Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 375/2012
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_375/2012

Urteil vom 13. November 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
C.________ Sammelstiftung,
vertreten durch Dr. iur. Hans J. Pfitzmann,
Beschwerdeführerin,

gegen

Amt für berufliche Vorsorge und Stiftungen
des Kantons Zürich,
Neumühlequai 10, 8090 Zürich,
Beschwerdegegner,

Pensionskasse der X.________ AG, Riedstrasse 4, 8953 Dietikon.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Mit Fusion per ... gingen die Aktiven und Passiven der B.________ AG auf
die W.________ AG über. Erstere war für die Durchführung der beruflichen
Vorsorge bei der Pensionskasse der X.________ AG (nachfolgend: Stiftung;
Anschlussvereinbarungen vom 1. Dezember 2006 und 23. August 2007), letztere ist
bei der C.________ Sammelstiftung (nachfolgend: Sammelstiftung) angeschlossen.
Die beiden Vorsorgeeinrichtungen schlossen am 14./23. Januar 2009 eine
Vorvereinbarung betreffend den kollektiven Übertritt der aktiven Versicherten
und Rentner der ehemaligen B.________ AG auf die Sammelstiftung ab. Gestützt
darauf überwies die Stiftung eine Akontozahlung in der Höhe von 90 % der
Vermögensteile zuzüglich 2 % Zins per Valuta 15. Januar 2009. Ein weiterer
Betrag wurde Ende April 2009 bezahlt. Seit Januar 2009 richtete die
Sammelstiftung die Renten aus.
A.b Im Frühling 2009 trat eine Meinungsverschiedenheit zwischen der
Sammelstiftung und der Stiftung über die Frage auf, ob diese für die Rentner
100 % des Rentendeckungskapitals oder wegen der festgestellten Unterdeckung per
31. Dezember 2008 entsprechend weniger zu zahlen habe. Am 23. April 2009 teilte
die Sammelstiftung dem Amt für berufliche Vorsorge und Stiftungen des Kantons
Zürich (nachfolgend: Aufsichtsbehörde) mit, dass sie die Renten nur noch bis
und mit Mai 2009 ausrichte. Gleichzeitig ersuchte sie vorsorglich u.a. darum,
die Stiftung anzuweisen, die Renten ab Juni 2009 wieder selber auszuzahlen und
einem allfälligen Rechtsmittel die aufschiebende Wirkung zu entziehen.
In der Folge stellte die Aufsichtsbehörde eine Verfügung in Aussicht, die u.a.
vorsah, dass die Rentenbezüger bei der Stiftung verbleiben würden, bis eine
anderslautende Vereinbarung gemäss Art. 53e Abs. 5 BVG oder ein anderslautender
rechtskräftiger Entscheid vorliege, und die Stiftung den Verpflichtungen
gegenüber den Rentenbezügern auch nach dem 1. Januar 2009 nachzukommen und
deren Rechte und Pflichten zu wahren habe. Zum Verfügungsentwurf vom 29. April
2009 reichte die Stiftung eine Vernehmlassung ein.
A.c Mit Verfügung vom 22. Mai 2009 wies die Aufsichtsbehörde die Begehren der
Sammelstiftung in der Eingabe vom 23. April 2009 ab, die sie als
Aufsichtsbeschwerde behandelte, soweit darauf eingetreten werden könne. Zur
Begründung führte sie im Wesentlichen aus, bei der Frage, ob bzw. zu welchen
Bedingungen die Rentner auf die neue Vorsorgeeinrichtung übertragen worden
seien, handle es sich um einen Rechtsstreit, der durch die zuständige
Gerichtsinstanz zu entscheiden sei. Bis dahin würden die Verpflichtungen
gegenüber den Rentnern bei der Sammelstiftung bleiben. Das Verfügen einer
Rückübertragung würde unter den gegebenen Umständen einen unverhältnismässigen
und unangemessenen Eingriff der Aufsichtsbehörde darstellen.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde der Sammelstiftung wies das
Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 29. März 2012 ab, soweit es darauf
eintrat.

C.
Die Sammelstiftung hat Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
erhoben mit dem hauptsächlichen Rechtsbegehren, der Entscheid vom 29. März 2012
sei aufzuheben und der Beschwerde gegen die Verfügung der Aufsichtsbehörde vom
22. Mai 2009 stattzugeben.
Die Stiftung und die Aufsichtsbehörde stellen je Antrag auf Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesverwaltungsgericht und das
Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass der Anschlussvertrag vom 23.
August 2007 zwischen der Stiftung und der ehemaligen B.________ AG seitens der
Vorsorgeeinrichtung gekündigt wurde, was zu deren Teilliquidation (Stichtag:
31. Dezember 2008) führte.

Löst die Vorsorgeeinrichtung den Anschlussvertrag mit dem Arbeitgeber auf, so
haben sich die bisherige und die neue Vorsorgeeinrichtung über den Verbleib der
Rentenbezüger bei der bisherigen oder den Wechsel zur neuen Vorsorgeeinrichtung
zu einigen. Kommt keine Vereinbarung zustande, so verbleiben die Rentenbezüger
bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung (Art. 53e Abs. 5 BVG).

1.2 Die Stiftung und die Sammelstiftung haben am 14./23. Januar 2009 eine
Vorvereinbarung abgeschlossen. Diese wurde insoweit erfüllt, als die Aktiven
und die Rentner der abgebenden Stiftung mit dem jeweiligen, um den
anteilsmässigen Betrag der Unterdeckung (Deckungsgrad: 90.5 %) gekürzten
Vorsorgekapital auf die übernehmende Sammelstiftung übertragen wurden. Die
beiden Vorsorgeeinrichtungen sind dabei uneins darüber, ob die Unterdeckung
auch auf dem Vorsorgekapital der Rentner proportional in Abzug zu bringen ist.

2.
Das Bundesverwaltungsgericht ist insoweit auf die Beschwerde der Sammelstiftung
gegen die Verfügung vom 22. Mai 2009 eingetreten, als darin gerügt wurde, die
Aufsichtsbehörde habe sich zu Unrecht nicht als zuständig erachtet zum
Entscheid darüber, zu welchen Bedingungen (ohne oder mit Kürzung des zu
übertragenden Vorsorgekapitals) die Rentner der Stiftung auf sie übertragen
worden seien. Weitergehende Rechtswirkungen der angefochtenen Verfügung hat es
verneint. Eine allfällige implizite Anordnung einer vorsorglichen Massnahme des
Inhalts, dass die Verpflichtungen gegenüber den Rentnern bei der Sammelstiftung
bleiben würden, sei unbeachtlich.

Streitgegenstand ist somit in erster Linie, ob im Klageverfahren nach Art. 73
BVG oder im verwaltungsrechtlichen Beschwerdeverfahren nach Art. 74 BVG zu
prüfen und zu entscheiden ist, ob das Vorsorgekapital der Rentner der Stiftung
ungekürzt oder gekürzt, entsprechend dem Deckungsgrad von 90.5 %, auf die
Sammelstiftung zu übertragen ist. Die Rechtsprechung zur Abgrenzung der beiden
Rechtswege bzw. der sachlichen Zuständigkeit von Berufsvorsorgegericht
einerseits, Aufsichtsbehörde und Bundesverwaltungsgericht anderseits wird im
angefochtenen Entscheid zutreffend wiedergegeben, worauf verwiesen wird (vgl.
SVR 2007 BVG Nr. 27 S. 95, B 114/05 E. 4 und 7.2, 2004 BVG Nr. 21 S. 65, B 34/
02 E. 2.1 [nicht publ. in: BGE 130 V 80] und Urteil 2A.140/2002 vom 18. Oktober
2002 E. 3).

3.
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts geht es vorliegend um eine
typischerweise berufsvorsorgerechtliche Streitigkeit zweier
Vorsorgeeinrichtungen im Lichte von Art. 53a Abs. 5 BVG und nicht um eine
aufsichtsrechtliche Streitigkeit. Es sei nicht an der Aufsichtsbehörde zu
beurteilen, unter welchen Umständen die Vorvereinbarung vom 14./23. Januar 2009
abgeschlossen worden sei und wer nun auf dauerhafte Weise für die
Verpflichtungen gegenüber den Rentnern der Stiftung aufzukommen habe, diese
oder die Beschwerde führende Sammelstiftung. Die Aufsichtsbehörde habe sich
daher zu Recht in der Hauptsache als unzuständig erklärt.

4.
4.1 Geht es wie im vorliegenden Fall um eine Unterdeckung, ist ein
Verteilungsplan nicht Thema (BGE 135 V 113 E. 2.1.5 in fine S. 118). Dessen
ungeachtet vermag die diesbezügliche Rechtsprechung zum massgebenden Rechtsweg
- Art. 74 BVG, wenn die (generelle) Erstellung des Verteilungsplans, Art. 73
BVG, wenn dessen (individuell-konkrete) Vollzug zur Diskussion steht (SVR 2008
BVG Nr. 8 S. 27, B 156/06 E. 2.1 und 4; SVR 2005 BVG Nr. 19 S. 63, B 41/03 E.
4.1 und 6.3) - hier Richtschnur zu bilden. Denn auch einer Vereinbarung im
Sinne von Art. 53e Abs. 5 BVG über den Wechsel der Rentner zur neuen
Vorsorgeeinrichtung (Übernahmevertrag) ist eine Zweiteilung im Sinne von
Gestaltung und Umsetzung immanent, die dem Bundesgericht im Zusammenhang mit
Streitigkeiten zwischen zwei Vorsorgeeinrichtungen um das Deckungskapital als
Abgrenzungskriterium für den Rechtsweg dient (SVR 2007 BVG Nr. 27 S. 95, B 114/
05 vom 14. November 2006 E. 7.2; vgl. auch Urteil 2A.735/2005 vom 19. Juni 2006
E. 3.4).

4.2 Die rechnerische Höhe des Vorsorgekapitals der Rentner (Fr. 9'060'038.-
[Deckungsgrad: 100 %] bzw. Fr. 8'199'334.- [effektiver Deckungsgrad: 90.5 % per
31. Dezember 2008 gemäss vollständigem Teilliquidationsbeschluss der Stiftung
vom 30. März 2009]) ist nicht umstritten. Zur Diskussion steht, wer den
Fehlbetrag von Fr. 860'704.- zu tragen hat. Dabei ist zwischen den beiden
Rechtsfragen zu unterscheiden, inwieweit eine Kürzung des zu übertragenden
Vorsorgekapitals der Rentner verbindlicher Inhalt der Vorvereinbarung vom 14./
23. Januar 2009 ist, und inwieweit eine solche Kürzung gesetzlich und
reglementarisch überhaupt zulässig ist. In concreto ist Ersteres streitig. Die
Sammelstiftung hatte vor der Aufsichtsbehörde unter ausdrücklicher Bezugnahme
auf die betreffende Vereinbarung und ein Schreiben an die Stiftung sinngemäss
geltend gemacht, sie habe die fragliche Vereinbarung in der Annahme
abgeschlossen, dass die Stiftung das ganze Deckungskapital der Rentenbezüger
überweise. Weitergehendes konnte der Eingabe vom 23. April 2009 nicht entnommen
werden, was implizit bereits die Vorinstanz festgestellt hat. Es geht somit um
eine Frage der Auslegung des Übernahmevertrages. Darüber hat klarerweise nicht
die Aufsichtsbehörde, sondern das Berufsvorsorgegericht zu befinden (E. 4.1).
Die Bezeichnung des Übernahmevertrags als Vorvereinbarung ist im Übrigen nicht
massgebend (Art. 18 OR).

4.3 Die Beschwerde führende Sammelstiftung bringt vor, auf Grund des
Verfügungsentwurfs vom 29. April 2009, der ihr von der Aufsichtsbehörde
vorgängig vorgelegt worden sei (vgl. Sachverhalt lit. A.b), habe sie nach Treu
und Glauben vom Schutz ihrer Interessen ausgehen dürfen. Ein solcher Entwurf,
der die Gewährung des rechtlichen Gehörs vor der definitiven Verfügung
bezweckt, ist jedoch keine Garantie dafür, dass die Sache gleichermassen
erledigt wird. Insbesondere lässt die Beschwerdeführerin ausser Acht, dass eine
Zusicherung lediglich von einer zuständigen Amtsstelle erteilt werden kann.
Soweit sie die (sachliche) Unzuständigkeit der Aufsichtsbehörde nicht erkannt
haben will, ist ein daraus resultierender Schaden weder ersichtlich noch
substanziiert (vgl. statt vieler Urteil 1C_151/2012 vom 5. Juli 2012 E. 4.2.1
mit Hinweisen). Abgesehen davon kann die Eintretensfrage auch erst vor
Bundesgericht zum Thema werden. Dieses prüft seine Zuständigkeit und diejenige
ihrer Vorinstanzen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Urteil 8C_852/2011
vom 12. Juni 2012 E. 4.1; BGE 136 V 7 E. 2 S. 9). Dass der Beschwerdeführerin
vor Erlass der definitiven Verfügung vom 22. Mai 2009 nicht noch einmal das
rechtliche Gehör gewährt wurde, vermag deshalb deren Aufhebung nicht zu
begründen.

Gleichzeitig kann offen bleiben, inwieweit die Aufsichtsbehörde über den
vorläufigen Verbleib der Rentner bei der Sammelstiftung bzw. deren
Rückübertragung an die Stiftung wirksam entschieden hat. So oder anders handelt
es sich dabei "nur" um Aussagen im Sinne einer vorsorglichen Massnahme bis zur
Klärung des Auslegungsstreits. Wie bereits die Vorinstanz zu Recht erwogen hat,
ist indes kein rechtsgenüglicher Grund gegeben, von der diesbezüglichen
Kompetenzattraktion der Hauptsachezuständigkeit abzuweichen. Weder liegt
Dringlichkeit vor - und wird eine solche auch nicht behauptet - noch besteht
die Gefahr von widersprüchlichen Urteilen. Die Überprüfung des
Teilliquidationsverfahrens, was gemäss Beschwerdeführerin mehrere Rentner
beantragt hätten, fällt wohl - anders als der Auslegungsstreit (vgl. E. 4.2) -
in den Zuständigkeitsbereich der Aufsichtsbehörde (vgl. Art. 53d Abs. 6 BVG).
Inhaltlich unterscheiden sich die beiden Streitsachen aber deutlich voneinander
(vgl. E. 4.1). Die vorinstanzliche Feststellung, die Verfügung vom 22. Mai 2009
habe nur insoweit Rechtswirkung entfaltet, als darin auf die Begehren mangels
Zuständigkeit nicht eingetreten worden sei, ist somit nicht zu beanstanden.

4.4 Die Beschwerde ist unbegründet.

5.
Diesem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Sammelstiftung die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Stiftung hat keine
Parteientschädigung beantragt.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden der C.________ Sammelstiftung
auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Pensionskasse der X.________ AG, dem
Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 13. November 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Fessler