Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 197/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_197/2012

Urteil vom 7. September 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Kernen,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St.
Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

S.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Schmucki,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 19. Januar 2012.

Sachverhalt:

A.
Die 1915 geborene, verheiratete S.________ hatte ihren Wohnsitz in X.________,
Kanton Wallis. Im Juli 2010 trat sie in das Alterszentrum Y._________, Kanton
St. Gallen, ein und meldete sich am 6. Dezember 2010 beim Einwohneramt an; das
Einwohneramt vermerkte den Zuzug per 21. Oktober 2010. Nachdem S.________ um
Pflegefinanzierung ersucht hatte (Anmeldung vom 31. Dezember 2010; eingegangen
bei der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen am 3. Februar 2011),
ergab sich zwischen der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen und
der Ausgleichskasse des Kantons Wallis eine Kontroverse betreffend
Zuständigkeit für die Kostenübernahme. Mit Verfügung vom 5. Juli 2011 verneinte
die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen ihre Zuständigkeit und
trat auf das Gesuch um Pflegefinanzierung nicht ein.

B.
Hiegegen erhob S.________ Beschwerde mit dem Antrag, unter Aufhebung der
Verfügung sei die Sozialversicherungsanstalt anzuweisen, auf das Gesuch um
Pflegefinanzierung einzutreten. Auch das Gesundheitsdepartement des Kantons
Wallis führte Beschwerde mit demselben Rechtsbegehren. Das Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen vereinigte die Verfahren, trat auf die Beschwerden mit
Entscheid vom 19. Januar 2012 nicht ein und entschied, diese seien
zuständigkeitshalber dem kantonalen Departement des Innern zu überweisen.

C.
Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen führt Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des
angefochtenen Entscheids sowie die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur
(materiellen) Entscheidung.
Das Versicherungsgericht und der Kanton Wallis verzichten auf eine
Vernehmlassung, S.________ und das Departement des Innern des Kantons St.
Gallen schliessen auf Gutheissung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unter anderem
zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG). Der
vorinstanzliche Nichteintretensentscheid kann als Endentscheid im Sinne von
Art. 91 BGG (Urteil 9C_740/2008 vom 10. Oktober 2008 E. 1) oder als -
selbstständig eröffneter - Vor- oder Zwischenentscheid über die Zuständigkeit
nach Art. 92 Abs. 1 BGG betrachtet werden. Die dagegen erhobene Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit zulässig (BGE 135 V 125 E. 1
S. 126).

1.2 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Soweit sich der
angefochtene Entscheid auf Quellen des kantonalen Rechts stützt, welche nicht
in Art. 95 lit. c-e BGG genannt werden, beschränkt sich die Überprüfung durch
das Bundesgericht inhaltlich auf die Frage, ob die Anwendung des kantonalen
Rechts zu einer Bundesrechtswidrigkeit führt. Im Vordergrund steht dabei eine
Verletzung verfassungsmässiger Rechte (BGE 133 I 201 E. 1 S. 203 mit
Hinweisen).

2.
2.1 Die Restfinanzierung im Bereich der Pflegekosten betrifft eine Leistung,
die nicht von der obligatorischen Krankenversicherung getragen wird. Es fragt
sich daher, ob die Zuständigkeit zur Behandlung der Beschwerde bei der II.
sozialrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts liegt (Art. 35 lit. d des
Reglements vom 20. November 2006 für das Bundesgericht [BgerR; SR 173.11.131]),
oder bei der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung (Art. 30 Abs. 1 lit. c Ziff.
14 BgerR).

2.2 Für die Zuteilung eines Geschäfts an eine Abteilung ist die Rechtsfrage
massgeblich, auf der das Schwergewicht der Entscheidung liegt, wobei von der
reglementarischen Geschäftsverteilung im Einzelfall aufgrund der Natur des
Geschäfts und seiner Konnexität mit anderen Geschäften abgewichen werden kann.
Vorausgesetzt wird eine Einigung der Präsidenten und Präsidentinnen der
betroffenen Abteilungen (Art. 36 Abs. 1 und 2 BgerR). Im Rahmen des Verfahrens
2C_796/2011 (Urteil vom 10. Juli 2012) erfolgte ein Meinungsaustausch zwischen
der II. öffentlich-rechtlichen und der II. sozialrechtlichen Abteilung des
Bundesgerichts, welcher ergab, dass Streitigkeiten nach Eintritt eines
Leistungsfalles in die Zuständigkeit der II. sozialrechtlichen Abteilung
fallen, wenn - allenfalls auch nur im Hintergrund -
sozialversicherungsrechtliche Leistungen umstritten sind, wozu auch die
kantonale Restfinanzierung der Pflegekosten gehört. Die übrigen - abstrakten -
spital- und pflege(finanzierungs)rechtlichen Streitigkeiten sind als
Angelegenheiten des öffentlichen Gesundheitsrechts von der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung zu beurteilen. Damit ist die Zuständigkeit der
II. sozialrechtlichen Abteilung für die Behandlung der vorliegenden Beschwerde
gegeben und es ist auf diese einzutreten.

3.
Streitig ist die innerkantonale Zuständigkeit zur Beurteilung der
Rechtmässigkeit des Nichteintretensentscheides der Sozialversicherungsanstalt.
In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere die Rechtsfrage, ob auf
Streitigkeiten betreffend die Pflegefinanzierung (Art. 25a KVG) die
(verfahrensrechtlichen) Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) zur
Anwendung gelangen. Trifft dies zu, richtet sich der Rechtsweg nach Art. 56 ff.
ATSG und es ist das kantonale Versicherungsgericht zuständig.

4.
4.1 Die Vorinstanz erwog, Art. 25a Abs. 5 KVG sei mit Art. 41 Abs. 3 erster
Satz KVG (Kostenübernahme bei Hospitalisation in einem nicht auf der
Spitalliste des Wohnkantons aufgeführten Spital) vergleichbar. Nach der
Rechtsprechung zu Art. 41 KVG ergebe sich die Zuständigkeit des
Versicherungsgerichtes trotz fehlendem Vorbehalt in Art. 1 Abs. 2 KVG nicht aus
dem ATSG, sondern es sei das kantonale Recht massgebend. Obwohl die
Differenzzahlungspflicht gemäss Art. 41 Abs. 3 Satz 1 KVG
sozialversicherungsrechtlicher Natur sei, gälten die Kantone nicht als
Versicherer im Sinne des KVG, weshalb nicht das kantonale Versicherungsgericht
gestützt auf das ATSG zuständig sei. Nichts anderes könne für die
Pflegefinanzierung gemäss Art. 25a Abs. 5 KVG gelten, welche ebenfalls
Subventionscharakter habe und nicht das Verhältnis zwischen Versicherten und
Krankenversicherung beschlage. Zudem falle die Regelung von Zuständigkeit und
Verfahren im Bereich der Restfinanzierung grundsätzlich - als selbstständiges
kantonales Recht - in die Kompetenz der Kantone. Auch aus diesem Grund könne
das ATSG keine Anwendung finden. Zuständig sei vielmehr nach Art. 43bis Abs. 1
lit. a des Gesetzes des Kantons St. Gallen vom 16. Mai 1965 über die
Verwaltungsrechtspflege (sGS 951.1) in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 lit. i
Geschäftsreglement der Regierung und der Staatskanzlei vom 7. Dezember 1951
(sGS 141.3) das kantonale Departement des Innern.

4.2 Die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt rügt, die Vorinstanz habe
zu Unrecht das ATSG für nicht anwendbar erklärt. Zum einen sehe das KVG im
Bereich der Pflegefinanzierung nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vor.
Zum anderen sei die Rechtsprechung zur Differenzzahlungspflicht der Kantone
nicht einschlägig. Das Bundesgericht habe zwar Streitigkeiten zwischen
Versicherern und Kantonen nicht unter Art. 1 Abs. 2 lit. d KVG subsumiert,
hingegen explizit offengelassen, ob im Rahmen von Art. 41 Abs. 3 KVG die
verfahrensrechtliche Ordnung des ATSG zur Anwendung gelange (BGE 130 V 215 E.
5.5 S. 224). Die Pflegefinanzierung sei weder vom ATSG ausgenommen noch lege
die Vorinstanz dar, weshalb das ATSG-Verfahren für die Beurteilung der damit
zusammenhängenden Fragen nicht geeignet sein solle, was zugleich die
Begründungspflicht verletze. Die Nichtanwendbarkeit des ATSG wäre mit vielen
Nachteilen verbunden und nicht zuletzt sei die Pflegefinanzierung häufig
verfahrensmässig mit den Ergänzungsleistungen gekoppelt, so dass ein
Verfahrenssplitting für die Durchführungsstellen wie auch für die Betroffenen
zu unhaltbaren Situationen führte. Das Gesetzgebungsverfahren lasse darauf
schliessen, dass die Anwendbarkeit des ATSG auf die Pflegefinanzierung dem
erklärten Willen des Gesetzgebers entsprochen habe. Den Kantonen komme überdies
praktisch Versicherereigenschaft zu.

5.
5.1 Das KVG regelt - entsprechend seiner Verfassungsgrundlage (Art. 117 BV) -
nicht das gesamte schweizerische Gesundheitswesen, sondern einzig die soziale
Krankenversicherung (Art. 1a Abs. 1 KVG). Zwar waren unter der bis Ende 2010
geltenden Regelung ärztlich angeordnete Pflegemassnahmen in Pflegeheimen
grundsätzlich Pflichtleistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
(Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG in der bis 31. Dezember 2010 gültig gewesenen
Fassung) und unterstanden an sich dem Tarifschutz gemäss Art. 44 KVG. Weil die
festgelegten Tarife (aArt. 9a Abs. 2 KLV; in Kraft bis 31. Dezember 2010) nicht
kostendeckend waren, wurde dieser Tarifschutz in der Praxis nicht voll
umgesetzt, was zu einer unbefriedigenden und intransparenten Situation führte,
welcher mit der Neuordnung der Pflegefinanzierung im Bundesgesetz vom 13. Juni
2008 über die Neuordnung der Pflegefinanzierung (AS 2009 3517 ff.) begegnet
wurde. Die neuen Bestimmungen sollen einerseits die bisherige sozialpolitisch
schwierige Situation vieler pflegebedürftiger Personen entschärfen, zugleich
aber eine zusätzliche Belastung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
verhindern. Deshalb wurde einerseits im Gesetz ausdrücklich festgelegt, dass
die Krankenversicherung nicht die gesamten Pflegekosten übernimmt, sondern nur
einen Beitrag daran leistet (Art. 25a Abs. 1 KVG). Anderseits begrenzte der
Gesetzgeber aus sozialpolitischen Gründen die von den Heimbewohnern zu
leistenden Pflegekosten betragsmässig (Art. 25a Abs. 5 KVG) und erleichterte
zugleich für bedürftige Heimbewohner die Bezahlung dieser Pflegekosten durch
eine Erhöhung der Ergänzungsleistungen (vgl. die Revision von Art. 10 und 11
ELG [SR 831.30] durch das Bundesgesetz über die Neuordnung der
Pflegefinanzierung). Der verbleibende Betrag, der weder von der
Krankenversicherung noch von den Bewohnern bezahlt wird, ist von der
öffentlichen Hand (Kanton oder Gemeinden) zu übernehmen, was im Gesetz nicht
klar gesagt, aber gemeint ist (Urteil 2C_864/2010 vom 24. März 2011 E. 4.2 mit
zahlreichen Hinweisen). Für die Regelung der Restfinanzierung sind die Kantone
zuständig (Art. 25a Abs. 5 2. Satz KVG).

5.2 Die Restfinanzierung der Pflegekosten betrifft somit weder den Umfang der
Grundversorgung noch die Leistungspflicht der Grundversicherung, sondern das
Ausmass einer Vergütung, die nicht von der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung zu bezahlen ist. Leistungserbringer sind - je nach
kantonaler Regelung - Kantone oder Gemeinden, also Personen öffentlichen
Rechts, die grundsätzlich nicht dem KVG unterstellt sind, zumal sie ihre
Leistungen nicht zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
abrechnen. Vor dem Hintergrund dieser Besonderheiten ist die beispielsweise im
Kanton Thurgau statuierte, vom ATSG abweichende Verfahrensregelung zu sehen,
welche das Departement für Finanzen und Soziales zur Beurteilung von Rekursen
gegen Einspracheentscheide der kantonalen Ausgleichskasse als zuständig erklärt
(§ 36 der Verordnung des Regierungsrates des Kantons Thurgau vom 20. Dezember
2011 zum Gesetz über die Krankenversicherung [RB 832.10]; ob die Kantone hiezu
kompetent sind, wird offengelassen; E. 5.3 hienach).

5.3 Die Umsetzungsbestimmungen des Kantons St. Gallen zur Restfinanzierung der
Pflegekosten enthalten weder eigene verfahrensrechtliche Regeln noch verweisen
sie auf das ATSG. Ob die den Kantonen in Art. 25a Abs. 5 KVG eingeräumte
Kompetenz mit Blick darauf, dass im Bundesgesetz über die Pflegefinanzierung
auf eine explizite Anwendbarkeitserklärung des ATSG verzichtet wurde, weil
diese selbstverständlich sei (vgl. hiezu auch die Empfehlungen zur Umsetzung
der Neuordnung der Pflegefinanzierung der Schweizerischen Konferenz der
kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren vom 22. Oktober 2009,
Vorbemerkung S. 3), sich auch auf das Verfahrensrecht erstreckt oder nur die
Finanzierungsmodalitäten im engeren Sinn umfasst, braucht hier nicht
abschliessend geprüft zu werden. Wie im Folgenden dargelegt wird, hält der
vorinstanzliche Entscheid selbst dann nicht vor Bundesrecht stand, wenn von
einer kantonalen Regelungskompetenz auszugehen wäre mit entsprechend
eingeschränkter Kognition des Bundesgerichts (E. 1.2 hievor).
5.4
5.4.1 Zunächst ergibt sich entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen die
Nichtanwendbarkeit der verfahrensrechtlichen Bestimmungen von Art. 56 ff. ATSG
im Bereich der Restfinanzierung von Pflegeleistungen nicht aus der
Rechtsprechung zur - ebenfalls von den Kantonen zu übernehmenden -
Differenzzahlungspflicht bei ausserkantonaler Spitalbehandlung gemäss Art. 41
Abs. 3 KVG. Das Bundesgericht hat in jenem Zusammenhang entschieden (BGE 130 V
215), Zuständigkeit und Verfahren zur Geltendmachung und allfälliger
gerichtlicher Durchsetzung auf kantonaler Ebene bleibe auch nach Inkrafttreten
des ATSG weiterhin grundsätzlich Sache der Kantone (BGE a.a.O., E. 6.3.2 S. 225
f.). Es erwog, die sozialversicherungsrechtliche Natur der Verpflichtung
vermöge nichts daran zu ändern, dass die Kantone keine Versicherer im Sinne des
KVG seien, so dass Streitigkeiten nach Art. 41 Abs. 3 KVG nicht unter Art. 1
Abs. 2 lit. d KVG fielen. Der Subventionscharakter der
Kostenbeteiligungspflicht als versicherungsfremdes Element lasse die Kantone
qualifiziert anders erscheinen als die Versicherer. Ob die verfahrensrechtliche
Ordnung des ATSG anwendbar ist, liess das Bundesgericht offen (BGE a.a.O., E.
5.5 S. 224). In einer weiteren Erwägung stellte es fest, bei Streitigkeiten
zwischen Krankenversicherern und Kantonen betreffend die
Differenzzahlungspflicht gemäss Art. 41 Abs. 3 KVG seien drei
Verfahrensordnungen möglich: Nebst den Verfahrensvorschriften des ATSG käme das
Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG) kraft Art. 55 Abs. 1 ATSG oder (weiterhin)
kantonales Recht in Frage.
5.4.2 Selbst wenn die den Kantonen in Art. 25a Abs. 5 KVG übertragene
Regelungskompetenz auch das Verfahrensrecht umfassen würde (vgl. E. 5.3
hievor), spricht nach dem Gesagten nichts gegen eine kantonale Norm, welche die
Anwendbarkeit der ATSG-Normen statuiert. In einigen Kantonen ist eine
entsprechende Regelung denn auch Gesetz geworden (z.B. § 17 des Gesetzes des
Kantons Luzern vom 31. September 2010 über die Finanzierung der
Pflegeleistungen der Krankenversicherung [Pflegefinanzierungsgesetz; SRL 867]
oder § 16 der Pflegefinanzierungsverordnung des Kantons Schwyz vom 3. November
2010 [SRS 361.511]; § 11 Abs. 1 der Verordnung des Kantons Aargau über die
Umsetzung des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Pflegefinanzierung vom 8.
Dezember 2010 [SAR 301.213]).

5.5 Für die Anwendbarkeit des ATSG im Rahmen von Art. 25a Abs. 5 KVG sprechen
mehrere überzeugende Gründe. Zunächst sind nach Art. 1 Abs. 1 KVG die
Bestimmungen des ATSG auf die Krankenversicherung anwendbar, soweit das KVG
nicht ausdrücklich eine Abweichung vorsieht. Unter den - allerdings nicht
abschliessenden - Ausnahmen gemäss Art. 1 Abs. 2 KVG findet sich die
Restfinanzierung der Pflegekosten nicht, zudem sieht das KVG diesbezüglich
keine Abweichungen vom ATSG vor. Sodann sind keine Argumente ersichtlich
(solche werden im angefochtenen Entscheid auch nicht angeführt), weshalb das
Verfahrensrecht des ATSG für die Beurteilung von Ansprüchen nach Art. 25a Abs.
5 KVG nicht geeignet sein soll. Mit Blick auf die enge Verbindung der Ansprüche
nach Art. 25a Abs. 5 KVG mit den Ergänzungsleistungen (EL), die sich
verfahrensrechtlich nach dem ATSG richten, erscheint die Anwendbarkeit des ATSG
vielmehr als sachgerecht: Nicht nur installierte das Bundesgesetz über die
Neuordnung der Pflegefinanzierung mit der Restfinanzierung der stationären
Langzeitpflege ein den EL vorgelagerter Kostenträger (mit entsprechender
Entlastung der Pflegebedürftigen sowie auch der EL) und erhöhte die
Vermögensfreibeträge mit entsprechender Erweiterung des Kreises der
EL-Anspruchsberechtigten. Auch und vor allem stellt sich die Frage nach der
Restfinanzierung von Pflegeleistungen häufig dann, wenn Ansprüche auf
Ergänzungsleistungen ebenfalls im Raum stehen (vgl. auch E. 5.6 hienach). Für
die (mutmasslich) Anspruchsberechtigten bedeutete es eine - vermeidbare -
verfahrensrechtliche Erschwerung, wenn die beiden Ansprüche auf zwei
unterschiedlichen Rechtswegen geltend zu machen wären.

5.6 Entscheidend ist aber der Wille des (kantonalen) Gesetzgebers. Nach dem
erklärten Willen der Regierung des Kantons St. Gallen sollte der Aufwand für
die Restfinanzierung möglichst gering gehalten werden, weshalb mit Blick
darauf, dass "sich die Zuständigkeit des Kantons und seiner Gemeinden an den EL
orientiert", eine EL-nahe Abwicklung sachgerecht scheine (Botschaft vom 22.
Oktober 2007 zum Gesetz über die Pflegefinanzierung; Amtsblatt des Kantons St.
Gallen Nr. 29 vom 19.7.2010 S. 2236). Aus diesem Grund wurde auf Gesetzesebene
auch eine Zuständigkeit der kantonalen Sozialversicherungsanstalt begründet
(Art. 10 Gesetz vom 13. Februar 2011 über die Pflegefinanzierung [sGS 331.2]).
Im Bericht und Entwurf des Departementes des Innern und des
Gesundheitsdepartementes vom 27. April 2010 zum Gesetz über die
Pflegefinanzierung führten diese zum Verfahren wörtlich aus: "Nach Art. 2 ATSG
kommen für das Verfahren grundsätzlich die Bestimmungen des ATSG zu Anwendung,
wenn und soweit es die einzelnen Sozialversicherungsgesetze des Bundes
vorsehen. Art. 1 Abs. 1 KVG erklärt die Bestimmungen des ATSG auf die
Krankenversicherung als anwendbar, soweit das KVG nicht ausdrücklich eine
Abweichung vorsieht. In Bezug auf die Neuregelung der Finanzierung nach Art.
25a nKVG sieht das KVG weder eine Abweichung vor, noch sind Bereiche als Ganzes
ausdrücklich vom Geltungsbereich des ATSG ausgenommen. Damit sind auch die
entsprechenden kantonalen Ausführungsbestimmungen grundsätzlich dem ATSG
unterstellt. Unter diesen Umständen kann auf eine weitere Regelung im
kantonalen Erlass verzichtet werden. Hingegen ist im neuen Gesetz aus Gründen
der Transparenz die Regelung aufzunehmen, dass sich das Verfahren nach dem ATSG
richtet, soweit der Erlass selbst keine Bestimmungen enthält." Ein
"kostengünstiger, transparenter und einfacher Ablauf" namentlich unter Nutzung
von Synergien mit den Ergänzungsleistungen entsprach nicht zuletzt mit Blick
darauf, dass von den - damals - rund 6'000 im Kanton St. Gallen von der neuen
Pflegefinanzierung betroffenen Personen rund 3'000 EL-Bezüger waren, auch den
Intentionen der vorberatenden Kommission (Protokoll der Sitzung der
vorberatenden Kommission vom 23. August 2010 S. 4 f.). Dass im Folgenden eine
explizite Anwendbarkeit des ATSG nicht Eingang in das kantonale Recht fand -
und verfahrensrechtlich überhaupt keine Regelung erlassen wurde -, ist vor dem
Hintergrund zu sehen, dass der kantonale Gesetzgeber - in Übereinstimmung mit
entsprechenden Informationen des Bundesamtes für Gesundheit - davon ausging,
mit Blick auf die selbstverständliche Anwendbarkeit des ATSG bestehe kein
kantonaler Regelungsbedarf (in diesem Sinne auch die letztinstanzlich
aufgelegte Auskunft der Staatskanzlei St. Gallen vom 7. Juni 2010). Der
angefochtene Entscheid widerspricht diesem gesetzgeberischen Willen, weshalb er
unabhängig davon nicht geschützt werden kann, ob eine kantonale Kompetenz zur
Verfahrensregelung im Bereich der Restfinanzierung von Pflegeleistungen
besteht. Damit ist die Zuständigkeit des Versicherungsgerichts des Kantons St.
Gallen zu bejahen und die Sache an dieses zum materiellen Entscheid
zurückzuweisen.

6.
Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird umständehalber verzichtet (Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 19. Januar 2012 aufgehoben und die Sache wird an das
kantonale Gericht zurückgewiesen, damit es im Sinne der Erwägungen verfahre.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, dem Departement des Innern des Kantons St. Gallen und dem Kanton Wallis
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. September 2012
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle