Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 520/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_520/2012

Urteil vom 20. August 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
P.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Figi,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 30. April 2012.

Sachverhalt:

A.
P.________ meldete sich im November 2008 bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Nach medizinischen und beruflichen Abklärungen (u.a.
Gutachten des Instituts X.________ vom 28. Juni 2010) und nach durchgeführtem
Vorbescheidverfahren sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Zürich mit Verfügung
vom 11. November 2010 eine Viertelsrente ab 1. Mai 2009 zu.

B.
Die Beschwerde der P.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich nach zweifachem Schriftenwechsel mit Entscheid vom 30. April 2012 ab,
soweit es darauf eintrat.

C.
P.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den
Rechtsbegehren, der Entscheid vom 30. April 2012 sei aufzuheben und ihr eine
ganze Invalidenrente ab 1. Mai 2009 zuzusprechen; eventualiter sei die Sache
zwecks Einholung eines Gerichtsgutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der Argumentation der
Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E. 1.2 S. 252 mit
Hinweisen; 130 III 136 E. 1.4 S. 140).

2.
Die Vorinstanz hat für die Zeit ab 1. Mai 2009 (unstreitiger Leistungsbeginn)
durch Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28a Abs. 2 IVG)
auf der Grundlage einer gesundheitlich bedingt eingeschränkten Arbeitsfähigkeit
in einer angepassten Tätigkeit ohne mögliche Selbst- oder Drittgefährdung
gemäss dem Gutachten des Instituts X.________ vom 28. Juni 2010 einen
Invaliditätsgrad von 47 % ermittelt, was Anspruch auf eine Viertelsrente gibt.
Dabei hat sie, der Verwaltung folgend, das anhand der Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung 2008 des Bundesamtes für Statistik (LSE 08; grundlegend
BGE 124 V 321) berechnete Invalideneinkommen unter dem Titel Parallelisierung
der Vergleichseinkommen um 20 % gekürzt und - in einem zweiten Schritt - einen
leidensbedingten Abzug von 5 % vorgenommen (vgl. BGE 135 V 297 und 134 V 322
sowie BGE 126 V 75).

3.
Die Beschwerdeführerin rügt, das vorinstanzliche Abstellen auf die Einschätzung
der Arbeitsfähigkeit im Gutachten des Instituts X.________ vom 28. Juni 2010
und die Feststellung, es stehe ihr eine breite Palette von Tätigkeiten auf dem
ausgeglichenen Arbeitsmarkt offen, widerspreche dem Abklärungsbericht für
Hilflosenentschädigung für Erwachsene vom 11. Februar 2011 und dem Bericht der
behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH C.________ vom
26. Juni 2012. Im Weitern bestreitet sie den Beweiswert der Expertise.

3.1 Der Bericht vom 26. Juni 2012 hat aufgrund des Novenverbots (Art. 99 Abs. 1
BGG) sowie der Bindung des Bundesgerichts an den vorinstanzlich festgestellten
Sachverhalt (Art. 105 Abs. 1 BGG) und der Beschränkung der Prüfung in
tatsächlicher Hinsicht auf die in Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG
festgelegten Beschwerdegründe unbeachtet zu bleiben (Urteil 9C_889/2011 vom 8.
Februar 2012 E. 1).
3.2
3.2.1 Der Bericht vom 11. Februar 2011 über die Abklärung der Hilflosigkeit ist
soweit zu berücksichtigen, als er mit dem Streitgegenstand Rente in engem
Sachzusammenhang steht und geeignet ist, die Beurteilung im Zeitpunkt des
Erlasses der vorinstanzlich angefochtenen Verfügung vom 11. November 2010 zu
beeinflussen (Urteil 9C_116/2010 vom 20. April 2010 E. 3.2.2; vgl. auch BGE 121
V 362 E. 1b S. 366 und BGE 99 V 98 E. 4 S. 102).
3.2.2 Die Vorinstanz hat den im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels
eingereichten Bericht vom 11. Februar 2011 in den Erwägungen nicht erwähnt, ihm
somit implizit die Bedeutung eines relevanten Beweismittels abgesprochen. Dies
verletzt kein Bundesrecht. Abgesehen davon, dass die Anmeldung zum Bezug von
Hilflosenentschädigung erst im Dezember 2010, somit nach der Rentenverfügung
vom 25. November 2010 erfolgt war, finden sich in keinem ärztlichen Bericht,
auch nicht im Gutachten des Instituts X.________ vom 28. Juni 2010, Hinweise
darauf, dass die Beschwerdeführerin bei der Lebensverrichtung Fortbewegung/
Pflege gesellschaftlicher Kontakte (vgl. Art. 37 IVV und Urteil 9C_839/2009 vom
4. Juni 2010 E. 3.1) in einem Masse eingeschränkt war, wie es gemäss dem
Abklärungsbericht seit Mai 2008 der Fall sein soll. Danach könne sie sich u.a.
in der Wohnung (nur) selbständig fortbewegen, indem sie den Wänden nach laufe
oder sie werde von der Spitex zu sämtlichen Terminen bei Ärzten und Behörden
begleitet. Unter diesen Umständen ist der Bericht vom 11. Februar 2011 nur,
aber immerhin als ein gewichtiges Indiz für eine Verschlechterung des
Gesundheitszustandes seit der vorinstanzlich angefochtenen Verfügung zu
betrachten, die Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein muss (Art. 17 Abs. 1
ATSG).
Der Abklärungsbericht für Hilflosenentschädigung für Erwachsene vom 11. Februar
2011 ist somit nicht geeignet, die vorinstanzlich bejahte erwerbliche
Verwertbarkeit der verbliebenen Arbeitsfähigkeit auf dem ausgeglichenen
Arbeitsmarkt als offensichtlich unrichtig darzutun.

3.3 Die das Gutachten des Instituts X.________ vom 28. Juni 2010 betreffenden
Rügen sind entweder appellatorischer Natur (Vollständigkeit der neurologischen
Untersuchung) und somit unzulässig oder nicht substanziiert begründet. So legt
die Beschwerdeführerin nicht dar, inwiefern die Einstufung der depressiven
Episode als mittelgradig bzw. leicht bis zwischendurch mittelgradig für die auf
40 % bezifferte Arbeitsunfähigkeit aus psychiatrischer Sicht von Bedeutung ist.
Sodann trifft nicht zu, dass die Gutachter für die abschliessende Beurteilung
der Arbeits- und Leistungsfähigkeit eine Arbeitsabklärung als notwendig
erachteten. In diesem Sinne hatte sich zwar der psychiatrische Gutachter des
Instituts X.________ geäussert. In dem auf der interdisziplinären
Konsens-Konferenz aller Experten beruhenden, die gesamtmedizinische Sicht
wiedergebenden Hauptgutachten fehlte indessen eine solche Feststellung.

4.
Weiter rügt die Beschwerdeführerin, ein Einschlag von 20 % beim
Invalideneinkommen unter dem Titel Parallelisierung der Vergleichseinkommen sei
zu wenig und verletze Art. 16 ATSG. Das Einkommen ohne Behinderung von Fr.
29'645.- sei rund 43 % tiefer als das Einkommen mit Behinderung von Fr.
52'449.- (bei einem 100 %-Pensum). Diese Summe hätte auch für das
Valideneinkommen herangezogen werden müssen.

4.1 Eine Parallelisierung der Vergleichseinkommen setzt voraus, dass der
zuletzt vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung erzielte Verdienst
aus invaliditätsfremden Gründen deutlich, d.h. mindestens 5 % (BGE 135 V 297 E.
6.1.1 S. 302) unter dem branchenüblichen Lohn liegt (134 V 322 E. 4.1 S. 325
f.; SVR 2009 IV Nr. 7 S. 13, 9C_488/2008 E. 6.2-5). Massgebend ist somit
entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht die Differenz zwischen dem
Einkommen ohne Behinderung und dem Einkommen mit Behinderung aufgerechnet auf
ein Vollzeitpensum. Die IV-Stelle begründete in der angefochtenen Verfügung die
von der Vorinstanz mangels Bestreitung übernommene Kürzung des
Invalideneinkommens um 20 % damit, das Einkommen der Versicherten liege mehr
als 25 % unter dem branchenüblichen Lohn nach LSE. Dies hat sie nicht näher
präzisiert, was jedoch erforderlich gewesen wäre, hatte doch die
Beschwerdeführerin zuletzt als selbständige Taxifahrerin gearbeitet. Insoweit
ist der rechtserhebliche Sachverhalt unvollständig festgestellt. Von
diesbezüglichen Weiterung kann indessen abgesehen werden.

4.2 Eine Parallelisierung der Vergleichseinkommen fällt ausser Betracht, wenn
und soweit sich die versicherte Person aus freien Stücken etwa mangels
wirtschaftlicher Notwendigkeit mit einem verglichen mit ihrem Erwerbspotenzial
tiefen Einkommen begnügte und Anhaltspunkte fehlen, dass sie ohne
gesundheitliche Beeinträchtigung die betreffende Tätigkeit zugunsten einer
besser entlöhnten Arbeit (in selbständiger oder unselbständiger Stellung)
aufgegeben hätte (BGE 135 V 58 E. 3.4.1 und 3.4.6 S. 60 ff.; 134 V 322 E. 4.1
S. 326; Urteil 8C_173/2012 vom 8. Juni 2012 E. 6.2). Die Beschwerdeführerin
arbeitete seit ........ als Taxifahrerin, seit ........ 1999 in selbständiger
Stellung. Gemäss ihren Angaben in der Beschwerde "brach im Herbst 2001 das
Taxigewerbe fast gänzlich zusammen, wurde doch die Stadt Zürich seit der
Taxivorschrift vom 1. Juli 2001 regelrecht mit Taxifahrern überschwemmt".
Gleichwohl und trotz des Umstandes, "ein so tiefes Einkommen" zu erzielen,
arbeitete sie als selbständige Taxifahrerin weiter bis zur gesundheitlich
bedingten Aufgabe ........... 2008. Auch wenn anfänglich begründete Hoffnung
bestanden haben mag, durch die Selbständigkeit in absehbarer Zeit ein höheres
Einkommen zu erzielen, wie die Beschwerdeführerin vorbringt, ist aufgrund der
Dauer von mehr als sechs Jahren seit dem Einbruch im Taxigewerbe davon
auszugehen, dass sie ihre Tätigkeit als Taxifahrerin im Gesundheitsfall mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit weiter ausgeübt hätte. Es besteht deshalb kein
Grund für eine Parallelisierung der Vergleichseinkommen.

4.3 Somit stellt sich die Frage nach der Höhe des Abzugs vom Tabellenlohn
gemäss BGE 126 V 75 neu (BGE 135 V 297 E. 6.2 S. 305; 134 V 322). Sie kann
indessen offenbleiben, da selbst beim maximal zulässigen Abzug von 25 % kein
Anspruch auf eine höhere Rente als die vorinstanzlich bestätigte Viertelsrente
besteht (vorne E. 2; Art. 107 Abs. 1 BGG).

5.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 20. August 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Fessler