Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 838/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_838/2012

Urteil vom 26. November 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Verfahrensbeteiligte
H.________,
vertreten durch Rechtsanwältin
Ursula Reger-Wyttenbach,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 24. August 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a H.________ (geb. 1954), welcher als gelernter Koch bei verschiedenen
Arbeitgebern (u.a. Service X.________, verschiedene Altersheime, M.________,
Metzgerei) in leitender Stellung tätig gewesen war, meldete sich am 22. Februar
2010 bei der IV-Stelle des Kantons Zürich unter Hinweis auf rezidivierende
Diskushernien und ein operiertes Hüftgelenk links zum Leistungsbezug an. Die
IV-Stelle klärte den Sachverhalt in beruflicher und medizinischer Hinsicht ab.
Dr. med. V.________, Allgemeinmedizin, berichtete am 11. März 2010, der an
internistischen (Diabetes mellitus, Hypertonie, Adipositas) und Rücken-,
Schulter- sowie Gelenksbeschwerden leidende Versicherte befinde sich in
offenbar ausgedehnter Behandlung bei Frau Dr. med. F.________, FMH
Physikalische Medizin und Rehabilitation, welche der Durchführungsstelle am 11.
Juni 2010 unter Beilegung neurologischer und elektrodiagnostischer
Untersuchungsberichte des Dr. med. S.________, Facharzt FMH Neurologie, vom 13.
Januar 2010 berichtete.
A.b Am 9. August 2010 lud die IV-Stelle H.________ ein zum Gespräch betreffend
die berufliche Situation. Aus den beigebrachten Unterlagen geht hervor, dass
der Versicherte seit 1. März 2009 teilzeitlich als Koch für das Restaurant
Y.________ tätig ist (zu 50 %). Das Erstgespräch vom 25. August 2010 ergab
unter anderem, dass der Versicherte, zeit seines Lebens als Koch beschäftigt,
eine Teilzeitstelle als Koch in einem Altersheim anstrebt, wobei er sich sogar
zutraue, seine Tätigkeit im Umfang von 60 % bis 70 % auszuüben. Er bewerbe sich
nur als Koch und könne sich nicht vorstellen eine andere Tätigkeit auszuüben.
Da sich der Versicherte vom RAV (RAV) Fehraltorf bei der Stellensuche
ausreichend unterstützt fühlte, schloss die IV-Stelle die Arbeitsvermittlung ab
(Mitteilung vom 6. Oktober 2010). Schon am 18. Juni 2010 hatte Dr. med.
E.________ vom Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD), welchem die (medizinischen)
Akten unterbreitet wurden, zur Arbeitsfähigkeit in dem Sinne Stellung genommen,
dass in der bisherigen Tätigkeit als Koch eine 50%ige Leistungsfähigkeit
bestehe (seit Januar 2009); behinderungsangepasste Tätigkeiten (leichte
Tätigkeiten in Wechselbelastung überwiegend im Sitzen, ohne Heben, Tragen und
Bewegen von Lasten > als 5 kg, ohne Verharren in Zwangshaltungen) seien zu 90 %
zumutbar, wobei die 10%ige Einschränkung mit der Notwendigkeit zusätzlicher
Pausen begründet werde. Gestützt auf diese Abklärungsergebnisse führte die
IV-Stelle den Einkommensvergleich durch, indem sie dem Valideneinkommen von Fr.
75'400.- ein Invalideneinkommen von Fr. 53'566.60 gegenüberstellte, woraus sich
ein nicht rentenbegründender Invaliditätsgrad von 29 % ergab. Nach Durchführung
des Vorbescheidverfahrens lehnte die IV-Stelle den Rentenanspruch mit Verfügung
vom 8. November 2010 ab.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 24. August 2012 ab.

C.
H.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, es sei ihm, unter Aufhebung von kantonalem
Gerichtsentscheid und ablehnender Verwaltungsverfügung, eine
Dreiviertels-Invalidenrente zuzusprechen; eventualiter sei die IV-Stelle zu
verpflichten, zusätzliche medizinische Abklärungen durchzuführen und danach neu
über den Rentenanspruch zu entscheiden. Auf die einzelnen Vorbringen wird,
soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.

Erwägungen:

1.
1.1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Seinem Urteil legt es den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz, auf Rüge hin oder von Amtes wegen, berichtigen oder ergänzen,
wenn sie offensichtlich unrichtig (dazu E. 1.2) ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht, und wenn die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 BGG). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat
die beschwerdeführende Person genau darzulegen. Dazu genügt es nicht, einen von
den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu
behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 137 II 353 E. 5.1
S. 356; SVR 2012 BVG Nr. 11 S. 44, 9C_779/2010 E. 1.1.2 [nicht publiziert in
BGE 137 V 446]).
Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig,
wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig
unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine
offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in
Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (vgl. BGE 129 I
8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_967/2008 vom 5. Januar 2009 E. 5.1). Diese Grundsätze
gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung (Urteil 9C_999/2010 vom
14. Februar 2011 E. 1 und 9C_734/2010 vom 21. Oktober 2010 E. 3; SVR 2012 BVG
Nr. 11 S. 44, 9C_779/2010 E. 1.1.1 [nicht publiziert in: BGE 137 V 446]).

1.2 Dem kantonalen Versicherungsgericht steht als Sachgericht im Bereich der
Beweiswürdigung ein erheblicher Ermessensspielraum zu (vgl. BGE 120 Ia 31 E. 4b
S. 40). Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur ein, wenn das
Sachgericht diesen missbraucht, insbesondere offensichtlich unhaltbare Schlüsse
zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche willkürlich ausser Acht lässt (
BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211; zum Begriff der Willkür BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5
mit Hinweisen). Inwiefern das kantonale Gericht sein Ermessen missbraucht haben
soll, ist in der Beschwerde klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 130 I 258 E.
1.3 S. 261). Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene
appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht
ein (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246 mit Hinweis).

2.
Streitig und zu prüfen ist allein, ob das kantonale Gericht dadurch Bundesrecht
verletzt hat, dass es für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG)
als Element der angefochtenen Invaliditätsbemessung (Art. 7, 8 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 4 Abs. 1, Art. 28, Art. 28a Abs. 1 IVG und Art. 16 ATSG)
auf die Einschätzung des RAD-Arztes Dr. med. E.________ abgestellt hat, welcher
eine 90%ige Leistungsfähigkeit für die im Sachverhalt unter lit. A.b erwähnten
zumutbaren Verweisungstätigkeiten attestierte.

2.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und
eine "unkorrekte Feststellung" der ihm noch zumutbaren Arbeitsfähigkeit. Die
Beschwerdeschrift fasst sodann den Inhalt der Berichte der behandelnden
Spezialärztin, Frau Dr. med. F.________, und des Dr. med. S.________ zusammen
und gibt den Schluss wieder, welchen der RAD-Arzt Dr. med. E.________ daraus
gezogen hat: eine 50%ige Arbeitsfähigkeit als Koch und ein Leistungsvermögen
von 90 % in behinderungsangepassten Tätigkeiten, worauf sich Verwaltung und
Vorinstanz abgestützt haben. Dr. med. E.________, welcher hinsichtlich der
Arbeitsfähigkeit als Koch mit Frau Dr. med. F.________ übereinstimme, begründe
"seine Beurteilung der zumutbaren Arbeitsfähigkeit in einer
behinderungsangepassten Tätigkeit von 90 % nicht weiter"; insbesondere fehlten
"jegliche Angaben zum aufgestellten Zumutbarkeitsprofil, welches sich mit den
Angaben von Frau F.________ nicht" decke; Dr. med. E.________ sei "praktischer
Arzt und kein Spezialist der Rheumatologie oder der physikalischen Medizin" wie
die behandelnde Frau Dr. med. F.________. Unter gesamthafter Würdigung von
deren Aussagen und aufgrund der spezialärztlich ausgewiesenen Probleme
vonseiten des Rückens (radikuläres Ausfallsyndrom L5 und S1 rechts, neurogene
Schädigung L5 mässig und S1 schwerst) sowie aufgrund der Fussheber- und
Fusssenker-Parese sei "auch in einer gesundheitlich angepassten Tätigkeit von
einer höheren Einschränkung als 10 % auszugehen". Insbesondere lasse "die
Angabe einer Arbeitsfähigkeit von 50 % durch Frau Dr. F.________ auf die
ergänzenden Fragen in Berücksichtigung der gesundheitlichen Situation im
Gesamten den Schluss zu, dass beim Beschwerdeführer sowohl für die angestammte
wie auch eine angepasste Tätigkeit eine Einschränkung von 50 %" bestehe. Die
vorinstanzliche Feststellung, dass die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit durch
Dr. med. E.________ den Ausführungen von Frau Dr. med. F.________ entspräche,
werde durch die vorliegenden Akten nicht bestätigt, habe sich doch bei den
einzelnen Teilaspekten einer zumutbaren Tätigkeit Frau Dr. med. F.________ zum
Ausmass der Einschränkungen nicht geäussert. Deren attestierte Einschränkungen
beim Gehen und Stehen bezögen sich klar nur auf die angestammte und bisherige
Tätigkeit als Koch, wovon auch Dr. med. E.________ selber in seiner kurzen
Beurteilung ausgehe. Denn Frau Dr. med. F.________ stelle auf die Frage 1.7
(Einschränkungen zur bisherigen Tätigkeit) fest, der Beruf als Koch könne fast
nur ausschliesslich im Stehen und Gehen ausgeübt werden, sodass hier sicherlich
eine Einschränkung bestehe (Verweis auf das Zusatzblatt für Ergänzungen), womit
sie nicht generell sage, dass sich die Einschränkungen auf das Gehen und Stehen
reduzierten.
2.2
2.2.1 Die interdisziplinär zusammengesetzten Regionalen Ärztlichen Dienste
(Art. 59 Abs. 2 IVG) stehen den IV-Stellen zur Beurteilung der medizinischen
Voraussetzungen des Leistungsanspruchs zur Verfügung. Sie setzen die für die
Invalidenversicherung nach Art. 6 ATSG massgebende funktionelle
Leistungsfähigkeit der Versicherten fest, eine zumutbare Erwerbstätigkeit oder
Tätigkeit im Aufgabenbereich auszuüben. Sie sind in ihrem medizinischen
Sachentscheid im Einzelfall unabhängig (Art. 59 Abs. 2bis IVG). Die Regionalen
Ärztlichen Dienste beurteilen die medizinischen Voraussetzungen des
Leistungsanspruchs. Die geeigneten Prüfmethoden können sie im Rahmen ihrer
medizinischen Fachkompetenz und der allgemeinen fachlichen Weisungen des
Bundesamtes frei wählen (Art. 49 Abs. 1 IVV). Solche Stellungnahmen der
Regionalen Ärztlichen Dienste unterliegen der freien, pflichtgemässen,
objektiven und umfassenden Beweiswürdigung durch die rechtsanwendenden
Instanzen (Art. 61 lit. c ATSG; Urteil 9C_323/2009 vom 14. Juli 2009, SVR 2009
IV Nr. 56 S. 174 mit zahlreichen Verweisungen; vgl. auch BGE 135 V 254).
2.2.2 Die Vorbringen in der Beschwerde verkennen, dass Dr. med. E.________ als
RAD-Arzt bei seiner Stellungnahme vom 18. Juni 2010 genau im Sinne von Art. 59
Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 49 Abs. 1 IVV geamtet hat. In
Berücksichtigung der sämtlichen medizinischen Akten - älteren und neuen Datums
- , insbesondere der Berichte der Frau Dr. med. F.________ und des Dr. med.
S.________, hat er zur Arbeitsunfähigkeit Stellung bezogen. Nun ist richtig,
dass Frau Dr. med. F.________ ihre Arbeitsunfähigkeitsschätzung nur in Bezug
auf den bisherigen Beruf als Koch quantifiziert hat ("halbtags oder 50 % über
den Tag verteilt mit mehreren Pausen"), wogegen eine solche zahlenmässige
Angabe für zumutbare Verweisungstätigkeiten fehlt. Der RAD-Arzt hat diese
Quantifizierung vorgenommen (90 %). Daran wäre dann rechtlich Anstoss zu
nehmen, wenn die Angabe eines 90%igen Leistungsvermögens für angepasste
Tätigkeiten mit den übrigen medizinischen Akten im Widerspruch stände. Das
trifft nicht zu. Frau Dr. med. F.________ selber, auf welche sich die
Beschwerde beruft, hat auf die Frage "Welche Arbeiten sind der versicherten
Person unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Einschränkungen in
behinderungsangepasster Tätigkeit noch zumutbar?" im Einzelnen geantwortet und
dabei lediglich drei von zwölf Arten Tätigkeiten als nicht mehr möglich
bezeichnet: rein stehende Tätigkeiten, vorwiegend im Gehen ausgeübte
Tätigkeiten und Auf Leitern/Gerüste steigen. Rein sitzende Tätigkeiten hat sie
als ganztägig zumutbar bejaht, bei den sonstigen körperlich anstrengenden
Tätigkeiten wie Bücken, Über-Kopf-Arbeiten, Kauern, Knien, Heben/Tragen und
Treppensteigen bloss die ganztägige Ausübung verneint. Nun gilt es zu
berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer im Verlauf der
Eingliederungsberatung Tätigkeiten aufgezeigt wurden, in denen diese Funktionen
nicht relevant sind, wie insbesondere eine vorwiegend sitzende Tätigkeit mit
der Möglichkeit aufzustehen und ein paar Schritte zu machen (Mitarbeiter in
einem Callcenter, z.B. im Vertrieb der T.________ AG, wo selbst eine
Vollzeitbeschäftigung möglich wäre, Überwachungsarbeiten am Bildschirm, z.B.
Überwachung eines Parkhauses). Wird dieses in der konkreten
Eingliederungssituation massgebliche Arbeitsprofil zum Bezugspunkt genommen,
kann die auf 90 % lautende Schätzung für zumutbare Verweisungstätigkeiten durch
Dr. med. E.________, welcher nicht nur Praktischer Arzt FMH ist, sondern auch
Facharzt Vertrauensarzt (SGV) und Zertifizierter medizinischer Gutachter (SIM),
keinesfalls als offensichtlich unrichtig, geschweige denn unhaltbar oder
willkürlich bezeichnet werden.

3.
Die übrigen Aspekte der Ermittlung des Invaliditätsgrades werden in der
Beschwerde nicht in Frage gestellt. Zu einer näheren Prüfung von Amtes wegen
besteht kein Anlass. Die Beschwerde ist unbegründet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 26. November 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Schmutz