Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 179/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_179/2012

Urteil vom 7. Mai 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dieter Kehl,
Beschwerdeführer,

gegen

Migros-Pensionskasse, vertreten durch
Rechtsanwältin Dr. Isabelle Vetter-Schreiber,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 10. Januar 2012.

Sachverhalt:

A.
Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen sprach dem 1954 geborenen A.________ mit
Wirkung ab 1. November 2000 eine halbe und ab 1. Januar 2004 eine
Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung zu, was vom Eidg.
Versicherungsgericht mit Urteil I 478/06 vom 24. August 2006 bestätigt wurde.
Dabei berücksichtigte sie zunächst einen Invaliditätsgrad von 55 resp. 52 % und
- wegen einer am 6. Februar 2003 eingetretenen Verschlechterung des
Gesundheitszustandes infolge eines gleichentags erlittenen Auffahrunfalls - ab
1. Mai 2003 einen solchen von 65 %.

Die Migros-Pensionskasse, bei welcher A.________ aufgrund eines bis zum 31.
Januar 2001 dauernden Arbeitsverhältnisses für die berufliche Vorsorge
versichert war, richtete ihm ab 1. November 2001 eine Invalidenrente auf der
Basis eines Invaliditätsgrades von 55 % aus. Hingegen lehnte sie es ab, die
Rente entsprechend der Bemessung der Invalidenversicherung auf 65 % zu erhöhen.

B.
Die Klage des A.________, mit der er die rückwirkende Ausrichtung der
Invalidenrente (nebst Kinderrente) ab 1. Mai 2003 für eine mindestens 65 %-ige
Invalidität beantragte, wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
mit Entscheid vom 10. Januar 2012 ab.

C.
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die
Aufhebung des Entscheids vom 10. Januar 2012 beantragen und das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
2.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass der (durch die Organe der
Invalidenversicherung festgestellte) Invaliditätsgrad nach Beendigung des
Vorsorgeverhältnisses von 55 resp. 52 % auf 65 % anstieg. Streitig und zu
prüfen ist, ob die Pensionskasse für diese Verschlimmerung der Invalidität
grundsätzlich leistungspflichtig ist.

2.2 Anspruch auf Invalidenleistungen haben gemäss Art. 23 BVG (in der bis Ende
Dezember 2004 gültig gewesenen und hier anwendbaren Fassung) Personen, die im
Sinne der Invalidenversicherung zu mindestens 50 % invalid sind und bei
Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat,
versichert waren. Nach Art. 23 BVG massgebend ist einzig der Eintritt der
relevanten Arbeitsunfähigkeit, unabhängig davon, in welchem Zeitpunkt und in
welchem Masse daraus ein Anspruch auf Invalidenleistungen entsteht. Die
Versicherteneigenschaft muss nur bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gegeben
sein, dagegen nicht notwendigerweise auch im Zeitpunkt des Eintritts oder der
Verschlimmerung der Invalidität. Diese wörtliche Auslegung steht in Einklang
mit Sinn und Zweck der Bestimmung, nämlich denjenigen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern Versicherungsschutz angedeihen zu lassen, welche nach einer
längeren Krankheit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und erst später
invalid werden. Für eine einmal aus - während der Versicherungsdauer
aufgetretene - Arbeitsunfähigkeit geschuldete Invalidenleistung bleibt die
Vorsorgeeinrichtung somit leistungspflichtig, selbst wenn sich nach Beendigung
des Vorsorgeverhältnisses der Invaliditätsgrad ändert. Entsprechend bildet denn
auch der Wegfall der Versicherteneigenschaft keinen Erlöschungsgrund (Art. 26
Abs. 3 BVG e contrario; BGE 123 V 262 E. 1a S. 263 f.; 118 V 35 E. 5 S. 45).

2.3 Die Leistungspflicht einer Vorsorgeeinrichtung für eine erst nach
Beendigung des Vorsorgeverhältnisses eingetretene oder verschlimmerte
Invalidität setzt einen engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen
relevanter Arbeitsunfähigkeit und nachfolgender Invalidität resp. deren
Erhöhung voraus (BGE 134 V 20 E. 3.2 S. 22; 123 V 262 E. 1c S. 264 f.).

3.
3.1 Das kantonale Gericht hat die zeitliche Konnexität zwischen der
Arbeitsunfähigkeit und der Invalidität mangels (vorübergehender) Verbesserung
der Arbeitsfähigkeit ohne weiteres bejaht. Was den sachlichen Zusammenhang
anbelangt, hat es festgestellt, der Versicherte habe am 6. August und 13.
November 1999 sowie am 6. Februar 2003 drei gleichgeartete
Heckauffahrkollisionen erlitten, in deren Folge sich im Wesentlichen gleiche
Gesundheitsschäden manifestiert hätten. Die zeitliche Komponente der durch die
MEDAS ab 6. Februar 2003 in höherem Umfang attestierten Arbeitsunfähigkeit
(Gutachten vom 19. Februar 2004) und der Umstand, dass der Beschwerdeführer
selber gegenüber Ärzten die Verschlechterung seines Zustandes dem letzten
Unfall zuordnete, spräche für deren vollständige Verursachung durch dieses
Ereignis. Die Frage, ob dies zutreffe, oder ob die Erhöhung der Invalidität
durch die früheren Unfälle (mit)verursacht worden sei, lasse sich nicht mit dem
erforderlichen Beweisgrad beantworten. Unter Hinweis auf die objektive
Beweislast hat es die Vorinstanz nicht für überwiegend wahrscheinlich gehalten,
dass die Steigerung der Invalidität sachlich mit jenem Gesundheitsschaden
zusammenhängt, der während bestehender Versicherungsdeckung zu einer
Arbeitsunfähigkeit und einem Teilrentenanspruch geführt hatte. Folglich hat sie
eine erhöhte Leistungspflicht der Pensionskasse verneint.

3.2 Dass die vorinstanzlichen Feststellungen betreffend die sachliche
Konnexität offensichtlich unrichtig sein oder auf einer Rechtsverletzung
beruhen sollen, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht. Sie
sind daher für das Bundesgericht verbindlich (E. 1). Der Beschwerdeführer
bringt lediglich vor, die Vorinstanz verkenne den Rechtsbegriff der natürlichen
Kausalität. Ein vorbestehender Zustand sei begriffswesentlich notwendige
(Teil-)Ursache der Verschlimmerung der gesundheitlichen Situation. Es sei daher
überwiegend wahrscheinlich, dass sie nicht ausschliesslich durch den Unfall vom
6. Februar 2003 bewirkt worden sei, weshalb die Pensionskasse dafür
leistungspflichtig sei.

Dem kann nicht gefolgt werden: Zwar mag der frühere, mit einer geringeren
Einschränkung verbundene Zustand conditio sine qua non für die nach dem Unfall
vom 6. Februar 2003 gesamthaft resultierenden Verhältnisse sein; hier geht es
aber - wie das kantonale Gericht zutreffend erkannte - um die Frage nach dem
Bezug zwischen der relevanten Arbeitsunfähigkeit und der Erhöhung der
Invalidität. Die Annahme, dass diese ausschliesslich durch das letzte
Unfallereignis verursacht wurde, ist - selbst wenn der Gesundheitsschaden im
Wesentlichen unveränderter Art ist - nach verbindlicher (E. 1) vorinstanzlicher
Feststellung ebenso wahrscheinlich wie andere Möglichkeiten. Mit der vom
Beschwerdeführer vertretenen Logik wäre denn auch ein sachlicher Zusammenhang
immer zu bejahen, wenn es um die Verschlimmerung der Invalidität geht, selbst
wenn eine solche klar auf einem nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses
eingetretenen Ereignis beruht; d.h. die einmal leistungspflichtige
Pensionskasse hätte - vorbehältlich des zeitlichen Zusammenhangs - für jede
Verschlechterung aufzukommen. Damit würde aber verunmöglicht, die
Leistungspflicht einer oder mehrerer Vorsorgeeinrichtungen sachgerecht
abzugrenzen (vgl. BGE 130 V 270 E. 4.1 S. 275). Von einer rechtsfehlerhaften
Auffassung des Kausalitätsbegriffs kann nach dem Gesagten nicht die Rede sein;
die Beschwerde ist unbegründet.

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. Mai 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Die Gerichtsschreiberin: Dormann