Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 604/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_604/2012

Urteil vom 16. November 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
P.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Vonesch,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Luzern,
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 11. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
Mit Einspracheentscheid vom 28. Mai 2010 sprach die IV-Stelle Luzern P.________
für die Zeit vom 1. März bis 31. Dezember 2000 und vom 1. März 2001 bis 30.
November 2008 eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zu.

B.
Mit Entscheid vom 11. Juni 2012 änderte das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, den mit Beschwerde
angefochtenen Einspracheentscheid insoweit ab, als es die IV-Stelle
verpflichtete, P.________ ab 1. März 2000 bis 31. Dezember 2003 (mit Ausnahme
der Monate Januar und Februar 2001) eine halbe Rente und vom 1. Januar 2004 bis
30. November 2008 eine Dreiviertelsrente auszurichten.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt P.________,
der Entscheid vom 11. Juni 2012 sei aufzuheben und ihm ab dem frühest möglichen
Zeitpunkt eine unbefristete ganze Invalidenrente ohne Unterbruch zuzusprechen,
unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

D.
Mit Verfügung vom 5. September 2012 ist das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit der Prozessbegehren abgewiesen worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff.
BGG) kann die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG),
u.a. eine unvollständige Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen (BGE 135
V 23 E. 2 S. 25). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz auf Rüge hin oder von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht, und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2
BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG).
1.1.1 Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich
unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und
augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine
offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in
Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (vgl. BGE 129 I
8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_967/2008 vom 5. Januar 2009 E. 5.1). Diese Grundsätze
gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung (Urteile 9C_999/2010 vom
14. Februar 2011 E. 1 und 9C_735/2010 vom 21. Oktober 2010 E. 3; SVR 2012 BVG
Nr. 11 S. 44, 9C_779/2010 E. 1.1.1; Urteil 9C_769/2012 vom 2. November 2012 E.
1).
1.1.2 Die Beweiswürdigung durch das kantonale Gericht verletzt Bundesrecht,
namentlich wenn es den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels
offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für
den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus
den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1
S. 9; Urteil 9C_161/2009 vom 18. September 2009 E. 1.2 mit Hinweisen).
Das Bundesgericht prüft die Rüge einer willkürlichen Beweiswürdigung
grundsätzlich nur, soweit sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und
begründet wird. Auf bloss appellatorische Kritik an der vorinstanzlichen
Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung tritt es nicht ein (BGE 137 II 353
E. 5.1 S. 356; Urteil 9C_294/2012 vom 7. Mai 2012 E. 3.1).

1.2 Einem ärztlichen Bericht kommt Beweiswert zu, wenn er für die streitigen
Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die
geklagten Beschwerden berücksichtigt und in Kenntnis der Vorakten (Anamnese)
abgegeben worden ist, wenn die Beschreibung der medizinischen Situation und
Zusammenhänge einleuchtet und die Schlussfolgerungen des Arztes begründet sind
(BGE 125 V 351 E. 3a S. 352; Urteil 9C_624/2009 vom 7. Oktober 2009 E. 4.1.1
mit Hinweis).

2.
Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige und unvollständige
Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz. Was er zur Begründung vorbringt,
ist indessen nicht stichhaltig:

2.1 Weder hat die Vorinstanz das rheumatologische Teilgutachten des
medizinischen Instituts X.________ vom 20. Dezember 2005 aus dem Recht
gewiesen, noch hat sie die objektivierten klinischen Befunde als falsch
bezeichnet. Vielmehr hat es in somatischer Hinsicht das orthopädische
Teilgutachten der MEDAS vom 28. April 2009 als schlüssiger erachtet und daher
darauf abgestellt. Der Beschwerdeführer vermag nicht darzutun, inwiefern diese
Beweiswürdigung unhaltbar ist. Unbestritten hatten dem Rheumatologen des
medizinischen Instituts X.________ die bildgebenden Befunde nicht zur Verfügung
gestanden. Sodann übersieht er bei seiner Argumentation, dass auch der
Orthopäde der MEDAS eine klinische Untersuchung durchgeführt hatte (vgl. zu
deren Bedeutung und zur Bedeutung bildgebender Verfahren in der
Wirbelsäulen-Diagnostik Alfred M. Debrunner, Orthopädie. Orthopädische
Chirurgie, 4. Aufl. 2002, S. 783 ff., 881; ferner Tilscher/Graf, Die Bedeutung
der bildgebenden Verfahren - Röntgen, CT, MRT - in der konservativen Orthopädie
und manuellen Medizin, in: Manuelle Medizin 1-2010, S. 16 ff.). Im Weitern hat
die Vorinstanz die erwähnten Gutachten nicht miteinander verglichen, sondern
deren Schlüssigkeit unter Berücksichtigung der jeweils anderen Expertise
beurteilt. Der neu eingereichte ärztliche Bericht, der befundmässig das
rheumatologische Teilgutachten des medizinischen Instituts X.________ erhärten
soll, ist - soweit überhaupt ein zulässiges Novum - nicht geeignet, die
vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung als offensichtlich
unrichtig, willkürlich erscheinen zu lassen.

2.2 Mit seinen Vorbringen im Zusammenhang mit der Beweislast in Bezug auf das
Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen eines
Gesundheitsschadens (vgl. etwa SVR 2011 UV Nr. 4 S. 12, 8C_901/2009 E. 3.2) übt
der Beschwerdeführer pauschale appellatorische Kritik am angefochtenen
Entscheid.

2.3 Weiter ist das psychiatrische Teilgutachten der MEDAS vom 7. Mai 2009 kein
Aktengutachten. Der Beschwerdeführer wurde persönlich durch eine
Fachpsychologin befragt und danach vom Experten untersucht. Im Übrigen legt er
nicht dar, inwiefern anamnestisch wesentliche Umstände unberücksichtigt
geblieben sein sollen. Sodann hatte die Vorinstanz in ihrem
Rückweisungsentscheid vom 24. Februar 2004 das Gutachten des Dr. med.
T.________ vom 22. Mai 2002 nicht als unbrauchbar aus dem Recht gewiesen.
Vielmehr erachtete sie aufgrund der Diskrepanz zur Beurteilung der behandelnden
Ärzte der ambulanten Dienste des Psychiatriezentrums Y.________ ein
Obergutachten als erforderlich. Im Übrigen waren sich nach nicht offensichtlich
unrichtiger Feststellung des kantonalen Gerichts die im Verlauf involvierten
Ärzte, u.a. auch der psychiatrische Gutachter des medizinischen Instituts
X.________, hinsichtlich der Diagnose einer undifferenzierten
Somatisierungsstörung einig. Von einer sinngemäss kritiklosen Übernahme dieser
Diagnose von Dr. med. T.________ durch den psychiatrischen Experten der MEDAS
kann jedenfalls nicht gesprochen werden.

2.4 Sodann verletzt es nicht Art. 97 BGG, dass die Vorinstanz auf das
psychiatrische Teilgutachten des medizinischen Instituts X.________ vom 29.
November 2005 abgestellt hat, hingegen nicht auf das rheumatologische
Teilgutachten vom 20. Dezember 2005 (Urteil 9C_687/2011 vom 8. Februar 2012 E.
3.2.2).

2.5 Schliesslich folgt aus der Pflicht der kantonalen Versicherungsgerichte,
ihre Entscheide zu begründen (Art. 29 Abs. 2 BV sowie Art. 61 lit. h ATSG und
Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG), nicht, dass sie sich ausdrücklich mit jeder
Tatsachenbehauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen und jedes
einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen müssen. Vielmehr können sie sich
auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 136 I
229 E. 5.2 S. 236; 133 III 439 E. 3.3 S. 445; 124 V 180 E. 1a S. 181; Urteil
9C_269/2012 vom 6. August 2012 E. 3.1). Wer eine Verletzung der
Begründungspflicht rügt, hat darzulegen oder wenigstens glaubhaft zu machen,
welche der nicht explizit behandelten Argumente entscheidwesentlich sein
könnten (SVR 2011 AHV Nr. 2 S. 4, 9C_1001/2009 E. 3.2). Dazu genügt nicht, auf
die vorinstanzliche Beschwerde zu verweisen oder das dort Vorgebrachte zu
wiederholen (vgl. Urteil 6B_843/2011 vom 23. August 2012 E. 3.4.1). Das tut
indessen der Beschwerdeführer, insbesondere wenn er die fachliche Qualifikation
der Gutachter bestreitet und Voreingenommenheit des psychiatrischen Experten
geltend macht.

3.
Das ebenfalls bestrittene Invalideneinkommen hat die Vorinstanz auf der
Grundlage der Lohnstrukturerhebung 2000 des Bundesamtes für Statistik
ermittelt, wobei es - praxisgemäss - auf den durchschnittlichen Lohn in allen
Wirtschaftszweigen des privaten Sektors («Total») abgestellt hat. Mit seinen
Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun, dass und inwiefern die
Voraussetzungen für ein Abweichen von dieser Regel erfüllt sind und
richtigerweise der Durchschnittslohn im Bereich "Persönliche Dienstleistungen"
heranzuziehen wäre (BGE 129 V 472 E. 4.3.2 S. 483; RKUV 2001 Nr. U 439 S. 347,
U 240/99).

4.
Die Beschwerde ist unbegründet.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der AHV-Ausgleichskasse Schulesta und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. November 2012
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Fessler