Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 32/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_32/2012

Urteil vom 23. Januar 2013
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiber Attinger.

Verfahrensbeteiligte
M.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Ausfeld,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 13. Dezember 2011.

Sachverhalt:

A.
Die 1973 geborene M.________ arbeitet seit 1993 als Pflegehelferin am Spital
X.________. Wegen einer psychischen Erkrankung (depressive Episoden,
generalisierte Angststörung) musste sie die bisherige Vollzeitanstellung ab 1.
Oktober 2001 auf eine Halbtagstätigkeit reduzieren. Ebenfalls ab Oktober 2001
sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Zürich mit Verfügung vom 5. Dezember 2002
eine halbe Rente der Invalidenversicherung zu. Nach Durchführung einer ersten
Rentenrevision teilte die Verwaltung der Versicherten am 29. November 2005 mit,
dass sie weiterhin Anspruch auf die bisherige halbe Invalidenrente habe. Im
Rahmen des zweiten, im Februar 2010 eingeleiteten Rentenrevisionsverfahrens
nahm die IV-Stelle das Gutachten des Psychiaters Dr. D.________, welches am 22.
Dezember 2009 zuhanden der Beamtenversicherungskasse erstattet worden war, zu
den Akten und holte bei med. pract. W.________, Oberarzt am psychiatrischen
Ambulatorium Y.________, einen Verlaufsbericht vom 13. April 2010 ein. Mit
Revisionsverfügung vom 11. Februar 2011 hob die IV-Stelle die bisher
ausgerichtete halbe Rente auf Ende März 2011 hin auf, weil im angestammten
Beruf als Pflegehelferin keine krankheitsbedingte Einschränkung mehr bestehe.

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 13. Dezember 2011 ab.

C.
M.________ lässt Beschwerde ans Bundesgericht führen mit dem Antrag auf
Weiterausrichtung der halben Invalidenrente über Ende März 2011 hinaus.
IV-Stelle, kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten
auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist
aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der
angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell-
und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a
BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften
Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung
entwickelten Grundsätze, namentlich diejenigen über die Bemessung des
Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode
des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG [SR 830.1] in Verbindung mit Art. 28a
Abs. 1 IVG; BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348; 128 V 29 E. 1 S. 30; 104 V 135 E. 2a
und b S. 136) sowie die Revision von Invalidenrenten bei wesentlicher Änderung
in den tatsächlichen Verhältnissen (Art. 17 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art.
1 Abs. 1 IVG; BGE 134 V 131 E. 3 S. 132; 130 V 343 E. 3.5 S. 349) und den
diesbezüglichen zeitlichen Referenzpunkt (BGE 133 V 108; SVR 2010 IV Nr. 4 S.
7, 9C_46/2009 E. 3.1; Urteil 9C_771/2009 vom 10. September 2010 E. 2.2),
zutreffend dargelegt. Hierauf wird verwiesen.
Zu ergänzen ist, dass es nach dem Grundsatz der materiellen Beweislast beim
bisherigen Rechtszustand bleibt, wenn sich eine anspruchserhebliche Änderung
des Sachverhalts nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachweisen lässt
(SVR 2012 IV Nr. 18 S. 81, 9C_418/2010 E. 3.1; vgl. SVR 2010 IV Nr. 30 S. 94,
9C_961/2008 E. 6.3).

3.
Das kantonale Gericht stützte seine Feststellung, wonach zwischen der
rentenbestätigenden Mitteilung vom 29. November 2005 und der streitigen
Aufhebungsverfügung vom 11. Februar 2011 eine relevante gesundheitliche
Verbesserung eingetreten und nunmehr von einer uneingeschränkten
Arbeitsfähigkeit als Pflegehelferin auszugehen sei, auf das psychiatrische
Gutachten Dr. D.________s vom 22. Dezember 2009. Darin wurde ein Status nach
Neurasthenie bei multiplen Anforderungen beruflicher und ebenso privater Natur
diagnostiziert sowie eine Überforderung durch die Doppelbelastung Arbeitsplatz/
Haushaltführung und darauf zurückzuführende Störungen mit teilweise psychischen
Symptomen (Chronic Fatigue Syndrome) bescheinigt (differentialdiagnostisch:
Anpassungsstörung mit Angst und Depression gemischt; leicht depressives
Zustandsbild). Anhaltspunkte für eine schwerwiegende und andauernde psychische
Erkrankung, welche eine längerfristige Berufs- und Arbeitsunfähigkeit begründen
könnte, lägen nicht vor; belastend sei allenfalls eine Überforderung im Rahmen
der schon früher eingeschränkten somato-psychischen Konstitution wie auch der
Gesamtsituation. Invaliditätsfremde Gründe (Haushalt mit zwei Kindern neben der
Erwerbstätigkeit) würden die Umsetzung der medizinisch-theoretisch vorhandenen
Arbeitsfähigkeit erschweren.
Als Grundlage für die seinerzeitige Rentenbestätigung vom 29. November 2005
dienten der IV-Stelle die ärztlichen Berichte von Dr. R.________, Spezialistin
für Physikalische Medizin, vom 22. August 2005 sowie des seit Februar 2003
engmaschig behandelnden Psychiaters Dr. B.________ vom 13. November 2005.
Während Erstere eine nach wie vor hälftige Arbeitsunfähigkeit bei schwerer
depressiver Entwicklung, chronischem Panvertebralsyndrom und beginnendem
Fibromyalgiesyndrom bescheinigte, diagnostizierte Letzterer rezidivierende
depressive Episoden mit phobischen Ängsten und Panikattacken und attestierte
eine (seines Erachtens ebenfalls seit der Rentenzusprechung unveränderte)
Leistungseinschränkung als Pflegehelferin von 50 %. Mit medikamentöser und
psychotherapeutischer Behandlung seien die Beschwerden (begrenzte Belastbarkeit
zufolge rascher Erschöpfbarkeit bei Zukunftsängsten, ängstlich-phobischem
Vermeidungsverhalten, zeitweisen Panikanfällen und Schlafstörungen) angegangen
worden und habe die verbliebene hälftige Restarbeitsfähigkeit dauerhaft stabil
gehalten werden können, trotz (kurzem) stationären Aufenthalt im Sanatorium
Z.________ (dort erhobene Diagnose: Angst und depressive Störung gemischt).

4.
Nach Auffassung der Vorinstanz entspricht das psychiatrische Gutachten Dr.
D.________s den von der Rechtsprechung entwickelten beweisrechtlichen
Anforderungen, indem es auf den erforderlichen allseitigen Untersuchungen
beruhe, das Verhalten der Versicherten berücksichtige, in Kenntnis und in
Auseinandersetzung mit den Vorakten erstellt worden sei und die
Schlussfolgerungen des Experten in nachvollziehbarer Weise begründe. Dem wäre
allenfalls beizupflichten, wenn es hier um eine erstmalige Beurteilung der
Rentenberechtigung ginge. Im vorliegenden Rahmen eines
Rentenrevisionsverfahrens bildet indessen die Frage nach einer erheblichen
Veränderung des Gesundheitszustandes und der entsprechenden funktionellen
Auswirkungen spezifisches Beweisthema. Denn die bloss unterschiedliche
medizinische Einschätzung eines im Wesentlichen unverändert gebliebenen
Sachverhalts führt nicht zu einer materiellen Revision (BGE 115 V 308 E. 4a/bb
S. 313; SVR 2012 IV Nr. 18 S. 81, 9C_418/2010 E. 4.1). Ob die vorinstanzliche
Beweiswürdigung den bei Revisionsverfügungen zu beachtenden beweisrechtlichen
Vorgaben genügt, ist letztinstanzlich frei überprüfbar (SVR, a.a.O., E. 5.1).
Unter vorstehendem Blickwinkel mangelt es Dr. D.________s spezialärztlicher
Expertise am rechtlich erforderlichen Beweiswert, mag sie für sich allein
betrachtet auch vollständig, nachvollziehbar und schlüssig sein. Entscheidend
ist, dass der Gutachter einzig die Befunderhebung durch sämtliche früher
untersuchenden und behandelnden Ärzte sowie deren einhellige Bescheinigung
einer hälftigen Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf kritisch hinterfragt
und ihnen seine eigene Einschätzung (vgl. E. 3 hievor) gegenüberstellt und
begründet. Der Eintritt einer revisionsrelevanten gesundheitlichen Verbesserung
zwischen November 2005 (Abschluss des ersten Revisionsverfahrens) und Februar
2011 (Rentenaufhebungsverfügung) wird hingegen in keiner Weise dargetan.
Vielmehr führt Dr. D.________ unter Hinweis auf alle früheren ärztlichen
Stellungnahmen (mit welchen der erwähnte Verlaufsbericht des nunmehr
behandelnden Psychiaters med. pract. W.________ übereinstimmt) selber aus,
"auch heute noch" stelle die rasche Erschöpfbarkeit das zentrale Problem dar:
"Beruflich ist resp. war die Versicherte wahrscheinlich im Rahmen des
Anforderungsprofils am Arbeitsort überfordert"; ihre Ressourcen scheinen "von
Jugend an" den vielfältigen Belastungen durch Arbeit und Familie nicht genügt
zu haben. Ist nach dem Gesagten eine zwischenzeitlich tatsächlich eingetretene
anspruchserhebliche Änderung des medizinischen Sachverhalts mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit zu verneinen, besteht über März 2011 hinaus weiterhin
Anspruch auf die bisher bezogene halbe Invalidenrente.

5.
Ausgangsgemäss trägt die IV-Stelle die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG);
überdies hat sie der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu entrichten
(Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 13. Dezember 2011 und die Verfügung der IV-Stelle des
Kantons Zürich vom 11. Februar 2011 werden aufgehoben. Die Beschwerdegegnerin
hat der Beschwerdeführerin über den 31. März 2011 hinaus weiterhin eine halbe
Invalidenrente auszurichten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der Ausgleichskasse des
Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. Januar 2013
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Der Gerichtsschreiber: Attinger