Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 820/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_820/2012

Urteil vom 1. Mai 2013
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
G.________,
vertreten durch Rechtsanwalt und Notar Claude Wyssmann,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 31.
August 2012.

Sachverhalt:

A.
Die am 9. Mai 1981 geborene G.________ leidet an spastischer Hemiplegie links
(Ziff. 390 des Anhanges zur Verordnung vom 9. Dezember 1985 über
Geburtsgebrechen [GgV-Anhang; SR 831.232.21]) und bezog deswegen von der
Invalidenversicherung Hilfsmittel und medizinische Massnahmen. Sodann übernahm
die Invalidenversicherung die Mehrkosten für die erstmalige berufliche
Ausbildung zur Fachfrau Hauswirtschaft, welche G.________ im August 2009
erfolgreich abschloss. Am 1. April 2010 trat sie in einem Alters- und
Pflegeheim eine Arbeitsstelle als Allrounderin in den Bereichen Hauswirtschaft
und Verpflegung bei einem Pensum von 70 % an. Nach weiteren Abklärungen und
Durchführung des Vorbescheidverfahrens ermittelte die IV-Stelle Bern einen
Invaliditätsgrad von 13 % und verneinte mit Verfügung vom 22. Juni 2011 einen
Rentenanspruch.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 31. August 2012 ab, soweit es darauf eintrat.

C.
G.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit folgenden Anträgen:
"1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 31. August 2012 sei
vollumfänglich aufzuheben.

2. a) Der Beschwerdeführerin seien die gesetzlichen IV-Leistungen (berufliche
Massnahmen, vorbereitende Integrationsmassnahmen, Invalidenrente) nach Massgabe
eines Invaliditätsgrades von mindestens 40 % zuzusprechen.
b) Eventualiter: Die Beschwerdesache sei zur Vornahme weiterer Abklärungen
(Durchführung einer EFL, vorzugsweise im Zentrum für medizinische Abklärungen
für Menschen mit Hirnverletzung [ZBA] in Luzern, Erstellen eines
interdisziplinären Gutachtens, berufliche Abklärungen, an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

3. Es seien der Beschwerdeführerin die ihr im Zusammenhang mit der
neurologischen Begutachtung bei Dr. med. H.________ entstandenen Kosten im
Betrage von CHF 4'500.- im Rahmen zu ersetzen."
Die IV-Stelle Bern schliesst auf Abweisung der Beschwerde, worauf die
Versicherte eine weitere Eingabe einreichen lässt. Das kantonale Gericht und
das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
1.1 Gegenstand der Verfügung vom 22. Juni 2011 und des vorinstanzlichen
Entscheides bildete einzig der Rentenanspruch (vgl. BGE 125 V 413 E. 1 S. 414
f.). Soweit andere Versicherungsleistungen als eine Rente beantragt werden, ist
auf die Beschwerde nicht einzugehen.

1.2 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
2.1 Das kantonale Gericht hat den Gutachten der Frau Dr. med. I.________,
Fachärztin für Neurochirurgie, vom 19. April 2011 und des lic. phil
D._________, Fachpsychologe für Neuropsychologie, vom 7. Oktober 2010
Beweiskraft beigemessen und gestützt darauf festgestellt, der Versicherten sei
die aktuell ausgeübte Tätigkeit zu einem Pensum von 100 % bei einer um 30 bis
35 % verminderten Leistungsfähigkeit zumutbar, wobei die Gewichtslimite für
Arbeiten mit beiden Armen bei 10 kg und für Tätigkeiten mit dem linken Arm bei
5 kg liege. Für eine angepasste Tätigkeit sei von einer vollen Arbeitsfähigkeit
auszugehen.
Weil die Vorinstanz das von der Versicherten im kantonalen Beschwerdeverfahren
eingereichte Parteigutachten des Dr. med. H.________ vom 16. Dezember 2008 als
entbehrlich für die Entscheidfindung hielt, hat sie einen Anspruch auf
Kostenersatz verneint.
2.2
2.2.1 Bei der Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit stützt sich die Verwaltung
und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und
gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Aufgabe
des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und
dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten
die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des Beweiswertes eines
Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend
ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden
berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in
der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen
Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind
(BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis).
2.2.2 Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um
Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das
Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (E. 1). Die konkrete
Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen ist die Beachtung
des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c
ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom
12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht im Rahmen der den
Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG und Art.
106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254) frei überprüfen kann
(Art. 106 Abs. 1 BGG).

2.3 Was die Beschwerdeführerin gegen die Beweiskraft der Gutachten der Frau Dr.
med. I.________ und des lic. phil D._________ vorbringt, hält nicht stand. Die
Neurochirurgie stellt zwar ein Teilgebiet der Chirurgie dar, sie umfasst
indessen nebst der (operativen) Behandlung auch weite Teile der Diagnose von
Erkrankungen des peripheren und zentralen Nervensystems sowie von funktionellen
Syndromen wie Schmerz, Bewegungsstörungen, Epilepsie; die Neuropsychologie
umfasst u. a. die Diagnostik und Therapie von Störungen der Hirntätigkeit
(Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 2012, 263. Aufl. 2011, S. 1477 und 1453).
Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb die Experten für die Beurteilung
der "neurologischen Ausfälle" resp. deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit
fachlich ungenügend qualifiziert sein sollen. Nachdem sich in
neuropsychologischer Hinsicht - trotz diagnostizierter Lesestörung bzw.
Leseschwäche im Sinne einer Legasthenie gemäss ICD-10 F.81.0 mit assoziierten
leichten kognitiven Minderleistungen - für das Bestehen der Regelschule und die
gegenwärtige praktische Tätigkeit keine wesentliche Einschränkung erhärten
liess, ist die "fehlende Interdisziplinarität" nicht relevant, zumal Frau Dr.
med. I.________ die Arbeitsfähigkeit in Kenntnis sämtlicher medizinischer
Unterlagen einschätzte. Ohne Belang ist auch die Frage, ob von einem
"Geburtstrauma" auszugehen resp. was die Ursache der gesundheitlichen
Beeinträchtigungen ist; ausschlaggebend sind einzig deren Auswirkungen auf die
Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Weiter hat die Vorinstanz gestützt auf die
Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes vom 4. April 2012 verbindlich
(E. 1.2) festgestellt, die von Frau Dr. med. I.________ und Dr. med. H.________
erhobenen Befunde seien praktisch identisch. Für die gegenwärtige Tätigkeit
gehen denn auch beide von einer um 30-35 % resp. 30 % verminderten Arbeits-
bzw. Leistungsfähigkeit aus. Der blosse Umstand, dass Dr. med. H.________ im
Gegensatz zu Frau Dr. med. I.________ auch für angepasste Tätigkeiten eine
Leistungseinschränkung von 10-20 % attestierte, genügt nicht, die Beweiskraft
ihres Gutachtens zu erschüttern (BGE 125 V 351 E. 3b/bb und 3c S. 353 f.), weil
einerseits diese Differenz nicht überzeugend begründet wurde und anderseits
Ärzte als Experten bei der Festsetzung der Arbeits(un)fähigkeit über einen
beachtlichen Ermessensspielraum verfügen (Urteil 9C_955/2012 vom 13. Februar
2013 E. 3.3.4). Somit liegen keine objektiv fassbaren Zweifel vor, die ein
Gerichtsgutachten erforderlich machen (vgl. Plädoyer 2012/6 S. 67, 9C_495/2012
E. 2.4).

2.4 Inwiefern die vorinstanzliche Beweiswürdigung offensichtlich unrichtig und
damit willkürlich sein soll (vgl. Urteil 9C_1034/2012 vom 5. April 2013 E.
2.2.2 mit Hinweisen), ist weder nachvollziehbar begründet (Art. 106 Abs. 2 BGG)
noch ersichtlich. Nach dem Gesagten ist der Verzicht auf weitere medizinische
Abklärungen in zulässiger antizipierender Beweiswürdigung erfolgt (BGE 136 I
229 E. 5.3 S. 236 mit Hinweisen). Somit entfällt auch ein Anspruch auf
Kostenersatz für das im vorinstanzlichen Verfahren eingereichte Parteigutachten
(vgl. Art. 45 Abs. 1 und Art. 61 lit. a und c ATSG). Schliesslich war auch eine
Parteibefragung nicht erforderlich: Ein solcher Anspruch lässt sich auch aus
der EMRK nicht ableiten; indessen führte die Vorinstanz eine - den
Anforderungen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügende - öffentliche Verhandlung
durch. Zudem ist für die Arbeitsfähigkeit auf medizinische Unterlagen und nicht
auf Angaben der versicherten Person abzustellen (E. 2.2.1).
Folglich bleibt insbesondere die auf das Gutachten der Frau Dr. med. I.________
gestützte vorinstanzliche Feststellung, wonach für angepasste Tätigkeiten eine
uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit besteht, für das Bundesgericht verbindlich
(E. 1.2).

3.
3.1 Was das Valideneinkommen anbelangt, hat die Vorinstanz Art. 26 Abs. 1 IVV
(SR 831.201) die Anwendung versagt, weil die Versicherte eine reguläre
Schulausbildung und die berufliche Ausbildung zur Fachfrau Hauswirtschaft
erfolgreich abgeschlossen habe. Sie hat erwogen, es sei nicht ohne weiteres
darauf zu schliessen, dass die Versicherte im Gesundheitsfall einen völlig
anderen beruflichen Werdegang eingeschlagen hätte und heute in erwerblicher
Hinsicht wesentlich besser gestellt wäre. Die Berufswahl sei "vordergründig"
aus gesundheitsfremden Gründen erfolgt. Daher sei für das Valideneinkommen der
Tabellenlohn der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik
heranzuziehen (LSE 2010, Tabelle TA7, gastgewerbliche und hauswirtschaftliche
Tätigkeiten, Anforderungsniveau 3). Diesen hat sie ebenfalls als Ausgangsgrösse
für das Invalideneinkommen betrachtet. Weil die aktuelle Tätigkeit nicht ihrer
Ausbildung als Fachfrau Hauswirtschaft EFZ entspreche, sondern jener einer
Hauswirtschaftspraktikerin EBA, und nicht optimal an die körperlichen
Einschränkungen angepasst sei, gelte nicht der tatsächlich erzielte Verdienst
als Invalidenlohn. Die behinderungsbedingten Einschränkungen seien mit einem
Abzug von 10 % zu veranschlagen, woraus ein rentenausschliessender
Invaliditätsgrad in gleicher Höhe resultiere.
3.2
3.2.1 Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das
die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der
medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine
ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in
Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht
invalid geworden wäre (Art. 16 ATSG).
3.2.2 Konnte die versicherte Person wegen der Invalidität keine zureichenden
beruflichen Kenntnisse erwerben, so entspricht das Erwerbseinkommen, das sie
als Nichtinvalide erzielen könnte, bestimmten, nach Alter abgestuften
Prozentsätzen des jährlich aktualisierten Medianwertes gemäss der
Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (Art. 26 Abs. 1 IVV [SR
831.201]).
Als Erwerb von zureichenden beruflichen Kenntnissen gilt im Allgemeinen die
abgeschlossene Berufsausbildung, sofern sie der versicherten Person praktisch
die gleichen Verdienstmöglichkeiten eröffnet wie Nichtbehinderten mit der
gleichen (ordentlichen) Ausbildung (ZAK 1974 S. 548, I 320/73 E. 2; Urteil I
717/05 vom 16. August 2006 E. 3.3.2; ULRICH MEYER, Bundesgesetz über die
Invalidenversicherung [IVG], 2. Aufl. 2010, S. 330; vgl. auch Ziff. 3035 des
vom BSV herausgegebenen Kreisschreibens über Invalidität und Hilflosigkeit in
der Invalidenversicherung [KSIH]).
Die Bestimmung von Art. 26 IVV schliesst nicht aus, dass zur Berechnung des
Valideneinkommens auf das Einkommen eines bestimmten Berufs abgestellt wird.
Vorausgesetzt sind eindeutige Anhaltspunkte dafür, dass die versicherte Person
ohne gesundheitliche Beeinträchtigung den betreffenden Beruf erlernt hätte
(Urteil 9C_555/2012 vom 9. August 2012 E. 3.1.2 mit Hinweisen).
3.2.3 Für die Festsetzung des Invalideneinkommens ist nach der Rechtsprechung
primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die
versicherte Person konkret steht. Hat sie nach Eintritt des Gesundheitsschadens
keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit
aufgenommen hat, so können statistische Werte, insbesondere Tabellenlöhne der
Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik herangezogen werden (
BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301; 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475).
Wird das Invalideneinkommen auf der Grundlage von statistischen
Durchschnittswerten ermittelt, ist der entsprechende Ausgangswert
(Tabellenlohn) um maximal 25 % zu kürzen, wenn persönliche und berufliche
Merkmale wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre,
Nationalität resp. Aufenthaltskategorie oder Beschäftigungsgrad Auswirkungen
auf die Lohnhöhe haben und die versicherte Person deswegen die verbliebene
Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit
unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann (BGE 135 V 297 E.
5.2 S. 301; 126 V 75 E. 5b/aa-cc S. 80).

3.3 Auf der nicht medizinischen beruflich-erwerblichen Stufe der
Invaliditätsbemessung charakterisieren sich als Rechtsfragen die gesetzlichen
und rechtsprechungsgemässen Regeln über die Durchführung des
Einkommensvergleichs (BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348, 128 V 29 E. 1 S. 30, 104 V
135 E. 2a und b S. 136 f.). In dieser Sicht stellt sich die Feststellung der
beiden hypothetischen Vergleichseinkommen als Tatfrage dar, soweit sie auf
konkreter Beweiswürdigung beruht, hingegen als Rechtsfrage, soweit sich der
Entscheid nach der allgemeinen Lebenserfahrung richtet. Letzteres betrifft etwa
die Fragen, ob Tabellenlöhne anwendbar sind und welches die massgebliche
Tabelle ist (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399; Urteil 8C_255/2007 vom 12. Juni 2008
E. 1.2, nicht publ. in: BGE 134 V 322) sowie die Wahl der zutreffenden Stufe
(Anforderungsniveau 1 und 2, 3 oder 4; Urteile I 860/06 vom 7. November 2007 E.
3.2 und I 732/06 vom 2. Mai 2007 E. 4.2.2). Schliesslich ist die Frage, ob ein
(behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug vorzunehmen sei, eine
Rechtsfrage, während jene nach der Höhe des Abzuges eine typische
Ermessensfrage darstellt, deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur
mehr dort zugänglich ist, wo das kantonale Gericht das Ermessen
rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder
-unterschreitung vorliegt (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 in fine S. 399; Urteil
9C_973/2008 vom 19. Januar 2009 E. 3).

3.4 Es steht fest, dass die Versicherte an einem Geburtsgebrechen im Sinne der
GgV leidet, welches die Arbeitsfähigkeit in qualitativer Hinsicht
beeinträchtigt und daher bestimmte berufliche Tätigkeiten von vornherein
ausschloss. Zudem übernahm die IV-Stelle - nach beruflicher Abklärung von
dreimonatiger und Arbeitstraining von sechsmonatiger Dauer - die Mehrkosten für
die erstmalige berufliche Ausbildung im "geschützten Rahmen" des Zentrums
R.________. Weiter ist die Leistungsfähigkeit in der aktuellen Tätigkeit als
"Allrounderin" in einem Alters- und Pflegeheim um 30 bis 35 % vermindert (E.
2.1). Diese Tätigkeit entspricht auf weiten Strecken der (Grund-)Ausbildung zur
Hauswirtschafterin EFZ (vgl. etwa den Bildungsplan gemäss Art. 11 der
Verordnung des BBT vom 20. Dezember 2004 über die berufliche Grundbildung
Fachfrau/Fachmann Hauswirtschaft [SR 412.101.220.09] und weitere Publikationen
der entsprechenden Fachorganisation; abrufbar unter http://www.hauswirtschaft.
ch/index.cfm?id=21, besucht am 29. April 2013). Schliesslich sind keine
eindeutigen Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Versicherte ohne
gesundheitliche Beeinträchtigung die gleiche Ausbildung absolviert hätte.
Die Frage, ob bei diesen Gegebenheiten das Valideneinkommen nach Art. 26 IVV zu
bestimmen ist, kann indessen letztlich offenbleiben. Auch bei Anwendung dieser
Bestimmung ergibt sich kein rentenbegründender Invaliditätsgrad (E. 3.5).
3.5
3.5.1 Das Valideneinkommen gemäss Art. 26 IVV erreicht für die Versicherte (im
massgeblichen Zeitraum) ab 10. Mai 2011 den Höchstbetrag von Fr. 76'000.-.
3.5.2 Angesichts des von der Versicherten tatsächlich erzielten Verdienstes und
ihrer Arbeitsfähigkeit in leidensangepassten Tätigkeiten (E. 2.4) ist das
Invalideneinkommen unter Beizug eines Tabellenlohnes zu ermitteln (E. 3.2.3),
zumal der ausgeglichene Arbeitsmarkt eine Vielzahl von leichten,
wechselbelastenden Tätigkeiten bietet (vgl. Urteil 8C_606/2012 vom 3. Dezember
2012 E. 3.5). Gemäss Tabelle TA1 der LSE 2010 betrug der Durchschnittslohn für
Frauen im Anforderungsniveau 4 monatlich Fr. 4'225.-. Unter Berücksichtigung
der betriebsüblichen Wochenarbeitszeit von 41,6 Stunden und der
Nominallohnentwicklung von 1 % ergibt sich für 2011 ein durchschnittliches
Jahreseinkommen von Fr. 53'255.-. Ob ein Abzug angezeigt ist, braucht an dieser
Stelle nicht geprüft zu werden: Dass die Vorinstanz mit dessen Festsetzung auf
10 % ihr Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt haben soll (E. 3.3), ist nicht
ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht. Somit beträgt das
Invalideneinkommen mindestens Fr. 47'929.-. Daraus resultiert ein
Invaliditätsgrad von von 37 % (gerundet), was den Anspruch auf eine
Invalidenrente ausschliesst (Art. 28 Abs. 2 IVG). Die Beschwerde ist
unbegründet.

4.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 1. Mai 2013

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Die Gerichtsschreiberin: Dormann

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