Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 485/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_485/2012

Urteil vom 10. Dezember 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiberin Helfenstein.

Verfahrensbeteiligte
D.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Bütikofer,
Beschwerdeführerin,

gegen

Eidgenössische Ausgleichskasse, Holzikofenweg 36, 3003 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 2.
Mai 2012.

Sachverhalt:

A.
Die 1941 geborene, verheiratete D.________ meldete sich am 12. März 2002 zum
Bezug einer um ein Jahr vorbezogenen Altersrente bei der Eidgenössischen
Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) an. Im Antragsformular Ziffer 4.1
kreuzte sie die Frage nach einem allfälligen Wohnsitz ausserhalb der Schweiz
mit "Nein" an. Mit Verfügung vom 17. April 2003 sprach ihr die Eidgenössische
Ausgleichskasse (EAK) ab 1. Juli 2003 eine auf Grund des einjährigen Vorbezugs
reduzierte, monatliche Altersrente von Fr. 1'390.- zu, gestützt auf ein
massgebendes durchschnittliches Jahreseinkommen von Fr. 30'384.- und einer
anrechenbaren Beitragsdauer von 41 Jahren (anwendbare Rentenskala 44). Nach
Eintritt des Ehemannes der Versicherten ins Rentenalter berechnete die EAK die
Rente neu und erhielt dabei Kenntnis davon, dass sich die Versicherte zwischen
Juli 1985 und August 1990 mit ihrer Familie in den USA aufgehalten hatte und in
dieser Zeit weder obligatorisch versichert war noch sich der freiwilligen
Versicherung angeschlossen hatte. Mit Verfügung vom 28. Januar 2011, welche in
Rechtskraft erwuchs, sprach sie D.________ (neu gestützt auf ein
durchschnittliches Jahreseinkommen von Fr. 90'480.- und einer anrechenbaren
Beitragsdauer von 39 Jahren, wobei mit Berücksichtigung von Jugendjahren und
Beitragsmonaten im Rentenalter eine teilweise Kompensation der nunmehr
bestehenden Beitragslücken erfolgte) ab Februar 2011 eine plafonierte
Altersrente von monatlich Fr. 1'648.- zu. Die Rentenverfügung vom 17. April
2003 zog sie in Wiedererwägung und berechnete die Rente der Versicherten für
den Zeitraum vor dem 31. Januar 2011 neu. Mit Verfügung vom 2. Februar 2011
forderte sie von der Versicherte Fr. 5'534.- zurück, beschränkt auf die Zeit ab
März 2006 infolge Verwirkung des Rückforderungsanspruchs. Die dagegen erhobene
Einsprache wies die EAK mit Einspracheentscheid vom 20. Mai 2011 ab.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde mit den Anträgen, dass ihr die Erziehungs- und
Betreuungsgutschriften für die Jahre 1972 bis 1991 lückenlos gutzuschreiben
seien, dass die Berechnungstabellen zu korrigieren und die
Rückforderungsverfügung aufzuheben sei, wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Bern nach weiteren Abklärungen durch den Instruktionsrichter mit Entscheid vom
2. Mai 2012 ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt D.________
beantragen, die Verfügung vom 2. Februar 2011 (recte: der Einspracheentscheid
vom 20. Mai 2011) und der Entscheid des Verwaltungsgerichts seien aufzuheben.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG), und es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Beim Streit um die Rechtmässigkeit der mit Einspracheentscheid vom 20. Mai 2011
bestätigten Rückforderung über Fr. 5'534.- steht nurmehr in Frage, ob
Vorinstanz und Verwaltung mangels Anmeldung bei der freiwilligen Versicherung
zu Recht Beitragslücken angenommen haben, was tiefere AHV-Rentenleistungen zur
Folge hatte.
Die Beschwerdeführerin will die Versicherteneigenschaft in der fraglichen
Zeitspanne ihres USA-Aufenthalts von Juli 1985 bis August 1990 trotz fehlendem
Beitritt zur freiwilligen AHV erfüllt wissen und beruft sich dazu auf den
Vertrauensschutz bei einer unrichtigen behördlichen Auskunft. Sie stützt sich
insbesondere auf das Schreiben des Schweizerischen Generalkonsulats Chicago vom
13. Juli 1987, in welchem sie eine unrichtige behördliche Auskunft erblickt.

3.
3.1 Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zum Kreis
der obligatorisch Versicherten (Art. 1 Abs. 1 AHVG in der bis 31. Dezember 1996
gültig gewesenen Fassung) sowie zum Vertrauensschutz bei behördlichen
Auskünften zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.
Richtig ist insbesondere, dass schweizerische Auslandvertretungen nach
konstanter Praxis zwar nicht verpflichtet sind, über die Beitrittsmöglichkeiten
zur freiwilligen AHV/IV zu orientieren und dass an dieser Rechtslage Art. 27
ATSG nichts geändert hat. Zu ergänzen ist, dass Auslandvertretungen durchaus
befugt sind, solche Auskünfte zu erteilen; machen sie von dieser Befugnis
Gebrauch, so sind sie gehalten, die Auslandschweizer richtig zu beraten und
über die Beitrittsmöglichkeiten zur freiwilligen AHV zu informieren. Da ein
Auslandschweizer praktisch ausschliesslich auf die Auslandvertretung angewiesen
ist, um zu einer kompetenten Information über die freiwillige AHV zu kommen,
rechtfertigt es sich, eine ausweichende, nichtssagende Antwort der Schweizer
Auslandvertretung auf eine entsprechende Anfrage hin einer falschen Auskunft
gleichzustellen (BGE 121 V 65 E. 4 S. 68; SVR 1995 AHV Nr. 55 S. 155, H 261/92;
ZAK 1990 S. 434, H 51/71; vgl. auch BGE 131 V 472 E. 4.3 S. 478).

3.2 Die Beschwerdeführerin erblickt eine solche Falschauskunft im Schreiben des
Generalskonsulats vom 13. Juli 1987 und macht geltend, sie sei nie auf das
Erfordernis des Beitritts zur freiwilligen Versicherung hingewiesen worden.
Darin wird festgehalten, welche Beilagen der Ehegatte der Beschwerdeführerin
nach Immatrikulation beim Generalkonsulat mit nämlichem Schreiben erhielt.
Dabei wurde ein Feld für die Pässe der Familie angekreuzt, das Feld
"zusätzliches Merkblatt betreffend die freiwillige AHV/IV sowie 2 Formulare für
den Beitritt zu dieser Versicherung" jedoch nicht. Allein aus dem
Nichtankreuzen des Merkblatt-Feldes kann jedoch, wie bereits die Vorinstanz
zutreffend dargetan hat, keine mangelhafte, den Vertrauensschutz begründende
Auskunft im Sinne der obgenannten Rechtsprechung angenommen werden. Hinzu
kommt, dass auch keine diesbezügliche Anfrage erfolgte wie etwa im zitierten
ZAK 1990 S. 434 und der Versicherungsschutz anders als in dem BGE 121 V 65
zugrunde liegenden Sachverhalt gar kein Thema war. Sodann wäre eine
entsprechende Auskunft im Juli 1987 für einen Aufenthalt seit Juli 1985 ohnehin
wegen Verspätung unerheblich gewesen, hätte doch die Beschwerdeführerin innert
(der seit jeher geltenden, vgl. den damals in Kraft stehenden Art. 10, nunmehr
Art. 8 der Verordnung über die freiwillige Alters -, Hinterlassenen- und
Invalidenversicherung, VFV, SR 831.111) Jahresfrist seit Wegfall der
Voraussetzungen für die obligatorische Versicherung (was spätestens anfangs
1986 anzunehmen ist) den Beitritt zur freiwilligen Versicherung erklären
müssen. Sodann hat die Vorinstanz in antizipierter Beweiswürdigung (BGE 124 V
90 E. 4b S. 94) zu Recht erwogen, mit weiteren Abklärungen könnten keine neuen
Erkenntnisse erhältlich gemacht werden.

3.3 Auch sonst besteht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kein
Grund, vom Erfordernis des (selbstständigen und unaufgeforderten) Beitritts zur
freiwilligen Versicherung abzuweichen. Aus der Norm selbst heraus kann
sicherlich keine Pflicht abgeleitet werden, die Betroffenen auf die Möglichkeit
der freiwilligen Versicherung aufmerksam zu machen, wären doch sonst die
Voraussetzungen zum Beitritt vom Gesetzgeber anders formuliert worden.
Schliesslich kann die Versicherte auch aus dem Umstand, dass ihr Ehemann
weiterhin den Lohn vom Schweizer Arbeitgeber bezog und bei der obligatorischen
AHV versichert blieb, nichts zu ihren Gunsten ableiten. Die Unzulänglichkeiten,
die sich in Einzelfällen aus der Regelung der freiwilligen Versicherung
ergeben, waren dem Bundesgericht (damals Eidg. Versicherungsgericht) bereits
bei Erlass der Urteile BGE 104 V 121 und 107 V 1 bewusst; gleichwohl musste am
Erfordernis des Beitritts der Ehefrau festgehalten werden (SVR 2006 AHV 11 S.
42, H 176/03).
Damit entstehen der Versicherten, soweit nicht die Lückenfüllung mit
Jugendjahren und Beitragsmonaten im Rentenalter nach Art. 52b bis 52d AHVV
Anwendung gefunden hat, die entsprechenden Beitragslücken. Der vorinstanzliche
Entscheid ist damit rechtens.

4.
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. Dezember 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Die Gerichtsschreiberin: Helfenstein