Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 622/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_622/2012

Urteil vom 18. März 2013
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
M.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Paul-Lukas Good,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Schwyz,
Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz
vom 12. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Der 1969 geborene M.________ meldete sich im Jahr 2001 erfolglos zum Bezug
von Leistungen der Invalidenversicherung an.
Auf eine im Januar 2004 erfolgte Neuanmeldung hin erliess die IV-Stelle Schwyz
am 7. September 2004 eine rentenablehnende Verfügung. Diese hob sie auf
Einsprache des Versicherten hin auf (Entscheid vom 18. März 2005) und liess den
Versicherten durch die Medizinische Abklärungsstelle X.________ begutachten.
Gestützt auf das am 17. Februar 2006 erstattete Gutachten der Medizinischen
Abklärungsstelle X.________ ermittelte sie einen Invaliditätsgrad von 10 % und
verneinte einen Rentenanspruch erneut (Verfügung vom 3. April 2006). Dagegen
reichte M.________ wiederum Einsprache ein, welche die IV-Stelle guthiess. Sie
sprach dem Versicherten mit Wirkung ab 1. Mai 2006 aufgrund des ermittelten
Invaliditätsgrades von 57 % eine halbe Invalidenrente zu (Entscheid vom 30. Mai
2007). Die von M.________ mit dem Antrag auf Zusprechung einer ganzen
Invalidenrente eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Schwyz mit (unangefochten in Rechtskraft erwachsenem) Entscheid vom 12.
Dezember 2007 ab.
A.b Im Rahmen einer im März 2011 eingeleiteten Rentenrevision stellte die
IV-Stelle fest, dass der Versicherte seit 1. März 2009 bei der (inzwischen
liquidierten und im Handelsregister gelöschten) Firma E.________ GmbH an vier
Stunden pro Tag (22 Stunden pro Woche) arbeitete (Monatslohn 2009: Fr. 3'000.-;
2010: Fr. 3'500.-; 2011: Fr. 4'000.-). Im Laufe des Revisionsverfahrens
erfolgte arbeitgeberseits die Kündigung mit Wirkung auf den 31. August 2011.
Die IV-Stelle klärte die Verhältnisse ab, wozu sie unter anderem bei der
Arbeitgeberfirma genauere Auskünfte einholte (bei der IV-Stelle am 29.
September 2011 eingegangener Fragebogen und ergänzende Auskunft der E.________
GmbH vom 9. Dezember 2011).
Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens hob die IV-Stelle die bisherige
halbe Rente rückwirkend per 1. Januar 2010 auf (ermittelter Invaliditätsgrad:
32 % [2010] und 28 % [1. Januar bis 31. August 2011]), stellte eine separate
Rückforderungsverfügung für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 30. April 2011 in
Aussicht und sprach dem Versicherten ab 1. September 2011 bei einem ermittelten
Invaliditätsgrad von 57 % eine halbe Rente zu (Verfügung vom 24. Februar 2012).
Mit einer separaten Verfügung forderte die IV-Stelle den Betrag von Fr.
15'960.- (in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis 30. April 2011 ausgerichtete
Rentenbetreffnisse) zurück (Rückerstattungsverfügung vom 24. Februar 2012).

B.
Mit zwei separaten Beschwerden beantragte M.________ die Aufhebung der beiden
Verfügungen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz vereinigte die beiden
Verfahren und wies die Beschwerden im Sinne der Erwägungen ab (Entscheid vom
12. Juni 2012).

C.
M.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben
und das Rechtsbegehren stellen, der angefochtene Entscheid und die beiden
Verfügungen seien aufzuheben. Eventualiter sei der kantonale Entscheid
aufzuheben und die Angelegenheit zur Ergänzung des Sachverhaltes, zur
Neuprüfung und zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz oder die IV-Stelle
zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht beantragt er, der Beschwerde sei die
aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), unter anderem
eine unvollständige Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen (BGE 135 V 23
E. 2 S. 25). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den
die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz auf Rüge hin oder von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht, und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2
BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.
2.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer vom 1. März
2009 bis 31. August 2011 für die Firma E.________ GmbH tätig war, diese
Erwerbstätigkeit der IV-Stelle aber erst in dem von ihm am 28. April 2011
unterzeichneten Fragebogen zur Rentenrevision und damit nicht rechtzeitig
gemeldet hat (vgl. dazu Art. 77 IVV in der bis Ende 2011 gültig gewesenen
Fassung).

2.2 Die Vorinstanz gelangte in Übereinstimmung mit der IV-Stelle zum Ergebnis,
dass die mit der Aufnahme der Tätigkeit bei der E.________ GmbH verbundene
Veränderung der Einkommensverhältnisse revisionsweise zu berücksichtigen ist
(Art. 17 ATSG), was zur Rentenaufhebung rückwirkend per 1. Januar 2010 (Art.
88bis Abs. 2 lit. b IVV in der bis Ende 2011 gültig gewesenen Fassung) führt
(ermittelter Invaliditätsgrad: 32 bzw. 28 %), und dass die zu Unrecht
ausgerichteten Leistungen zurückzuerstatten sind (Art. 25 Abs. 1 ATSG).
Ebenso wenig wie die IV-Stelle folgte die Vorinstanz der Argumentation des
Beschwerdeführers, wonach es sich beim ausgerichteten Lohn um im Rahmen des
Invalideneinkommens nach Art. 25 Abs. 1 lit. b IVV zumindest teilweise nicht zu
berücksichtigenden Soziallohn handle. Zur Begründung führte das kantonale
Gericht an, der Arbeitgeber (der Geschäftsführer der E.________ GmbH) habe die
Frage "Entspricht der angegebene Lohn der Arbeitsleistung?" im Fragebogen
unmissverständlich mit "Ja" beantwortet und die Zusatzfrage "Wenn nicht,
welcher Lohn entspräche der Arbeitsleistung?" unbeantwortet gelassen. Auf dem
Fragebogen werde für den Fall, dass der Lohn die Arbeitsleistung übersteige, um
eine separate, ausführliche Begründung über Art und Ausmass der
Leistungseinbusse unter Angabe der Daten, seit wann die reduzierte Leistung
bestehe, gebeten. Zudem werde auf die (den Unterschied zwischen Sozial- und
Leistungslohn erklärende) Ziffer 4.5 der Hinweise zum Fragebogen für
Arbeitgebende verwiesen. In Anbetracht dieser (im angefochtenen Entscheid
wörtlich wiedergegebenen) Informationen sei es für den Arbeitgeber ohne
weiteres erkennbar gewesen, worum es bei den erwähnten Fragen ging. Hätte der
Arbeitgeber sie nicht verstanden, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies
entweder vermerkt oder bei der IV-Stelle nachfragt. Als die IV-Stelle - wegen
des Hinweises des Arbeitgebers, wonach er der Schwager des Versicherten sei und
ihn nur angestellt habe, weil er ihm leid getan habe und ein anderer
Arbeitgeber ihn nicht angestellt hätte - nochmals nachgefragt habe, ob der
ausbezahlte Lohn der effektiven Arbeitsleistung entsprochen habe, habe der
Arbeitgeber die Frage erneut und ausdrücklich mit "Ja" beantwortet. Im Lichte
dieser klaren Antworten des Arbeitgebers sei nicht zu beanstanden, dass die
IV-Stelle eine Soziallohnkomponente verneint habe. Es habe kein Anlass
bestanden, beim Arbeitgeber ein weiteres Mal nachzufragen.

2.3 Der Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, die Vorinstanz habe den
Sachverhalt insofern unrichtig festgestellt, als sie davon ausgegangen sei, der
Arbeitgeber habe den Fragebogen richtig verstanden und die Auszahlung eines
Soziallohnes sowohl im Fragebogen als auch auf Rückfrage hin verneint. Des
Weitern sei die Vorinstanz zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Sachverhalt
genügend abgeklärt sei und sich weitere Beweiserhebungen erübrigten.

2.4 Diese beschwerdeführerischen Vorbringen sind nicht geeignet, die
grundsätzlich verbindlichen (vgl. E. 1) vorinstanzlichen
Tatsachenfeststellungen als offensichtlich unrichtig oder rechtsfehlerhaft
erscheinen zu lassen:
Nichts abzuleiten vermag der Beschwerdeführer aus dem Umstand, dass er sehr
langsam gewesen sei in der Erledigung seiner Aufgaben und mehr Pausen benötigt
habe, um sich auszuruhen (wobei auf seine weitere Behauptung, er habe für eine
mit vier Stunden pro Tag bemessene Arbeit einen ganzen Tag, d.h. doppelt so
viel Zeit wie eine gesunde Arbeitskraft, benötigt, nicht weiter einzugehen ist,
weil sie den Angaben der Arbeitgeberfirma und seinen eigenen früheren, als
Aussagen der ersten Stunde glaubwürdigeren [BGE 121 V 45 E. 2a S. 47] Angaben
widerspricht). Denn für die Frage, ob der ausbezahlte Lohn das Äquivalent der
erbrachten Arbeitsleistung darstellt (und damit ein Leistungslohn vorliegt),
ist nicht entscheidend, wie sich der Versicherte die Arbeit einteilt,
namentlich ob er die Tätigkeit durch vermehrte Pausen auflockert oder
ununterbrochen ausübt. Hingegen bestätigen die Ausführungen in der Beschwerde
erneut, dass der Versicherte eine einem Pensum von 50 % entsprechende
Arbeitsleistung erbrachte. Soweit er vorbringt, er habe die ihm übertragenen
Aufgaben nur teilweise erfüllen können, kann ihm nicht gefolgt werden, weil die
Arbeitgeberfirma bestätigte, dass er die Arbeit wunschgemäss (nur leider sehr
langsam) erledige.
Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung spielt im vorliegenden
Zusammenhang auch keine Rolle, dass er die Arbeitsstelle bei der E.________
GmbH nur aufgrund der zum Geschäftsführer bestehenden Schwägerschaft erhielt,
betrifft doch die Frage nach einer Soziallohnkomponente nicht die
Anstellungsmotive, sondern einzig das Verhältnis zwischen Arbeitsleistung und
Lohn. Es trifft zwar zu, dass verwandtschaftliche Beziehungen zwischen dem
Arbeitgeber und der versicherten Person ein Indiz für eine freiwillige
Sozialleistung darstellen können (vgl. Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I
929/05 vom 11. August 2006 E. 4.2; I 106/05 vom 2. August 2005 E. 4.2.3; vgl.
Ulrich Meyer, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 2. Aufl. 2010,
S. 293); dies ist aber nicht zwingend der Fall. Für das hier zu beurteilenden
Verhältnis liess sich eine Soziallohnkomponente ohne weiteres ausschliessen,
als der Geschäftsführer der Arbeitgeberfirma auch auf die ausdrückliche
Nachfrage der IV-Stelle vom 17. November 2011 (mit dem Hinweis, dass er
einerseits angegeben habe, der Lohn entspreche der Arbeitsleistung, und
anderseits ausgeführt habe, er habe den Versicherten nur angestellt, weil er
mit ihm verwandt sei) ein weiteres Mal bestätigte, der Lohn habe der effektiven
Arbeitsleistung entsprochen (und deshalb auch die weiteren Fragen unbeantwortet
liess, welches Erwerbseinkommen der Leistungsfähigkeit entsprochen hätte und
inwiefern der Versicherte die Anforderungen in qualitativer und quantitativer
Hinsicht nicht habe erfüllen können). Dass auch das kantonale Gericht bei
dieser Sachlage die strengen Anforderungen an den Nachweis von Soziallohn (vgl.
Urteil 9C_26/2008 vom 26. Mai 2008 E. 5.1 mit Hinweis auf BGE 117 V 18) als
nicht erfüllt betrachtete und aufgrund der eindeutigen Beweislage in
antizipierter Beweiswürdigung (vgl. dazu BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236) auf
weitere Abklärungen verzichtete, ist somit nicht zu beanstanden. Die
Berücksichtigung des bei der E.________ GmbH erzielten Lohnes im Rahmen der
Rentenrevision ist demnach rechtens.

2.5 Da in der Beschwerde weder zur Ermittlung des IV-Grades (bei
Berücksichtigung des bei der E.________ GmbH erzielten Einkommens) noch zur
Berechnung des Rückforderungsbetrages Stellung genommen wurde, erübrigen sich
Ausführungen zu diesen Punkten. Die beiden Verfügungen vom 24. Februar 2012
sind zu bestätigen.

3.
Mit dem Urteil in der Sache wird das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden
Wirkung gegenstandslos.

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. März 2013

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann