Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 65/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_65/2012

Urteil vom 28. Februar 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
G.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Roger Zenari,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Solothurn,
Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 6. Dezember 2011.

Sachverhalt:

A.
Der 1948 geborene G.________ war als Mitinhaber eines Restaurants selbstständig
erwerbstätig, als ihm die IV-Stelle des Kantons Solothurn ab 1. Oktober 2000
eine halbe Rente der Invalidenversicherung zusprach (Verfügung vom 11. Dezember
2002). Im Juni 2007 leitete die Verwaltung ein Revisionsverfahren ein. Mit
Verfügung vom 11. März 2011 bestätigte sie den Anspruch auf eine halbe
Invalidenrente bei einem unveränderten Invaliditätsgrad von 50 %.

B.
Die Beschwerde des G.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn mit Entscheid vom 6. Dezember 2011 ab.

C.
G.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, unter Aufhebung des Entscheides vom 6. Dezember 2011 und der
Verfügung vom 11. März 2011 sei ihm spätestens ab 1. Juni 2007 eine ganze
Invalidenrente zuzusprechen.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines
Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin
für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs.
1 ATSG [SR 830.1]). Anlass zur Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in
den tatsächlichen Verhältnissen seit Zusprechung der Rente, die geeignet ist,
den Invaliditätsgrad und damit den Anspruch zu beeinflussen. Insbesondere ist
die Rente bei einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes oder der
erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich gebliebenen Gesundheitszustandes
revidierbar (BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349 mit Hinweisen). Dagegen stellt die
unterschiedliche Beurteilung der Auswirkungen eines im Wesentlichen unverändert
gebliebenen Gesundheitszustandes auf die Arbeitsfähigkeit keinen Revisionsgrund
im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG dar (Urteile 9C_932/2011 vom 3. Februar 2012
E. 2.4; 9C_552/2007 vom 17. Januar 2008 E. 3.1.2 mit Hinweisen).

3.
Die Vorinstanz hat dem psychiatrischen Gutachten des Dr. med. K.________ vom 6.
August 2010 in Bezug auf den Gesundheitszustand und dessen Entwicklung
Beweiskraft beigemessen und gestützt darauf festgestellt, seit der 2002
erfolgten Rentenzusprache bis zum Erlass der angefochtenen Verfügung sei keine
für die Arbeitsfähigkeit relevante dauerhafte Veränderung der gesundheitlichen
Situation eingetreten. Dr. med. K.________'s Annahme einer vollen
Arbeitsfähigkeit stelle hingegen lediglich eine andere Beurteilung eines
unverändert gebliebenen Sachverhalts dar, was im Rahmen der Rentenrevision
unbeachtlich sei. Weiter hat sie es für unzulässig gehalten, im
Beschwerdeverfahren die Rente gemäss Antrag der IV-Stelle wiedererwägungsweise
(vgl. Art. 53 Abs. 2 ATSG) aufzuheben. In der Annahme, der Beschwerdeführer
könne wie bis anhin seine angestammte Tätigkeit im Umfang von 50 % ausüben, hat
sie bei einem unveränderten Invaliditätsgrad von 50 % den Anspruch auf eine
halbe Invalidenrente bestätigt.

4.
4.1 Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um
Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das
Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (E. 1). Die konkrete
Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen ist die Beachtung
des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c
ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom
12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht im Rahmen der den
Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG und Art.
106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254) frei überprüfen kann
(Art. 106 Abs. 1 BGG).

4.2 Bei der Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit stützt sich die Verwaltung und
im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und
gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Aufgabe
des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und
dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten
die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des Beweiswertes eines
Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend
ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden
berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in
der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen
Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind
(BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis).

4.3 Dass die IV-Stelle wie die Vorinstanz aus rechtlichen Gründen (zu Recht; E.
4.5) nicht die Arbeitsfähigkeitsschätzung des Dr. med. K.________, der für die
bisherige Tätigkeit keine Einschränkung attestierte, übernahm, schmälert den
Beweiswert seines Gutachtens in Bezug auf den Gesundheitszustand und dessen
Entwicklung nicht. Auch zieht die Tatsache, dass der Versicherte vier Monate
stationär und anschliessend ambulant psychiatrisch behandelt wurde, nicht
zwingend den Schluss auf eine dauernde, relevante Verschlechterung des
Gesundheitszustandes nach sich. Anders als vom Beschwerdeführer behauptet, ging
der Experte weder für den Zeitpunkt der Begutachtung noch für den davor
liegenden Zeitraum von einer vollständigen psychischen Gesundheit aus, er
relativierte indessen die früher gestellten Diagnosen und
Arbeitsfähigkeitsschätzungen. Das kantonale Gericht hat diesbezüglich
zutreffend auf den Unterschied zwischen Behandlungs- und Begutachtungsauftrag
verwiesen (BGE 125 V 351 E. 3b/cc S. 353; Urteile 8C_740/2010 vom 29. September
2011 E. 6; 9C_842/2009 vom 17. November 2009 E. 2.2) und festgestellt, dass Dr.
med. K.________ sich in überzeugender Weise mit den abweichenden Auffassungen
anderer Ärzte auseinandersetzte. Das ist gerade die Aufgabe des medizinischen
Administrativgutachters als Sachverständigen. So legte er insbesondere
einleuchtend dar, weshalb er trotz entsprechender Symptome eine eigenständige
Diagnose einer Angststörung nach ICD-10 verwarf. Weiter musste sich der
Gutachter nicht mit anderen Ärzten in Verbindung setzen, liegt doch das
Einholen fremdanamnestischer Auskünfte in seinem Ermessensspielraum (Urteile
9C_762/2010 vom 19. Oktober 2010 E. 3.1; 9C_482/2010 vom 21. September 2010 E.
4.1). Es ist auch nicht ersichtlich, dass Dr. med. K.________ ausschliesslich
auf den kritisierten MADRS-Test zur Fremdbeurteilung abgestellt oder die
Selbstbeurteilungsfragebögen (vgl. dazu Urteil 8C_486/2010 vom 2. Dezember 2010
E. 3.1.2) ungenügend beachtet haben soll, zumal er eigene fachärztliche
Untersuchungen durchführte und zu den geklagten Beschwerden Stellung nahm.
Soweit der Beschwerdeführer die Ausführungen im Gutachten als "konstruiert",
"nicht schlüssig", "widersprüchlich", "wortklauberisch" oder gar
"winkeladvokatisch" bezeichnet, kann ihm nicht beigepflichtet werden,
beschränkt er sich doch im Wesentlichen darauf, lediglich die medizinischen
Unterlagen abweichend zu würdigen und daraus andere Schlüsse zu ziehen, was
nicht genügt (Urteile 9C_688/2007 vom 22. Januar 2008 E. 2.3 und 4A_28/2007 vom
30. Mai 2007 E. 1.3 [in BGE 133 III 421 nicht publiziert]). Das Gutachten des
Dr. med. K.________ erfüllt in Bezug auf die ausschlaggebende Frage nach einer
relevanten Verschlechterung des Gesundheitszustandes die materiellen
Anforderungen an die Beweiskraft (E. 4.2). Schliesslich ist es auch unter dem
Aspekt, dass es durch die Verwaltung - in Nachachtung des
Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1 ATSG) - in Auftrag gegeben wurde,
beweiskräftig (BGE 125 V 351 E. 3b/bb S. 353; vgl. auch BGE 137 V 210 E.
2.1-2.3 S. 229 ff.), zumal keine konkreten Indizien gegen seine Zuverlässigkeit
sprechen.

4.4 Was die Herzproblematik betrifft, hat die Vorinstanz gestützt auf den
Bericht des Spitals X.________ vom 26. März 2010 - gegen welchen der
Beschwerdeführer nichts vorbringt - festgestellt, der 2009 erfolgte weitere
Eingriff an den Koronargefässen habe einen guten Erfolg gezeigt. Hinweise auf
eine auf dem Herzleiden beruhende anhaltende Verschlechterung des
Gesundheitszustandes und der Leistungsfähigkeit fehlten in diesem Bericht und
anderen ärztlichen Stellungnahmen. Daraus hat sie auch hinsichtlich der
Herzbeschwerden - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht auf
eine volle Arbeitsfähigkeit, sondern unter zulässigem Verzicht auf weitere
Abklärungen (vgl. zur antizipierenden Beweiswürdigung BGE 137 V 64 E. 5.2 S.
69; 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_682/2011 E. 3.2.4) auf einen im
Wesentlichen unveränderten Gesundheitszustand geschlossen.

4.5 Nach dem Gesagten sind die vorinstanzliche Beweiswürdigung und
Sachverhaltsfeststellung betreffend den Gesundheitszustand und dessen
Entwicklung nicht offensichtlich unrichtig und beruhen auch nicht auf einer
Rechtsverletzung. Sie bleiben daher für das Bundesgericht verbindlich (E. 1).
Daher hat das kantonale Gericht zu Recht den geltend gemachten Revisionsgrund
eines verschlimmerten Gesundheitszustandes ausgeschlossen.

4.6 Auch was die erwerblichen Auswirkungen der gesundheitlich bedingten
Einschränkungen anbelangt, ist nicht von einer wesentlichen Änderung
auszugehen: Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, er habe 2009 seine
selbstständige Erwerbstätigkeit aufgegeben und könne daher nicht das ihm früher
angerechnete Invalideneinkommen erzielen. Er begründet diese Tatsachen indessen
ausschliesslich mit seinem verschlechterten Gesundheitszustand. Diesbezüglich
sind aber die verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen massgeblich (E.
4.5), nicht die abweichenden Auffassungen des Versicherten. Er legt nicht dar
und es ist auch nicht ersichtlich, dass aus anderen Gründen die Ausschöpfung
der mit der Verfügung vom 11. Dezember 2002 festgelegten und seither
unveränderten medizinisch-theoretischen Arbeitsfähigkeit von 50 % in der
bisherigen Tätigkeit unzumutbar (gewesen) sein soll und dadurch nicht
wenigstens etwas mehr als zwei Fünftel des Valideneinkommens hätte erzielt
werden können (BGE 104 V 135 E. 2b in fine S. 137). Für die
Invaliditätsbemessung resp. das Vorliegen eines Revisionsgrundes ist daher
nicht relevant, ob die als zumutbar erachtete Tätigkeit auch tatsächlich
ausgeübt wird oder ob dies nicht mehr möglich ist aufgrund einer Entscheidung
des Beschwerdeführers, die letztlich als Verletzung der
Schadenminderungspflicht (vgl. BGE 113 V 22 E. 4a S. 28 mit Hinweisen; Urteil
9C_916/2010 vom 20. Juni 2011 E. 2.2) zu qualifizieren ist. Die Beschwerde ist
unbegründet.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn, der Ausgleichskasse GastroSocial und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. Februar 2012
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Die Gerichtsschreiberin: Dormann