Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 368/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_368/2012

Urteil vom 28. Dezember 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Basel-Landschaft,
Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,
Beschwerdeführerin,

gegen

C.________,
vertreten durch Advokat Nicolai Fullin,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, vom 2. Februar 2012.

Sachverhalt:

A.
Der 1959 geborene C.________ bezog seit 1. Dezember 1994 bei einem
Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Rente der Invalidenversicherung. Mit
Mitteilungen vom 2. April 2001 und 3. Juni 2005 bestätigte die IV-Stelle
Basel-Landschaft einen unveränderten Invaliditätsgrad und Anspruch. Im Juni
2009 leitete die IV-Stelle erneut ein Revisionsverfahren ein. Nach Abklärungen
und Durchführung des Vorbescheidverfahrens setzte die IV-Stelle mit Verfügung
vom 25. Juli 2011 die bisherige ganze Invalidenrente auf das Ende des der
Zustellung folgenden Monats auf eine halbe herab (Invaliditätsgrad von 54 %).

B.
Mit Entscheid vom 2. Februar 2012 hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft die
Beschwerde des C.________ im Sinne der Erwägungen gut und hob die Verfügung vom
25. Juli 2011 auf.

C.
Die IV-Stelle Basel-Landschaft führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und beantragt, den Entscheid vom 2. Februar 2011 aufzuheben und
die Verfügung vom 25. Juli 2011 wiederherzustellen. Ferner ersucht sie darum,
der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
C.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das kantonale Gericht
verzichtet auf eine Vernehmlassung, während das Bundesamt für
Sozialversicherungen die Gutheissung des Rechtsmittels beantragt.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
2.1 Die Vorinstanz hat im Vergleich zum Zeitpunkt der Rentenzusprache in Bezug
auf den psychischen Gesundheitszustand eine Verbesserung und hinsichtlich der
somatischen Gegebenheiten eine unveränderte Situation festgestellt. Dem
Versicherten sei nunmehr aus medizinischer Sicht die Ausübung einer körperlich
leichten, wechselbelastenden Tätigkeit ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule,
ohne repetitives Bücken und ohne repetitives Heben von Lasten von mehr als fünf
Kilogramm im Umfang von 50 % zumutbar. Sie ist indessen der Auffassung, die
hinzugewonnene Arbeitsfähigkeit lasse sich nicht auf dem Weg der
Selbsteingliederung verwerten. Im Zeitpunkt der Rentenherabsetzung sei der
Versicherte 52 Jahre alt und seit über 16,5 Jahren Bezüger einer ganzen
Invalidenrente gewesen. Es habe daher zunächst eine erwerbsbezogene Abklärung
zu erfolgen und anschliessend seien die als zweckmässig erachteten beruflichen
Eingliederungsmassnahmen durchzuführen; eine Rentenanpassung falle erst
anschliessend in Betracht.

2.2 Die Beschwerdeführerin macht zu Recht nicht geltend, dass dem Versicherten
die Selbsteingliederung zumutbar sein soll (SVR 2011 IV Nr. 73 S. 220, 9C_228/
2010 E. 3.3 bis 3.5). Hingegen stellt sie dessen Eingliederungswillen in
Abrede, weshalb die Durchführung von Eingliederungsmassnahmen nicht
erfolgsversprechend und daher von vornherein nicht angezeigt gewesen sei.

3.
3.1 Das kantonale Gericht hat keine explizite Feststellung zum
Eingliederungswillen getroffen. Mit dem Erfordernis der Prüfung beruflicher
Massnahmen hat sie indessen stillschweigend angenommen, der Beschwerdeführer
sei subjektiv eingliederungsfähig. Besteht wie hier grundsätzlich Anspruch auf
Eingliederungsmassnahmen, ist nur dann von einem nachhaltig fehlenden
Eingliederungswillen auszugehen, wenn er mit dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (vgl. BGE 130 V 393 E. 3.3 S. 396; 125 V 146 E. 2c S. 150
mit Hinweisen; Urteil 9C_406/2011 vom 9. Juli 2012 E. 5.1) feststeht.

3.2 Im ersten Gutachten des Ärztlichen Begutachtungsinstitutes X.________ vom
21. Januar 2010 stellten die Experten eine "ausgeprägte subjektive Krankheits-
und Behinderungsüberzeugung" fest, weshalb sie berufliche Massnahmen nicht
empfehlen konnten. Im Verlaufsgutachten des X.________ vom 18. Januar 2011
wurde diese Einschätzung insofern relativiert, als die Gutachter darauf
verwiesen, dass sich "der Explorand nicht mehr in der Lage sehe, irgendeiner
beruflichen Erwerbstätigkeit nachzugehen", und er darum "kaum die Motivation
für Reintegrationsbemühungen aufbringen dürfte". Zu den eigenen
Zukunftsvorstellungen bezüglich Arbeitsfähigkeit wurde festgehalten, der
Versicherte könne sich "auf Grund seiner chronischen Beschwerden, aber auch auf
Grund der langjährigen beruflichen Desintegration aus dem Arbeitsprozess sowie
auf Grund seines Alters keine Arbeitstätigkeit mehr vorstellen".
Gerade diesen nicht gesundheitsbezogenen Bedenken hätte mit dem Angebot von
beruflichen Massnahmen angemessen begegnet werden können. Dass der Versicherte
in gesundheitlicher Hinsicht eine von der ärztlichen Einschätzung abweichende
Auffassung vertrat, genügt für sich allein nicht, mit Blick auf später
durchzuführende Massnahmen die subjektive Eingliederungsfähigkeit in Abrede zu
stellen. Angesichts des langjährigen Status als Vollinvalider ist es
verständlich, dass er von seiner Krankheit und Behinderung überzeugt war. Der
Regionale Ärztliche Dienst (RAD) sah denn auch im konkreten Fall kein Hindernis
für berufliche Massnahmen, im Gegenteil regte er solche in seinen
Stellungnahmen vom 4. Februar 2010 und vom 14. Februar 2011 gar an. Dass die
Verwaltung im Rahmen des Revisionsverfahrens die Frage nach der Notwendigkeit
von Eingliederungsmassnahmen (vgl. Art. 14a und Art. 15 ff. IVG) und damit nach
der subjektiven Eingliederungsfähigkeit geprüft haben soll, ist nicht
aktenkundig; hingegen hielt der Versicherte in der Beschwerde vom 12. September
2011 "etwa ein Arbeitstraining" für erforderlich. Es besteht somit keine
genügende Grundlage für die Annahme, dass es ihm im Rahmen seiner -
mittlerweile verbindlich festgelegten (E. 2 und E. 1) - Arbeitsfähigkeit bei
resp. nach der Durchführung von grundsätzlich angezeigten Massnahmen am
Eingliederungswillen ermangelt hätte.

3.3 Unter den gegebenen Umständen ist es weder offensichtlich unrichtig noch
beruht es auf einer Rechtsverletzung, wenn die Vorinstanz (implizite) die
subjektive Eingliederungsfähigkeit bejaht resp. nicht deren Fehlen festgestellt
hat (E. 1). Damit bleibt die Rentenherabsetzungsverfügung vom 25. Juli 2011
aufgehoben. Im Rahmen der von der IV-Stelle an die Hand zu nehmenden
Eingliederung wird sie einem allfälligen Widerstand des Beschwerdegegners mit
dem Prozedere gemäss Art. 21 Abs. 4 ATSG begegnen. Bei diesem Ergebnis wird
nichts weiter gegen den angefochtenen Entscheid vorgebracht. Die Beschwerde ist
unbegründet.

4.
Mit dem Urteil in der Sache wird das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden
Wirkung gegenstandslos.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der anwaltlich vertretene
Beschwerdegegner hat Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und
2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2500.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. Dezember 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Die Gerichtsschreiberin: Dormann