Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 68/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_68/2012

Urteil vom 30. März 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
K.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Jürg Maron,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (vorinstanzliches Verfahren),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 2. Dezember 2011.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 15. Juli 2010 bestellte die IV-Stelle des Kantons Zürich
K.________ als unentgeltlichen Rechtsbeistand seiner Klientin für ein
Vorbescheidverfahren betreffend die Aufhebung der Invalidenrente. Dabei legte
sie dessen Entschädigung "nach pflichtgemässem Ermessen" auf Fr. 1'814.65 fest
mit der Begründung, sie erachte den geltend gemachten Aufwand für das Abfassen
des Einwandes als überhöht und erlaube sich eine Kürzung um zwei Stunden.

B.
Die Beschwerde des anwaltlich vertretenen K.________, mit welchem dieser die
Zusprache einer Entschädigung von Fr. 2'255.50 beantragen liess, hiess das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 2. Dezember
2011 insofern teilweise gut, als es die IV-Stelle verpflichtete, ihm eine
Entschädigung von Fr. 1'825.10 zu bezahlen (Dispositiv-Ziffer 1). Weiter erhob
es keine Gerichtskosten (Dispositiv-Ziffer 2) und sprach keine
Prozessentschädigung zu (Dispositiv-Ziffer 3).

C.
K.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, Dispositiv-Ziffer 3 des angefochtenen Entscheids sei in
Feststellung, dass er für das kantonale Verfahren Anspruch auf eine angemessene
Prozessentschädigung zu Lasten der IV-Stelle habe, aufzuheben und die Sache sei
zu deren Festsetzung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das kantonale Gericht und
das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
Soweit der Beschwerdeführer die Feststellung eines Anspruchs beantragt, ist
sinngemäss von einem Leistungsbegehren auszugehen (vgl. Anwaltsrevue 2009 8 S.
393, 9C_251/09 E. 1.3 mit Hinweisen; MEYER/ DORMANN, in: Basler Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 2a und 7 zu Art. 107 BGG). Wenn auch
Rechtsbegehren betreffend eine Geldsumme grundsätzlich - namentlich im Bereich
von Beschwerden in Zivilsachen - zu beziffern sind (BGE 134 III 235 E. 2 S.
237; MEYER/DORMANN, a.a.O., N. 2a zu Art. 107 BGG), schadet es im konkreten
Fall nicht, dass in Bezug auf die Höhe der anbegehrten Prozessentschädigung
eine Rückweisung an die Vorinstanz verlangt wird: In der Regel und soweit
erforderlich weisen die sozialrechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts bei
Gutheissung einer Beschwerde die Sache zur Neuverlegung der Kosten und der
Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an die Vorinstanz zurück.
Dies rechtfertigt sich insbesondere, wenn das kantonale Gericht - wie hier -
bei einem weiten Ermessensspielraum (vgl. SVR 2011 UV Nr. 8 S. 9, 8C_789/10 E.
3) nicht Stellung genommen hat zur Höhe einer allfälligen Entschädigung und die
Einreichung einer Kostennote im vorinstanzlichen Verfahren nicht erforderlich
ist (vgl. § 8 Abs. 2 resp. § 7 Abs. 2 der kantonalen Verordnung vom 26. Oktober
2004 resp. 12. April 2011 über die Gebühren, Kosten und Entschädigungen vor dem
Sozialversicherungsgericht [ZH-Lex 212.812]).

2.
Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 und 2
BGG) festgestellt, die Verwaltung habe nicht näher begründet, inwiefern der in
der Honorarnote des Rechtsbeistandes ausgewiesene Aufwand von acht Stunden und
dreissig Minuten für das Abfassen des Einwandes unangemessen sein soll.
Folglich hat sie dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) für
verletzt gehalten. In der zutreffenden Annahme der Zulässigkeit einer Heilung
des Mangels hat sie von einer Rückweisung der Sache an die Verwaltung abgesehen
(BGE 132 V 387 E. 5.1 S. 390) und ist nach eigener Prüfung zum Schluss
gekommen, dass die Kürzung des Zeitaufwandes statthaft gewesen sei. Dem Ausgang
des Verfahrens entsprechend - wobei es das geringfügige Obsiegen lediglich in
Bezug auf die Auslagen für Porti für belanglos hielt - hat das kantonale
Gericht dem Beschwerdeführer keine Prozessentschädigung zugesprochen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, das vorinstanzliche Verfahren sei durch die
Verletzung der Begründungspflicht veranlasst worden, weshalb er Anspruch auf
eine Parteientschädigung habe.

3.
3.1 Die obsiegende Beschwerde führende Person hat Anspruch auf Ersatz der
Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne
Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der
Schwierigkeit des Prozesses bemessen (Art. 61 lit. g ATSG).
Trotz Unterliegens des Beschwerdeführers in der Sache kann ihm im Rahmen von
Art. 61 lit. g ATSG eine Parteientschädigung zugesprochen werden, soweit die
Beschwerdegegnerin die Kosten verursacht hat. Dieser allgemeine
Rechtsgrundsatz, wonach jene Partei für die Kosten des Verfahrens aufzukommen
hat, welche es bewirkt hat, gelangt auch bei der Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und der daraus abgeleiteten Verpflichtung
zur Entscheidbegründung (BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188; 229 E. 5.2 S. 236) zur
Anwendung (SVR 2003 AlV Nr. 2 S. 4, C 313/01 E. 1d, nicht publ. in: BGE 128 V
311). Dabei ist massgebend, dass der Partei Kosten entstehen, die ihr ohne die
Verletzung der Begründungspflicht nicht entstanden wären (BGE 133 I 234 E. 3 S.
248; SVR 2010 IV Nr. 51 S. 157, 9C_363/09 E. 3.3; SVR 2010 IV Nr. 40 S. 126,
9C_1000/09 E. 2.2; Urteil 9C_429/10 vom 9. Juli 2010 E. 2.2).

3.2 Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, machte der Beschwerdeführer
im Wesentlichen geltend, die Verwaltung habe bei der Kürzung des Aufwandes auf
einen Pauschalansatz abgestellt, ohne im Einzelnen begründet zu haben,
inwiefern der ausgewiesene Aufwand unangemessen sein solle. Bei der Aufhebung
der Rente seiner Klientin, die ausserordentlicherweise mittels Wiedererwägung
erfolgt sei, habe es sich erstens um eine wichtige Streitsache und zweitens um
einen anspruchsvollen, komplexen Fall gehandelt. Diesbezüglich hat das
kantonale Gericht erwogen, eine Entschädigung des unentgeltlichen
Rechtsbeistandes anhand pauschaler zeitlicher Richtwerte sei nicht sachgerecht,
die von ihm zu berücksichtigenden Akten seien indessen nicht von erheblichem
Umfang gewesen und hätten keine besonders hohe Komplexität aufgewiesen und
schliesslich könnten rechtliche Abklärungen wie die Konsultation der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Rahmen der unentgeltlichen
Rechtsverbeiständung nicht entschädigt werden. Wesentlich für die
vorinstanzliche Beschwerde wie auch für die Beurteilung der streitigen Höhe des
Entschädigungsanspruchs waren demnach Aspekte, zu denen sich die Verwaltung in
der Verfügung vom 15. Juli 2010 unter Verletzung ihrer Begründungspflicht nicht
geäussert hatte. Die IV-Stelle ist daher als Verursacherin der Kosten des
vorinstanzlichen Verfahrens anzusehen.

3.3 Was die IV-Stelle dagegen vorbringt, hält nicht stand: Sie bestreitet zu
Recht nicht, ihre Begründungspflicht verletzt zu haben. An dieser ändert denn
auch nichts, dass ein unentgeltlich prozessierender Rechtsanwalt die Praxis
betreffend die Verrechenbarkeit rechtlicher Abklärungen hätte kennen müssen und
dass die (zu) knappe Begründung der Verfügung dadurch erklärt wird, dass
lediglich drei "Zeitpositionen" der Honorarrechnung zu beurteilen waren, in
denen nicht klar ausscheidbare Aufwendungen für verschiedene Tätigkeiten
ausgewiesen wurden. Die Verpflichtung zur Entscheidbegründung (BGE 136 I 184 E.
2.2.1 S. 188; 229 E. 5.2 S. 236) besteht auch gegenüber rechtskundigen
Personen, namentlich gegenüber dem Rechtsanwalt, wenn die Festsetzung der
Parteientschädigung nicht mit dessen Kostennote übereinstimmt (vgl. SVR 2009 IV
Nr. 48 S. 144, 9C_991/08 E. 3.1.2; SVR 2000 IV Nr. 11 S. 31, I 308/98 E. 3b).
Überdies wäre eine den rechtlichen Anforderungen genügende Darlegung der
Motive, wie sie in der vorinstanzlichen Beschwerdeantwort vom 6. Oktober 2010
erfolgte, bereits in der Verfügung vom 15. Juli 2010 möglich gewesen. Weiter
ist für die Prozessentschädigung im vorinstanzlichen Verfahren nicht
massgebend, ob ein Antrag auf Rückweisung gestellt wurde, zumal es in der
Kompetenz des kantonalen Gerichts stand, eine solche abweichend vom
reformatorischen Rechtsbegehren anzuordnen (vgl. Art. 61 lit. d ATSG). In
diesem Fall wäre ohnehin von vornherein - unbesehen des Rechtsbegehrens - von
einem vollständigen Obsiegen des Beschwerdeführers (BGE 132 V 215 E. 6.2 S.
235; Urteil 2C_60/11 vom 12. Mai 2011 E. 2.4 mit weiteren Hinweisen) und damit
einem Anspruch auf Parteientschädigung auszugehen gewesen. Schliesslich ist es
dem Beschwerdeführer nicht vorwerfbar, wenn er von einem gesetzlich
vorgesehenen Rechtsmittel Gebrauch machte und sich nicht vor Erhebung der
Beschwerde von der Verwaltung deren Beweggründe erläutern liess. Immerhin hätte
ein solcher Verfahrensschritt, welcher eine schriftliche Stellungnahme
erfordert hätte, im Ergebnis die gesetzliche Beschwerdefrist (vgl. Art. 60
ATSG) wesentlich verkürzt. Zudem hätte eine Erneuerung des Beschwerdeantrags
oder gar ein Rückzug der Beschwerde nach Kenntnisnahme der Beschwerdeantwort
mit Blick auf das Verursacherprinzip (E. 3.1) nichts am Anspruch auf
Prozessentschädigung geändert (Urteil 8C_652/09 vom 7. Juni 2010 E. 2.3 mit
Hinweis auf SVR 1996 IV Nr. 93 S. 281, I 4/96 E. 4c). Die Beschwerde ist
begründet.

4.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem obsiegenden,
anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer steht eine Parteientschädigung zu (Art.
68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 3 des Entscheids des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 2. Dezember 2011 wird
aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf
Parteientschädigung für das vorinstanzliche Verfahren hat. Die Sache wird zur
Festlegung deren Höhe an das kantonale Gericht zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. März 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Die Gerichtsschreiberin: Dormann