahren.
Dieses setze mit dem Empfang und dem Studium der angefochtenen Verfügung ein.
In der eingereichten Kostennote betreffe der Aufwand bis und mit 7. Februar
2007 (Datum der IV-Verfügung) 1 ½ Stunden für das Verwaltungsverfahren, für
welches keine Honorierung erfolge.
Es blieben somit 22 aufgewendete Stunden. Die IV-Stelle habe sich bei ihrem
abweisenden Entscheid vom 7. März 2007 vor allem auf das MEDAS-Gutachten des
Spitals X.________ vom 11. Dezember 2006 gestützt. Im Beschwerdeverfahren sei
es praktisch ausschliesslich um eine Auseinandersetzung über dieses Gutachten
gegangen. Der Beschwerdeführer habe dessen Schlüssigkeit bestreiten und ihm die
vorausgegangenen Berichte der Dres. K.________ und S.________ und insbesondere
den Abklärungsbericht des Spitals Y.________ zur Einschätzung der Arbeits- und
Erwerbsfähigkeit vom 16. Dezember 2004 entgegenhalten lassen. Im Übrigen würden
in der 16 Seiten umfassenden Beschwerdeschrift vom 13. April 2007 zunächst
ausführlich alle medizinischen Vorgänge seit dem Jahre 2001 geschildert. Die
Auseinandersetzung mit der angefochtenen Verfügung beginne erst auf Seite 9.
Dies hätte durchaus unterbleiben oder - wenn schon - kürzer gefasst werden
können, mache sich doch das Gericht regelmässig selber ein Bild über die
medizinische Vorgeschichte. Zu Validen- und Invalideneinkommen würden überhaupt
keine Ausführungen gemacht. Auffallend sei sodann auch, dass bis und mit
Einreichung der Beschwerde - unter Abzug der erwähnten 1,5 Stunden für das
Verwaltungsverfahren - 14.75 Stunden ausgewiesen würden, anschliessend aber
nochmals 7.25 Stunden, u.a. für 6 Schreiben an den und 8 Telefongespräche mit
dem Klienten. Dies sei einigermassen aussergewöhnlich, sei doch in einem
Beschwerdeverfahren in aller Regel der überwiegende Teil des gesamten Aufwandes
mit dem Einreichen der Beschwerdeschrift erbracht. Zusammenfassend erscheine
angesichts der beschränkten Problematik, die zu bearbeiten gewesen sei, ein
Aufwand von 10 Stunden à Fr. 220.- angemessen. Dazu kämen die - ebenfalls
reichlich ausgefallenen - Auslagen von Fr. 142.- sowie 7.6 % Mehrwertsteuer auf
Fr. 2'342.- (= Fr. 178.-), zusammen Fr. 2'520.-.

4.2 Die vom kantonalen Gericht zugesprochene Entschädigung hält sich im Rahmen
des dem kantonalen Gericht zustehenden weiten Ermessensspielraum und der
Grundsätze zur Honorarbemessung (E. 3 hievor). Der für das gesamte
vorinstanzliche Beschwerdeverfahren als notwendig erachtete Aufwand von 10
Stunden hält vor Bundesrecht stand. Es stellten sich keine besonders
schwierigen Rechtsfragen. Mit Blick auf den zu beurteilenden Sachverhalt kann
von einem relativ einfachen bis durchschnittlichen Fall gesprochen werden, der
eine erfahrene Anwältin nicht vor besondere Schwierigkeiten stellt (vgl. auch
BGE 111 V 48 E. 5b S. 50; SVR 2002 ALV Nr. 3 S. 5 E. 4b [C 130/99]). Sodann hat
das kantonale Gericht zu Recht den in Rechnung gestellten Aufwand für die Zeit
vor Erlass der Verwaltungsverfügung abgezogen (E. 3.2 hievor). Selbst wenn der
nach Einreichung der Beschwerdeschrift getätigte Aufwand, namentlich das
Studium des Entscheids, vermehrt berücksichtigt wird, ist die Bemessung der
Entschädigung im Ergebnis nicht willkürlich. An diesem Ergebnis ändern
sämtliche Einwendungen in der Beschwerde nichts. Der durch das lange Zuwarten
mit der Festsetzung der Entschädigung entstandene Zinsverlust kann im Rahmen
der Honorarfestsetzung nicht berücksichtigt werden. Es steht der
Beschwerdeführerin frei, für das zugesprochene Honorar gegenüber dem Kanton als
Schuldner einen Verzugszins geltend zu machen.

5.
Ausgangsgemäss hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 600.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle des Kantons Aargau und dem
Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 4. Dezember 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Nussbaumer