Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 528/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_528/2012

Urteil vom 20. Juni 2013

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
nebenamtlicher Bundesrichter Brunner,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
KPT Krankenkasse AG,
Tellstrasse 18, 3014 Bern,
Beschwerdeführerin,

gegen

E.________,
vertreten durch Fürsprecher Andreas Danzeisen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 30. Mai 2012.

Sachverhalt:

A.
E.________, geboren 1925, ist bei der KPT Krankenkasse AG, Bern (nachfolgend:
KPT), krankenversichert. Seit einigen Jahren bezieht sie Hauspflegeleistungen
der Spitex. Mit Bedarfsmeldeformular vom 11. April 2011 ersuchte die Spitex die
KPT um Kostengutsprache für Leistungen im Zeitraum 13. April bis 12. Oktober
2011 (Total aller Pflegeleistungen pro Quartal: 128,7 Stunden). Die KPT
erteilte am 6. Juni 2011 Kostengutsprache für Pflegeleistungen im Umfang von 65
Stunden pro Quartal und bestätigte dies mit Verfügung vom 4. August 2011 sowie
mit Einspracheentscheid vom 31. Oktober 2011.

B.
In teilweiser Gutheissung der hiegegen von E.________ erhobenen Beschwerde
entschied das Verwaltungsgericht des Kantons Bern am 30. Mai 2012, den
Einspracheentscheid aufzuheben und verpflichtete die KPT im Sinne der
Erwägungen, vom 13. April bis 12. Oktober 2011 Spitexleistungen im Umfang von
123,55 Stunden pro Quartal zu vergüten und darüber neu zu verfügen. Im Übrigen
wies es die Beschwerde ab.

C.
Die KPT führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Rechtsbegehren, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides seien E.________
für Spitexleistungen vom 13. April bis 31. Oktober 2011 total 65 Stunden pro
Quartal gutzusprechen.
E.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde und beantragt, die KPT sei zu
verpflichten, die Kosten gemäss Bedarfsmeldung vom 11. April 2011 zu
übernehmen. Vorinstanz und Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

1.2. Soweit die Beschwerdegegnerin im Rahmen ihrer Vernehmlassung vor
Bundesgericht mehr verlangt, als ihr im angefochtenen Entscheid zugesprochen
wurde, kann auf ihr Begehren nicht eingetreten werden. Die Einladung zur
Einreichung einer Vernehmlassung (Art. 102 Abs. 1 BGG) eröffnet nicht die
Möglichkeit zur Anschlussbeschwerde (BGE 138 V 106 E. 2 S. 110 f. und 134 III
332 E. 2.5 S. 335).

2.
Nach Art. 24 KVG übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die
Kosten für die Leistungen gemäss den Art. 25-31 nach Massgabe der in den Art.
32-34 KVG festgelegten Voraussetzungen. Die Leistungen umfassen u.a.
Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die ambulant, bei
Hausbesuchen, stationär, teilstationär in einem Pflegeheim durch Personen
durchgeführt werden, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer
Ärztin Leistungen erbringen (Art. 25 Abs. 2 lit. a Ziff. 3 KVG). Der
Leistungsbereich wird in Art. 7 ff. Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV)
näher umschrieben.
Seit 1. Januar 1998 besteht keine zeitliche Einschränkung mehr für die
Pflegeleistungen; die Tarife werden nach Art und Schwierigkeit der notwendigen
Leistungen abgestuft (vgl. Art. 7a KLV in der seit 1. Januar 2011 geltenden
Fassung). Ebenfalls auf den 1. Januar 1998 wurde mit Art. 8a eine Bestimmung
über das Kontroll- und Schlichtungsverfahren bei Krankenpflege zu Hause in die
KLV eingefügt. Nach Absatz 3 dieser Norm dient das Verfahren der Überprüfung
der Bedarfsabklärung sowie der Kontrolle von Zweckmässigkeit und
Wirtschaftlichkeit der Leistungen. Die ärztlichen Aufträge oder Anordnungen
sind zu überprüfen, wenn voraussichtlich mehr als 60 Stunden pro Quartal
benötigt werden; bei voraussichtlich weniger als 60 Stunden pro Quartal sind
systematische Stichproben vorzunehmen (vgl. BGE 126 V 334E. 1a und b S. 336).

3.
Streitig ist die Kostenübernahme von Hauspflegeleistungen nach Art. 25a KVG in
der Zeit vom 13. April bis 12. Oktober 2011.

3.1. Nach den sich auf die Angaben des behandelnden Dr. med. K.________, Innere
Medizin FMH, stützenden - letztinstanzlich verbindlichen (E. 1.1 hievor ) -
Feststellungen des kantonalen Gerichts leidet die Versicherte an einer Demenz,
mindestens mittelschweren Grades, wahrscheinlich vaskulärer Ätiologie,
progredient seit März 2006, einer seit Februar 1998 bekannten schweren
arteriellen Hypertonie, einer chronisch venösen Insuffizienz und einem
chronischen Cervikalsyndrom mit hochgradig eingeschränkter HWS-Beweglichkeit.
Ausserdem besteht ein Status nach Hüftgelenkstotalprothese im Dezember 2002
(infolge Femurkopfnekrose) und es droht eine Malnutrition (bei einem
Gewichtsverlust von 13 kg innert drei Jahren; Ausführungen des Dr. med.
K.________ vom 11. April und 30. August 2011). Die kognitiven Funktionen hätten
sich kontinuierlich verschlechtert, insbesondere in Form erhebliche
Gedächtnisstörungen. Die Versicherte sei nicht mehr in der Lage, Medikamente
selbständig einzunehmen, habe das Einkaufen vergessen und sich nicht mehr
adäquat ernährt.

3.2. Die Vorinstanz gelangte nach einlässlicher Würdigung der mit
Bedarfsmeldung vom 11. April 2011 geltend gemachten wie auch der tatsächlich
erbrachten Abklärungs- und Beratungsmassnahmen zum Ergebnis, die von der
Beschwerdegegnerin hiefür geltend gemachten sechs Stunden pro Quartal seien
nicht gerechtfertigt. Zu Recht habe die Versicherung den entsprechenden Aufwand
auf 3,75 Stunden gekürzt. Hinsichtlich der Untersuchungs- und
Behandlungsmassnahmen habe die Versicherung mit Blick auf die erst per 1.
Januar 2012 in Kraft getretene Änderung von Art. 7 Abs. 2 lit. b KLV das
Richten der Medikamente zu Recht nicht berücksichtigt. Für das Verabreichen
seien gestützt auf das Bedarfsabklärungs-Instrumentarium der Spitex, RAI-HC
( Resident Assessment Instrument - Homecare, einsehbar unter www.qsys.ch oder
www.rai.ch ), Anhang F zum RAI-Katalog, 9,15 Stunden pro Quartal einzusetzen.
Zu Unrecht habe die Kasse aber die wöchentlichen Messungen von Blutdruck, Puls
und Gewicht unberücksichtigt gelassen. Hiefür seien gemäss Anhang F RAI-HC 3,25
Stunden pro Quartal anzurechnen. Insgesamt belaufe sich daher der begründete
Zeitaufwand für Massnahmen der Untersuchung und Behandlung auf 12,4 Stunden pro
Quartal. Im Bereich der Grundpflege seien pro Quartal für das An- und Ausziehen
der Stützstrümpfe und die damit zusammenhängende Pflege 30,5 Stunden, für
Teilwäsche 34,02 Stunden, für Hilfe beim An- und Auskleiden 22,88 Stunden sowie
für die Ganzwäsche 8,67 Stunden, total somit 96,06 Stunden angemessen. Die mit
Bedarfsmeldung vom 5./11. April 2011 geltend gemachten 92,4 Stunden seien
demzufolge gerechtfertigt. Schliesslich prüfte das kantonale Gericht, ob die
Versicherte Anspruch auf Massnahmen der Überwachung und Unterstützung psychisch
kranker Personen habe. Es erwog, die diagnostizierte mittelschwere Demenz mit
erheblichen Gedächtnisstörungen sei eine psychische Erkrankung; zusätzlich
bestehe die Gefahr eine Malnutrition. Die Spitex-Einsätze, welche der
Orientierung namentlich in den Bereichen Körperpflege und Nahrungsaufnahme
dienten und eine minimale Tagesstruktur ermöglichten, seien als Unterstützung
in grundlegenden alltäglichen Lebensverrichtungen anzusehen, welche die
Versicherte krankheitsbedingt nicht mehr vollumfänglich selbständig zu
erledigen vermöge. Der zeitliche Umfang von 15 Stunden pro Quartal sei
angemessen. Insgesamt resultiere somit ein begründeter Zeitbedarf pro Quartal
von 123,55 Stunden.

3.3. Die Beschwerdeführerin rügt, das kantonale Gericht stütze sich zu Unrecht
auf abgeänderte Unterlagen, welche die Beschwerdegegnerin im vorinstanzlichen
Verfahren ins Recht gelegt habe. Die Kürzung der Abklärungs- und
Behandlungsmassnahmen auf 3,45 Stunden pro Quartal sei vorinstanzlich zu Recht
bestätigt worden. Bei den behandlungspflegerischen Massnahmen habe das
kantonale Gericht gestützt auf die nachträglich abgeänderte Pflegeplanung nicht
verordnete Massnahmen (Blutdruck-, Puls- und Gewichtsmessungen im Umfang von
3,25 Stunden) bundesrechtswidrig berücksichtigt. Im Bereich der allgemeinen
Grundpflege beanstandet die Beschwerdeführerin die Zusprechung einer Vergütung
für nicht verordnetes und beantragtes Waschen (pro Quartal: 34,02 Stunden) und
An-/Auskleiden (22,88 Stunden) sowie für psychische Grundpflege (15 Stunden).
Gesamthaft habe die Vorinstanz 58,55 Stunden pro Quartal zu viel zugesprochen;
korrekt seien die Leistungen auf die mit Einspracheentscheid gewährten 65
Stunden pro Quartal zu beschränken.

3.4. Die Beschwerdegegnerin bringt vor, es treffe nicht zu, dass die
Pflegedokumentation nachträglich abgeändert worden sei. Vielmehr diene die
Pflegeplanung einer groben Konzeption der zu verrichtenden Tätigkeiten und
werde laufend nachgeführt. Neue Einträge würden entsprechend datiert, so dass
immer klar ersichtlich sei, ab wann welche Pflegemassnahmen gelten sollten. Die
Messung der Vitalzeichen (Gewicht, Blutdruck, Puls) habe Dr. med. K.________ am
16. August 2011 angeordnet, eine unzulässige Leistungskumulierung sei nicht
vorgenommen worden. Weil die Verweigerung der Hilfestellung beim
Medikamentenmanagement wegen ihrer psychischen Erkrankung gravierende
Auswirkungen hätte, sei der entsprechende Aufwand als zwingender Bestandteil
der Behandlungspflege mit therapeutischer Zielsetzung im Sinne von Art. 7 Abs.
2 lit. b KLV, eventuell als Teil der psychiatrischen Grundpflege anzusehen.
Damit resultiere ein Zeitaufwand für Behandlungspflege von 15,3 Stunden pro
Quartal. Für die tatsächlich erbrachte Ganzwäsche sei gemäss RAI-HC ein Aufwand
von 16 Stunden pro Quartal zu berücksichtigen. Schliesslich seien die
Voraussetzungen für die Kostenübernahme der psychiatrischen Grundpflege
erfüllt.

4.
Welche Massnahmen in zeitlicher Hinsicht wie auch in Bezug auf Form und Inhalt
angebracht sind, steht im pflichtgemässen Ermessen der Leitung des
Spitex-Verbandes und des für die Anordnung der Leistungen zuständigen Arztes
(Urteil K 156/04 vom 21. Juni 2006 E. 4.1.2). Diese Bedarfsabklärung ist in der
Regel massgebend für die Kostenübernahme der Krankenversicherung und nur im
Hinblick auf die abschliessende Aufzählung gemäss Art. 7 bis 7b KLV
überprüfbar. Bei der Beurteilung des konkreten Bedarfs kommt den zuständigen
Personen ein gewisser Spielraum zu, in welchen namentlich dann nur
zurückhaltend einzugreifen ist, wenn es sich beim Leistungen anordnenden Arzt
um den Hausarzt der versicherten Person handelt, der jederzeit über deren
Gesundheitszustand im Bilde ist (Urteile 9C_597/2007 vom 19. Dezember 2007 E.
5.2 und K 161/00 vom 25. Mai 2001 E. 4b). Darüber hinaus gilt die gesetzliche
Vermutung, dass ärztlich verordnete Leistungen im Sinne von Art. 32 Abs. 1 KVG
wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind (BGE 129 V 167E. 4 S. 174). Soweit
der RAI-HC-Katalog, der zwar keinen normativen Charakter hat und für den
Richter nicht verbindlich ist, eine dem Einzelfall angepasste und gerecht
werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulässt, können
die Gerichte diesen bei ihrer Entscheidung mitberücksichtigen (Urteil 9C_702/
2010 vom 21. Dezember 2010 E. 4.2.3 mit Hinweisen).

5.

5.1. Unbestritten geblieben sind die Kürzungen im Bereich Abklärungs- und
Beratungsmassnahmen auf 3,75 Stunden pro Quartal.

5.2.

5.2.1. Was die Massnahme der Untersuchung und Behandlung betrifft, erwog die
Vorinstanz zu Recht, dass gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b Ziff. 7 KLV in der bis
31. Dezember 2011 gültig gewesenen Fassung das wöchentliche Richten von
Medikamenten, obwohl notwendige Voraussetzung für das bis dahin einzig
leistungspflichtig gewesene Verabreichen von Medikamenten, keine von der
Krankenversicherung zu übernehmende behandlungspflegerische Massnahme war
(Urteil 9C_365/2012 vom 31. Oktober 2012 E. 4.3 mit Hinweis auf BGE 136 V 172
E. 4.3.2 S. 177 f.). Zwar wurde Art. 7 Abs. 2 lit. b Ziff. 7 KLV inzwischen mit
Blick darauf geändert, dass das korrekte Richten der Medikamente namentlich für
Patientinnen und Patienten, welche mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen
müssen oder für Personen mit Risiken für Fehleinnahmen und Verwechslungen
(beispielsweise bei Verwirrtheit oder [beginnender] Demenz) integraler Teil der
medizinischen Leistungen mit potenziell erheblichen Implikationen für die
Pflegequalität ist (vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 25. Mai 2011 zur
Motion 11.3212 von Nationalrätin Heim vom 17. März 2011). Die am 1. Januar 2012
in Kraft getretene neue Bestimmung, wonach nebst der Verabreichung von
Medikamenten nunmehr auch die Vorbereitungshandlungen sowie die Dokumentation
zur Behandlungspflege gehören, ist indes auf die hier streitigen Ansprüche noch
nicht anwendbar. Das kantonale Gericht hat den Aufwand für das Richten von
Medikamenten zu Recht unberücksichtigt gelassen.

5.2.2. Es trifft zu, dass in Form und Inhalt unterschiedliche
Pflegedokumentationen für denselben Zeitraum im Recht liegen. Die
Beschwerdegegnerin begründete vor Bundesgericht an sich plausibel, weshalb es
zu unterschiedlichen Einträgen in der Pflegeplanung kommen kann, namentlich
unter Hinweis darauf, dass zunächst eine Grobplanung erfolge, die im
Behandlungsverlauf (mit entsprechender Datierung) ergänzt werde, und eine neue
Pflegeplanung angelegt werde, wenn auf dem laufenden Dokument kein Platz mehr
vorhanden sei oder sich die Pflegebedürfnisse wandelten. Diese Erläuterungen
vermögen indes nichts daran zu ändern, dass im Zeitpunkt der Kostengutsprache
die Notwendigkeit der Kontrolle von Vitalzeichen nicht (rechtsgenüglich)
ausgewiesen war. In ihrer letztinstanzlichen Vernehmlassung räumt die
Beschwerdegegnerin denn auch ein, die Bedarfsabklärung vom 11. April 2011 habe
keine Anordnung zur Messung der Vitalzeichen enthalten, eine entsprechende
wöchentliche Messung habe Dr. med. K.________ (erst) am 16. August 2011
angeordnet. Weil nach dem Gesagten die massgeblichen, im Zeitpunkt der
Gesuchstellung vorhanden gewesenen Unterlagen einen entsprechenden Bedarf nicht
auswiesen, hält der angefochtene Entscheid insoweit vor Bundesrecht nicht
Stand, als das kantonale Gericht - gestützt auf eine nachträglich ergänzte
Pflegeplanung - erwog, die Versicherung habe zu Unrecht die wöchentlichen
Messungen von Blutdruck, Puls und Gewicht nicht berücksichtigt. In diesem Punkt
ist die Beschwerde gutzuheissen und der Pflegebedarf für Massnahmen der
Untersuchung und Behandlung auf 9,15 Stunden zu beschränken.

5.3. Hinsichtlich der allgemeinen Grundpflege stellte die Vorinstanz auf die
Angaben in der Bedarfsmeldung ab, was grundsätzlich richtig und zulässig ist
(E. 4 hievor). Gestützt auf die Unterlagen der Pflegeplanung und -dokumentation
und den RAI-HC Katalog ermittelte sie den notwendigen Zeitaufwand für das
tägliche An- und Ausziehen der Stützstrümpfe, die tägliche Teilwäsche sowie die
tägliche Hilfe beim An- und Ausziehen und zudem für die wöchentliche Ganzwäsche
in Bad oder Dusche. Der vorinstanzlich angerechnete Bedarf ist indes teilweise
aktenwidrig und insoweit zu korrigieren.

5.3.1. Ausgewiesen und im bundesgerichtlichen Verfahren anerkannt ist das
tägliche An- und Ausziehen der Stützstrümpfe (zweimal zehn Minuten). Hingegen
war eine tägliche Teilwäsche am Lavabo offenbar nicht notwendig und wurde auch
nicht durchgeführt, wie die Beschwerdegegnerin in ihrer letztinstanzlichen
Vernehmlassung bestätigt.

5.3.2. W as die von der Beschwerdeführerin bestrittene tägliche Hilfe beim An-
und Ausziehen betrifft, scheint eine solche weder in der Bedarfsmeldung noch in
der ursprünglichen Pflegedokumentation der Spitex auf. Auch die (echtzeitliche)
Dokumentation der tatsächlich erbrachten Leistungen zeigt, dass die Versicherte
meist bereits angezogen war, wenn die Pflegefachfrauen bei ihr eintrafen. Von
einer Hilfe beim abendlichen Ausziehen ist in der Pflegedokumentation ebenfalls
nur vereinzelt die Rede. Die Beispiele, welche die Beschwerdegegnerin als
Belege für die geleistete Unterstützung anführt, lassen nicht auf eine tägliche
Hilfe schliessen, sondern legen vielmehr den Schluss nahe, dass die Versicherte
sich im Regelfall selber an- und auszog. Es steht fest, dass sie gelegentlicher
Hilfe bedurfte und innerhalb der hier in Frage stehenden Periode vom 13. April
bis 12. Oktober 2011 solche Hilfestellungen zunahmen. Gemäss Pflegeplanung der
Spitex wurde eine Hilfe beim An- und Auskleiden mit Blick auf das
Selbstpflegedefizit aber erst am 26. Oktober 2011, mithin nach dem 12. Oktober
2011 angeordnet. Unter diesen Umständen kann der im RAI-HC-Katalog für die
tägliche Hilfe beim An- und Auskleiden vorgesehene Ansatz von zweimal 15
Minuten für den hier zu beurteilenden Zeitraum nicht angerechnet werden, die
entsprechende Kostengutsprache im angefochtenen Entscheid beruht auf einer
offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung. Indes bedurfte die
Versicherte der täglichen Hautpflege (insbesondere auch in Zusammenhang mit
einer zeitweilig entzündeten Bauchfalte), was die Vorinstanz zu Unrecht nicht
berücksichtigt hatte. Für diese Massnahme sind im RAI-HC-Katalog sieben Minuten
vorgesehen, weshalb der entsprechende Aufwand mit einem durchschnittlichen
Zeitbedarf von 10,7 Stunden pro Quartal anzurechnen ist (103 Tage [13. April
bis 12. Oktober 2011] x 7 Minuten / 60 Minuten / 2).

5.3.3. Das kantonale Gericht berücksichtigte eine wöchentliche Ganzwäsche in
Bad oder Dusche. Der Pflegeplan sah indes seit dem 29. Juli 2010 unter dem
Titel "Körperpflege" ein zweimaliges Baden oder Duschen pro Woche vor. Ein
solches wird denn auch durch die Pflegeberichte bestätigt und ist somit im
Umfang von 17,34 Stunden pro Quartal rechtsgenüglich ausgewiesen. Gesamthaft
resultiert in der Grundpflege ein Aufwand von 58,5 Stunden im Quartal (An- und
Ausziehen von Stützstrümpfen: 30,5 Stunden; Hautpflege: 10,7 Stunden;
Ganzkörperpflege: 17,3 Stunden).

5.4.

5.4.1. Für Massnahmen zur Überwachung und Unterstützung psychisch kranker
Personen in der grundlegenden Alltagsbewältigung hat das kantonale Gericht die
in der Bedarfsmeldung geltend gemachten 15 Stunden pro Quartal zugesprochen.
Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Massnahmen gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. c
Ziff. 2 KLV müssten kumulativ und gleichzeitig der Überwachung sowie der
Unterstützung dienen. Überdies bestehe eine Leistungspflicht der
Krankenversicherung nur, soweit die Beeinträchtigungen krankheitsbedingt - also
nicht (rein) altersbedingt - seien. Von einer Überwachung und Unterstützung bei
einer an mittlerer bis schwerer Demenz erkrankten Person könne bei einem
vorinstanzlich zugesprochenen Aufwand von zehn Minuten täglich nicht gesprochen
werden. Zudem sei es der Versicherten bei fortgeschrittener Demenz auch nicht
mehr möglich, eine angepasste Tagesstruktur zu erarbeiten und einzuüben.

5.4.2. Das Bundesgericht setzte sich in BGE 131 V 178 E. 2.2.3 S. 185 eingehend
mit der Auslegung von Art. 7 Abs. 2 lit. c KLV (in der damals gültig gewesenen
Fassung) auseinander und erwog, dass zur psychiatrischen und
psychogeriatrischen Grundpflege Massnahmen zu rechnen sind, welche der
Überwachung und Unterstützung psychisch kranker Personen bei der
Alltagsbewältigung dienen, soweit es sich um Beeinträchtigungen in den
grundlegenden alltäglichen Lebensverrichtungen handelt und soweit sie
krankheitsbedingt sind. Es muss sich um Massnahmen der Personenhilfe und nicht
der Sachhilfe (insbesondere Haushalthilfe) handeln (hiezu auch Urteil K 97/03
vom 18. März 2005 E. 3.2.3, in: RKUV 2005 KV Nr. 328 S. 186 ff.; Jamieson/
Landolt, Ersatzpflicht des Krankenversicherers für Kommunikationsleistungen in
der Pflege, in: Pflegerecht 2012, S. 130 ff. [135]). Die per 1. Januar 2007
präzisierten leistungspflichtigen Massnahmen zur Überwachung und Unterstützung
psychisch kranker Personen bezwecken namentlich, diesen eine Krankenpflege zu
Hause zu ermöglichen und damit eine stationäre Behandlung zu vermeiden oder
hinauszuzögern ( Jamieson/Landolt, a.a.O. S. 134 f.; vgl. auch das früher
ergangene Urteil K 114/04 vom 18. März 2005 E. 2.2.3).

5.4.3. Streitig sind Spitex-Einsätze zur Überwachung und Unterstützung der
Versicherten in den Bereichen Körperhygiene und Nahrungsaufnahme. Es ist
unbestritten, dass sie wegen ihrer krankheitsbedingten Desorientierung
beispielsweise wiederholt zu wenig ass oder trank, sich falsch kleidete, die
Wohnung nicht lüftete, die Rollläden nicht öffnete oder den Kochherd nicht
abstellte. Die von der Spitex in solchen Situationen erbrachten Hilfestellungen
sind klar als Massnahmen zur Bewältigung grundlegender alltäglicher
Lebensverrichtungen zu qualifizieren, welche die Versicherte aufgrund der
zunehmenden krankheitsbedingten Einschränkungen ihrer kognitiven Fähigkeiten
nicht mehr (zuverlässig) selbst vornahm. Es geht dabei um Personen-, nicht um
Sachhilfe, welche sowohl dem Wohlbefinden als auch der Sicherheit der
Versicherten dient.

5.4.4.

5.4.4.1. Zu Recht weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die
vorinstanzlich gestützt auf Bedarfsmeldung und Pflegedokumentation
zugesprochenen 15 Stunden pro Quartal (entsprechend zehn Minuten pro Tag) nicht
genügen, um der Versicherten Strategien zu vermitteln, die beeinträchtigte
Selbstständigkeit in den verschiedenen alltäglichen Lebensverrichtungen wieder
zu erlangen. Die Hilfe zu Selbsthilfe scheitert im Übrigen bereits an der Art
der Erkrankung, welche kaum mehr Lernerfolge zulässt und eine dauernde Hilfe
nötig macht. Allerdings verlangen weder der Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 lit. c
Ziff. 2 KLV noch der Normzweck (Vermeiden oder Verzögern einer stationären
Pflege; E. 5.4.2 hievor), dass die Massnahmen die grundlegenden Fähigkeiten zur
Alltagsbewältigung verbessern müssen. In vielen Fällen, so auch bei der
Versicherten, muss es genügen, dass eine Alltagsbewältigung mit Hilfe möglich
bleibt, indem die Selbstpflege gefördert und unterstützt und eine -
gesundheitsgefährdende - Selbstvernachlässigung verhindert wird (vgl. Christoph
Lüthy, Bemerkungen, in: AJP 2005 S. 1152, 1155). Auch BGE 131 V 178 ist nicht
in dem Sinne zu verstehen, dass eine Leistungszusprache gestützt auf Art. 7
Abs. 2 lit. c Ziff. 2 KLV nur dann erfolgen könnte, wenn die versicherte Person
durch die Pflegemassnahme wieder in die Lage versetzt wird, ihr Leben
eigenständig zu führen. Sofern und soweit eine Person als Folge ihrer
psychischen Erkrankung nicht (mehr) in der Lage ist, alltägliche
Lebensverrichtungen allein, insbesondere ohne entsprechende Aufforderung oder
Anleitung, vollständig oder zeitgerecht auszuführen, können unter Umständen
auch entsprechende Anleitungen und Ermunterungen als Massnahmen der Grundpflege
im Sinne von Art. 7 Abs. 2 lit. c Ziff. 2 KLV versichert sein. Dies gilt
insbesondere, wenn es der versicherten Person dadurch ermöglicht wird,
(weiterhin) in ihrem eigenen Zuhause zu wohnen (Urteil K 114/04 vom 18. März
2005 E. 3.3).

5.4.4.2. Die von der Spitex zugunsten der Versicherten erbrachten Leistungen
zeigen, dass bereits mit kleinem zeitlichem Aufwand eine beträchtliche
Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden konnte. Für derartige dauernde,
aber zeitlich eng limitierte Pflege- und Hilfeleistungen ist eine
Leistungspflicht der Krankenversicherer zu bejahen. Nicht zuletzt mit Blick auf
die demografische Entwicklung in der Schweiz, welche in den nächsten Jahren
einen erheblichen Anstieg dementiell erkrankter Personen mit entsprechendem
Pflege- und Unterstützungsbedarf erwarten lässt (vgl. etwa Tagungsband Demenz -
gesundheits- und sozialpolitische Herausforderung, Impulsveranstaltung des
Bundesamtes für Gesundheit [BAG] in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen
Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren [GDK] vom 29.
August 2011, S. 7), ist eine im dargelegten Sinn "demenzgerechte und
kosteneffiziente Betreuung" (Votum Nationalrat Wehrli vom 12. April 2011, AB
2011 N 659) geboten. Nicht damit einhergehen darf allerdings eine
Vergütungspflicht der Krankenpflegeversicherungen für die Haushaltführung (E.
5.4.2 hievor). Das kantonale Gericht hat somit die Anspruchsvoraussetzungen für
die Kostenübernahme von Massnahmen der psychiatrischen Grundpflege zu Recht
bejaht und den geltend gemachten Aufwand von 15 Stunden pro Quartal
zugesprochen.

5.5. Nach dem Gesagten ist ein Pflegebedarf von insgesamt 86,7 Stunden
ausgewiesen. Das kantonale Gericht erachtete einen Aufwand von 123,55 Stunden
für begründet, weshalb die Beschwerde teilweise gutzuheissen ist.

6.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 BGG).
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten von Fr. 500.-
im Umfang von Fr. 300.- der Beschwerdeführerin und von Fr. 200.- der
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin
hat der Beschwerdegegnerin zudem für das bundesgerichtliche Verfahren eine
reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG), welche
auf pauschal Fr. 1'500.- festgesetzt wird.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung,
vom 30. Mai 2012 und der Einspracheentscheid der KPT Krankenkasse AG vom 31.
Oktober 2011 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die
Beschwerdeführerin Anspruch auf Vergütung von Pflegeleistungen im Umfang von
86,7 Stunden für die Zeit vom 13. April bis 12. Oktober 2011 hat. Im Übrigen
wird die Beschwerde abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden zu Fr. 300.- der Beschwerdeführerin und
zu Fr. 200.- der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'500.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 20. Juni 2013
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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