Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 395/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

9C_395/2012 {T 0/2}

Urteil vom 27. September 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella,
Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Verfahrensbeteiligte
B.________, vertreten durch
Rechtsanwältin Barbara Laur,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 13. März 2012.

Sachverhalt:

A.
Die 1961 geborene B.________ ist gelernte Verkäuferin und war bis Ende Juli
2005 in diversen Anstellungen überwiegend als Kundenberaterin tätig. Von
September 2005 bis Juli 2007 bezog sie Taggelder der Arbeitslosenversicherung
und anschliessend Leistungen der Sozialhilfe. Unter Angabe einer mittelschweren
Depression sowie von Panikattacken seit dem 8. Januar 2008 meldete sie sich am
1. April 2008 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die
IV-Stelle des Kantons Zürich klärte die medizinischen und
beruflich-erwerblichen Verhältnisse ab. Mit Verfügung vom 2. Februar 2009 wies
sie den Anspruch der Versicherten auf berufliche Massnahmen ab. Sie beauftragte
lic. phil. D.________, Fachpsychologe für Neuropsychologie FSP mit einer
neuropsychologischen und Dr. med. K.________, FMH Psychiatrie und
Psychotherapie, psychosomatische und psychosoziale Medizin (SAPPM),
zertifizierter medizinischer Gutachter (SIM), mit einer psychiatrischen
Expertise (vom 17. und 19. Dezember 2009). Mit Vorbescheid vom 16. April 2010
und Verfügung vom 13. September 2010 lehnte die IV-Stelle einen Rentenanspruch
ab, was sie damit begründete, es habe keine durchschnittliche
Arbeitsunfähigkeit von mindestens 40 % während eines Jahres vorgelegen.

B.
Die von B.________ erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 13. März 2012 ab.

C.
B.________ lässt hiegegen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
führen. Sie beantragt die Aufhebung der Verfügung vom 13. September 2010 und
des angefochtenen Entscheides; die IV-Stelle sei zu verpflichten, ab 1. Januar
2009 eine Dreiviertelsrente zu gewähren; eventualiter sei sie zur Vornahme
zusätzlicher Abklärungen zu verpflichten.

Erwägungen:

1.
Der Beurteilung von Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art.
82 ff. BGG) liegt der Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesen kann das Bundesgericht von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl.
auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Zu den Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 lit. a
BGG gehören auch die unvollständige Feststellung der rechtserheblichen
Tatsachen und die Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes als einer
wesentlichen Verfahrensvorschrift (Urteil 9C_53/2008 vom 18. Februar 2009 E.
1.3 mit Hinweisen).

2.
Streitig ist der Anspruch auf eine Invalidenrente. Das kantonale Gericht hat
die gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung konkretisierten
Grundsätze, namentlich über die Begriffe der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG,
Art. 4 Abs. 1 IVG), Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG) und Erwerbsfähigkeit (Art.
7 Abs. 1 ATSG), den Grundsatz und Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1
und 2 IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen
Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28a
Abs. 1 IVG und Art. 16 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348; 128 V 29 E. 1 S. 30;
104 V 135 E. 2a und b S. 136) sowie zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung
ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis)
richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Gemäss dem Gutachten des Dr. med. K.________ hat sich bei der
Beschwerdeführerin 2007 eine Anpassungsstörung mit Angst und depressiver
Reaktion gemischt (ICD-10 F43.22) bei beruflichen, finanziellen, ehelichen und
gesundheitlichen Problemen eingestellt. Ab Januar 2008 entwickelte sich daraus
eine Angst und depressive Störung gemischt (ICD-10 F41.2), eine dissoziative
Störung (ICD-10 F44.83) und eine Neurasthenie (ICD-10 F48). Der Experte leitete
daraus eine verminderte Arbeitsfähigkeit von 70 % in der angestammten Tätigkeit
der Kundenberatung und eine volle Arbeitsfähigkeit in gesundheitlich
angepassten Beschäftigungen ab.

3.2 Die Vorinstanz hat diese Einschätzung - im Rahmen und als Ergebnis einer
umfassenden Beweiswürdigung - übernommen und es damit begründet, die
Darlegungen des Gutachters seien anhand des umfangreich und detailliert
erhobenen Psychostatus und der Testergebnisse nachvollziehbar. Für die
dysfunktionale Entwicklung sei eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit
neurasthenischen, depressiven und ängstlichen Anteilen als überwiegend
wahrscheinliche Erklärung anzunehmen. In der Exploration habe bei der
Beschwerdeführerin subjektiv ein pedantisch-ängstlich-misstrauisches Syndrom
mit körperlichen Missempfindungen im Vordergrund gestanden. Sie habe sich
insuffizient und im Selbstwertgefühl reduziert erlebt. Eine spezifische Angst-
und Panikstörung habe der Gutachter aufgrund widersprüchlicher Befunde nicht
mit genügender Wahrscheinlichkeit begründen können und maximal ein leicht
ausgeprägtes depressives Syndrom knapp objektivieren können. Für die vom
behandelnden Psychiater und Neurologen FMH Dr. med. H.________ erhobenen
Verdachtsdiagnosen einer somatoformen Störung (ICD-10 F45.8) und einer
posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) würden sich aus den Akten
keine Anhaltspunkte ergeben.

3.3 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe die Feststellungen zur
Arbeitsfähigkeit und zur willentlichen Überwindbarkeit der gesundheitlichen
Störung im Wesentlichen alleine gestützt auf das Gutachten des Dr. med.
K.________ getroffen. Damit habe sie ihr Ermessen missbraucht. Im Widerspruch
zu der gutachterlichen Einschätzung sei ihr von den behandelnden Psychiatern
Dres. med. A.________ und M.________, Fachärzte für Psychiatrie und
Psychotherapie FMH ab dem 21. Januar bzw. 19. Juni 2008 eine volle
Arbeitsunfähigkeit wegen Depression mittleren Grades attestiert worden
(Berichte vom 13. Juni 2008 und 4. Februar 2009). Auch die Neurologin Frau Dr.
med. W.________ und Frau dipl. Psych. FH O.________ hätten im Bericht an Dr.
med. M.________ vom 4. Mai 2009 eine infolge neuropsychologischer Defizite
eingeschränkte Arbeitsfähigkeit attestiert und darauf verwiesen, dass sie aus
psychiatrischer Sicht nicht mehr verwertbar sei. Nur Dr. med. K.________ habe
die Arbeitsunfähigkeit bereits ab 2008 auf weniger als 40 % eingeschätzt. Dazu
habe er sich auf mangelhafte Testergebnisse abgestützt. Das psychiatrische
Gutachten genüge den von der Rechtsprechung (vorne E. 2) gestellten
Anforderungen nicht.

3.4 Diese Rügen erschöpfen sich im Wesentlichen in appellatorischer
Tatsachenkritik und genügen daher im Rahmen der gesetzlichen
Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts nicht, weil sie ausserhalb von Art. 97
Abs. 2/Art. 105 Abs. 3 BGG unzulässig sind. Denn gestützt auf Art. 42 Abs. 2
zweiter Satz BGG muss dem Rechtsmittel entnommen werden können, inwiefern die
vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG
offensichtlich unrichtig (unhaltbar, willkürlich, vgl. BGE 137 II 353 E. 5.1 S.
356) und die darauf beruhenden Erwägungen rechtsfehlerhaft sein sollen (BGE 133
II 396 E. 3.2 S. 400; 130 I 258 E. 1.3 S. 262). Das ist hier klarerweise nicht
der Fall: Wie das kantonale Gericht erwog, hat Dr. med. K.________ die bei der
Exploration festgestellten Widersprüche und Verdeutlichungstendenzen sowie die
geringe Motivation ausreichend und überzeugend begründet. Seine Beobachtungen
stehen mit den medizinischen Akten im Einklang. Denn selbst die behandelnde
Psychiaterin Frau Dr. med. O.________ hat im Bericht vom 13. Juni 2008
festgehalten, Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis der Versicherten
seien im Gespräch unauffällig. Auch haben die Neurologin Frau Dr. med.
W.________ und die Neuropsychologin Frau O.________ im Bericht vom 4. Mai 2009
an den behandelnden Psychiater Dr. med. M.________ vermerkt, es sei eine
Aggravation der neuropsychologischen Befunde bzw. eine kognitive Dekompensation
unter Stress- und Belastungsfaktoren möglich. Zudem erwähnte der
Neuropsychologe lic. phil. D.________ im Administrativgutachten, die
Gedächtnisstörungen seien zu stark ausgeprägt, um sie alleine auf
Begleiterscheinungen der psychopathologischen Symptomatik zurückzuführen. Eine
Rolle könnten auch motivationale Faktoren spielen, die eng verwandt mit der
psychischen Situation seien: Bei Antriebsmangel, depressiven Symptomen und
Müdigkeit könne auch die Bereitschaft vermindert sein, sich bei hohen
Anforderungen anzustrengen. Auf diesem Hintergrund kann die vorinstanzliche
Beweiswürdigung keinesfalls als willkürlich bezeichnet werden, umso weniger,
als der erwähnte Bericht der Frau Dr. med. A.________ die Annahme stützt, dass
die Beschwerdeführerin eine mit weniger Stress verbundene Tätigkeit als den
Telefonverkauf in rentenausschliessendem Masse ausüben könnte.

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 27. September 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Schmutz