Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 491/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_491/2012

Urteil vom 22. Mai 2013
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Meyer, nebenamtlicher Bundesrichter An. Brunner,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Verfahrensbeteiligte
L.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Urban Baumann,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Schwyz,
Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz
vom 13. April 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Die 1954 geborene L.________ bezog seit 1. August 1990 eine ganze
Invalidenrente sowie eine Hilflosenentschädigung mittleren Grades. Dieser
Anspruch wurde in der Folge mehrfach bestätigt, letztmals am 2./3. Dezember
2008. Am 29. September 2009 verfügte die IV-Stelle des Kantons Schwyz die
Sistierung der Invalidenrente und der Hilflosenentschädigung auf den 30.
September 2009. Sie begründete es damit, eingeleitete Abklärungen hätten
ergeben, dass bei L.________ keine körperlichen Beeinträchtigungen vorliegen
würden. Es bestehe Verdacht auf einen unrechtmässigen Leistungsbezug. Die von
der Versicherten gegen die Leistungssistierung erhobene Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz am 5. Februar 2010 ab. Im Rahmen der
Abklärungen vor der Sistierung liess die IV-Stelle die Versicherte überwachen.
Zum Observationsbericht vom 28. September 2009 holte sie vom Regionalen
Ärztlichen Dienst (RAD) eine Beurteilung vom 19. Oktober 2009 ein. Gestützt auf
die Ergebnisse der Überwachung und das von der MEDAS am 2. Juni 2010 erstattete
interdisziplinäre Gutachten verfügte die IV-Stelle am 12. November 2010 die
Einstellung der Rente und der Hilflosenentschädigung rückwirkend auf den 30.
November 2004. Mit Verfügung vom 19. November 2010 forderte sie von der
Versicherten zu Unrecht ausgerichtete Leistungen im Betrag von Fr. 88'824.-
zurück.
A.b Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz vereinigte die von L.________
gegen die beiden Verfügungen erhobenen Beschwerden und hiess sie mit Entscheid
vom 23. März 2011 teilweise gut. Es wies die Sache zu ergänzender
Sachverhaltsabklärung und neuem Entscheid hinsichtlich der Aufhebung der
Invalidenrente (und der Festsetzung der Rückforderung) an die IV-Stelle zurück.
Bezüglich der Aufhebung der Hilflosenentschädigung wies es die Beschwerde ab.
Die die Hilflosenentschädigung betreffende Rückforderungsverfügung hob es
infolge Verjährung (Ablauf der 1-jährigen relativen Frist) auf.
A.c Nach zusätzlichen Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens
verfügte die IV-Stelle am 18. November 2011 die Aufhebung der ganzen Rente und
5 Jahre rückwirkend ab Verfügungsdatum die Rückerstattung der zu viel bezogenen
Rentenleistungen. Mit Verfügung vom 25. November 2011 setzte sie den
entsprechenden Betrag für die Zeit vom 1. November 2006 bis 30. September 2009
auf Fr. 29'203.- fest.

B.
Nach Vereinigung der Verfahren zu den von der Versicherten gegen die beiden
Verfügungen erhobenen Beschwerden wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Schwyz diese mit Entscheid vom 13. April 2012 ab.

C.
L.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen.
Sie beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides. Es sei ihr
weiterhin eine ganze Invalidenrente auszurichten. Eventualiter sei die Sache zu
ergänzender Abklärung und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Vorinstanz und IV-Stelle beantragen Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
1.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden
Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen).

2.
2.1
2.1.1 Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen in
Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der
Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder
Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war (Art. 53 Abs.
1 ATSG). Die (prozessuale) Revision ist gestützt auf Art. 55 Abs. 1 ATSG nur
innerhalb der in Art. 67 VwVG enthaltenen Fristen zulässig. Nach Abs. 1 dieser
Bestimmung ist eine relative 90-tägige Frist zu beachten, die mit der
Entdeckung des Revisionsgrundes zu laufen beginnt. Zudem gilt eine absolute
zehnjährige Frist, deren Lauf mit der Eröffnung des Entscheides einsetzt (SVR
2012 UV Nr. 17 S. 63, 8C_434/2011 E. 3 mit Hinweisen).
2.1.2 Weiter kann der Versicherungsträger jederzeit auf formell rechtskräftige
Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos
unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (Art.
53 Abs. 2 ATSG).
2.1.3 Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines
Rentenbezügers erheblich, so wird nach Art. 17 Abs. 1 ATSG die Rente von Amtes
wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt
oder aufgehoben.

2.2 Stehen invalidenversicherungsrechtliche Aspekte zur Diskussion, gilt es
grundsätzlich, mit Wirkung ex nunc et pro futuro einen rechtskonformen Zustand
herzustellen. Die Herabsetzung oder Aufhebung einer Rente erfolgt in diesem
Bereich daher in der Regel auf das Ende des der Zustellung der Verfügung
folgenden Monats. Rückwirkend wird die Rente nur herabgesetzt oder aufgehoben,
wenn die unrichtige Ausrichtung einer Leistung darauf zurückzuführen ist, dass
die Bezügerin sie unrechtmässig erwirkt hat oder der ihr gemäss Art. 77 IVV
zumutbaren Meldepflicht nicht nachgekommen ist (Art. 85 Abs. 2 i.V.m. Art.
88bis Abs. 2 IVV; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 15 zu Art. 25
ATSG). Trifft dies zu, sind solcherart widerrechtlich bezogene Leistungen
gemäss den Vorgaben von Art. 25 ATSG zurückzuerstatten.

3.
3.1 Nach Auffassung der Vorinstanz ergeben sich aus dem Observationsbericht vom
28. September 2009 und dem MEDAS-Gutachten vom 2. Juni 2010 neue erhebliche
Tatsachen insofern, als die Beschwerdeführerin schon in den Jahren 2004/2005 -
wenn überhaupt - nur an einer leichten Fibromyalgie gelitten und in einer
angepassten Tätigkeit lediglich eine Arbeitsunfähigkeit von 20 % bestanden
habe. Das kantonale Gericht hat demzufolge die Voraussetzungen einer
prozessualen Revision als gegeben erachtet und sowohl die Rentenaufhebung wie
auch die Rückforderung der auf den Zeitraum vom 1. November 2006 bis 30.
September 2009 entfallenden Rentenbetreffnisse im Betrage von Fr. 29'203.-
bestätigt.

3.2 Die Beschwerdeführerin weist demgegenüber darauf hin, dass sich die
Beschwerdegegnerin zur Begründung der Aufhebung der Rente und der Rückforderung
sowohl auf die prozessuale Revision gemäss Art. 53 Abs. 1 ATSG wie auch auf die
Rentenanpassung gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG berufe, was nicht angehe, weil sich
diese beiden Begründungen gegenseitig ausschlössen. In casu seien weder die
Voraussetzungen für eine prozessuale Revision noch für eine Rentenanpassung
gegeben, wobei die Beschwerdegegnerin eine materielle Begründung für Letztere
ohnehin schuldig geblieben sei. Die Verwaltung erblicke offenbar in der
Tatsache, dass die Beschwerdeführerin im November 2004 arbeitsfähig gewesen
sein soll, einen Revisionsgrund im Sinne von Art. 53 Abs. 1 ATSG. Eine solche
Argumentation scheitere schon daran, dass aufgrund der im Jahre 2009
durchgeführten Observation und eines im Jahre 2010 erstellten Gutachtens eine
Arbeitsfähigkeit im Jahre 2004 nicht bewiesen werden könne; die Aussagen der
begutachtenden Ärzte zur Arbeitsfähigkeit in der Vergangenheit seien dann auch
wenig konkret und nicht aus interdisziplinärer Sicht erfolgt. Im Übrigen sei
der Revisionsgrund - sofern er denn gegeben sein sollte - zu spät geltend
gemacht worden; das massgebliche MEDAS-Gutachten sei der Beschwerdegegnerin am
12. Juni 2010 zugegangen, sie habe sich aber erst in der Verfügung vom 12.
November 2010, mithin nach Ablauf der 90-tägigen Frist (Art. 67 Abs. 1 VwVG;
oben E. 2.1.1), darauf berufen. Selbst wenn ein Revisionsgrund gegeben sein
sollte und die Rente aufzuheben wäre, sei die Rückforderung verwirkt, weil die
Beschwerdegegnerin die Rückforderungsverfügung am 25. November 2011 später als
ein Jahr nach Kenntnisnahme des MEDAS-Gutachtens erlassen habe.

4.
4.1
4.1.1 Ein Observationsbericht bildet für sich allein keine sichere Basis für
Sachverhaltsfeststellungen betreffend den Gesundheitszustand und die
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person. Er kann diesbezüglich höchstens
Anhaltspunkte liefern oder Anlass zu Vermutungen geben. Sichere Kenntnis des
Sachverhalts kann in dieser Hinsicht erst die ärztliche Beurteilung des
Observationsmaterials liefern (vgl. Urteile 9C_343/2012 vom 11. Oktober 2012 E.
4.1; 8C_272/2011 vom 11. November 2011 E. 7.1 mit Hinweisen). Die relative
90-tägige Revisionsfrist (oben E. 2.1.1) beginnt somit grundsätzlich erst zu
laufen, wenn diese ärztliche Beurteilung vorliegt.
Die Verwaltung hat die erforderlichen medizinischen Abklärungen innert
angemessener Frist durchzuführen. Sie ist gehalten, die zusätzlichen
medizinischen Abklärungen mit dem erforderlichen und zumutbaren Einsatz zügig
voranzutreiben. Tut sie dies nicht, darf sich ihre Säumnis nicht zu ihren
Gunsten und zuungunsten der versicherten Person auswirken. In einem solchen
Fall ist der Beginn der relativen 90-tägigen Frist vielmehr auf den Zeitpunkt
festzusetzen, in welchem die Verwaltung ihre unvollständige Kenntnis mit dem
erforderlichen und zumutbaren Einsatz hätte hinreichend ergänzen können (SVR
2012 UV Nr. 17 S. 63, 8C_434/2011 E. 4.2 mit Hinweis und E. 6.2).
4.1.2 Der Observationsbericht datiert vom 28. September 2009. Das in der Folge
bei der MEDAS eingeholte Gutachten wurde am 2. Juni 2010 fertiggestellt und
ging am 8. Juni 2010 bei der IV-Stelle ein. Ab diesem Zeitpunkt hatte die
Verwaltung Kenntnis davon, dass der Versicherten eine Erwerbstätigkeit in einem
grösseren Umfang zumutbar war als bisher angenommen. Die IV-Stelle erliess die
(erste) rentenaufhebende Verfügung aber erst am 12. November 2010, mithin weit
später als 90 Tage nach Erhalt des massgeblichen Gutachtens. Am Ergebnis, dass
die Revisionsfrist nicht eingehalten ist, ändert auch nichts, dass das
Verwaltungsgericht am 23. März 2011 die vorgenannte Verfügung teilweise aufhob
und zu ergänzender Sachverhaltsabklärung und neuem Entscheid an die IV-Stelle
zurückwies. Die neuen Abklärungen mündeten in die kurze Stellungnahme der MEDAS
vom 18. August 2011, in welcher im Wesentlichen die Frage beantwortet wurde, ob
die medizinischen Befunde mit den Feststellungen des Observationsberichtes in
Einklang zu bringen seien; neue Erkenntnisse zum Gesundheitszustand und der
Arbeits- und Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin ergeben sich aus diesem
Bericht nicht. Dieser kann demzufolge keine neue Frist auslösen, weshalb es
nicht von Belang ist, dass die (zweite) rentenaufhebende Verfügung vom 18.
November 2011 innert 90 Tagen seit der Stellungnahme der MEDAS erging. Selbst
wenn man aber annehmen wollte, die Revisionsfrist sei gewahrt, würde eine
Revision daran scheitern, dass das Vorliegen eines Revisionsgrundes nicht
erstellt ist, wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt.
4.2
4.2.1 Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um
Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das
Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (E. 1.1). Die
konkrete Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen ist die
Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln (Art. 61
lit. c ATSG; vgl. auch BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352)
Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12.
Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht im Rahmen der den
Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG und Art.
106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254) frei überprüfen kann
(oben E. 1.2).
4.2.2 Verwaltung und Vorinstanz gehen davon aus, dass rückwirkend ab 30.
November 2004 die Voraussetzungen gemäss Art. 53 Abs. 1 ATSG erfüllt seien,
mithin die Rente aufzuheben sei. Begründet wird diese Auffassung von der
Verwaltung mit dem rückwirkenden, in Rechtskraft erwachsenen Wegfall der
Hilflosenentschädigung auf das vorgenannte Datum. Weil die Rentenzusprache
wesentlich auf die angenommene Hilflosenentschädigung abgestützt gewesen sei,
sieht die Verwaltung in der Verfügung vom 18. November 2011 im Wegfall der
Hilflosenentschädigung einen Grund für die revisionsweise Aufhebung der Rente
auf diesen Zeitpunkt (Ziff. 6). Seitens der Vorinstanz wird erwogen, es sei mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin
bereits zum Zeitpunkt der "Rentenzusprache" ein aggravatorisches Verhalten an
den Tag gelegt habe, weshalb die Rentenaufhebung zu Recht erfolgt sei
(vorinstanzliche E. 6.2).
4.2.3 Weder aus der Darstellung der Verwaltung noch aus den davon abweichenden
Erwägungen der Vorinstanz ergibt sich in nachvollziehbarer und begründeter
Weise das Vorliegen eines prozessualen Revisionsgrundes. Der Wegfall der
Hilflosenentschädigung lässt nicht ohne Weiteres darauf schliessen, dass auch
die Rente zu Unrecht ausgerichtet wurde. Das kantonale Gericht hat denn auch in
seinem (ersten) Entscheid vom 23. März 2011 den Sachverhalt hinsichtlich der
Frage der Einstellung der Hilflosenentschädigung als genügend abgeklärt
erachtet, nicht aber bezüglich der Rentenaufhebung. Es vermag nun aber
seinerseits im angefochtenen (zweiten) Entscheid auch nicht zu begründen,
weshalb die Rente schon ab Dezember 2004 zu Unrecht ausgerichtet worden sein
soll. Es führt lediglich an, aus dem Observationsbericht und dem
MEDAS-Gutachten ergäben sich erhebliche neuen Tatsachen, von denen die
IV-Stelle im Jahre 2004 keine Kenntnis gehabt habe, ohne diese neuen Tatsachen
aber zu nennen (vorinstanzliche E. 6.2 am Ende). Es verweist in diesem
Zusammenhang auf zwei Abklärungsberichte bezüglich des Anspruchs auf
Hilflosenentschädigung aus den Jahren 2004 und 2008, in welchen eine
Hilfsbedürftigkeit beim morgendlichen Aufstehen und Ankleiden sowie in
Teilbereichen des Essens und der Körperpflege angegeben wird (Abklärungsbericht
vom 10. November 2004); diese Angaben stehen zwar in einer gewissen Diskrepanz
zu den (allerdings auch nur bedingt aussagekräftigen) Feststellungen im
Observationsbericht vom 28. September 2009; es lassen sich aber daraus keine
Schlüsse auf die Arbeitsfähigkeit der Versicherten im November 2004 ziehen.
Weiter führt die Vorinstanz an, die Beschwerdeführerin habe schon ab 2005
höchstens an einer Fibromyalgie gelitten, die nicht invalidisierend gewesen
sei, und konstatiert, es stehe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass
die Versicherte schon im Zeitpunkt der Rentenzusprache ein aggravatorisches
Verhalten gezeigt habe (vorinstanzliche E. 6.2). Diese Annahmen finden im
Observationsbericht und im MEDAS-Gutachten aber ebenfalls keine Stütze: Der
Observationsbericht enthält naturgemäss ausschliesslich Feststellungen über den
Observationszeitraum vom 15. bis 22. September 2009. Es wurde dabei
festgestellt, dass die Beschwerdeführerin noch zu gewissen Handreichungen im
Restaurationsbetrieb ihres Ehegatten - Empfang von Gästen, gelegentliches
Servieren eines Getränkes - fähig war; Hinweise auf eine erwerblich verwertbare
Tätigkeit ergeben sich aus dem Bericht aber weder für den Observationszeitraum
und noch viel weniger für Ende November 2004. Auch das MEDAS-Gutachten äussert
sich nicht zum Gesundheitszustand und der Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit im
Jahre 2004. Die Frage nach dem Beginn einer medizinisch begründeten
Arbeitsunfähigkeit von 20 % oder mehr wird ohne klare Zeitangabe in Form einer
allgemein gehaltenen Aussage beantwortet, indem es heisst, es bestehe für eine
leidensangepasste leichte bis mittelschwere Tätigkeit keine über längere Zeit
ausgewiesene medizinisch begründete Arbeitsfähigkeit. Abgesehen davon, dass
diese gutachterlichen Ausführungen zur Arbeitsunfähigkeit zumindest aus
rheumatologischer Sicht unpräzise sind - an anderer Stelle des Gutachtens wird
sowohl für die bisherige wie auch für eine leidensangepasste Tätigkeit immerhin
eine 20%ige Arbeitsunfähigkeit angegeben -, kann diesen Darlegungen keine
Aussage zum Gesundheitszustand und der Arbeitsfähigkeit im November 2004
entnommen werden. Gleich verhält es sich bezüglich des aggravatorischen
Verhaltens im Zeitpunkt der "Rentenzusprache" (gemeint ist wohl der Zeitpunkt
der Rentenbestätigung am 13. Januar 2005). Ebenso finden sich Angaben zu einem
aggravatorischen Verhalten der Beschwerdeführerin wie zum Gesundheitszustand
und der Arbeitsfähigkeit in den beiden Berichten allenfalls hinsichtlich des
Zeitpunkts der Begutachtung bzw. der Observation, nicht aber für den Moment der
Rentenbestätigung. Die Vorinstanz hat deshalb das Vorliegen neuer erheblicher
Tatsachen, die eine rückwirkende Rentenrevision rechtfertigen würden, zu
Unrecht bejaht.

5.
5.1
5.1.1 Das kantonale Gericht geht im Weiteren davon aus, dass eine
Rentenanpassung gemäss Art. 17 ATSG Platz zu greifen hat. Eine Begründung dazu
fehlt allerdings, was die Beschwerdeführerin als Verletzung des rechtlichen
Gehörs rügt. Eine solche liegt nun aber insofern nicht vor, als das kantonale
Gericht zu einer entsprechenden Begründung keine Veranlassung hatte, ging es
doch davon aus, eine - rückwirkende - Rentenaufhebung erfolge aufgrund der
prozessualen Revision.
5.1.2 Für das bundesgerichtliche Verfahren stellt sich jedoch die Frage, ob
angesichts der fehlenden Begründung der Rentenanpassung im vorinstanzlichen
Entscheid eine solche im vorliegenden Verfahren geprüft werden kann, ohne damit
den Gehörsanspruch der Beschwerdeführerin zu verletzen. Die Frage ist zu
bejahen, weil sich einerseits die Beschwerdeführerin im bundesgerichtlichen
Verfahren zur Frage der Rentenanpassung nach Art. 17 Abs. 1 ATSG äusserte und
weil anderseits die Hinweise für eine Verbesserung des Gesundheitszustandes
Eingang in die Verfügung der IV-Stelle vom 18. November 2011 gefunden haben, in
welcher die medizinische Aktenlage im Zeitpunkt der Rentenzusprache im Jahre
1990 mit der MEDAS-Begutachtung im Jahre 2010 verglichen und dabei eine
Verbesserung festgestellt wurde. Die Beschwerdeführerin konnte dazu im
vorinstanzlichen Verfahren Stellung nehmen und hat dies auch ausführlich getan.
In dieser Verfahrenslage rechtfertigt es sich, die Frage nach
anspruchserheblichen Tatsachenänderungen im letztinstanzlichen Prozess frei und
abschliessend zu beurteilen, womit der Anspruch der Beschwerdeführerin auf das
rechtliche Gehör gewahrt ist.
5.1.3 Aufgrund der medizinischen Akten lässt sich feststellen, dass die
vorinstanzliche Schlussfolgerung im Ergebnis zutrifft. Aufgrund des insofern
überzeugenden MEDAS-Gutachtens ist davon auszugehen, dass die Versicherte seit
längerem in ihrer bisherigen wie auch in jeder anderen angepassten, d.h.
körperlich leichten bis intermittierend mittelschweren wechselbelastenden
Tätigkeit wieder zu 80 % arbeitsfähig geworden ist. Im Zeitpunkt der
ursprünglichen Rentenzusprache war der der IV-Stelle Bericht erstattende Arzt
noch von einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit ausgegangen (Arztbericht Dr.
W.________ vom 6. November 1990). Damit ist eine Besserung des
Leistungsvermögens offensichtlich. Dass die Diagnose (Fibromyalgie) gleich
geblieben ist, spricht nicht dagegen. Denn eine Diagnose sagt nichts aus über
die Arbeitsunfähigkeit. Nach dem Gesagten ist davon auszugehen, dass seit 1990
eine massgebliche Änderung eingetreten ist. Spätestens seit dem Zeitpunkt des
Vorliegens des MEDAS-Gutachtens am 2. Juni 2010 ist davon auszugehen, dass der
Beschwerdeführerin eine Erwerbstätigkeit in einem Ausmass zumutbar ist, welches
einen Rentenanspruch ausschliesst. Gemäss Art. 88a Abs. 1 IVV ist diese
Änderung zu berücksichtigen, wenn sie ohne wesentliche Unterbrechung drei
Monate gedauert hat und voraussichtlich weiterhin andauern wird. Diese
Voraussetzungen sind hier erfüllt.
5.2
5.2.1 Nachdem die anspruchswesentliche Verbesserung des Gesundheitszustandes im
Grundsatz feststeht, stellt sich die weitere Frage, ob - und wenn ja, auf
welchen Zeitpunkt - die seit 1. August 1990 laufende ganze Invalidenrente
einzustellen ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die
Beschwerdeführerin im massgeblichen Moment der Rentenaufhebungsverfügung das
55. Altersjahr zurückgelegt und seit mehr als 15 Jahren eine Invalidenrente
bezogen hat, was grundsätzlich dafür spricht, dass sie nicht ohne Weiteres auf
dem Weg der Selbsteingliederung in das Erwerbsleben zurückgeführt werden kann
(SVR 2011 IV Nr. 73 S. 220, 9C_228/2010 E. 3.3 - 3.5). Ob
Eingliederungsmassnahmen angezeigt sind und einer Rentenaufhebung entgegen
stehen, ist insbesondere unter dem Gesichtspunkt der
Eingliederungsnotwendigkeit und -fähigkeit sowie des Eingliederungswillens zu
prüfen (Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 16 ATSG).
5.2.2 Gemäss dem MEDAS-Gutachten benötigt die Beschwerdeführerin keine
rehabilitativen Massnahmen. Ihre Arbeitsfähigkeit kann sie in ihrer bisherigen
Tätigkeit verwerten. Eingliederungsmassnahmen sind unter diesen Umständen weder
nötig noch angezeigt. Es kommt hinzu, dass angesichts der von den Gutachtern
bei den neuropsychologischen Abklärungen festgestellten ungenügenden Motivation
und Leistungsbereitschaft auch der Eingliederungswille mehr als fraglich
erscheint (vgl. Urteil 9C_163/2009 vom 10. September 2010 E. 4.3). Die Rente
ist deshalb ohne Durchführung von Eingliederungsmassnahmen aufzuheben.

5.3 Was den Zeitpunkt der Rentenaufhebung anbelangt, ist entscheidend, ob die
Beschwerdeführerin die Leistungen unrechtmässig erwirkte oder die ihr
obliegende Meldepflicht verletzte (oben E. 2.2). In Bezug auf diese - mit einer
Strafdrohung verbundenen Tatbestände (Art. 70 IVG i.V.m. Art. 87 Abs. 1 und 5
AHVG) - ist kein Strafverfahren aktenkundig. Zudem ist nicht von einer
ursprünglich rechtswidrigen Rentenzusprache auszugehen. Aus den Akten ergeben
sich zwar gewisse Hinweise auf ein aggravatorisches Verhalten der Versicherten,
so wurden im MEDAS-Gutachten "nicht authentische neuropsychologische Störungen"
als Ausdruck ungenügender Motivation und Leistungsbereitschaft interpretiert,
anderseits wurde dort aber das durchgehende Vorliegen einer Fibromyalgie mit
frustrierendem Therapieverlauf und Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit auch
unter Berücksichtigung der Observationsergebnisse aus ärztlicher Sicht
bestätigt. Angesichts dieser aktenmässig ausgewiesenen Umstände ist der Vorwurf
einer unrechtmässigen Erwirkung von Rentenleistungen zu wenig gesichert; es
genügt dafür nicht, dass aggravatorisches Verhalten im Raum steht (vgl. dazu
auch Urteil 9C_877/2011 vom 22. Mai 2012 E. 3.4). Die Invalidenrente ist daher
in Anwendung von Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV auf Ende Dezember 2011
aufzuheben.

5.4 Nachdem die IV-Stelle ihre Rentenzahlungen ab dem 30. September 2009
sistierte, besteht kein Grund für eine Rückforderung. Vielmehr hat sie die auf
den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis Ende Dezember 2011 entfallenden
Betreffnisse nachzubezahlen (vgl. oben E. 2.2).

6.
Die Gerichtskosten sind den Parteien entsprechend dem Ausgang des Verfahrens
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin hat für das
bundesgerichtliche Verfahren Anspruch auf eine (reduzierte) Parteientschädigung
(Art. 68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 13. April 2012 und die Verfügungen
der IV-Stelle Schwyz vom 18. und 25. November 2011 werden aufgehoben, soweit
damit über den Rentenanspruch bis 31. Dezember 2011 oder über die
Rückerstattung von Rentenleistungen entschieden wurde. Die Beschwerdeführerin
hat Anspruch auf eine ganze Rente der Invalidenversicherung bis 31. Dezember
2011. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden zu Fr. 200.- der Beschwerdeführerin und
zu Fr. 300.- der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'800.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. Mai 2013

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Der Gerichtsschreiber: Schmutz

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