Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 169/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_169/2012

Urteil vom 4. Februar 2013
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Traub.

Verfahrensbeteiligte
B.________, geboren 1995,
handelnd durch ihre Mutter,
und diese vertreten durch lic. iur. S.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Stiftung Auffangeinrichtung BVG,
Direktion, Birmensdorferstrasse 83, 8032 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 12. Januar 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a R.________ war von Dezember 1998 bis Juli 2002 bei der Firma M.________
GmbH tätig und in dieser Eigenschaft bei der Bâloise-Sammelstiftung für die
obligatorische berufliche Vorsorge versichert. Auf den 1. August 2002 trat
R.________ in die U.________ AG ein; hierdurch war er bei der Pensionskasse
comPlan versichert. Am 10. April 2003 überwies die Bâloise-Sammelstiftung das
aufgelaufene Freizügigkeitsguthaben über Fr. 147'826.10 an die Stiftung
Auffangeinrichtung BVG. R.________ verstarb am 30. November 2006; er
hinterliess seine Tochter B.________ (geb. 1995) als Alleinerbin. Die
Pensionskasse comPlan teilte am 8. Januar 2007 mit, B.________ habe Anspruch
auf eine monatliche Waisenrente von Fr. 1'060.10 sowie auf ein einmaliges
Todesfallkapital in Höhe von Fr. 127'209.-.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2007 forderte die Pensionskasse comPlan die Stiftung
Auffangeinrichtung BVG auf, ihr die bei Eintritt des R.________ in die
U.________ AG nicht eingebrachte Freizügigkeitsleistung zu überweisen. Am 5.
Mai 2007 ersuchte die Mutter von B.________ als gesetzliche Vertreterin die
Stiftung Auffangeinrichtung BVG um Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens an
sie. Die Auszahlung erfolgte an die Pensionskasse comPlan.
A.b B.________ erhob beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich gegen
die Stiftung Auffangeinrichtung BVG Klage auf Zahlung des Betrages von Fr.
155'765.05, zuzüglich Zinsen von 5 Prozent seit dem 14. Mai 2007. Das kantonale
Gericht trat mit der Begründung, es sei örtlich unzuständig, auf die Klage
nicht ein; die Akten würden nach Eintritt der Rechtskraft an das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern zur Beurteilung der Klage überwiesen
(Beschluss vom 16. Oktober 2010).
A.c Das Bundesgericht hiess die gegen den Zuständigkeitsentscheid erhobene
Beschwerde gut und wies die Sache zur materiellen Beurteilung an das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurück (Urteil 9C_1016/2010 vom
30. Mai 2011).

B.
Mit Entscheid vom 12. Januar 2012 wies das Sozialversicherungsgericht die Klage
ab.

C.
B.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Stiftung
Auffangeinrichtung BVG zu verpflichten, ihr Fr. 155'765.05, zuzüglich Zinsen
von 5 Prozent seit dem 14. Mai 2007, zu bezahlen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdeführerin ersuchte die Stiftung Auffangeinrichtung BVG, ihr das
Freizügigkeitsguthaben auszubezahlen; die Auffangeinrichtung überwies den
fraglichen Betrag indes an die Pensionskasse comPlan. Die Beschwerdeführerin
macht geltend, die Auffangeinrichtung habe sich damit nicht rechtsgültig von
ihrer Schuld ihr gegenüber als Begünstigter befreit.

2.
2.1 Treten Versicherte in eine neue Vorsorgeeinrichtung ein, so muss die
frühere Vorsorgeeinrichtung die Austrittsleistung zur Erhaltung des
Vorsorgeschutzes an die neue Vorsorgeeinrichtung überweisen (vgl. Art. 3 Abs. 1
FZG). Nach Art. 4 Abs. 2bis zweiter Satz FZG melden die Versicherten der
Freizügigkeitseinrichtung ihren Eintritt in die neue Vorsorgeeinrichtung (lit.
a) sowie der neuen Vorsorgeeinrichtung die bisherige Freizügigkeitseinrichtung
sowie die Form des Vorsorgeschutzes (lit. b). Weiter haben die Versicherten der
Vorsorgeeinrichtung Einsicht in die Abrechnungen über die Austrittsleistung aus
dem früheren Vorsorgeverhältnis zu gewähren (Art. 11 Abs. 1 FZG). Die
Vorsorgeeinrichtung kann die Austrittsleistung aus dem früheren
Vorsorgeverhältnis sowie das Vorsorgekapital aus einer Form der
Vorsorgeschutzerhaltung für Rechnung der Versicherten einfordern (Art. 11 Abs.
2 FZG).
Wie das kantonale Gericht zutreffend festgehalten hat, bleibt nach BGE 129 V
440 der Grundsatz der obligatorischen Übertragung der Austrittsleistung an die
neue Vorsorgeeinrichtung auch dann vollumfänglich bestehen, wenn in der
Zwischenzeit ein Vorsorgefall eingetreten und der Versicherte seiner
Meldepflicht nicht nachgekommen ist. Diese Rechtsprechung ist mit Blick auf die
seit dem 1. Januar 2001 geltende Fassung von Art. 4 Abs. 2bis und Art. 11 Abs.
2 FZG auch mit Bezug auf Leistungen von Freizügigkeitseinrichtungen massgebend
(SVR 2009 BVG Nr. 1 S. 1, 9C_790/2007 vom 5. Juni 2008 E. 5 mit Hinweisen).

2.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, nach Art. 15 Abs. 1 lit. b FZV sei
sie hinsichtlich des bei der Beschwerdegegnerin liegenden
Freizügigkeitsguthabens Begünstigte gewesen. Der Wortlaut dieser Bestimmung
zeigt indes, dass die angerufene Berechtigung im Rahmen der "Erhaltung des
Vorsorgeschutzes" zu sehen ist. Die Beschwerdeführerin kann keinen davon
losgelösten Anspruch auf das fragliche Guthaben geltend machen. Vielmehr
korreliert dieses nach der in E. 2.1 hiervor dargestellten Ordnung mit ihrer
gesetzlichen und reglementarischen Anspruchsberechtigung als Waise gegenüber
der Pensionskasse comPlan. Die Auffangeinrichtung durfte das Guthaben somit nur
der leistungspflichtigen Pensionskasse überweisen; sie hatte von vornherein
nicht die Möglichkeit, dem anderslautenden Auszahlungsbegehren der gesetzlichen
Vertreterin der Beschwerdeführerin nachzukommen.
Aus der Vorgabe des Art. 4 Abs. 2bis FZG, wonach die Versicherten beim Eintritt
in eine neue Vorsorgeeinrichtung dieser sowie der Freizügigkeitseinrichtung
jeweils Meldung erstatten, lässt sich nicht ableiten, das Gesetz sehe keine
Übertragung von Vermögenswerten ohne Mitwirkung der versicherten Person vor,
die Beschwerdegegnerin hätte daher, unter Vorbehalt gerichtlicher Anordnung,
das Freizügigkeitsguthaben (nach dem Tod des Versicherten) nur mit Einwilligung
der Beschwerdeführerin übertragen dürfen. Die (neue) Vorsorgeeinrichtung kann
das Vorsorgekapital ihrerseits für Rechnung der versicherten Person einfordern
(Art. 11 Abs. 2 FZG). Unterlässt sie es, von Amtes wegen Nachforschungen über
Austrittsleistungen aus früheren Vorsorgeverhältnissen anzustellen und
entsprechende Guthaben einzufordern, so schränkt dies die (hier sinngemässe)
Tragweite von Art. 3 Abs. 1 FZG nicht ein (vgl. BGE 129 V 440). Diese
Bestimmung schliesst Eigenmächtigkeit der Beschwerdegegnerin aus. Entgegen den
Ausführungen in der Beschwerdeschrift ändert auch der Eintritt des
Vorsorgefalls (Tod des Vorsorgenehmers), wie erwähnt, nichts an der - im
Zeitpunkt der Überweisung andauernden - Notwendigkeit, den gesetzmässigen
Zustand wieder herzustellen. Eine andere Betrachtungsweise führte dazu, dass
begünstigte Personen der beruflichen Vorsorge gewidmetes Vermögen in solchen
Fällen dem gesetzlichen Obligatorium entziehen könnten. Was schliesslich die
letztinstanzlich erneuerte Rüge eines Verstosses gegen Datenschutzrecht (durch
Austausch von Daten unter den beteiligten Vorsorgeträgern) anbelangt, so kann
auf die Erwägung 3.2.4 des angefochtenen Entscheids verwiesen werden.

2.3 Nach dem Gesagten hat sich die Stiftung Auffangeinrichtung BVG mit der
Überweisung des Freizügigkeitsguthabens an die Pensionskasse comPlan von ihrer
Verbindlichkeit gegenüber der Beschwerdeführerin (vgl. Art. 11 Abs. 2 FZG)
gültig befreit.
Nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist im Übrigen das Verhältnis zwischen dem
auf die Pensionskasse comPlan übertragenen Freizügigkeitsguthaben und den von
dieser an die Beschwerdeführerin ausgerichteten Hinterlassenenleistungen.

3.
Angesichts des Verfahrensausgangs trägt die Beschwerdeführerin die Kosten des
Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 4. Februar 2013
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Der Gerichtsschreiber: Traub