Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 302/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_302/2012

Urteil vom 13. August 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Kernen,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

O.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Grämiger,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 19. März 2012.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 21. Dezember 2009 sprach die IV-Stelle des Kantons St. Gallen
dem 1947 geborenen O.________ eine Viertelsrente der Invalidenversicherung ab
1. Juni 2007 zu, dies in Berücksichtigung u.a. der Gutachten des Dr. med.
K.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 27. Mai 2008
und des Zentrums A.________ vom 20. Juni 2008.

B.
In Gutheissung der Beschwerde des O.________ hob das Versicherungsgericht des
Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 19. März 2012 die Verfügung vom 21.
Dezember 2009 auf und sprach dem Versicherten eine halbe Rente ab dem 1.
September 2006 zu.

C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 19. März 2012 sei aufzuheben und es sei
festzustellen, dass O.________ keinen Rentenanspruch hat.

O.________ beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das kantonale
Versicherungsgericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf
eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der Beschwerde von Amtes wegen und mit
freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 135 II 94 E. 1 S. 96; Urteil
9C_959/2009 vom 19. Februar 2010 E. 2.1).

2.
Der angefochtene Entscheid spricht dem Beschwerdegegner eine halbe Rente der
Invalidenversicherung ab 1. September 2006 zu. Die Beschwerde führende
IV-Stelle beantragt, es sei festzustellen, dass kein Rentenanspruch bestehe. Im
selben Sinne hatte sie sich schon in der vorinstanzlichen Vernehmlassung
geäussert, nachdem sie mit der angefochtenen Verfügung den Anspruch auf eine
Viertelsrente ab 1. Juni 2007 bejaht hatte.

2.1 Gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen
hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a), durch den
angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist (lit. b) und ein
schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (lit. c). Auf
diese in erster Linie auf Privatpersonen zugeschnittene Beschwerdebefugnis kann
sich auch eine Behörde berufen, sofern sie nicht nur ein öffentliches Interesse
an der richtigen Durchführung des Bundesrechts, sondern wie ein Privater ein
bestimmtes, eigenes finanzielles Interesse verfolgt oder aber in schutzwürdigen
eigenen hoheitlichen Interessen berührt ist (BGE 133 V 188 E. 4.3.2 S. 192 mit
Hinweisen). Dazu reicht der Umstand allein nicht aus, im Rechtsmittelverfahren
unterlegen zu sein (BGE 134 II 45 E. 2.2.1 S. 47 mit Hinweisen). Heisst ein
kantonales Versicherungsgericht die Beschwerde gegen die Verfügung einer
IV-Stelle gut, indem es einen Rentenanspruch bejaht oder eine höhere Rente
zuspricht, kann diese den betreffenden Entscheid mangels eines schutzwürdigen
Interesses im Sinne von Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG daher nicht ans Bundesgericht
weiterziehen. Der Beschwerdeführerin kann somit nicht gestützt auf diese
Bestimmung die Rechtsmittelbefugnis zuerkannt werden.

2.2 Nach Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG sind ferner zur Beschwerde berechtigt
Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses
Recht einräumt.

2.3 Nach Art. 62 ATSG kann gegen Entscheide der kantonalen
Versicherungsgerichte nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni
2005 beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Abs. 1). Der Bundesrat
regelt das Beschwerderecht der Durchführungsorgane der einzelnen
Sozialversicherungen vor dem Bundesgericht (Abs. 1bis). Gemäss Art. 57 IVG
gehört zu den Aufgaben der IV-Stellen u.a. der Erlass der Verfügungen über die
Leistungen der Invalidenversicherung (Abs. 1 lit. g). Der Bundesrat kann ihnen
weitere Aufgaben zuweisen (Abs. 2). Der gestützt auf diese Delegationsnorm
erlassene Art. 41 IVV nennt namentlich die Stellungnahme in Beschwerdefällen
und die Erhebung von Beschwerden beim Bundesgericht (Abs. 1 lit. i). Diese
Regelung stellt eine hinreichende gesetzliche Grundlage im Sinne von Art. 89
Abs. 2 lit. d BGG dar (BGE 134 V 53 E. 2.2 S. 56 f.). Danach kommt derjenigen
IV-Stelle, welche die Verfügung erlassen und am vorinstanzlichen Verfahren
teilgenommen hat, Rechtsmittelbefugnis zu (vgl. auch Art. 201 Abs. 1 Satz 1
AHVV in Verbindung mit Art. 89 IVV; BGE 130 V 514 E. 4.1 S. 516; BERNHARD
WALDMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2. Aufl. 2011, N 64
in fine und Fn. 277 zu Art. 89 BGG). Die Beschwerdeführerin war somit
grundsätzlich berechtigt, den vorinstanzlichen Entscheid, der ihre Verfügung
über eine Viertelsrente aufhebt und dem Versicherten eine halbe Rente
zuspricht, beim Bundesgericht anzufechten.
2.3.1 Das spezialgesetzliche Beschwerderecht nach Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG
bedarf nicht des Nachweises der Voraussetzungen gemäss Art. 89 Abs. 1 lit. b
und c BGG, insbesondere ist kein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder
Änderung des angefochtenen Entscheids erforderlich (BGE 134 V 53 E. 2.2.2 in
fine S. 57; 106 V 139 E. 1 S. 141 vgl. WALDMANN, a.a.O., N 45 und N 64a zu Art.
89 BGG; ALAIN WURZBURGER, Commentaire de la LTF [Loi sur le Tribunal fédéral],
2009, N 43 zu Art. 98 BGG). Da die IV-Stelle im Beschwerdeverfahren vor dem
kantonalen Versicherungsgericht die Stellung einer Partei mit allen Rechten und
Pflichten (BGE 105 V 188; ISABELLE HÄNER, Die Beteiligten im
Verwaltungsverfahren, 2000, S. 155 f.; FRITZ GYGI,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 1983, S. 177 und 179) hat, setzt auch ihre
Rechtsmittelbefugnis indessen voraus, dass sie durch den Entscheid beschwert
ist (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 199/06 vom 30. Oktober 2006 E.
2.2 mit Hinweisen zu dem insoweit gleichen Art. 103 lit. c aOG [SEILER/VON
WERDT/GÜNGERICH, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz (BGG), 2007, N 60 zu Art.
89 BGG; WURZBURGER, a.a.O., N 17 zu Art. 89 BGG]). Beschwert ist die IV-Stelle,
wenn sie mit ihren Anträgen nicht oder nur teilweise durchgedrungen ist (SVR
2006 IV Nr. 48 S. 176, I 586/04 E. 1.2; vgl. auch BGE 123 II 115 E. 2a S. 117
und Urteil 2C_769/2009 vom 22. Juni 2010 E. 2.1). Dies trifft vorliegend zu.
Die Beschwerdeführerin hatte in der vorinstanzlichen Vernehmlassung beantragt,
es sei festzustellen, dass kein Rentenanspruch bestehe; das kantonale
Versicherungsgericht sprach dem Versicherten indessen eine halbe Rente (ab 1.
September 2006) zu.
2.3.2 Es fragt sich, wie im Kontext der Umstand zu werten ist, dass die am
Recht stehende IV-Stelle mit der vorinstanzlich angefochtenen Verfügung einen
Rentenanspruch nicht verneint, sondern eine Viertelsrente (ab 1. Juni 2007)
zugesprochen hatte.
2.3.2.1 Nach Art. 61 lit. d ATSG ist das Versicherungsgericht nicht an die
Begehren der Parteien gebunden (Satz 1). Es kann eine Verfügung oder einen
Einspracheentscheid zu Ungunsten der Beschwerde führenden Person ändern oder
dieser mehr zusprechen, als sie verlangt hat, wobei den Parteien vorher
Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zum Rückzug der Beschwerde zu geben ist
(Satz 2). Danach ist es zulässig, wenn eine IV-Stelle, wie im vorliegenden
Fall, im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren weniger beantragt (kein
Rentenanspruch), als sie selber mit der angefochtenen Verfügung zugesprochen
hat (Viertelsrente; vgl. SVR 2002 IV Nr. 40 S. 125, I 730/01 E. 3).
2.3.2.2 Mit der in Satz 1 von Art. 61 lit. d ATSG statuierten fehlenden Bindung
an die Parteibegehren wird die Verwirklichung des objektiven Rechts über das
subjektive Rechtsschutzinteresse gestellt (BGE 137 V 314 E. 3.2.2 S. 319 mit
Hinweisen). Diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers für das Verfahren vor dem
kantonalen Versicherungsgericht muss im Prozess vor Bundesgericht
berücksichtigt werden. Ein bereits erstinstanzlich gestelltes Begehren der
IV-Stelle, selbst wenn es eine Verschlechterung gegenüber dem Verfügten
bedeutet, ist daher auch letztinstanzlich zulässig (in diesem Sinne Urteil
9C_959/2009 vom 19. Februar 2010 E. 2.2; vgl. auch SVR 2006 IV Nr. 13 S. 47, I
628/01; anders und nach dem Gesagten abzulehnen SVR 2002 IV Nr. 40 S. 125, I
730/01 E. 3). Ebenfalls für diese Lösung spricht, dass in Konstellationen wie
der vorliegenden auf die Beschwerde der IV-Stelle ohnehin einzutreten wäre,
soweit der angefochtene Entscheid mehr zuspricht, als sie verfügt hat.

Satz 2 von Art. 61 lit. d ATSG gibt zu keiner anderen Betrachtungsweise Anlass.
Durch diese Vorschrift wird zwar die prozessrechtliche Stellung der Beschwerde
führenden Person verstärkt, indem bei einem Rückzug des Rechtsmittels die
angefochtene Verfügung formell rechtskräftig wird (BGE 109 V 278 E. 2 S. 280;
UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N 95 zu Art. 61 ATSG). Sie macht
indessen die Interessenabwägung zugunsten der Verwirklichung des objektiven
Rechts in Satz 1 nicht wieder rückgängig. Nur ist auch Art. 61 lit. d Satz 2
ATSG letztinstanzlich zu berücksichtigen. Erachtet das Bundesgericht, anders
als das kantonale Versicherungsgericht, die eine Rente zusprechende Verfügung
der IV-Stelle als gesetzwidrig, ist der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben
und die Sache an dieses zurückzuweisen, damit es der versicherten Person
Gelegenheit zum Rückzug der Beschwerde gibt, sofern nicht schon die Vorinstanz
das Verfahren nach Art. 61 lit. d Satz 2 ATSG durchgeführt hat.
2.3.3 Unzulässig ist, wenn die IV-Stelle erstmals vor Bundesgericht weniger
beantragt, als sie verfügt oder im kantonalen Verfahren anbegehrt hat (Art. 99
Abs. 2 BGG; BGE 136 V 362 E. 4.2 S. 367).

2.4 Nach dem Gesagten ist die auch den weiteren formellen Anforderungen
genügende Beschwerde zulässig, und es ist darauf einzutreten.

3.
Die Vorinstanz hat festgestellt, gemäss dem schlüssigen Gutachten des Zentrums
A.________ vom 20. Juni 2008, in welchem die nachvollziehbare Beurteilung aus
psychiatrischer Sicht des Dr. med. K.________ vom 27. Mai 2008 Eingang gefunden
habe, bestehe eine Arbeitsfähigkeit von 50 % in einer leichten
wechselbelastenden, adaptierten Tätigkeit. Davon ausgehend hat sie durch
Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28a Abs. 1 IVG) in
Form des Prozentvergleichs (vgl. dazu Urteil 9C_882/2010 vom 25. Januar 2011 E.
7.1) einen Invaliditätsgrad von 57,5 % (100 % - 50 % x 0,85 [Abzug von 15 %
gemäss BGE 126 V 75]) ermittelt, was Anspruch auf eine halbe Rente ab 1.
September 2006 (Ablauf der Wartezeit [aArt. 29 Abs. 1 lit. b IVG, in Kraft
gestanden bis Ende 2007] in diesem Monat) gab (Art. 28 Abs. 2 IVG).

4.
Die Beschwerde führende IV-Stelle rügt in erster Linie, die Vorinstanz habe
Bundesrecht verletzt, indem sie das Vorliegen einer invalidisierenden
psychischen Gesundheitsschädigung bejaht habe.

4.1 Dr. med. K.________ stellte folgende Diagnosen: Mittelgradige depressive
Episode mit somatischen Symptomen (ICD-10 F32.11), Verdacht auf anhaltende
somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) und Verdacht auf somatoforme autonome
Funktionsstörung des kardiovaskulären Systems (ICD-10 F45. 30). Die IV-Stelle
bringt richtig vor, dass bei einem solchen Krankheitsbild die Frage, inwieweit
eine Arbeitsunfähigkeit aus medizinisch-psychiatrischer Sicht als
invalidisierend im rechtlichen Sinne (Art. 4 Abs. 1 IVG sowie Art. 3 Abs. 1 und
Art. 6 ATSG) anzuerkennen ist, sich nach der mit BGE 130 V 352 begründeten
Rechtsprechung beurteilt (vgl. BGE 136 V 279 E. 3.2.3 S. 283). Daran ändert
nichts, dass gemäss dem Gutachten des Zentrums A.________ vom 20. Juni 2008
auch verschiedene somatische Befunde und Beschwerden bestehen. Diese begründen
für sich allein eine Einschränkung von maximal 20 % in einer körperlich
leichten wechselbelastenden Tätigkeit in Form eines erhöhten Pausenbedarfs. Aus
den Verdachtsdiagnosen ergibt sich kein zusätzlicher Einfluss auf die
Arbeitsfähigkeit (vgl. SVR 2012 IV Nr.1 S. 1, 9C_1040/2010 E. 3.3).

4.2
4.2.1 Nach der Rechtsprechung kommt einer anhaltenden somatoformen
Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) ebenso wie grundsätzlich sämtlichen
pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne
nachweisbare organische Grundlage (BGE 136 V 279 E. 3.2.3 S. 283) nur
ausnahmsweise invalidisierender, d.h. einen Rentenanspruch begründender
Charakter zu (Art. 4 Abs. 1 IVG sowie Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 ATSG;
grundlegend BGE 130 V 352). Entscheidend ist, ob und inwiefern die versicherte
Person über psychische Ressourcen verfügt, die es ihr erlauben, trotz den
subjektiv erlebten Schmerzen einer Arbeit nachzugehen (BGE 130 V 352 E. 2.2.4
S. 355; 127 V 294 E. 4b/cc in fine und E. 5a S. 299 unten). Umstände, die bei
Vorliegen eines solchen Krankheitsbildes die Verwertung der verbliebenen
Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt als unzumutbar erscheinen lassen können,
sind: Eine Komorbidität im Sinne eines vom Schmerzgeschehen losgelösten
eigenständigen psychischen Leidens von erheblicher Schwere, Intensität,
Ausprägung und Dauer, chronische körperliche Begleiterkrankungen mit
mehrjährigem Krankheitsverlauf bei unveränderter oder progredienter Symptomatik
ohne längerfristige Remission, sozialer Rückzug, ein verfestigter,
therapeutisch nicht mehr angehbarer innerseelischer Verlauf einer an sich
missglückten, psychisch aber entlastenden Konfliktbewältigung (primärer
Krankheitsgewinn), unbefriedigende Ergebnisse von konsequent durchgeführten
Behandlungen (auch mit unterschiedlichem therapeutischem Ansatz) und
gescheiterte Rehabilitationsmassnahmen bei vorhandener Motivation und
Eigenanstrengung der versicherten Person (BGE 132 V 65 E. 4.2.2 S. 71; 130 V
352 E 2.2.3 S. 353 ff.; Urteil 9C_1061/2009 vom 11. März 2010 E. 5.4.3.1.1).
Umgekehrt sprechen u.a. eine erhebliche Diskrepanz zwischen den geschilderten
Schmerzen und dem gezeigten Verhalten oder der Anamnese, die Angabe intensiver
in der Umschreibung vager Schmerzen oder behauptete schwere Einschränkungen im
Alltag bei weitgehend intaktem psychosozialen Umfeld gegen das Vorliegen eines
invalidisierenden Gesundheitsschadens (BGE 131 V 49 E. 2.1 S. 51; Urteil 9C_736
/2011 vom 7. Februar 2012 E. 1.1).
4.2.2 Unabdingbare Grundlage für die Beurteilung der Rechtsfrage, ob und
gegebenenfalls inwieweit einer versicherten Person unter Aufbringung allen
guten Willens die Überwindung ihrer Schmerzen und die Verwertung ihrer
verbleibenden Arbeitskraft zumutbar ist oder nicht, bilden die fachärztlichen
Stellungnahmen zum psychischen Gesundheitszustand und zu dem aus medizinischer
Sicht (objektiv) vorhandenen Leistungspotenzial (BGE 130 V 352 E. 2.2.5 S.
355). Bei ihrer Einschätzung der psychischen Ressourcen des Exploranden, mit
den Schmerzen umzugehen, haben die begutachtenden Ärzte notwendigerweise auch
die in E. 4.2.1 hievor genannten Kriterien zu beachten (BGE 135 V 201 E. 7.1.3
S. 213; 130 V 352 E. 2.2.4 S. 355) und sich daran zu orientieren (Ulrich Meyer,
Die Rechtsprechung zur Arbeitsunfähigkeitsschätzung bei somatoformen
Schmerzstörungen, in: Medizin und Sozialversicherung im Gespräch, 2006, S.
221). Insbesondere haben sie sich dazu zu äussern, ob eine psychische
Komorbidität gegeben ist oder weitere Umstände vorliegen, welche die
Schmerzbewältigung behindern (SVR 2008 IV Nr. 23 S. 71, I 683/06 E. 2.2). Nicht
erforderlich ist, dass sich eine psychiatrische Expertise in jedem Fall über
jedes einzelne der genannten Kriterien ausspricht; massgeblich ist eine
Gesamtwürdigung der Situation (SVR 2005 IV Nr. 6 S. 21, I 457/02 E. 7.4 mit
Hinweis, nicht publ. in: BGE 130 V 396). Gestützt darauf haben die
rechtsanwendenden Behörden zu prüfen, ob eine festgestellte psychische
Komorbidität hinreichend erheblich ist und ob einzelne oder mehrere der
festgestellten weiteren Kriterien in genügender Intensität und Konstanz
vorliegen, um gesamthaft den Schluss auf eine im Hinblick auf eine erwerbliche
Tätigkeit nicht mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbare Schmerzstörung
zu erlauben (Urteil 9C_482/2010 vom 21. September 2010 E. 4.3). Die Prüfung
schliesst die Beurteilung der Frage ein, inwiefern die ärztliche Einschätzung
der psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit invaliditätsfremde Gesichtspunkte
(insbesondere psychosoziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren)
mitberücksichtigt (Urteil 9C_651/2009 vom 7. Mai 2010 E. 5.1; Urteil 9C_1040/
2010 vom 6. Juni 2011 E. 3.4.1; vgl. auch Jörg Jeger, Tatfrage oder
Rechtsfrage? Abgrenzungsprobleme zwischen Medizin und Recht bei der Beurteilung
der Arbeitsfähigkeit in der Invalidenversicherung. Ein Diskussionsbeitrag aus
der Sicht eines Mediziners [2. Teil], SZS 2011 S. 580 ff.; Urteil 9C_936/2011
vom 21. März 2012 E. 1.2).

Der Beschwerdegegner scheint die Rechtsprechung zur Abgrenzung von Tat- und
Rechtsfrage bei der Beurteilung des invalidisierenden Charakters einer
anhaltenden somatoformen Schmerzstörung bzw. allgemein
pathogenetisch-ätiologisch unklarer syndromaler Beschwerdebilder ohne
nachweisbare organische Grundlage bestreiten zu wollen. Er bringt jedoch nichts
zur Begründung vor, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist (Art. 41 Abs. 2
BGG; vgl. im Übrigen auch SVR 2012 IV Nr. 32 S. 127, 9C_776/2010).

4.3
4.3.1 Dr. med. K.________ wurden "entsprechend dem BGE I 689/03 [BGE 130 V 352
], Absatz 2.2.3", folgende Zusatzfragen gestellt: - "Liegt aus gutachterlicher
Sicht die Grundsatzvariante der zumutbaren Schmerzüberwindung vor oder eine der
beiden Ausnahmen mit Unzumutbarkeit (spezifizierte psychische Komorbidität und
andere qualifizierende Kriterien)?" - "Ist es dem Versicherten bei Aufwendung
der zumutbaren Willensanstrengung möglich, die Schmerzen zu überwinden und eine
höhere Arbeitsleistung zu erbringen?".

Der Gutachter beantwortete die Fragen wie folgt: "Beim Versicherten besteht
offensichtlich eine psychische Komorbidität, wobei aus psychiatrischer Sicht
die Grundsatzvariante der zumutbaren Schmerzüberwindung doch teilweise
vorhanden ist. Dem Versicherten ist es bei Aufwendung der zumutbaren
Willensanstrengung möglich, die Schmerzen zu überwinden und eine 50%ige
Arbeitsleistung zu erbringen".
4.3.2 Damit hat sich nach Auffassung der Vorinstanz Dr. med. K.________ mit der
Frage der invalidisierenden Wirkung des psychischen Gesundheitsschadens
(mittelgradige depressive Episode mit somatischen Symptomen [ICD-10 F32.11],
Verdacht auf anhaltende somatoforme Schmerzstörung [ICD-10 F45.4] und Verdacht
auf somatoforme autonome Funktionsstörung des kardiovaskulären Systems [ICD-10
F45. 30]; vorne E. 4.1) auseinandergesetzt und den rechtlichen
Rahmenbedingungen Rechnung getragen. Die IV-Stelle könne sich nicht darüber
hinwegsetzen und die ärztliche Stellungnahme zur Arbeitsfähigkeit durch eigene
Arbeitsfähigkeitsschätzungen ersetzen.

Dieser Argumentation zufolge ist somit aufgrund der Beurteilung des
psychiatrischen Experten (auch) die rechtlich massgebende erhebliche Schwere,
Intensität, Ausprägung und Dauer der mittelgradigen depressiven Episode zu
bejahen (vorne E. 4.2.1 und 4.2.2). Dagegen wendet die IV-Stelle zu Recht ein,
dass gemäss Dr. med. K.________ die Fixierung auf die Thoraxschmerzen, welche
nach dem im Mai 2005 erlittenen Herzinfarkt auftraten, zur Entwicklung der
depressiven und anhaltenden somatoformen Schmerzstörung geführt habe. Dies
wirft die Frage auf, ob die mittelgradige depressive Episode als eigenständige
Krankheit zu betrachten ist, oder ob darin nicht in erster Linie eine
(reaktive) Begleiterkrankung zum Schmerzsyndrom zu sehen ist, was gegen das
Vorliegen einer psychischen Komorbidität spräche (vorne E. 4.2.1). Sodann weist
die IV-Stelle richtig darauf hin, dass mittelgradige depressive Episoden
grundsätzlich keine von depressiven Verstimmungszuständen klar unterscheidbare
andauernde Depression im Sinne eines verselbständigten Gesundheitsschadens
darstellen, die es der betroffenen Person verunmöglichten, die Folgen der
Schmerzstörung zu überwinden (SVR 2011 IV Nr. 57 S. 171, 8C_958/2010 E.
6.2.2.2; Urteil 8C_369/2011 vom 9. August 2011 E. 4.3.2 mit Hinweisen). Leichte
bis höchstens mittelschwere psychische Störungen aus dem depressiven
Formenkreis gelten auch grundsätzlich als therapeutisch angehbar (vgl.
Habermeyer/venzlaff, Affektive Störungen, in: Psychiatrische Begutachtung, 5.
Aufl. 2009, S. 193; SVR 2012 IV Nr. 18 S. 81, 9C_418/2010 E. 5.3.4; Urteil
9C_736/2011 vom 7. Februar 2012 E. 4.2.2.1).
4.3.3 Aufgrund des Vorstehenden kann eine auch rechtlich bedeutsame
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aus psychischen Gründen nur bejaht werden,
wenn weitere der diesbezüglich massgebenden Kriterien (vorne E. 4.2.1) gegeben
sind. Die Vorinstanz hat dazu keine Feststellungen getroffen. Die IV-Stelle hat
in der Beschwerde einlässlich begründet, dass die Frage zu verneinen ist.
Insbesondere seien die therapeutischen Möglichkeiten (noch) nicht ausgeschöpft.
Der Beschwerdegegner bringt nichts dagegen vor. Unter diesen Umständen ist eine
psychisch bedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit zu verneinen.

5.
Weiter bestreitet die IV-Stelle die von der Vorinstanz vorgenommene Kürzung des
dem Invalideneinkommen entsprechenden Prozentsatzes um 15 % (vorne E. 3).
Dieser Punkt kann offenbleiben. Gemäss dem Gutachten des Zentrums A.________
vom 20. Juni 2008 besteht aus somatischer Sicht eine Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit von 20 %. Daraus resultiert bei im Übrigen unveränderter
Invaliditätsbemessung ein Invaliditätsgrad von 32 % (100 % - 80 % x 0,85), was
für den Anspruch auf eine Rente nicht ausreicht (Art. 28 Abs. 2 IVG).

6.
Damit wird der Beschwerdegegner schlechter gestellt, als er es aufgrund der
Verfügung vom 21. Dezember 2009 (Viertelsinvalidenrente) war. Die Sache ist
daher zur Durchführung des Verfahrens nach Art. 61 lit. d ATSG an die
Vorinstanz zurückzuweisen (vgl. E. 2.3.2.2). Sollte der Beschwerdegegner die
vorinstanzliche Beschwerde zurückziehen, ist die IV-Stelle daran zu erinnern,
dass eine Aufhebung der Verfügung vom 21. Dezember 2009 betreffend
Viertelsrente, vorbehältlich der Revision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG, nur nach
Art. 53 Abs. 2 ATSG in Betracht fiele, wobei die Wiedererwägungsvoraussetzungen
in Anbetracht des in E. 3 und 4 Gesagten kaum erfüllt sein dürften (vgl. statt
vieler BGE 131 V 414 E. 2 S. 417 mit Hinweis; SVR 2011 IV Nr. 71 S. 213, 9C_994
/2010 E. 3.2.1).

7.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten grundsätzlich dem
Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG; BGE
125 V 201 E. 4a S. 202). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG
hingewiesen, wonach er der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn er später
dazu in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 19. März 2012 wird aufgehoben und die Sache an die
Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie im Sinne von E. 6 verfahre.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren
wird gutgeheissen und es wird dem Beschwerdegegner Rechtsanwalt Jürg Grämiger
als Rechtsbeistand beigegeben.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt, indes
einstweilen auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Rechtsanwalt Jürg Grämiger wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von
Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hat die Gerichtskosten und die
Parteientschädigung für das vorangegangene Verfahren neu festzusetzen und über
das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege zu befinden.

6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, der Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 13. August 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Fessler