Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 284/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_284/2012

Urteil vom 18. Mai 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Verfahrensbeteiligte
Stephan Kübler, Rechtsanwalt,
Beschwerdeführer,

gegen

Obergericht des Kantons Schaffhausen, Frauengasse 17, 8200 Schaffhausen,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung (vorinstanzliches Verfahren; unentgeltlicher
Rechtsbeistand),

Beschwerde gegen den Entscheid des
Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 17. Februar 2012.

Sachverhalt:

A.
B.________, geboren 1957, war seit 1. Dezember 1996 Bezüger einer halben
Invalidenrente. Mit Verfügung vom 10. August 2010 hob die IV-Stelle des Kantons
Schaffhausen diese auf Ende September 2010 revisionsweise auf.

B.
Vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Stephan Kübler, Winterthur, erhob
B.________ beim Obergericht des Kantons Schaffhausen Beschwerde. Mit Verfügung
vom 18. November 2010 gewährte ihm dieses für das Beschwerdeverfahren die
unentgeltliche Rechtspflege; es bestellte Rechtsanwalt Kübler als
unentgeltlichen Rechtsbeistand. Mit Entscheid vom 17. Februar 2012 wies es die
Beschwerde ab. Gemäss Dispositiv-Ziff. 3 ist dem Rechtsbeistand für das
Beschwerdeverfahren aus der Staatskasse eine Vergütung von Fr. 2'600.-
auszurichten.

C.
Rechtsanwalt Kübler führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.
Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei in dem Sinne abzuändern, dass ihm
als unentgeltlichem Rechtsvertreter im Verfahren vor der kantonalen Instanz
eine Entschädigung von Fr. 4'611.60 zugesprochen werde; eventualiter sei die
Sache zu ihrer Festsetzung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Vorinstanz, zur Vernehmlassung eingeladen, verzichtet darauf und verweist
auf den angefochtenen Entscheid.

Erwägungen:

1.
Der unentgeltliche Rechtsbeistand ist legitimiert, gegen die Festsetzung seines
Honorars durch das kantonale Gericht in eigenem Namen Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu führen (Art. 89 Abs. 1 BGG; vgl.
Urteil 8C_789/2010 vom 22. Februar 2011 E. 1 mit Hinweisen). Auf die Beschwerde
ist einzutreten.

2.
Die Bemessung der Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistands im
kantonalen Verfahren ist mangels bundesrechtlicher Bestimmungen dem kantonalen
Recht überlassen (BGE 131 V 153 E. 6.1 S. 158), mit welchem sich das
Bundesgericht unter Vorbehalt der in Art. 95 lit. c-e BGG genannten Ausnahmen
grundsätzlich nicht zu befassen hat. Eine Bundesrechtsverletzung nach Art. 95
lit. a BGG liegt nur vor, wenn die Anwendung kantonalen Rechts, sei es wegen
seiner Ausgestaltung oder aufgrund des Ergebnisses im konkreten Fall, zu einer
Verfassungsverletzung führt. Dabei fällt im Bereich der nach kantonalem Recht
zuzusprechenden und zu bemessenden Parteientschädigung bzw. Entschädigung des
unentgeltlichen Rechtsbeistandes praktisch nur das Willkürverbot (Art. 9 BV) in
Betracht (Urteil 8C_514/2010 vom 21. Juli 2010 E. 4.1). Eine willkürliche
Anwendung kantonalen Rechts liegt nur dann vor, wenn der angefochtene Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das
Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die
Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere Lösung
ebenfalls als vertretbar oder sogar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE
132 I 13 E. 5.1 S. 17, 125 V 408 E. 3a S. 409; Urteil 8C_514/2010 vom 21. Juli
2010 E. 4.2). Dem erstinstanzlichen Gericht ist bei der Bemessung der
Entschädigung praxisgemäss ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen (vgl. die
Zusammenfassung der Rechtsprechung in SVR 2000 IV Nr. 11 S. 31 E. 2b [I 308/
98]; Urteil 8C_514/2010 vom 21. Juli 2010 E. 4.3).

3.
3.1 Gemäss Art. 93 Abs. 1 des Justizgesetzes des Kantons Schaffhausen vom 9.
November 2009 (JG; SHR 173.300) wird der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt
für den berechtigten Aufwand der unentgeltlichen Vertretung und der amtlichen
Verteidigung aus der Staatskasse ein Honorar ausgerichtet. Das Obergericht
regelt das Nähere (Abs. 2).

3.2 Nach § 3 der bis Ende 2010 gültigen Verordnung des Obergerichts über die
Bemessung des Honorars der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte vom 16. August
2002 (HV; SHR 173.811) war der unentgeltliche Vertreter für den berechtigten
Aufwand im Rechtsmittelverfahren aus der Staatskasse mit einem Stundenansatz
von Fr. 180.- zu entschädigen. Entsprechend bestimmt die am 1. Januar 2011 in
Kraft getretene Verordnung des Obergerichts über das Honorar für unentgeltliche
Vertretung und amtliche Verteidigung (Honorarverordnung) vom 10. Dezember 2010
(HonV; SHR 173.811) in § 2 Abs. 1, dass dem Rechtsanwalt oder der
Rechtsanwältin für den berechtigten, für die Prozessführung erforderlichen
Aufwand der unentgeltlichen Vertretung aus der Staatskasse ein Honorar von Fr.
185.- pro Stunde zuzüglich notwendiger Barauslagen und Mehrwertsteuer
ausgerichtet wird. Nach § 3 Abs. 1 HonV hat der Rechtsanwalt oder die
Rechtsanwältin für die Festsetzung des Honorars eine spezifizierte Aufstellung
über seine bzw. ihre Tätigkeit und die Barauslagen einzureichen. Wird die
Aufstellung nicht rechtzeitig vor der Fällung des Entscheids oder nicht innert
angesetzter Frist eingereicht, kann das Honorar nach Ermessen festgesetzt
werden.

4.
Strittig und zu prüfen ist die Höhe der dem unentgeltlichen Rechtsbeistand im
vorinstanzlichen Verfahren aus der Staatskasse auszurichtenden Vergütung. Der
Beschwerdeführer hat für die Mandatsausübung in der Zeit vom 10. September 2010
bis 7. März 2011 der Vorinstanz Rechnung in Höhe von Fr. 5'035.70 gestellt.
Darin berücksichtigt ist ein Zeitaufwand von 22 Stunden 10 Minuten. Das Gericht
erachtete diesen als unangemessen und kürzte ihn um 10 Stunden. In
Berücksichtigung eines Zeitaufwandes von 12 Stunden 10 Minuten sprach es eine
Entschädigung in der Höhe von Fr. 2'600.- zu. Beschwerdeweise macht der
Rechtsbeistand noch eine Honorarforderung von Fr. 4'611.60 (inkl. Auslagen und
MWSt) geltend. Die Reduktion erklärt sich damit, dass die Entschädigung neu auf
den im Kanton Schaffhausen geltenden Stundenansatz von Fr. 180.- bzw. Fr. 185.-
(vgl. E. 3.2) abgestimmt ist.

5.
5.1 Die Frage nach der Höhe der Parteientschädigung ist eine Ermessensfrage,
deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur dort zugänglich ist, wo
Willkür oder rechtsfehlerhafte Ermessensausübung vorliegt (E. 2 hievor; BGE 132
V 393 E. 3.3 S. 399 in fine; Urteil U 87/06 vom 24. März 2006 E. 4.2.1). Der
Entscheid über deren Höhe bzw. der Entschädigung des unentgeltlichen
Rechtsbeistands muss in der Regel nicht begründet werden (BGE 111 Ia 1; RKUV
2005 Nr. U 547 S. 221 E. 3.2 [U 85/04]; Urteile 4A_275/2010 vom 11. August 2010
E. 8.2 und 4P.225/1999 vom 9. Februar 2000 E. 2). Eine grundsätzliche
Verpflichtung zur Entscheidbegründung (BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188; 229 E.
5.2 S. 236) besteht aber namentlich auch gegenüber dem Rechtsanwalt, wenn die
Festsetzung der Parteientschädigung nicht mit dessen Kostennote übereinstimmt
(vgl. SVR 2009 IV Nr. 48 S. 144, 9C_991/08 E. 3.1.2; SVR 2000 IV Nr. 11 S. 31,
I 308/98 E. 3b).

5.2 Die Vorinstanz befand, der in den Kostennoten eingesetzte Zeitaufwand von
insgesamt 22 Stunden 10 Minuten (davon rund 18 Stunden für Aktenstudium und
Ausarbeitung von Beschwerde und Replik) erscheine für ein
Rentenrevisionsverfahren als zu hoch. Auch wenn aufgrund der etwas
umfangreicheren Altakten sowie des Bildmaterials (aus einer Observation des
Versicherten) für das Aktenstudium durchaus etwas mehr Zeit als im Normalfall
habe gebraucht werden dürfen, so habe es sich doch "um einen absoluten
Durchschnittsfall im Sachgebiet der Invalidenversicherung" gehandelt. Es sei
nur zu prüfen gewesen, ob eine für den Rentenanspruch wesentliche Änderung in
den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten sei. Eine Reduktion des geltend
gemachten Aufwandes um 10 Stunden sei darum angemessen.

5.3 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe die eingereichte Kostennote
bundesrechtswidrig und ohne nachvollziehbare Begründung gekürzt. Sie habe den
verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör und allenfalls Art. 61 lit.
f ATSG verletzt sowie kantonales Prozessrecht willkürlich angewendet. So sei es
nach der Regelung in der kantonalen Honorarverordnung nicht sachgerecht, die
Entschädigung anhand pauschaler zeitlicher Richtwerte zu bemessen. Erscheine
der Vorinstanz der in einer Honorarrechnung geltend gemachte Aufwand als nicht
gerechtfertigt, habe sie dem Betroffenen eine Kürzung ausreichend und
nachvollziehbar begründet bekannt zu geben. In den Honorarnoten sei der Aufwand
transparent und nachvollziehbar aufgelistet. Die Vorinstanz habe nicht konkret
dargelegt, inwiefern dieser unangemessen gewesen sein soll. Die von ihr
vorgenommene Kürzung berücksichtige weder den Umfang der Arbeitsleistungen noch
die grosse Bedeutung des Verfahrens für den Versicherten. Wenn die Vorinstanz
geltend mache, es handle sich um einen absoluten Durchschnittsfall, verkenne
sie, dass neben sehr zahlreichen früheren Arztberichten und einem älteren
Gutachten auch das im Revisionsverfahren eingeholte 55-seitige Gutachten sowie
zahlreiche neue Arztberichte zu studieren und zu würdigen waren und mit dem
Ergebnis der Observation hätten verglichen werden müssen. Ein absoluter
Durchschnittsfall habe aber schon deshalb nicht vorgelegen, weil der
Versicherte erst im vorinstanzlichen Verfahren durch den Beschwerdeführer
vertreten gewesen sei, was von diesem eine vollständig neue Einarbeitung in das
Dossier verlangt habe. Dies habe die Vorinstanz nicht berücksichtigt.

6.
Die vorinstanzlichen Überlegungen, welche das geforderte Honorar nahezu
halbieren (E. 5.2), sind in Begründung und Ergebnis willkürlich. Denn das
kantonale Gericht setzt sich überhaupt nicht damit auseinander, wie sich die
spezifischen Gegebenheiten des Falles auf den Umfang der Vertretungsbemühungen
auswirken, sondern es geht von der pauschalen und sachlich nicht zu
rechtfertigenden Meinung aus, ein Rentenrevisionsverfahren an sich rechtfertige
von vornherein nicht einen Aufwand in der Höhe, wie er hier nachweislich
betrieben worden ist. Dass dieser mit gut 22 Stunden von vornherein ausserhalb
des Vernünftigen liege, kann in Anbetracht der hohen Bedeutung der Sache für
den vom Beschwerdeführer vertretenen Versicherten einerseits und unter
Berücksichtigung der umfangreichen Akten andererseits sicherlich nicht gesagt
werden. Daher geht es nicht an, dass sich die Vorinstanz von der gebotenen
materiellen Prüfung der inhaltlich spezifizierten und zeitlich quantifizierten
Aufwandposten dispensiert. Diese wird das kantonale Gericht nachzuholen und
anschliessend über die Höhe des Honorars an den Beschwerdeführer neu zu
entscheiden haben.

7.
Von der Erhebung von Gerichtskosten ist abzusehen (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG).
Dem obsiegenden Beschwerdeführer steht keine Parteientschädigung zu, denn der
in eigener Sache prozessierende Rechtsanwalt hat nur ausnahmsweise Anspruch auf
eine solche (BGE 129 II 297 E. 5 S. 304; 110 V 132). Hier ist keine
auszurichten, da ihm kein besonderer Aufwand entstanden ist (BGE 110 V 132 ff.;
BGE 119 Ib 412 E. 3 S. 415).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 3 des Entscheids
des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 17. Februar 2012 wird aufgehoben
und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie im Sinne der E. 6
verfahre.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle Schaffhausen und dem Bundesamt
für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. Mai 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Schmutz