Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 153/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_153/2012

Urteil vom 15. Oktober 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

C.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Daniel Speck,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 19. Januar 2012.

Sachverhalt:

A.
Der 1963 geborene C.________, zuletzt vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006
als Schweisser bei der Firma L.________ AG angestellt, meldete sich am 30. März
2007 unter Hinweis auf Beschwerden an der Halswirbelsäule und Schulter bei der
IV-Stelle des Kantons St. Gallen zum Bezug einer Invalidenrente an. Gestützt
auf Abklärungen in erwerblicher und medizinischer Hinsicht, worunter eine
Begutachtung des Versicherten in der Klinik X.________ (Expertise vom 8. Mai
2009), ermittelte die IV-Stelle einen Invaliditätsgrad von 32 %.
Dementsprechend lehnte sie das Rentengesuch am 13. Januar 2010 verfügungsweise
ab.

B.
C.________ liess Beschwerde führen mit den Anträgen, unter Aufhebung der
Verfügung der IV-Stelle sei ihm ab 1. April 2008 mindestens eine halbe
Invalidenrente zuzusprechen; eventuell sei die Sache zu neuer Beurteilung an
die Verwaltung zurückzuweisen. Mit Entscheid vom 19. Januar 2012 hiess das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die Beschwerde in dem Sinne gut,
dass es die Verfügung vom 13. Januar 2010 aufhob und die Sache zu ergänzenden
Abklärungen im Sinne der Erwägungen und neuer Verfügung an die IV-Stelle
zurückwies.

C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben, soweit
festgestellt wird, dass das Invalideneinkommen unter Berücksichtigung einer
Leistungsfähigkeit von 70 % und eines Abzuges von 15 % festzusetzen sei.
Das kantonale Gericht äussert sich in ablehnendem Sinne zur Beschwerde.
C.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen und um die Bewilligung
der unentgeltlichen Rechtspflege ersuchen, während das Bundesamt für
Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen kantonalen
Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG; macht ein solcher der
IV-Stelle materielle Vorgaben, an welche diese gebunden ist, und verpflichtet
er sie zum Erlass einer ihres Erachtens rechtswidrigen Verfügung, hat er für
die Verwaltung einen nicht wieder gutzu-machenden Nachteil im Sinne von Art. 93
Abs. 1 lit. a BGG zur Folge. Die Verwaltung ist diesfalls befugt, den
Zwischenentscheid anzufechten (BGE 133 V 477 E. 5.2, 5. 2. 1 - 5. 2. 4).

Im vorliegenden Fall verpflichtet das Versicherungsgericht die IV-Stelle durch
das auf die Erwägungen verweisende Dispositiv seines Entscheides dazu, der zu
erlassenden neuen Verfügung einen Arbeitsunfähigkeitsgrad von 30 % sowie einen
leidensbedingten Abzug vom hypothetischen Invalideneinkommen von 15 % zugrunde
zu legen. Diese Vorgaben rügt die IV-Stelle, wozu sie rechtsprechungsgemäss
befugt ist, obwohl der kantonale Gerichtsentscheid einen Zwischenentscheid
darstellt.

3.
3.1 Die Vorinstanz ging gestützt auf das Teilgutachten des Psychiatrischen
Dienstes und die Stellungnahme des regionalen ärztlichen Dienstes (RAD) davon
aus, dass der Beschwerdegegner in einer angepassten Tätigkeit zu rund 70 %
arbeitsfähig sei. Im Rahmen des Einkommensvergleichs hielt sie sodann fest,
dass von dem als Invalideneinkommen herangezogenen Tabellenlohn ein Abzug von
15 % vorzunehmen sei.

3.2 Demgegenüber vertritt die IV-Stelle die Auffassung, aus somatischer Sicht
sei von voller Arbeitsfähigkeit in leidensangepassten Tätigkeiten auszugehen.
Sodann bestehe kein Anlass, den Tabellenlohn um 15 % zu kürzen, da die nach der
Rechtsprechung eine Reduktion des Tabellenlohnes begründenden Kriterien nicht
erfüllt seien.

4.
4.1 Der Beschwerdeführerin ist beizupflichten, dass die Vorinstanz in Bezug auf
den Grad der Arbeitsunfähigkeit aus somatischen Gründen keine für das
Bundesgericht verbindlichen Feststellungen (E. 1 hievor) getroffen hat, sodass
das Bundesgericht den unvollständig festgestellten Sachverhalt in diesem Punkt
ergänzt (Art. 105 Abs. 2 BGG). Laut Gutachten vom 8. Mai 2009 lässt sich eine
quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit infolge eines körperlichen
Leidens in der Tat nicht begründen. Die bei der klinischen Untersuchung und
anhand der konventionellen Röntgenaufnahmen objektivierbaren Befunde waren
grösstenteils unauffällig und wenig ausgeprägt. Weder sind schwere degenerative
Änderungen ausgewiesen noch liegen Instabilitäten oder eine ausgeprägte
Fehlstatik vor. Aus psychiatrischer Sicht wurden im Teilgutachten vom 23.
Februar 2009 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine
Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, wobei die
Belastungsfaktoren anhaltend sind, mittlerer Schweregrad, diagnostiziert.
Obwohl die seitens der Gutachter attestierte Teilarbeitsunfähigkeit von 30 % im
Wesentlichen der diagnostizierten somatoformen Schmerzstörung zuzuschreiben
ist, hat das kantonale Gericht die entsprechende Rechtsprechung gemäss BGE 130
V 352, wonach eine diagnostizierte anhaltende somatoforme Schmerzstörung allein
in der Regel keine lang dauernde, zu einer Invalidität führende Einschränkung
der Arbeitsfähigkeit zu bewirken vermag, nicht korrekt angewendet. Ebenso wenig
hat es die im erwähnten Urteil umschriebenen Voraussetzungen, unter welchen ein
Abweichen von diesem Grundsatz ausnahmsweise in Betracht fällt, richtig auf den
vorliegenden Fall umgesetzt.

4.2 Das Vorliegen eines fachärztlich ausgewiesenen psychischen Leidens mit
Krankheitswert - worunter anhaltende somatoforme Schmerzstörungen grundsätzlich
fallen - ist aus rechtlicher Sicht wohl Voraussetzung, nicht aber hinreichende
Basis für die Annahme einer invalidisierenden Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit (Urteil S. vom 17. Februar 2003 [I 667/01] Erw. 3; Ulrich
Meyer-Blaser, Der Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit und seine Bedeutung in
der Sozialversicherung, namentlich für den Einkommensvergleich in der
Invaliditätsbemessung, in: RENÉ SCHAFFHAUSER /FRANZ SCHLAURI (Hrsg.), Schmerz
und Arbeitsunfähigkeit, St. Gallen 2003, S. 64 f. mit Anm. 93). Namentlich
vermag nach der Rechtsprechung eine diagnostizierte anhaltende somatoforme
Schmerzstörung als solche in der Regel keine langdauernde, zu einer Invalidität
führende Einschränkung der Arbeitsfähigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG zu
bewirken (hierzu eingehend Meyer-Blaser, a.a.O., S. 76 ff., insb. S. 81 f.).
Ein Abweichen von diesem Grundsatz fällt nur in jenen Fällen in Betracht, in
denen die festgestellte somatoforme Schmerzstörung nach Einschätzung des Arztes
eine derartige Schwere aufweist, dass der versicherten Person die Verwertung
ihrer verbleibenden Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt bei objektiver
Betrachtung - und unter Ausschluss von Einschränkungen der Leistungsfähigkeit,
die auf aggravatorisches Verhalten zurückzuführen sind (vgl. AHI 2002 S. 150
Erw. 2b; Urteile A. vom 24. Mai 2002 [I 518/01] Erw. 3b/bb und R. vom 2.
Dezember 2002 [I 53/02] Erw. 2.2; siehe auch Meyer-Blaser, a.a.O., S. 83, 87
f.), - sozial-praktisch nicht mehr zumutbar oder dies für die Gesellschaft gar
untragbar ist (BGE 102 V 165; AHI 2001 S. 228 Erw. 2b mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 127 V 298 Erw. 4c in fine; hinsichtlich somatoformer Störungen siehe insb.
Urteile R. vom 2. Dezember 2002 [I 53/02] Erw. 2.2, Y. vom 5. Juni 2001 [I 266/
00] Erw. 1c, S. vom 2. März 2001 [I 650/99] Erw. 2c, B. vom 8. Februar 2001 [I
529/00] Erw. 3c und A. vom 19. Oktober 2000 [I 410/00] Erw. 2b).

Die - nur in Ausnahmefällen anzunehmende - Unzumutbarkeit einer willentlichen
Schmerzüberwindung und eines Wiedereinstiegs in den Arbeitsprozess setzt
jedenfalls das Vorliegen einer mitwirkenden, psychisch ausgewiesenen
Komorbidität von erheblicher Schwere, Intensität, Ausprägung und Dauer oder
aber das Vorhandensein anderer qualifizierter, mit gewisser Intensität und
Konstanz erfüllter Kriterien voraus. So sprechen unter Umständen (1) chronische
körperliche Begleiterkrankungen und mehrjähriger Krankheitsverlauf bei
unveränderter oder progredienter Symptomatik ohne längerfristige Remission, (2)
ein ausgewiesener sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens, (3) ein
verfestigter, therapeutisch nicht mehr angehbarer innerseelischer Verlauf einer
an sich missglückten, psychisch aber entlastenden Konfliktbewältigung (primärer
Krankheitsgewinn ["Flucht in die Krankheit"]; vgl. zum sekundären
Krankheitsgewinn hinten Erw. 3.3.2) oder schliesslich (4) unbefriedigende
Behandlungsergebnisse trotz konsequent durchgeführter ambulanter und/oder
stationärer Behandlungsbemühungen (auch mit unterschiedlichem therapeutischem
Ansatz) und gescheiterte Rehabilitationsmassnahmen bei vorhandener Motivation
und Eigenanstrengung der versicherten Person für die ausnahmsweise
Unüberwindlichkeit der somatoformen Schmerzstörung (BGE 130 V 352 E. 2.2.3 S.
353 ff.).

Ob eine festgestellte psychische Komorbidität hinreichend erheblich ist und ob
einzelne oder mehrere der festgestellten weiteren Kriterien in genügender
Intensität und Konstanz vorliegen, um gesamthaft den Schluss auf eine nicht mit
zumutbarer Willensanstrengung überwindbare Schmerzstörung und somit auf eine
invalidisierende Gesundheitsschädigung zu gestatten, ist als Rechtsfrage frei
überprüfbar (BGE 137 V 64 E. 1.2 S. 65 f.).

4.3 Die IV-Stelle macht gestützt auf die vorstehend (E. 4.2 hievor)
wiedergegebenen Beurteilungskriterien geltend, bei der diagnostizierten
Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion handle es sich nicht um
eine psychische Komorbidität von erheblicher Schwere, Ausprägung und Dauer.
Dieser Auffassung ist beizupflichten.
Es liegt in der Tat keine hinreichend ausgeprägte Psychopathologie vor, ist
doch die Anpassungsstörung im Grenzbereich dessen zu situieren, was überhaupt
noch als krankheitswertig im Sinne des Gesetzes und potenziell
invalidisierendes Leiden gelten kann (Urteil 9C_636/2007 vom 28. Juli 2008, E.
3.2.2). Die übrigen rechtsprechungsgemäss massgeblichen Kriterien sind sodann
weder gehäuft noch ausgeprägt erfüllt, sodass nicht auf einen invalidisierenden
psychischen Gesundheitsschaden geschlossen werden kann. Insbesondere beschlägt
der soziale Rückzug nicht sämtliche Lebensbereiche, verfügt der
Beschwerdegegner doch über intakte Beziehungen zu Ehefrau und Kindern wie auch
weiteren Personen. Der Schmerzproblematik liegt zwar ein mehrjähriger
chronifizierter Krankheitsverlauf mit weitgehend unveränderter Symptomatik
zugrunde; dieser Verlauf ist indessen diagnosespezifisch und daher nicht
ausschlaggebend (Urteil 8C_195/2008 vom 16. Dezember 2008, E. 7.3).
Schliesslich sind die therapeutischen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft: Das
Kriterium des Scheiterns einer konsequent durchgeführten Behandlung ist
demzufolge ebenfalls nicht erfüllt. Entsprechend den Vorbringen der
Beschwerdeführerin ist somit in einer leidensangepassten Erwerbstätigkeit auch
mit Rücksicht auf den psychischen Gesundheitszustand von voller
Arbeitsfähigkeit auszugehen.

5.
Weiter und als Rechtsfrage ebenfalls frei zu prüfen ist (BGE 132 V 393 E. 3.3
S. 399), ob vom Tabellenlohn, der als Invalideneinkommen heranzuziehen ist,
gemäss BGE 126 V 75 E. 5b ein leidensbedingter Abzug vorzunehmen ist.

5.1 Nach Auffassung der Vorinstanz ist eine Kürzung des Tabellenlohnes um 15 %
angemessen. Zur Begründung führte sie aus, dem Versicherten seien nur noch
angepasste Tätigkeiten zu 70 % zumutbar. Er sei damit gegenüber einem gesunden
Konkurrenten aus ökonomischer Sicht benachteiligt (Risiko von
Krankheitsabwesenheiten, mangelnde Flexibilität). Er werde deshalb nur einen
unterdurchschnittlichen Lohn verdienen. Rechnung zu tragen sei ferner dem
Umstand, dass teilzeitbeschäftigte Männer im Vergleich zu Vollzeitangestellten
erfahrungsgemäss überproportional tiefer entlöhnt werden.

5.2 Diesen Erwägungen kann nicht gefolgt werden. Wie dargelegt wurde (E. 4.1
hievor), ist der Beschwerdegegner in einer leidensangepassten Erwerbstätigkeit
voll arbeitsfähig. Ein Abzug vom Tabellenlohn zu Folge Teilzeittätigkeit fällt
aus diesem Grund ausser Betracht. Der Einwand des kantonalen Gerichts in der
Vernehmlassung, bei ganztägiger Präsenz und reduzierter Leistungsfähigkeit -
also beispielsweise bei Anwesenheit der versicherten Person während 8,5
Arbeitsstunden mit einer Einsatzfähigkeit von 70 % - sei in jedem Fall ein
Abzug vorzunehmen, braucht nicht auf seine Stichhaltigkeit überprüft zu werden.
Denn der Beschwerdegegner ist zumutbarerweise in der Lage, eine angepasste
Arbeit vollschichtig zu verrichten. Aus dem nämlichen Grund entfällt die
Prüfung der vorinstanzlichen Erwägung, das Bundesgericht habe zu dieser Frage
widersprüchliche Urteile erlassen. Somit erübrigt es sich, dazu Stellung zu
nehmen, ob bei im selben Ausmass reduzierter Leistungsfähigkeit ganztägig und
teilzeitlich im Betrieb anwesende Versicherte ohne überzeugende Begründung
rechtsungleich behandelt werden.

6.
Zu prüfen bleibt der Anspruch des Versicherten auf unentgeltliche Rechtspflege,
welcher voraussetzt, dass der Gesuchsteller bedürftig und die Vertretung durch
einen Anwalt notwendig ist (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG).

6.1 Eine Person ist bedürftig, wenn sie nicht in der Lage ist, für die
Prozesskosten aufzukommen, ohne dass sie Mittel beanspruchen müsste, die zur
Deckung des Grundbedarfs für sie und ihre Familie notwendig sind (BGE 128 I 225
E. 2.5.1 S. 232). Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der
gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der
Einreichung des Gesuchs. Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen
Verpflichtungen, andererseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (BGE
120 Ia 179 E. 3a S. 181). Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit ist das
Einkommen bei-der Ehegatten zu berücksichtigen (BGE 115 Ia 193 E. 3a S. 195;
Urteil 8C_530/2008 vom 25. September 2008).

6.2 Der Beschwerdegegner hat den ihm zugestellten Erhebungsbogen für die
unentgeltliche Rechtspflege nicht ausgefüllt. Es ist daher aufgrund der Akten
zu entscheiden. Einnahmenseitig ist zu berücksichtigen, dass die Ehegattin des
Versicherten Arbeitslosenentschädigung bezieht. Seit Februar 2012 erzielt sie
zudem einen Zwischenverdienst, der sich im März auf Fr. 3'350.- brutto belief.
Der Steuererklärung 2011 ist sodann zu entnehmen, dass sie als Hauswartin im
Nebenamt im Jahre 2011 ein Einkommen von Fr. 6'960.- verdient hat, entsprechend
Fr. 580.- im Monat. Gesamthaft ist von einem monatlichen Nettoeinkommen der
Ehefrau des Versicherten von rund Fr. 4'600.- auszugehen
(Arbeitslosenentschädigung zuzüglich Zwischenverdienst rund Fr. 4'000.-,
Entschädigung für Hauswartarbeit Fr. 580.-). In Betracht zu ziehen gilt es
ferner, dass die im Haushalt der Eltern lebende Tochter einen Lehrlingslohn von
netto Fr. 1'353.- im Monat verdient. Von diesem ist praxisgemäss ein Beitrag
von einem Drittel an die Wohnkosten in die Berechnung einzusetzen (SVR 2009 UV
Nr. 12 S. 49, 8C_530/2008), entsprechend einem Betrag von Fr. 450.-.
Schliesslich lebt gemäss Angaben in der Vernehmlassung auch der Sohn des
Ehepaares, E.________, mindestens zeitweise im elterlichen Haushalt. Von seinem
Lohn von netto Fr. 3'859.- ist daher ebenfalls ein Teil für die Wohnkosten
anzurechnen. Im Hinblick darauf, dass E.________ nur etwa während der Hälfte
der Zeit in der elterlichen Wohnung lebt und in der übrigen Zeit bei seiner
Freundin wohnt, erscheint es angemessen, 15 % seines Lohnes (Fr. 580.-) bei den
Einnahmen des Beschwerdegegners anzurechnen. Somit resultieren insgesamt
monatliche Einkünfte in der Höhe von Fr. 5'630.-. Über die Höhe der Ausgaben
finden sich in den Akten keine vollständigen Angaben. Die Miete beläuft sich
auf Fr. 1'200.- monatlich. Das monatliche Einkommen von Fr. 5'630.- dürfte es
dem Beschwerdegegner jedoch erlauben, die Gerichtskosten von Fr. 500.- und das
Honorar seines Anwaltes für die Ausarbeitung der Vernehmlassung innert
nützlicher Frist zu begleichen, ohne Mittel beanspruchen zu müssen, die für ihn
und seine Familie zur Deckung des Grundbedarfs unentbehrlich sind. Das Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege ist somit abzuweisen, und die Gerichtskosten
sind dem Verfahrensausgang entsprechend dem unterliegenden Beschwerdegegner
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In Gutheissung der Beschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 19. Januar 2012 aufgehoben, soweit darin erkannt wird,
dass das Invalideneinkommen unter Berücksichtigung einer Arbeitsfähigkeit von
70 % und eines leidensbedingten Abzuges von 15 % festzusetzen sei.

2.
Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege im
letztinstanzlichen Verfahren wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Oktober 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Widmer