Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 367/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_367/2012

Urteil vom 17. September 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
N.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Zollinger,
Beschwerdeführerin,

gegen

Kanton Zürich,
vertreten durch die Finanzdirektion des Kantons Zürich, und diese vertreten
durch die
BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich,
Stampfenbachstrasse 63, 8006 Zürich,
Beschwerdegegner,

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 5. März 2012.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 7. Juni 2007 verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich den
Anspruch der 1957 geborenen N.________ auf eine Rente der
Invalidenversicherung. Im Mai 2009 meldete sich N.________ erneut bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle holte einen
aktuellen IK-Auszug ein und nahm verschiedene Arztberichte zu den Akten. Nach
Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach sie der Versicherten mit Wirkung
ab 1. Mai 2008 eine ganze Rente zu (Verfügungen vom 11. Juli 2011).

B.
Der Kanton Zürich als Träger der Pensionskasse der Versicherten, der BVK
Personalvorsorge des Kantons Zürich (nachfolgend: BVK), erhob Beschwerde mit
dem Rechtsbegehren, die Verfügungen vom 11. Juli 2011 seien aufzuheben und der
Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung sei zu verneinen.
Eventualiter sei die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie den
Invaliditätsgrad unter Berücksichtigung sämtlicher medizinischer Akten neu
berechne. Mit Entscheid vom 5. März 2012 hiess das Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich die Beschwerde gut, hob die Verfügungen der IV-Stelle vom
11. Juli 2011 auf und stellte fest, dass die Versicherte keinen Anspruch auf
eine Rente der Invalidenversicherung hat.

C.
N.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei
festzustellen, dass die Verfügungen vom 16. August 2011 (recte: 11. Juli 2011)
rechtsgültig Bestand haben und sie Anspruch auf eine Rente hat. Eventualiter
sei die Sache zur Neubeurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

2.
Die Beschwerdeführerin erhebt Rügen prozessualer Art, welche vorab zu prüfen
sind.

2.1 In der Beschwerde wird geltend gemacht, die Vorinstanz habe es unterlassen,
zu prüfen, ob der Kanton Zürich (vertreten durch die Finanzdirektion und diese
vertreten durch die BVK) überhaupt zur Beschwerde legitimiert sei. Mangels
Berührtseins wäre die Frage zu verneinen gewesen.
Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Die Vorinstanz hat die
Beschwerdelegitimation des Kantons Zürich als Träger der BVK, welcher als
präsumptiv leistungspflichtiger Vorsorgeeinrichtung Kopien der
rentenzusprechenden Verfügungen vom 11. Juli 2011 zugestellt worden waren, zu
Recht - stillschweigend - bejaht. Da die Invaliditätsbemessung der IV-Stelle
für die Organe der (obligatorischen) beruflichen Vorsorge grundsätzlich bindend
ist, ist sie auch geeignet, deren Leistungspflicht in grundsätzlicher,
zeitlicher und masslicher Hinsicht im Sinne von Art. 49 Abs. 4 ATSG
(unmittelbar) zu berühren. Aus diesem Grunde sind die Organe der beruflichen
Vorsorge zur Beschwerde gegen die Verfügungen der IV-Stelle über den
Rentenanspruch als solchen oder den Invaliditätsgrad berechtigt (BGE 133 V 67
E. 4.3.2 S. 69; 132 V 1 E. 3.3.1 S. 5). Bei dieser Rechtslage ist die
Vorinstanz zu Recht auf die vom Kanton Zürich gegen die rentenzusprechenden
Verfügungen der IV-Stelle erhobene Beschwerde eingetreten.

2.2 Zu Unrecht stellt sich die Beschwerdeführerin sodann auf den Standpunkt, im
vorinstanzlichen Prozess sei die Garantie des fairen Verfahrens (Art. 6 Ziff. 1
EMRK; Art. 29 Abs. 1 BV) verletzt worden. Da die Interessen der beiden
Hauptparteien (Vorsorgeeinrichtung und IV-Stelle) gleichgerichtet gewesen
seien, sei ihre Position nicht angemessen gewürdigt worden. Denn sie übersieht
dabei, dass sie als zum vorinstanzlichen Verfahren Beigeladene denselben
Anspruch auf Wahrung des rechtlichen Gehörs hatte wie die Hauptparteien (BGE
129 V 73 E. 4.1 S. 74 f.; Christian Zünd, Die Beiladung im
Sozialversicherungsprozess, in: Sozialversicherungsrechtstagung 2004,
Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], 2004, S. 50 f.), wovon sie im Übrigen mit
Eingabe vom 18. November 2011 Gebrauch gemacht hat. Im Weitern resultieren für
die Versicherte aus der von ihr als ungünstig beurteilten Konstellation auch
deshalb keine Nachteile, weil das Gericht in dem vom Untersuchungsgrundsatz
beherrschten Sozialversicherungsprozess von Amtes wegen für die richtige und
vollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen hat (
BGE 138 V 218 E. 6 S. 221 f. mit Hinweisen).

3.
Materiell streitig und zu prüfen ist der Anspruch der Beschwerdeführerin auf
eine Rente der Invalidenversicherung (Art. 28 Abs. 1 und 2 IVG; Art. 8 ATSG)
und in diesem Zusammenhang namentlich die Arbeitsfähigkeit (Art. 6 ATSG) aus
psychischen Gründen.

3.1 Die Vorinstanz gelangte zum Ergebnis, die Versicherte sei in der Ausübung
der bisherigen Tätigkeit leichtgradig beeinträchtigt, wobei die Einschränkung
sowohl aus somatischer (chronisches Schmerzsyndrom und chronische
zervikospondylogene Schmerzen beidseits) als auch aus psychischer Sicht
(leichte depressive Episode ohne somatisches Syndrom) höchstens 20 % betrage.
Insgesamt sei von einer zumutbaren Arbeitsfähigkeit von 80 % in der
angestammten Tätigkeit auszugehen.

3.2 In der Beschwerde wird nichts vorgebracht, was diese
Sachverhaltsfeststellung als offensichtlich unrichtig oder unvollständig
erscheinen lässt:
Soweit die Versicherte vorbringt, auf das Gutachten des Dr. med. C.________,
Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 10. November 2010 (mit Ergänzung vom
29. Juni 2011) hätte nicht abgestellt werden dürfen, weil es sich um ein vom
Kanton Zürich in Auftrag gegebenes Parteigutachten handle, übersieht sie, dass
das Sozialversicherungsgericht alle Beweismittel objektiv prüft und
pflichtgemäss würdigt, unabhängig davon, von wem sie stammen (BGE 125 V 351 E.
3a S. 352). Expertisen, die von einer Partei eingeholt und in das Verfahren als
Beweismittel eingebracht werden (Parteigutachten), darf der Beweiswert nicht
schon deshalb abgesprochen werden, weil sie von einer Partei stammen (BGE 125 V
351 E. 3b/dd S. 353).
Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin hat sich das kantonale Gericht
sodann mit den gegen das Gutachten des Dr. med. C.________ von Dr. med.
H.________, Psychiatrie und Psychotherapie, und der RAD-Ärztin Dr. med.
K.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, erhobenen
Einwänden eingehend auseinandergesetzt, weshalb von einer Verletzung des
rechtlichen Gehörs nicht die Rede sein kann. Der von der Beschwerdeführerin
unter Hinweis auf eine neue Stellungnahme des Dr. med. H.________ vom 11. April
2012 - ohnehin ein unzulässiges Novum (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 135 V 194) -
vorgebrachten Kritik, die Exploration durch Dr. med. C.________ sei ungenau und
unsorgfältig durchgeführt worden, kann nicht gefolgt werden, stützt sich doch
der Gutachter auf zahlreiche durchgeführte und im Einzelnen dargelegte Tests
sowie die erhobenen klinischen Befunde und sind seine Schlussfolgerungen damit
nachvollziehbar und überzeugend. Unhaltbar ist schliesslich der Vorwurf, die
Vorinstanz begründe die Massgeblichkeit des Gutachtens willkürlich, weil im
Wesentlichen damit, dass die IV-Stelle derselben Auffassung sei. Denn die
Vorinstanz legte ausführlich (über mehrere Seiten) dar, weshalb sie sich auf
das Gutachten des Dr. med. C.________ stützte. Erst nachdem sie zu diesem
Ergebnis gelangt war, vermerkte sie am Rande (in einem einzigen Satz), dass die
IV-Stelle im Beschwerdeverfahren nun ebenfalls den Standpunkt vertrete, auf die
Darlegungen von Dr. med. B.________ könne nicht abgestellt werden.

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle des Kantons Zürich, dem
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. September 2012
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann