Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 726/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_726/2012

Urteil vom 31. Oktober 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
I.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Figi,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 10. Juli 2012.

Sachverhalt:

A.
I.________ meldete sich im März 2009 bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Nach Abklärungen (u.a. Gutachten des Dr. med. A.________,
Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 4. November 2010) und nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich
mit Verfügung vom 7. April 2011 den Anspruch auf eine Invalidenrente.

B.
Die Beschwerde der I.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 10. Juli 2012 ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt I.________
beantragen, der Entscheid vom 10. Juli 2012 sei aufzuheben und ihr eine ganze
Invalidenrente zuzusprechen, eventualiter die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen zwecks Einholung eines psychiatrischen Gerichtsgutachtens.

Erwägungen:

1.
Einem ärztlichen Bericht kommt Beweiswert zu, wenn er für die streitigen
Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die
geklagten Beschwerden berücksichtigt und in Kenntnis der Vorakten (Anamnese)
abgegeben worden ist, wenn die Beschreibung der medizinischen Situation und
Zusammenhänge einleuchtet und die Schlussfolgerungen des Arztes begründet sind
(BGE 125 V 351 E. 3a S. 352). Auf einen diesen Anforderungen an sich genügenden
ärztlichen Bericht darf jedoch dann nicht abgestellt werden, wenn Umstände
vorliegen, die in objektiver Weise und nicht bloss aufgrund des subjektiven
Empfindens der Partei geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit und
Unvoreingenommenheit des Verfassers zu erwecken (BGE 137 V 210 E. 6.1.2 S. 267;
132 V 93 E. 7.1 S. 109 mit Hinweis; Urteil 9C_1061/2009 vom 11. März 2010 E.
4.1; Urteil 9C_104/2012 vom 12. September 2012 E. 3.1).

2.
Die Beschwerdeführerin bestreitet den Beweiswert des Gutachtens des Dr. med.
A.________ vom 4. November 2010, auf das IV-Stelle und Vorinstanz abgestellt
haben.

2.1 In formeller Hinsicht macht sie geltend, es bestünden erhebliche Zweifel an
der persönlichen Integrität des Experten und an dessen pflichtgemässer Ausübung
der Gutachtertätigkeit, weshalb ein Ablehnungsgrund im Sinne von Art. 44 ATSG
vorliege. Was sie zur Begründung dieses Einwandes anführt, ist indessen nicht
stichhaltig:
Gemäss dem Medizinalberuferegister des Bundesamtes für Gesundheit BAG (abrufbar
unter www.medregom.admin.ch) verfügt Dr. med. A.________ seit 2006 über eine
Berufsausübungsbewilligung im Kanton ..., wo er auch tätig ist. Darauf wurde im
Übrigen auch in der vorinstanzlich angefochtenen Verfügung hingewiesen. Die
weiteren Eintragungen sind zwar insofern unklar, als unter 'Beruf/Jahr/Land'
Arzt/2008/Schweiz, unter 'Weiterbildungstitel/Jahr/Land' Psychiatrie und
Psychotherapie/.../Schweiz angegeben wird. Dies hiesse, dass Dr. med.
A.________ den Facharzttitel in einem Zeitpunkt erwarb, als er noch gar nicht
Arzt gewesen war, was angesichts der im Jahr 2006 erteilten
Berufsausübungsbewilligung auf ein offensichtliches Versehen hindeutet. Die
Vorinstanz hat sich dazu nicht geäussert und das Fehlen eines Ablehnungsgrunds
nach Art. 44 ATSG anders begründet. Es wäre indessen der Beschwerdeführerin im
Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsabklärung (vgl. Art. 43
Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG; BGE 125 V 193 E. 2 S. 195) zumutbar gewesen,
beim BAG nachzufragen, wie die betreffenden unklaren Angaben im
Medizinalberuferegister zu verstehen sind. Es bestehen keine Anhaltspunkte und
es ist auch nicht anzunehmen, dass Dr. med. A.________ im Zeitpunkt der
Begutachtung nicht über eine gültige Bewilligung zur Ausübung des Berufs als
Spezialarzt in Psychiatrie und Psychotherapie verfügte.
Das (tatsächliche) Vorbringen, die im ... 2006 als Aktiengesellschaft
gegründete Klinik X.________, wo Dr. med. A.________ als Chefarzt tätig ist,
besitze erst seit dem ... 2012 eine Institutionenbewilligung, ist wie die dazu
vor Bundesgericht eingereichte Mail des Leiters Amt für Gesundheit des Kantons
... vom 11. September 2012 neu und daher unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2.2 Materiell bringt die Beschwerdeführerin einzig vor, der psychiatrische
Administrativgutachter habe die von ihr erwähnte schwere Vergangenheit mit
sexuellen Übergriffen nicht genügend abgeklärt und nicht wenigstens mit den
behandelnden Ärzten Kontakt aufgenommen. Auch dieser Einwand ist nicht
stichhaltig:
Vorab stand sie damals, entgegen ihren Vorbringen, nicht in regelmässiger
Psychotherapie. Dr. med. A.________ gegenüber hatte sie angegeben, sie habe
sich im Mai 2010 in psychiatrische Behandlung begeben wegen der Schmerzen. Nach
vier bis fünf Sitzungen habe sie im Juni 2010 aufgehört, weil sie gemerkt habe,
dass es nichts bringe. Unter diesen Umständen ist fraglich, bei welchen
behandelnden Ärzten der psychiatrische Gutachter wegen der geschilderten
Vorkommnisse in ihrer Jugendzeit hätte rückfragen können und sollen. Abgesehen
davon würdigte Dr. med. A.________ die Angaben der Explorandin im Lichte der
gesamten Anamnese sowie der klinischen Befunde. Daraus folgerte er
nachvollziehbar und schlüssig, dass keine psychiatrische Diagnose mit
Krankheitswert gestellt werden könne.

3.
Somit ist von einer Arbeitsfähigkeit von 100 % in der angestammten und jeder
anderen adaptierten Tätigkeit spätestens seit September 2009 auszugehen, wie
die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat (Art. 105
Abs. 1 und 2 BGG), dies zumindest bis zum Gutachten vom 4. November 2010. Damit
kann aber vor Erlass der Verfügung vom 7. April 2011 kein Rentenanspruch
entstanden sein (Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG). Die Vorinstanz durfte daher die
Frage offen lassen, ob sich der Gesundheitszustand spätestens seit Eintritt ins
Spital Y.________ am 18. März 2011 voraussehbar dauernd und in
anspruchsrelevanter Weise verschlechtert hat, und die Akten zu entsprechender
Abklärung an die IV-Stelle überweisen.

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 31. Oktober 2012
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Fessler