Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 670/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_670/2012

Urteil vom 7. Juni 2013

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Scartazzini.

Verfahrensbeteiligte
Ausgleichskasse des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdeführerin,

gegen

M.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Barbara Lind,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
26. Juni 2012.

In Erwägung,
dass die 1925 geborene, verwitwete M.________ vom 1. Dezember 2006 bis 31. März
2010 Ergänzungsleistungen zur AHV-Rente bezogen hatte,
dass, nachdem sie im Frühjahr 2010 ins Altersheim eingetreten war, die bis zum
Heimeintritt von der Versicherten bewohnte Liegenschaft durch die
Erbengemeinschaft per 1. September 2010 verkauft wurde, weil die
Beschwerdegegnerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in die Liegenschaft
zurückkehren konnte,
dass die Ausgleichskasse des Kantons Aargau mit Verfügung vom 2. Februar 2011
ab 1. September 2010 wiederum Ergänzungsleistungen zusprach,
dass deren Tochter dagegen Einsprache mit der Begründung erhob, es sei ein
überhöhter Verkehrswert der Liegenschaft angenommen und somit der angerechnete
Vermögensverzicht zu hoch bewertet worden,
dass die Einsprache durch die Ausgleichskasse mit Einspracheentscheid vom 12.
Juli 2011 abgewiesen wurde,
dass das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die hiegegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 26. Juni 2012 gutgeheissen und die Sache zur
Neufestsetzung der Ergänzungsleistungen an die Beschwerdegegnerin
zurückgewiesen hat,
dass die Ausgleichskasse dagegen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten führt mit den Anträgen, der Einspracheentscheid sei unter
Aufhebung des kantonalen Erkenntnisses zu bestätigen, eventualiter sei
festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin beim Verkauf der Liegenschaft auf
ein Vermögen von Fr. 162'368.- verzichtet hatte, sodass die Vorinstanz
anzuweisen sei, auf dieser Grundlage über das Vorliegen und die Höhe des
Nutzniessungsverzichts zu entscheiden,
dass die Beschwerdegegnerin - mit Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege - auf Abweisung der Beschwerde schliesst, dies mit der
Feststellung, dass beim Verkauf der Liegenschaft auf ein Vermögen von lediglich
Fr. 9'612.- sowie auf eine Nutzniessung in der Höhe von Fr. 11'537.50
verzichtet wurde,
dass Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung
verzichten,
dass der angefochtene Entscheid die Rechtslage zum Vermögensverzicht gemäss den
einschlägigen rechtlichen Bestimmungen und den nach der Rechtsprechung dazu
ergangenen Grundsätzen richtig darlegt, sodass darauf verwiesen werden kann,
dass die Vorinstanz in casu einen Vermögensverzicht gemäss Art. 11 Abs. 1 lit.
g ELG deshalb verneint hat, weil der Vermögensverzicht grundsätzlich auf
Sachverhalte zu beschränken sei, in denen "bewusst" ein Vermögen weggegeben
oder zumindest in fahrlässiger Weise eine risikoreiche Investition getätigt
wurde, bei welcher ein erheblicher Verlust von Anfang an sehr wahrscheinlich
und damit absehbar ist,
dass die Beschwerdeführerin hiegegen einwendet, ein Vermögensverzicht liege
nach der Rechtsprechung (BGE 131 V 329 E. 4.3 S. 334) vor, wenn Vermögen
entweder ohne rechtliche Verpflichtung oder ohne adäquate Gegenleistung
veräussert wurde, wobei es ausreiche, wenn alternativ eine der beiden
Voraussetzungen gegeben sei, weshalb es Bundesrecht verletze, wenn die
Vorinstanz trotzdem zusätzlich ein bewusstes Weggeben von Vermögenswerten zur
Erfüllung des Verzichtstatbestandes nach Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG fordere,
zumal das Urteil 9C_180/2010 vom 15. Juni 2010 nicht zur Anwendung kommen
könne, weil diese Rechtsprechung Vermögensanlagen, insbesondere die Gewährung
von Darlehen betreffe,
dass die Betrachtungsweise der Beschwerdeführerin zutreffend ist und die
Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, weil es auf die subjektiven Beweggründe
der betreffenden Person im Bereich des Vermögensverzichts nicht ankommt,
dass die fragliche Liegenschaft, auch wenn sie ein Altbau und teilweise
sanierungsbedürftig ist, tatsächlich einen steuerlichen Verkehrswert hat, der
für die Bestimmung des Vermögensverzichts gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG
massgeblich bleibt, da - entgegen den Vorbringen in der Vernehmlassung - von
"stossenden Ergebnissen" nicht die Rede sein kann,
dass sich daraus, dem Einspracheentscheid vom 12. Juli 2011 entsprechend, bei
den gegebenen güter- und erbrechtlichen Verhältnissen ein der
Beschwerdegegnerin anzurechnender Vermögensverzicht von Fr. 162'368.- ergibt,
dass zudem klarerweise auch ein Nutzniessungsverzicht stattgefunden hat,
weshalb der Beschwerdegegnerin ein hypothetischer Nutzniessungsertrag als
Verzichtseinkommen von Fr. 2'501.- anzurechnen ist, wie die Beschwerdeführerin
zutreffend dartut (vgl. Vernehmlassung an die Vorinstanz vom 18. Oktober 2011,
S. 3) und woran die Einwendungen in der Beschwerdeantwort nach dem Gesagten
nichts zu ändern vermögen,
dass die Beschwerde somit offensichtlich begründet und im Verfahren gemäss Art.
109 Abs. 2 lit. b BGG zu erledigen ist, womit das Gesuch um aufschiebende
Wirkung der Beschwerde gegenstandslos wird,
dass dem Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren entsprochen werden kann (Art. 64 BGG), sie der
Gerichtskasse jedoch Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu in der Lage
ist (Art. 64 Abs. 4 BGG),

erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons Aargau vom 26. Juni 2012 wird aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

3.
Rechtsanwältin Barbara Lind wird als unentgeltlicher Rechtsbeistand aus der
Gerichtskasse mit Fr. 2'500.- entschädigt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. Juni 2013

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Scartazzini

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