Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 612/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_612/2012

Urteil vom 28. November 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Verfahrensbeteiligte
Stadt Zürich, Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV, Molkenstrasse 5/9, 8004
Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

P.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV (Berechnung des Leistungsanspruchs),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 27. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
P.________ ist seit 1. Juli 2008 Bezügerin einer ganzen Invalidenrente. Sie
beansprucht Zusatzleistungen zur AHV/IV. Seit dem 1. April 2010 betrugen diese
monatlich Fr. 1'319.- (Gesamtsumme aus Ergänzungsleistungen, kantonaler
Beihilfe und Gemeindezuschuss). Im Rahmen der periodischen Überprüfung der
Einkommens- und Vermögensverhältnisse setzte das Amt für Zusatzleistungen zur
AHV/IV der Stadt Zürich (nachfolgend: AZL) die Leistungen ab 1. Dezember 2010
auf monatlich Fr. 1'171.- herab (Verfügung vom 15. November 2010 und
Einspracheentscheid vom 30. November 2010).

B.
Die von P.________ dagegen erhobene Beschwerde hiess das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich in dem Sinne gut, dass es den
Einspracheentscheid aufhob und die Sache an das AZL zurückwies, damit es den
Anspruch auf Zusatzleistungen ab 1. Dezember 2010 im Sinne der Erwägungen noch
einmal berechne und hernach neu darüber verfüge (Entscheid vom 27. Juni 2012).

C.
Das AZL führt hiegegen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Es
beantragt Aufhebung des angefochtenen Entscheides und Rückweisung der Sache an
die Vorinstanz. Sinngemäss fordert es, über die Sache sei in
intertemporalrechtlicher Hinsicht korrekt zu entscheiden.

P.________ stellt keinen Antrag. Vorinstanz und Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichten auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Endentscheide, das
heisst gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG), und
gegen Teilentscheide, die nur einen Teil der gestellten Begehren behandeln,
wenn diese unabhängig von den anderen beurteilt werden können (Art. 91 lit. a
BGG). Gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist hingegen
die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Zuständigkeit oder den Ausstand
betreffen (Art. 92 BGG), einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken
können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde
sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an
Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93
Abs. 1 lit. b BGG). Rückweisungsentscheide, mit denen eine Sache zur neuen
Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, sind Zwischenentscheide,
die nur unter den genannten Voraussetzungen beim Bundesgericht angefochten
werden können (BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481 f.). Anders verhält es sich nur,
wenn der unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein
Entscheidungsspielraum mehr verbleibt und die Rückweisung bloss noch der
Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient (SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131,
9C_684/2007 E. 1.1; dazu nicht veröffentlichte E. 1 von BGE 135 V 148).

1.2 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid.
Die Vorinstanz begründete die Rückweisung der Sache zum Neuentscheid damit, die
Verwaltung habe für den Vermögensfreibetrag nicht den gesetzlich vorgesehenen
(erhöhten) Ansatz berücksichtigt. Sie hat so eine die Beschwerdeführerin
materiellrechtlich bindende Anordnung getroffen. Diese rügt, der
vorinstanzliche Entscheid verletze Bundesrecht, weil Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG
in einer Fassung berücksichtigt worden sei, die im hier massgebenden
Revisionszeitpunkt noch gar nicht gegolten habe. Ohne eine Möglichkeit, die
Streitsache schon jetzt an das Bundesgericht weiterzuziehen, wäre die
Beschwerdeführerin somit durch den vorinstanzlichen Entscheid gezwungen, eine
aus ihrer Sicht rechtswidrige Verfügung zu treffen (BGE 133 V 477 E. 5.2,
5.2.1-5.2.4 S. 483 ff.), die sie dann nicht mehr anfechten könnte. Weil die
fehlende Möglichkeit des (späteren) Weiterzugs für die Verwaltung zu einem
nicht wieder gutzumachenden Nachteil führen könnte, ist auf die Beschwerde
einzutreten. Zudem ermöglicht eine Gutheissung der Beschwerde einen sofortigen
Endentscheid in der Sache (E. 1.1, 3).

2.
Es ist unbestritten, dass der in Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG geregelte
Vermögensfreibetrag mit der Einführung des Bundesgesetzes über die Neuordnung
der Pflegefinanzierung vom 13. Juni 2008 (AS 2009 3517) für alleinstehende
Personen von Fr. 25'000.- auf Fr. 37'500.- erhöht wurde. Die vom Bundesrat
ursprünglich auf den 1. Juli 2010 vorgesehene Inkraftsetzung des genannten
Gesetzes (AS 2009 3520) hat dieser, was vorinstanzlich unbeachtet geblieben
ist, mit der Verordnung vom 4. Dezember 2009 über die Änderung des Zeitpunkts
des Inkrafttretens der Neuordnung der Pflegefinanzierung (AS 2009 6847) auf den
1. Januar 2011 verschoben. Die Beschwerdeführerin hat damit bei der ab 1.
Dezember 2010 geltenden Festsetzung der jährlichen Ergänzungsleistung die erst
auf den 1. Januar 2011 beschlossene Erhöhung des gesetzlichen Freibetrages zu
Recht nicht berücksichtigt. Die von der Beschwerdeführerin gerügte
Bundesrechtsverletzung durch den vorinstanzlichen Entscheid ist begründet.

3.
Damit bleibt materiell die von der Beschwerdegegnerin nach wie vor bestrittene
Zulässigkeit der Berücksichtigung von Vermögenswerten bei der Ermittlung des
Zusatzleistungsanspruchs zu überprüfen.

3.1 Die jährliche Ergänzungsleistung entspricht dem Betrag, um den die
anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 9 Abs. 1
ELG). Die anerkannten Ausgaben und die anrechenbaren Einnahmen werden nach den
in Art. 10 und 11 ELG sowie den Art. 11-18 ELV festgelegten Bestimmungen
ermittelt. Als Einnahmen anzurechnen sind gemäss Art. 11 Abs. 1 ELG unter
anderem Renten, Pensionen und andere wiederkehrende Leistungen, einschliesslich
die Renten der AHV und der IV (lit. d). Als Einnahme angerechnet wird gemäss
Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG zudem ein Vermögensverzehr von einem Fünfzehntel des
Reinvermögens, soweit dieses den dort vorgesehenen Freibetrag übersteigt. Bei
der periodischen Überprüfung kann auf die Anpassung der jährlichen
Ergänzungsleistung verzichtet werden, wenn die Änderung weniger als Fr. 120.-
im Jahr ausmacht (Art. 25 Abs. 1 lit. d ELV).

3.2 Entgegen dem Standpunkt der Beschwerdegegnerin ist bei der Berechnung der
Ergänzungsleistungen weder zu berücksichtigen, wofür Ersparnisse gedacht sind,
noch aus welchen Einkommen sie gebildet worden sind. Bei der Ermittlung der
Anspruchsberechtigung sind die vorhandenen Vermögenswerte zu berücksichtigen,
über welche die EL-berechtigte Person ungeschmälert verfügen kann. Die Herkunft
der Vermögenswerte ist für die Anrechenbarkeit unerheblich (vgl. dazu CARIGIET/
KOCH, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2. Aufl. 2009, S. 162). Von der
Anrechnung ausgenommen sind lediglich Vermögenswerte wie der übliche Hausrat
sowie die zur Berufsausübung dienenden Maschinen, Geräte und Werkzeuge.
Ebenfalls ausser Rechnung fallen Vermögenswerte, an denen eine Nutzniessung
besteht (CARIGIET/KOCH, a.a.O., S. 163 f., mit zusätzlichen Hinweisen).

3.3 Der Einwand der Beschwerdegegnerin, es handle sich bei dem Geld auf ihrem
UBS-Privatkonto um Ersparnisse aus Sozialhilfe, Invalidenrente und AHV/
IV-Zusatzleistungen, welche bei der Bedarfsberechnung nicht angerechnet werden
dürften, ist nach dem eben Dargelegten nicht stichhaltig. Allerdings wäre
dieses Vermögen von Fr. 18'531.64 (Kontostand vom 8. Oktober 2010) durch den
massgebenden Freibetrag von Fr. 25'000.- abgedeckt. Ausschlaggebend für die
Berücksichtigung eines Vermögensverzehrs war darum effektiv, dass die
Beschwerdegegnerin über ein Freizügigkeitskonto bei der Freizügigkeitsstiftung
der UBS AG verfügt (Saldo am 31. Dezember 2009 Fr. 50'192.65). Denn
Freizügigkeitsguthaben der beruflichen Vorsorge sind bei der Berechnung des
EL-Anspruchs als Vermögen zu berücksichtigen, wenn sie bezogen werden können:
Gemäss Art. 16 Abs. 2 der Verordnung vom 3. Oktober 1994 über die Freizügigkeit
in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge
(Freizügigkeitsverordnung, FZV) kann die versicherte Person die vorzeitige
Auszahlung von Freizügigkeitspolicen und Freizügigkeitskonten verlangen, wenn
sie eine volle (recte: ganze) Rente der eidgenössischen Invalidenversicherung
bezieht. In dem Zeitpunkt, in dem die EL-berechtigte Person Anspruch auf eine
ganze Invalidenrente begründet, ist ihr das Freizügigkeitskapital demzufolge
als Vermögen anzurechnen (ERWIN CARIGIET/UWE KOCH, a.a.O., S. 164; Urteil P 56/
05 vom 29. Mai 2006 E. 3). Die Beschwerdegegnerin bezieht seit 1. Juli 2008
eine ganze Invalidenrente, weshalb die Berücksichtigung des
Freizügigkeitsguthabens rechtmässig war. Sie führte zu der von der Verwaltung
richtig ermittelten Überschreitung des Vermögensfreibetrages. Der
Einspracheentscheid ist somit korrekt und der vorinstanzliche Entscheid darum
aufzuheben.

4.
In Anwendung von Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG wird umständehalber auf die Erhebung
von Gerichtskosten verzichtet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Juni 2012 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. November 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Schmutz