Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 561/2012
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_561/2012

Urteil vom 18. Juni 2013

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Borella, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Nussbaumer.

Verfahrensbeteiligte
T.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Bohren,
Gesuchsteller,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Gesuchsgegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Gesuch um Wiederherstellung der Frist betreffend das Urteil des Schweizerischen
Bundesgerichts 9C_402/2012 vom 25. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
Mit Eingabe vom 11. Mai 2012 liess T.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. März 2012. Der Eingabe
war eine Anwaltsvollmacht vom 25. März 2011 beigelegt. Mit Verfügung vom 15.
Mai 2012 wies die II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts den
Rechtsvertreter von T.________ darauf hin, dass seine Rechtsschrift folgenden
Mangel aufweise: "fehlende Beilagen (vorinstanzlicher Entscheid) ". Er wurde
aufgefordert, diesen Mangel spätestens bis am 29. Mai 2012 zu beheben,
ansonsten die Rechtsschrift unbeachtet bleibe. Tags darauf sandte der
Rechtsvertreter wiederum die Vollmacht vom 25. März 2011 dem Bundesgericht ein.

B.
Mit Urteil vom 25. Juni 2012 trat die II. sozialrechtliche Abteilung des
Bundesgerichts auf die Beschwerde nicht ein, da der Beschwerdeführer den
angezeigten Mangel nicht innerhalb der mit Verfügung vom 15. Mai 2012
angesetzten, am 29. Mai 2012 abgelaufenen Frist behoben, sondern mit Schreiben
vom 16. Mai 2012 bloss ein zweites Mal seine Vollmacht eingereicht hatte.

C.
Mit Eingabe vom 6. Juli 2012 lässt T.________ ein Gesuch um Wiederherstellung
der Frist der Verfügung vom 15. Mai 2012 zum Einreichen des vorinstanzlichen
Entscheids stellen. Ferner sei das Urteil vom 25. Juni 2012 aufzuheben und auf
die Beschwerde vom 11. Mai 2012 sei einzutreten.

Erwägungen:

1.

1.1. Gemäss Art. 50 Abs. 1 BGG wird eine versäumte Frist wiederhergestellt,
wenn der Gesuchsteller nachweist, dass er oder sein Vertreter durch ein
unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, innerhalb der Frist zu
handeln, und binnen 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses unter Angabe des
Grundes die Wiederherstellung verlangt und die versäumte Rechtshandlung
nachholt.

1.2. Nach Art. 50 Abs. 2 BGG kann die Fristwiederherstellung auch nach
Eröffnung des Urteils bewilligt werden; wird sie bewilligt, so wird das Urteil
aufgehoben. Der Umstand, dass das Bundesgericht mit Urteil 9C_402/2012 vom 25.
Juni 2012 auf die Beschwerde vom 11. Mai 2012 wegen Nichteinreichung des
angefochtenen vorinstanzlichen Entscheides nicht eingetreten und der Prozess
mithin bereits abgeschlossen ist, steht einer Behandlung des Gesuchs nicht
entgegen. Wenn das Gesuch begründet sein sollte, führt es - gleich einem
erfolgreichen Revisionsgesuch - zur Aufhebung des rechtskräftigen
Bundesgerichtsentscheids (Urteil 4F_6/2009 vom 1. Juli 2009 E. 1.3; Urteil
9C_259/2012 vom 11. April 2012 E. 1.2).

1.3. Die Frist von 30 Tagen ist mit dem Gesuch vom 6. Juli 2012 eingehalten,
mit welchem auch die versäumte Rechtshandlung, die Einreichung des
angefochtenen kantonalen Entscheids, nachgeholt worden ist.

2.

2.1. Ein unverschuldetes Hindernis im Sinne von Art. 50 Abs. 1 BGG liegt vor,
wenn der Partei (und gegebenenfalls ihrem Vertreter) kein Vorwurf gemacht
werden kann (vgl. BGE 112 V 255 E. 2a; Urteil 8F_3/2011 vom 28. Juli 2011).
Nach dem klaren Gesetzeswortlaut schliesst - wie bereits unter altem
Recht - jedes Verschulden, insbesondere auch blosse Fahrlässigkeit, im
Interesse eines geordneten Rechtsgangs, der Verfahrensdisziplin und der
Rechtssicherheit eine Wiederherstellung aus. Namentlich stellt ein auf
Unachtsamkeit zurückzuführendes Versehen kein unverschuldetes Hindernis dar
(Urteil 2C_703/2009 vom 21. September 2010 E. 3.3). Die damit im Einzelfall
allenfalls verbundenen Härten sind als vom Gesetzgeber gewollt zu betrachten,
nachdem bereits unter Geltung des Art. 35 OG ein strenger Massstab bei der
Prüfung des Verschuldens angelegt worden ist ( KATHRIN AMSTUTZ/PETER
ARNOLD, Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, Note 5 und 20 zu
Art. 44 BGG).

2.2. Der Rechtsvertreter des Gesuchstellers bringt vor, es habe sich um ein
Versehen gehandelt. Er habe beim Lesen der Verfügung zu rasch darauf
geschlossen, dass die Beilagen zur Rechtsschrift vom 11. Mai 2012 irrtümlich
nicht mitgeschickt worden seien und den Text in der Klammer (vorinstanzlicher
Entscheid) kognitiv nicht mehr verarbeitet. Allerdings habe er unverzüglich,
d.h. bereits am 16. Mai 2012, also 13 Tage vor Fristablauf die vermeintlich
fehlende Vollmacht gesendet. Sein Missverständnis sei damit offensichtlich
geworden. Zwar sei es nicht Aufgabe des Bundesgerichts die Anwälte zu
kontrollieren und auf Missverständnisse hinzuweisen, doch sei der Unterzeichner
wohl nach Treu und Glauben auf den Fehler hingewiesen worden, wenn er vor
Fristablauf noch entdeckt worden wäre. Es könne ihm insofern auch kein
Verschulden angerechnet werden, dass seine Eingabe vom Bundesgericht nicht
sofort zur Kenntnis genommen werden konnte und sein offensichtliches
Missverständnis damit erst nach Fristablauf entdeckt worden sei. Weil er auf
die Verfügung des Bundesgerichts ohne Verzug, d.h. 13 Tage vor Fristablauf
reagiert habe, seien die Feststellung des Missverständnisses und das
Nachreichen der richtigen Beilage innert Frist ohne weiteres möglich gewesen,
sodass sein Versehen alleine noch nicht zur Fristversäumnis geführt habe. Bei
nicht allzu strenger Anwendung von Art. 50 BGG seien die Voraussetzungen für
die Fristwiederherstellung erfüllt.

2.3. Nach Art. 42 Abs. 3 BGG ist der angefochtene Entscheid der Rechtsschrift
beizulegen. Auf dieses Erfordernis ist in der Rechtsmittelbelehrung des
angefochtenen Entscheids ausdrücklich hingewiesen worden. Dennoch hat der
Rechtsvertreter des Gesuchstellers seiner Beschwerde lediglich die Vollmacht
beigelegt. Nach dieser ersten Unaufmerksamkeit hat das Bundesgericht gestützt
auf Art. 42 Abs. 5 BGG dem Rechtsvertreter Frist zur Behebung des Mangels
angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibe.
Diese Nachfristansetzung ist Ausdruck eines aus dem Verbot des überspitzten
Formalismus fliessenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes (BGE 134 II 244 E. 2.4.2
S. 247 f. mit Hinweisen) und gibt dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, eine
fehlerhafte Rechtsschrift zu verbessern oder fehlende Beilagen nachzureichen.
Prozessuale Formen sind unerlässlich, um die ordnungsgemässe Abwicklung des
Verfahrens sowie die Durchsetzung des materiellen Rechts zu gewährleisten (BGE
134 II 244 E. 2.4.2 S. 248 mit Hinweisen). Nachdem das Bundesgericht mit
Schreiben vom 15. Mai 2012 auf die fehlende Beilage hingewiesen hat, hätte der
Rechtsvertreter des Gesuchstellers angesichts des ersten formellen Fehlers umso
aufmerksamer sein und sich klar darüber vergewissern müssen, worin der Mangel
besteht. Namentlich musste er angesichts des angedrohten Rechtsnachteils davon
ausgehen, dass eine zweite Möglichkeit zur Verbesserung nicht besteht. Nachdem
er in der Rechtsmittelbelehrung des kantonalen Entscheides und im Schreiben vom
15. Mai 2012 auf das Erfordernis der Einreichung des angefochtenen Entscheides
hingewiesen worden ist, hatte er keinen Anspruch mehr darauf, dass ihn das
Bundesgericht nach Eingang seines Schreibens vom 16. Mai 2012 noch ein weiteres
Mal auf den Mangel hinweist. Unter diesen Umständen sind die Voraussetzungen
für die Wiederherstellung nicht erfüllt, noch kann er etwas daraus ableiten,
dass ihn das Bundesgericht nicht auf seinen neuerlichen Fehler hingewiesen hat.

3.
Umständehalber wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66
Abs. 1 2. Satz BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Gesuch um Wiederherstellung der Frist vom 6. Juli 2012 wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. Juni 2013

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Borella

Der Gerichtsschreiber: Nussbaumer

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben