Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 794/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

9C_794/2012 {T 0/2}

Urteil vom 4. März 2013
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichterin Glanzmann,
nebenamtlicher Bundesrichter Weber,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
G.________,
vertreten durch Rechtsanwalt David Husmann,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 24. Juli 2012.

Sachverhalt:

A.
Die 1968 geborene G.________ meldete sich im September 2006 bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Im Rahmen der
Sachverhaltsabklärung holte die IV-Stelle des Kantons Zürich u.a. beim Institut
X.________ das polydisziplinäre Gutachten vom 21. Februar 2008 und die
Stellungnahme vom 13. Januar 2009 sowie bei Dr. med. K.________ das
psychiatrische Gutachten vom 4. Juli 2010 und die Stellungnahme vom 19. Oktober
2010 ein. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die Verwaltung
mit Verfügung vom 18. Januar 2011 einen Rentenanspruch bei einem
Invaliditätsgrad von 30 %.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 24. Juli 2012 ab, soweit es darauf eintrat.

C.
G.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
folgende Rechtsbegehren stellen:
"1. Der Entscheid [vom 24. Juli 2012] sei aufzuheben und es sei die
Beschwerdegegnerin zu verpflichten, die gesetzlichen Leistungen aus IVG
auszurichten.
2. Es sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, der Beschwerdeführerin eine
ganze Rente zuzusprechen.
3. Es seien eventualiter der Entscheid [vom 24. Juli 2012] und die Verfügung
der Beschwerdegegnerin vom 18.1.2011 aufzuheben und die Sache an die
Beschwerdegegnerin zur Einholung eines zusätzlichen psychiatrischen Gutachtens
und neuer Verfügung zurückzuweisen."

Erwägungen:

1.
1.1 Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens bildete einzig der
Rentenanspruch (vgl. BGE 125 V 413 E. 1 S. 414 f.); darauf bezieht sich auch
die Begründung der Beschwerde. Auf den Antrag Ziff. 1 ist daher nicht weiter
einzugehen.

1.2 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
2.1 Bei der Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit stützt sich die Verwaltung und
im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und
gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Aufgabe
des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und
dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten
die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des Beweiswertes eines
Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend
ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden
berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in
der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen
Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind
(BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis).
Auf einen diesen Anforderungen an sich genügenden ärztlichen Bericht darf
jedoch dann nicht abgestellt werden, wenn Umstände vorliegen, die in objektiver
Weise und nicht bloss aufgrund des subjektiven Empfindens der Partei geeignet
sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des
Verfassers zu erwecken (BGE 137 V 210 E. 6.1.2 S. 267; 132 V 93 E. 7.1 S. 109
mit Hinweis; Urteil 9C_1061/2009 vom 11. März 2010 E. 4.1; Urteil 9C_104/2012
vom 12. September 2012 E. 3.1). Was die Berichte behandelnder Ärzte betrifft,
so gilt der Grundsatz, dass diese aufgrund der auftragsrechtlichen
Vertrauensstellung zum Patienten mit Vorbehalt zu würdigen sind (BGE 125 V 351
E. 3b/cc S. 353). Dies gilt für den allgemein praktizierenden Hausarzt wie den
behandelnden Spezialarzt (Urteile 9C_559/2012 vom 27. November 2012 E. 1; I 655
/05 vom 20. März 2006 E. 5.4).

2.2 Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um
Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das
Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (E. 1.2). Die
konkrete Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen ist die
Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art.
61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865
/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht im Rahmen
der den Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG
und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254) frei
überprüfen kann (Art. 106 Abs. 1 BGG).

3.
Die Vorinstanz hat dem polydisziplinären Gutachten des Instituts X.________ vom
21. Februar 2008 (mit Stellungnahme vom 13. Januar 2009) und dem
psychiatrischen Gutachten des Dr. med. K.________ vom 4. Juli 2010 (mit
Stellungnahme vom 19. Oktober 2010) Beweiskraft beigemessen und gestützt darauf
für jede Tätigkeit eine seit Juni 2006 bestehende Arbeitsfähigkeit von
mindestens 70 % festgestellt. Auf dieser Grundlage hat sie einen
Invaliditätsgrad von (höchstens) 36 % ermittelt und folglich den Anspruch auf
eine Invalidenrente verneint.
Die Beschwerdeführerin stellt in Bezug auf die - im Vordergrund stehenden -
psychischen Aspekte die Beweiskraft der Gutachten in Abrede.

4.
4.1 Die Stellungnahmen des Instituts X.________ vom 13. Januar 2009 und des Dr.
med. K.________ vom 19. Oktober 2010 stellen eine Erläuterung resp. Ergänzung
der jeweiligen Gutachten dar (vgl. ANNETTE DOLGE, in: Basler Kommentar,
Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 6 zu Art. 187 ZPO). Solche bilden
ebenfalls Teil der Expertise und sind dementsprechend zu berücksichtigen. Indem
sich die Experten jeweils zwar nachträglich, jedoch explizit und überzeugend
zum Gutachten des Dr. med. S.________ vom 12. September 2007 resp. zu den
Berichten der behandelnden Psychiaterin Frau Dr. med. H.________ vom 5. Juni
2007 und 18. April 2008 äusserten, erfolgte ihre (definitive) Einschätzung des
medizinischen Sachverhalts in vollständiger Kenntnis der Vorakten. Dass die
Auffassung der behandelnden Ärztin nicht übernommen wurde, lässt nicht darauf
schliessen, dass ihre Berichte nur "selektiv einbezogen" worden sein sollen.
Auch der Umstand, dass Dr. med. K.________ bei Frau Dr. med. H.________ einen
Verlaufsbericht angefordert haben will, einen solchen aber nicht erhielt und
daher nicht mitberücksichtigen konnte, mindert nicht die Aussagekraft seines
Gutachtens. Einerseits steht das Einholen fremdanamnestischer Auskünfte im
Ermessen des Experten (Urteil 9C_65/2012 vom 28. Februar 2012 E. 4.3 mit
Hinweisen); dies gilt auch für den nachträglichen Entscheid, darauf zu
verzichten. Anderseits erfolgte eine ausführliche Auseinandersetzung mit den
diversen Berichten der Psychiaterin, während Anhaltspunkte für eine Veränderung
des Gesundheitszustandes der Versicherten fehlen.
Weiter beruhen die Gutachten auf umfangreichen eigenen Untersuchungen und
Befunderhebungen der Experten, die u.a. die Erkenntnisse des Dr. med.
S.________ und der Frau Dr. med. H.________ - insbesondere in Bezug auf
Denkstörungen, gestörte Erlebnis- und Verhaltensmuster und daraus sich
ergebende Diagnosen - nachvollziehbar diskutierten. Dabei legten sie namentlich
einleuchtend dar, weshalb die Diagnosen einer andauernden
Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (ICD-10: F62.0; vgl. die unter
www.dimdi.de abrufbaren Kriterien, wonach u.a. eine Belastung katastrophalen
Ausmasses erforderlich ist) oder einer Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 F60
resp. F61 nicht haltbar sind. Es kann daher nicht von blosser Negation der
Probleme oder der abweichenden Auffassungen anderer Ärzte gesprochen werden. Es
ist auch nicht ersichtlich, dass Dr. med. K.________ ausschliesslich auf den
kritisierten MMPI-2-Test abgestellt oder sein Verzicht auf ein "strukturiertes
Interview" die Regeln der ärztlichen Kunst verletzt haben soll. Das Gutachten
des Dr. med. S.________ vom 12. September 2007 (mit Stellungnahme vom 22. März
2008) und die Berichte der Frau Dr. med. H.________ vermögen daher die
Beweiskraft der Expertisen des Instituts X.________ und des Dr. med.
K.________, die nach verbindlicher vorinstanzlicher Feststellung (E. 1.2)
untereinander im Einklang stehen, nicht zu erschüttern (vgl. BGE 125 V 351 E.
3b/bb S. 353).

4.2 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine psychiatrische Exploration von
der Natur der Sache her nicht ermessensfrei erfolgen kann. Sie eröffnet dem
begutachtenden Psychiater daher praktisch immer einen gewissen Spielraum,
innerhalb dessen verschiedene medizinisch-psychiatrische Interpretationen
möglich, zulässig und zu respektieren sind, sofern der Experte lege artis
vorgegangen ist. Daher und unter Beachtung der Divergenz von medizinischem
Behandlungs- und Abklärungsauftrag kann es nicht angehen, eine medizinische
Administrativ- oder Gerichtsexpertise stets dann in Frage zu stellen und zum
Anlass weiterer Abklärungen zu nehmen, wenn die behandelnden Ärzte nachher zu
unterschiedlichen Einschätzungen gelangen oder an solchen vorgängig geäusserten
abweichenden Auffassungen festhalten (Urteile 8C_997/2010 vom 10. August 2011
E. 3.2; 8C_694/2008 vom 5. März 2009 E. 5.1). Dass die vorinstanzliche
Beweiswürdigung offensichtlich unrichtig sein soll, wird nicht geltend gemacht
und ist auch nicht ersichtlich. Nach dem Gesagten ist der Verzicht auf weitere
medizinische Abklärungen in zulässiger antizipierender Beweiswürdigung (BGE 136
I 229 E. 5.3 S. 236 mit Hinweisen) erfolgt.

4.3 Die auf die beweiskräftigen Gutachten des Instituts X.________ und des Dr.
med. K.________ gestützte vorinstanzliche Feststellung betreffend die
Arbeitsfähigkeit (E. 3) bleibt für das Bundesgericht verbindlich (E. 1.2). Die
übrigen Faktoren der Invaliditätsbemessung werden nicht beanstandet; es besteht
kein Anlass für eine nähere Prüfung von Amtes wegen (BGE 125 V 413 E. 1b und 2c
S. 415 ff.; 110 V 48 E. 4a S. 53). Die Beschwerde ist unbegründet.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 4. März 2013

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Die Gerichtsschreiberin: Dormann