Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 257/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_257/2012

Urteil vom 11. Juli 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
1. P.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Fritz Heeb,
2. H.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Freizügigkeitsstiftung der Basellandschaftlichen Kantonalbank, Rheinstrasse 7,
4410 Liestal, vertreten durch Advokat Dr. Stefan Schmiedlin, Augustinergasse 5,
4051 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge (vorinstanzliches Verfahren),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 16. Juni 2011.

Sachverhalt:

A.
A.a Die Freizügigkeitsstiftung der Basellandschaftlichen Kantonalbank
(nachfolgend: Freizügigkeitsstiftung) löste am 28. Februar 2006 das seit kurzem
bestehende Freizügigkeitskonto des A.________ vorzeitig auf und zahlte die
Austrittsleistung von Fr. 106'329.30 nach dessen Weisungen aus. Seine Ehefrau
P.________ erhob am 3. April 2006 Klage auf Scheidung. In diesem Verfahren
bestritt die Freizügigkeitsstiftung die Existenz einer teilbaren
Austrittsleistung, während die Ehefrau geltend machte, die Saldierung des
Freizügigkeitskontos sei ohne ihre Zustimmung erfolgt. Mit Entscheid des
Kreisgerichts Werdenberg-Sargans vom 7. Dezember 2006 wurde die Ehe der
P.________ und des A.________ geschieden (Dispositiv-Ziffer 1) und u.a. der
jeweilige Anspruch der Parteien auf die Hälfte der nach Freizügigkeitsgesetz
für die Ehedauer zu ermittelnden Austrittsleistung des anderen Ehegatten
festgestellt (Dispositiv-Ziffer 6). Am 27. Februar 2007 überwies das
Kreisgericht die Sache zur weiteren Beurteilung an das Versicherungsgericht des
Kantons St. Gallen. Dieses räumte P.________ Gelegenheit ein, gegen die
Freizügigkeitseinrichtung beim "zuständigen Versicherungsgericht des Kantons
Basel-Landschaft" Klage zu erheben und sistierte das bei ihm anhängig gemachte
Vorsorgeausgleichsverfahren.
A.b P.________ erhob am 27. Juni 2008 beim Kantonsgericht Basel-Landschaft
Klage gegen die Freizügigkeitsstiftung mit folgenden Rechtsbegehren:
1. Es sei festzustellen, dass die Beklagte die Freizügigkeitsleistung des
A.________ im Betrag von Fr. 106'214.95 am 20. Februar 2006 an ihn ausbezahlt
hat, ohne dass die erforderliche Zustimmung der Klägerin als Ehefrau vorlag.

2. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin auf deren Vorsorgeeinrichtung
mit Fr. 53'107.45 zuzüglich gesetzliche Zinsen vom 21. Februar 2006 bis zur
effektiven Überweisung (abzüglich ½ der eigenen Austrittsleistung gemäss Art.
122 ZGB) den ihr gemäss Scheidungsurteil zustehenden hälftigen Anspruch zu
bezahlen.
Mit Entscheid vom 21. November 2008 trat das Gericht mangels örtlicher
Zuständigkeit auf die Klage nicht ein und überwies die Angelegenheit
zuständigkeitshalber zur weiteren Behandlung an das Versicherungsgericht des
Kantons St. Gallen. Die von der Freizügigkeitsstiftung dagegen erhobene
Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil 9C_1060/2008 vom 26. Mai 2009 ab.
A.c Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies mit Entscheid vom 8.
Februar 2010 (Verfahren BV 2007/06) die Klage ab (Dispositiv-Ziffer 1) und
verweigerte die Teilung der Austrittsleistung der P.________ im Sinn der
Anordnung des Scheidungsurteils (Dispositiv-Ziffer 2). Ferner sprach es ihrem
Rechtsvertreter als unentgeltlichem Rechtsbeistand eine Entschädigung durch den
Staat zu (Dispositiv-Ziffer 4). Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das
Bundesgericht mit Urteil 9C_153/2010 vom 1. September 2010 - soweit es darauf
eintrat - in dem Sinne gut, dass der Entscheid vom 8. Februar 2010 aufgehoben
und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wurde, damit sie, nach erfolgter
Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch der P.________ neu
entscheide. Mit Entscheid vom 16. Juni 2011 (Verfahren BV 2010/15) hiess das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die Klage vom 27. Juni 2008 gut und
verpflichtete die Freizügigkeitsstiftung, den Betrag von Fr. 29'956.75 nebst
Zinsen an die Vorsorgeeinrichtung der P.________ zu Gunsten ihres
Vorsorgekontos zu überweisen (Dispositiv-Ziffer 1) und der Klägerin eine
Parteientschädigung von Fr. 6'000.- zu bezahlen (Dispositiv-Ziffer 3).

B.
P.________ und ihr Rechtsvertreter erhoben beim Verwaltungsgericht des Kantons
St. Gallen "Rechtsverweigerungsbeschwerde" mit folgenden Anträgen:
1. Ziff. 3 des Dispositivs des Urteils des Versicherungsgerichts St. Gallen vom
16. Juni 2011 (BV 2010/15) sei aufzuheben.

2. Es sei den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung in der Höhe von
mindestens Fr. 10'000.- zuzüglich Barauslagen von pauschal 4 % und
Mehrwertsteuer von 7,6 bzw. 8 % zuzusprechen.
Mit Entscheid vom 14. Februar 2012 trat das Verwaltungsgericht auf die
Beschwerde nicht ein und überwies die Sache an das Bundesgericht.

Die Freizügigkeitsstiftung lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das
kantonale Gericht beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten,
eventuell sei sie abzuweisen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet
auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
1.1 Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit resp. die Zulässigkeit der bei
ihm erhobenen Rechtsmittel von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29
Abs. 1 BGG; vgl. BGE 135 II 94 E. 1 S. 96; Urteil 8C_264/2009 vom 19. Mai 2009
E. 1; je mit Hinweisen).

1.2 Die Beschwerdefrist gilt auch als gewahrt, wenn die Eingabe rechtzeitig bei
der Vorinstanz oder bei einer unzuständigen eidgenössischen oder kantonalen
Behörde eingereicht worden ist. Die Eingabe ist unverzüglich dem Bundesgericht
zu übermitteln (Art. 48 Abs. 3 BGG).

Dass die Beschwerde zunächst bei einem unzuständigen kantonalen Gericht
eingereicht wurde, ist daher - entgegen der vorinstanzlichen Auffassung - kein
Grund, nicht darauf einzutreten (vgl. AMSTUTZ/ARNOLD, in: Basler Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 21 zu Art. 48 BGG). Dies gilt auch bei
anwaltlicher Vertretung und trotz zutreffender Rechtsmittelbelehrung im
angefochtenen Entscheid.

1.3 Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt,
wer u.a. durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist
und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (Art. 89
Abs. 1 lit. b und c BGG). Dies ist für den Rechtsvertreter der
Beschwerdeführerin nur dann zu bejahen, wenn es um ein von der Vorinstanz
zugesprochenes Honorar als unentgeltlicher Rechtsbeistand (vgl. Art. 29 Abs. 3
BV) geht. Diese Konstellation ist hier nicht gegeben.

Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid klargestellt, dass mit der
zugesprochenen Parteientschädigung auch die Kosten des am 8. Februar 2010
entschiedenen Verfahrens BV 2007/06 abgegolten werden. Für dieses Verfahren war
zwar der Rechtsvertreter als unentgeltlicher Rechtsbeistand der
Beschwerdeführerin bestellt worden, indessen hob das Bundesgericht mit Urteil
9C_153/2010 vom 1. September 2010 den Entscheid vom 8. Februar 2010 auch in
dieser Hinsicht auf. Aufgrund der (nachträglichen) Gutheissung der Klage
besteht kein Anlass, von einem eigenen Anspruch auf Kostenersatz und damit
einer Beschwerdelegitimation des Rechtsvertreters auszugehen.

2.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu
Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht wendet
das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft die Verletzung von
Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als
eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art.
106 Abs. 2 BGG).

3.
Die Vorinstanz hat "wegen der durch das Bundesgericht angeordneten prozessualen
Erweiterung" die "gegenüber dem Normalsatz angemessen erhöhte Entschädigung"
auf Fr. 6'000.- festgesetzt. Laut Stellungnahme vom 7. Juni 2012 setzt sich
diese zusammen aus der gerichtsüblichen "mittleren pauschalen Entschädigung"
von Fr. 3'500.- für das Verfahren BV 2007/06 und einer reduzierten Pauschale
von Fr. 2'500.- für das Verfahren BV 2010/15, bei dem sich der zusätzliche
Prozessaufwand im Wesentlichen auf einfache Stellungnahmen zu den Abklärungen
und Abklärungsergebnissen beschränkt habe.

Mit der Beschwerde wird ein Prozessaufwand von über 40 Stunden geltend gemacht.
Der sich daraus bei der zugesprochenen Entschädigung ergebende Stundensatz von
Fr. 132.50 sei "willkürlich tief".

4.
4.1 Der kantonale Prozess betreffend Leistungen der beruflichen Vorsorge
untersteht nicht den Verfahrensregeln der Art. 56 bis 62 ATSG (vgl. Art. 2
ATSG), und die Rechtspflegebestimmungen von Art. 73 BVG enthalten keine zu Art.
61 lit. g ATSG analoge Regelung des Parteikostenersatzes. Daher sind sowohl die
Voraussetzungen als auch die Bemessung der einem obsiegenden Kläger zustehenden
Parteientschädigung ausschliesslich dem kantonalen Recht überlassen. Damit hat
sich das Bundesgericht grundsätzlich nicht zu befassen. Es darf die Zusprechung
resp. Nichtzusprechung und die Höhe einer Parteientschädigung für das
vorinstanzliche Verfahren nur daraufhin überprüfen, ob die Anwendung der
einschlägigen kantonalen Bestimmungen zu einer Verletzung von Bundesrecht
geführt hat (Art. 95 lit. a BGG; E. 2). Dabei fällt praktisch nur das
Willkürverbot von Art. 9 BV in Betracht (vgl. BGE 125 V 408 E. 3a S. 408 f. mit
Hinweisen; Urteil 9C_115/2008 vom 23. Juli 2008 E. 9.1).

4.2 Es trifft zwar zu, dass es willkürlich wäre, für die Entschädigung des
angemessenen Aufwandes einen Stundenansatz von nur ge-rade rund Fr. 130.-
heranzuziehen (SVR 2011 AHV Nr. 7 S. 23, 9C_338/2010 E. 5.2 mit Hinweisen).
Indessen legt die Beschwerdeführerin nicht dar und ist auch nicht ersichtlich,
inwiefern die der Pauschale zugrunde liegende (implizite) vorinstanzliche
Annahme eines durchschnittlichen resp. um etwa 30 % reduzierten
Arbeitsaufwandes offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (BGE 136 III 627 E.
3.1 S. 630; 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252) sein oder auf einer anderen Verletzung
von Bundesrecht beruhen soll (E. 2). Auch wenn es sich bei Gesamtbetrachtung um
einen komplexen Fall handelt, sind nur die Aufwendungen für die beiden
vorinstanzlichen Verfahren BV 2007/06 und BV 2010/15 massgeblich, wie die
Beschwerdeführerin selber einräumt. Weiter ist dem kantonalen Gericht
beizupflichten, dass im zweiten Verfahren, bei dem es hauptsächlich nur noch um
die Abklärung der Echtheit einer Unterschrift ging, ein relativ geringer
Prozessaufwand anfiel. Zudem reichte die Beschwerdeführerin weder im vor- noch
im letztinstanzlichen Verfahren (vgl. betreffend Zulässigkeit SVR 2011 AHV Nr.
7 S. 23, 9C_338/2010 E. 5.2) eine (detaillierte) Kostennote ein, aus welcher
der geltend gemachte Aufwand von über 40 Stunden nachvollziehbar geworden wäre.
Die blosse Behauptung dieses Umfangs genügt nicht, ihn für überwiegend
wahrscheinlich (zum Beweismass vgl. BGE 135 V 39 E. 6.1 S. 45; 126 V 353 E. 5b
S. 360) zu halten oder gar die vorinstanzliche Annahme eines geringeren
Aufwandes als willkürlich (BGE 134 II 124 E. 4.1 S. 133; 133 I 149 E. 3.1 S.
153 mit Hinweisen) erscheinen zu lassen. Andere Gründe für eine willkürliche
Festsetzung der Parteientschädigung werden nicht vorgebracht, weshalb davon
nicht die Rede sein kann. Die Beschwerde ist unbegründet.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend haben die Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 700.- werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte
auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 11. Juli 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Die Gerichtsschreiberin: Dormann