Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 798/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_798/2012

Urteil vom 22. Februar 2013
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Verfahrensbeteiligte
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Ausfeld,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 29. August 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a B.________, geboren 1973, arbeitete in der Firma X.________ AG als
Druckerei-Hilfsarbeiterin im Vollpensum. Sie meldete sich am 20. Februar 2003
bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Rente) an, wobei sie angab,
an den Folgen eines am 4. Dezember 2001 erlittenen Verkehrsunfalls zu leiden.
Die IV-Stelle des Kantons Schaffhausen holte Berichte der behandelnden Ärzte
und der Arbeitgeberin ein. Zudem gab sie ein Administrativgutachten des
Psychiatriezentrums Y.________ (Teilgutachten vom 9. Dezember 2003) und der
Klinik S.________ (vom 2. April 2004) in Auftrag. Laut diesem litt B.________
mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit unter chronischen Knieschmerzen
rechts unklarer Ätiologie (Folge einer lateralen Tibiakopf-Impressionsfraktur)
sowie einer mittelgradigen depressiven Episode ohne somatisches Syndrom (ICD-10
F32.10). Mit Verfügung vom 22./25. Oktober 2004 sprach die IV-Stelle B.________
ab 1. Dezember 2002 eine ganze Invalidenrente zu (Invaliditätsgrad von 80 %).
A.b Im Rahmen eines im Juli 2009 eröffneten Revisionsverfahrens holte die nach
der Wohnsitzverlegung der Versicherten neu zuständige IV-Stelle des Kantons
Zürich ein polydisziplinäres Gutachten des (Institut Z.________) vom 26. April
2010 ein. Gestützt darauf und auf die Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen
Dienstes (RAD) vom 6. August 2010 kündigte die IV-Stelle B.________ mit
Vorbescheid vom 5. Oktober 2010 die Einstellung der Rente an. Am 8. Dezember
2010 erliess sie die entsprechende Verfügung mit Wirkung ab Ende Januar 2011.

B.
Die von B.________ erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. August 2012 ab.

C.
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, der kantonale Entscheid und die Verfügung seien aufzuheben; die
IV-Stelle sei zu verpflichten, die aufgelaufenen und weiterhin geschuldeten
Rentenleistungen zu erbringen.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).
Seinem Urteil legt es den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz,
auf Rüge hin oder von Amtes wegen, berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 BGG).
Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig,
wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig
unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine
offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in
Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (vgl. BGE 129 I
8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_967/2008 vom 5. Januar 2009 E. 5.1).
Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung (vgl.
Urteil 9C_999/2010 vom 14. Februar 2011 E. 1). Dem kantonalen
Versicherungsgericht steht als Sachgericht im Bereich der Beweiswürdigung ein
erheblicher Ermessensspielraum zu (vgl. BGE 120 Ia 31 E. 4b S. 40). Das
Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur ein, wenn das Sachgericht diesen
missbraucht, insbesondere offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche
Beweise übersieht oder solche willkürlich ausser Acht lässt (BGE 132 III 209 E.
2.1 S. 211; zum Begriff der Willkür BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5 mit Hinweisen).
Inwiefern das kantonale Gericht sein Ermessen missbraucht haben soll, ist in
der Beschwerde klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261).
Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene appellatorische
Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 134 II
244 E. 2.2 S. 246 mit Hinweis).

2.
Streitig ist die revisionsweise Aufhebung der Invalidenrente. Das kantonale
Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung
entwickelten Grundsätze, namentlich über die Begriffe der Invalidität (Art. 8
Abs. 1 ATSG, Art. 4 Abs. 1 IVG), Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG) und
Erwerbsfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 ATSG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28
Abs. 2 IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen
Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28a
Abs. 1 IVG und Art. 16 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348; 128 V 29 E. 1 S. 30;
104 V 135 E. 2a und b S. 136), die Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG) sowie
zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE
125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen für eine Rentenrevision nach Art. 17
Abs. 1 ATSG bejaht. Sie hat erwogen, im massgebenden Vergleichszeitraum
zwischen der rentenzusprechenden Verfügung vom 22./25. Oktober 2004 und der
angefochtenen Verfügung vom 8. Dezember 2010 sei eine Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie der Arbeits- und Leistungsfähigkeit
eingetreten. Das Gutachten des Institut Z.________ vom 26. April 2010 vermöge
zu überzeugen und erfülle die gestellten Anforderungen. Bei nunmehrigem Fehlen
einer krankheitswertigen psychischen Störung sei nicht zu beanstanden, dass die
Gutachter auf eine Verbesserung des Gesundheitszustandes und der
Arbeitsfähigkeit geschlossen hätten. Der von der Beschwerdeführerin eingelegte
Bericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Spitals A.________
vom 6. Januar 2011 biete zu keiner anderen Beurteilung Anlass. So ergebe sich,
dass die Versicherte aufgrund einer wesentlichen Verbesserung des
Gesundheitszustandes seit Februar 2010 für die angestammte sowie für jede
andere leichte bis mittelschwere wechselbelastende adaptierte Tätigkeit ohne
Einschränkung arbeitsfähig sei.

3.2 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe mit der Feststellung, es
könne auf das Gutachten des Institut Z.________ abgestellt werden, die
Abklärungspflicht und den Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt. Im
erwähnten Gutachten seien Angaben der Beschwerdeführerin zur Tagesstruktur
wiedergegeben worden, aus denen hervorgehe, dass ein sozialer Rückzug erfolgt
sei. Dies sei als Zeichen für das Vorliegen einer Depression zu werten. Das
Gutachten des Institut Z.________ habe sich mit dem Phänomen überhaupt nicht
befasst, was ein offensichtlicher Mangel sei und dazu führen müsse, dass es
nicht verwertet werden dürfe. Die Vorinstanz habe sich mit dem entsprechenden
Einwand nicht auseinandergesetzt und sei mit keinem Wort darauf eingegangen.
Dies gelte auch hinsichtlich des Vorwurfs, die Gutachter hätten in diesem Punkt
keine Fremdanamnese erhoben. Im Effekt liege so eine Verweigerung des
rechtlichen Gehörs vor.

3.3 Der Einwand ist nicht schlüssig, denn ein sozialer Rückzug ist im Gutachten
nicht dargestellt. Hingegen bestehen ausgiebige Beziehungen und Kontakte zur
Familie in Kosovo, wo sich die Beschwerdeführerin geborgen und aufgehoben
fühlt. Zu den in der schweizerischen Nachbarschaft wohnenden Schwiegereltern
besteht ein enges Verhältnis. Da die Beschwerdeführerin der deutschen Sprache
kaum mächtig ist, ist sie aber nach gutachterlicher Einschätzung in der Schweiz
schlecht integriert. Zur sozialen Interaktion ist dargelegt, die Explorandin
mache kaum Ausführungen zur Situation und präzisiere auf Nachfrage wenig, die
Mitteilungsfähigkeit sei aber nicht eingeschränkt. Auch Aufmerksamkeit,
Auffassung, Wahrnehmung und Konzentration seien während der gesamten
Untersuchung nicht eingeengt. Affektiv sei sie moros [mürrisch] und dysphorisch
[gereizt] ausgelenkt. Sonst fänden sich aber keine Psychopathologien. Auf
zwischenzeitliche Ansprache könne sie lächeln und durchaus heiter wirken. Eine
depressive Affektauslenkung sei nicht gegeben.
3.4

3.5 Das Gutachten des Institut Z.________ ist überzeugend und nachvollziehbar
und erfüllt die gestellten Anforderungen (vgl. BGE 125 V 351 E. 3a S. 352). Die
Einschätzung, die Beschwerdeführerin sei seit Februar 2010 für die angestammte
sowie für jede andere leichte bis mittelschwere wechselbelastende adaptierte
Tätigkeit ohne Einschränkung arbeitsfähig, steht zudem im Einklang mit früheren
Einschätzungen und Prognosen. So war schon im Bericht der Rehaklinik Bellikon
vom 19. November 2002 angegeben, es sei zu erwarten, dass aus orthopädischer
Sicht die bestehende Arbeitsfähigkeit von 50 % gesteigert werden könne. Dort
war noch eine Atrophie der Oberschenkelmuskulatur rechts diagnostiziert
(Oberschenkelumfang links 42 cm, rechts 38 cm). Die gleiche Differenz von vier
Zentimetern war im März 2004 in der Klinik S.________ gemessen worden
(Gutachten vom 2. April 2004). Laut Angabe des Institut Z.________ wurde am 15.
Februar 2010 in der rheumatologischen Untersuchung ein Oberschenkelumfang
rechts 40 cm und links 40,5 cm gemessen. Der Zustand der Oberschenkelmuskulatur
war somit wieder ausgeglichen, was auf eine Genesung in diesem Bereich
hindeutet. Im damaligen Gutachten der S.________ war zudem in psychischer
Hinsicht eine mittelgradige depressive Episode und damit eine Situation
diagnostiziert worden, die durchaus ein Verbesserungspotenzial aufweise. Zudem
waren bei der Untersuchung des Institut Z.________ Inkonsistenzen
festzustellen, die auf eine Verbesserung des Gesundheitszustandes schliessen
lassen. So war bei der Blutserumspiegeluntersuchung kein Paracetamol
nachweisbar, obwohl die Versicherte angab, das Schmerzmittel Dafalgan täglich
einzunehmen. Auch Antidepressiva waren nur deutlich subtherapeutisch
nachweisbar. Inkonsistenzen ergaben sich ebenfalls bei den klinischen Befunden.
Was die Beschwerdeführerin gegen die Verwertung des Gutachtens des Institut
Z.________ einwenden liess, hat das kantonale Gericht hinreichend geprüft und
zu Recht verworfen. Zum Vorhalt, das Gericht habe auf den Bericht der Klinik
für Psychiatrie und Psychotherapie des Spitals A.________ vom 6. Januar 2011 zu
Unrecht nicht abgestellt, bleibt festzuhalten, dass dieser Bericht über die
Arbeitsfähigkeit nichts aussagt und daher nicht verwertbar ist. Wenn
letztinstanzlich wiederum geltend gemacht wird, der Bericht sei gerade deshalb
zu berücksichtigen, weil er zeitnaher zu der am 8. Dezember 2010 erlassenen
Verfügung erstellt worden ist als das Gutachten, wird verkannt, dass er auf
einem unmittelbar nach der Eröffnung des Rentenaushebungsentscheides geführten
Gespräch beruht und daher sein Beweiswert aus diesem Grund zu relativieren
wäre. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwürfe der Verletzung des
rechtlichen Gehörs und des überspitzten Formalismus sind unbegründet. Soweit
die letztinstanzlichen Vorbringen nicht als appellatorische Kritik an der
vorinstanzlichen Beweiswürdigung unbeachtlich sind, vermögen sie keine
Bundesrechtswidrigkeit darzutun.

4.
Übrige Aspekte der Ermittlung des Invaliditätsgrades und der revisionsweisen
Rentenaufhebung werden in der Beschwerde nicht in Frage gestellt. Zu einer
näheren Prüfung von Amtes wegen besteht kein Anlass. Die revisionsweise
Rentenaufhebung hält nach dem Gesagten vor Bundesrecht stand.

5.
Die Beschwerde kann ohne Durchführung des Schriftenwechsels (Art. 102 Abs. 1
BGG) erledigt werden.

6.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in
Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. Februar 2013

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Der Gerichtsschreiber: Schmutz