Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 118/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_118/2012

Urteil vom 13. Februar 2013
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Traub.

Verfahrensbeteiligte
M.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Britta Keller,
Beschwerdeführer,

gegen

Pensionskasse A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. René Schwarzmann,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 19. Dezember 2011.

Sachverhalt:

A.
Der 1960 geborene M.________, Vater dreier zwischen 1992 und 1996 geborener
Kinder, gelernter Landwirt, war seit November 1993 bis 2006 als
Bewachungsmitarbeiter bei der Firma A.________ angestellt gewesen und damit bei
der Pensionskasse A.________ berufsvorsorgeversichert. Wegen anhaltender
Rückenbeschwerden und daraus folgenden Arbeitsunfähigkeiten wurde das
Arbeitsverhältnis in gegenseitigem Einverständnis auf Ende Februar 2006 beendet
(Auflösungsvereinbarung vom 28. November 2005). Die Pensionskasse sprach
M.________ eine Invalidenrente, Kinderinvalidenrenten sowie eine IV-Zusatzrente
von insgesamt Fr. 1'661.- monatlich ab Dezember 2005 gestützt auf eine
Erwerbseinbusse von 35 % zu (Mitteilung der Pensionskasse vom 14. Dezember
2005).
Die Invalidenversicherung verneinte einen Rentenanspruch des M.________, da
kein invalidisierender Gesundheitsschaden bestehe. Es liege aus medizinischer
Sicht eine volle Arbeitsfähigkeit als Hausmann und als Bewachungsmitarbeiter
sowie in allen leichten bis mittelschweren Tätigkeiten vor (Verfügung der
IV-Stelle des Kantons Zürich vom 3. Dezember 2007).
Mit Schreiben vom 17. Februar 2009 stellte die Pensionskasse die Invalidenrente
auf Ende März 2009 ein.

B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Klage auf
Weiterausrichtung der Rentenleistung ab. Überdies verneinte das kantonale
Gericht den Anspruch auf unentgeltliche Rechtsvertretung, da die Klage
aussichtslos sei (Entscheid vom 19. Dezember 2011).

C.
M.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen.
Er beantragt die Weiterausrichtung der Rentenleistungen ab April 2009. Für das
kantonale Beschwerdeverfahren sei ihm die unentgeltliche Rechtsvertretung zu
bewilligen. Eventuell sei die Sache zur neuen Beurteilung an das kantonale
Gericht zurückzuweisen. Überdies sei ihm für das bundesgerichtliche Verfahren
die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren, und es sei ihm in der Person von
Rechtsanwältin Britta Keller eine unentgeltliche Rechtsvertreterin beizugeben.
Die Pensionskasse beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz und
das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
1.1 Strittig ist, ob der Beschwerdeführer über März 2009 hinaus Anspruch auf
Invalidenleistungen aus beruflicher Vorsorge hat, weil die bis dahin
ausgerichteten Renten unabänderlich sind oder jedenfalls zum erwähnten
Zeitpunkt hin unter keinem Rechtstitel aufgehoben werden dürfen.

1.2 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Die Feststellung des
Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und wenn die Behebung
des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs.
1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.3 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG), prüft indessen - unter Beachtung der Begründungspflicht in
Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) - grundsätzlich nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle
sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

2.
2.1 Im Hinblick auf die Frage, ob die strittige Rente grundsätzlich abänderlich
sei, stützte sich die Vorinstanz zu Recht auf das in SVR 2010 BVG Nr. 34 S. 129
(Urteil 9C_889/2009 E. 2.2) Gesagte. Danach kann insbesondere im Bereich der
überobligatorischen Vorsorge und dort, wo die Vorsorgeeinrichtung den
Rentenentscheid ohne Bindung an jenen der Invalidenversicherung getroffen hat,
aus der bisherigen Ausrichtung einer (weder verfügten noch gerichtlich
überprüften) Rente nicht auf einen Anspruch für die Zukunft geschlossen werden
in dem Sinne, dass die Einstellung der Zahlungen lediglich nach einer
wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen (Art. 17 Abs. 1 ATSG;
vgl. hier auch Art. 47 Abs. 2 des Reglements der Pensionskasse A.________
[Fassung von Januar 2005]) zulässig wäre. Es liegt namentlich keine Willkür
(Art. 9 BV) vor, wenn ein Vorsorgeträger von der früheren - befristeten -
Anerkennung eines Rentenanspruchs in besserer Erkenntnis der Sach- oder
Rechtslage Abstand nimmt und in der Folge keine Leistungen mehr ausrichtet.

2.2 Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, er habe auch aufgrund der
konkreten Umstände der Leistungszusprache nach Treu und Glauben davon ausgehen
dürfen, die Invalidenleistungen seien unabänderlich.
2.2.1 Dazu erwog das kantonale Gericht Folgendes: Aus einem Schreiben der
Beklagten vom 14. Dezember 2005 gehe klar hervor, dass dem Kläger mit Wirkung
ab 1. Dezember 2005 eine auf einer Erwerbsunfähigkeit von 35 % beruhende
Invalidenrente sowie eine der Bevorschussung von Leistungen der
Invalidenversicherung dienende Zusatzrente ausgerichtet werden sollte. Auch
wenn die im Ingress dieses Schreibens verwendete Formulierung, der Kläger werde
"per 30. November 2005 vorzeitig zu 35 % in den Ruhestand versetzt", nicht
präzise gewesen sei, liessen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass die
Vorsorgeeinrichtung dem Kläger entgegen den einschlägigen Bestimmungen des
Reglements lebenslange unabänderliche Leistungen zugesichert habe. Im gleichen
Schreiben werde darauf hingewiesen, dass Änderungen zur Anpassung von
Rentenleistungen führten. Auch aus dem Umstand, dass der Vertrauensarzt das
Festlegen eines Revisionstermins nicht für notwendig gehalten habe, könne nicht
auf die Unabänderlichkeit der zugesprochenen Rente geschlossen werden. Eine
solche Zusicherung würde dem Grundsatz der beruflichen Vorsorge zuwiderlaufen,
wonach Leistungen einer gesetzlichen, statutarischen oder reglementarischen
Grundlage bedürfen und die Destinatäre ihrer Versicherungsdeckung entsprechend
gleichzubehandeln sind.
2.2.2 Diese Würdigung ist jedenfalls nicht willkürlich. Nach Art. 47 Abs. 2 des
Reglements der Pensionskasse kann die Invalidenrente neu festgesetzt oder
aufgehoben werden, wenn das Ausmass der Erwerbsunfähigkeit ändert. Den
Umständen nach war klar, dass die Rente wegen einer teilweisen
Arbeitsunfähigkeit infolge von Rückenproblemen zugesprochen wurde. Unter dem
Titel "Invalidenrente" teilte die Vorsorgeeinrichtung dem Beschwerdeführer am
14. Dezember 2005 die auszurichtenden Leistungen im Einzelnen mit
("Invalidenrente", "Kinderinvalidenrenten" und "IV-Zusatzrente"). Aus der -
missverständlichen - Formulierung, er werde "per 30. November 2005 vorzeitig zu
35 % in den Ruhestand versetzt", kann der Beschwerdeführer, wie die Vorinstanz
zutreffend erwog, keinen lebenslänglichen Rechtsanspruch ableiten.

3.
Damit hatte die Vorinstanz noch zu prüfen, ob über März 2009 hinaus ein
reglementarischer Anspruch auf Invalidenleistungen bestehe. Sie ging davon aus,
ab April 2009 habe überwiegend wahrscheinlich keine rentenrelevante
Erwerbsunfähigkeit mehr bestanden; dem Kläger sei auch unter dem Gesichtspunkt
der psychischen Befindlichkeit die angestammte und jede andere leichte bis
mittelschwere Tätigkeit wieder vollumfänglich zumutbar.

3.1 Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz gehe bei dieser
Feststellung von der Einschätzung der Invalidenversicherung (ablehnende
Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 3. Dezember 2007) aus; diese
stütze sich ihrerseits auf ein Gutachten einer Medizinischen Abklärungsstelle
(MEDAS, angeblich vom 15. Februar 2007), das sich nicht in den Akten des
berufsvorsorgerechtlichen Verfahrens befinde. Stelle das kantonale Gericht
dennoch darauf ab, so verfalle es in Willkür und verletze es das rechtliche
Gehör. Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Vorinstanz hat nicht zur
Hauptsache auf das - in der Tat nicht in den Akten liegende - MEDAS-Gutachten
abgestellt, sondern auf Berichte des Vertrauensarztes der Beschwerdegegnerin,
des Internisten Dr. P.________ vom 24. Januar 2008, 3. Februar und 29. März
2009 sowie der Klinik X.________ vom 20. August 2009. Diese Berichte vermitteln
das klare Bild einer vollständigen Arbeitsfähigkeit. Entgegen den Vorbringen
des Beschwerdeführers beziehen sich die aktuellsten Beurteilungen des Dr.
P.________ vom 3. Februar und 29. März 2009 nicht nur auf das Leistungsvermögen
des Beschwerdeführers als Hausmann, sondern allgemein auf angepasste
Tätigkeiten. Allein schwere körperliche Arbeiten wie diejenige eines
selbständigen Gärtners sind eher ungeeignet (vgl. Bericht der Klinik X.________
vom 20. August 2009). Jedenfalls nicht bundesrechtswidrig ist im Übrigen die
vorinstanzliche Schlussfolgerung, wonach Dr. P.________ trotz fehlender
objektiver somatischer Befunde eine Invalidenrente (nur) aufgrund psychischer
Belastungen befürwortet habe, nunmehr aber sei dem Kläger auch unter dem
Gesichtspunkt der psychischen Befindlichkeit jede leidensangepasste Tätigkeit
uneingeschränkt zumutbar. Tatsächlich stellte der Vertrauensarzt zunächst neben
wechselnden lumbalen Rückenschmerzen noch eine psychische Belastung aufgrund
der Trennung von der Ehefrau fest, was zu einer Verschlechterung des
Stimmungszustandes geführt habe; es sei nach wie vor ein Arbeitspensum von ca.
65 % zumutbar (Bericht vom 24. Januar 2008). Im Bericht vom 3. Februar 2009
schätzte Dr. P.________ den Beschwerdeführer ausgehend vom zwischenzeitlich
eingetretenen Wegfall der psychosozialen Belastungssituation als "bei der
angepassten Tätigkeit 100 % leistungsfähig" ein. Die gelöste psychosoziale
Problematik habe zu einer Stabilisierung beigetragen; der Patient sehe sich
selber nicht mehr als psychiatrisch behandlungsbedürftig an. Eine
Invalidisierung sei nicht mehr gerechtfertigt. Aus diesem Hergang folgt, dass
die früher attestierte Teilarbeitsunfähigkeit weitgehend von äusseren
Belastungsfaktoren abhing.

3.2 Weiter rügt der Beschwerdeführer die Nichtberücksichtigung des Berichtes
der Klinik X.________ vom 20. August 2009. Ausschlaggebend ist indessen nicht
die dort vermerkte Segmentdegeneration im Bereich der Lendenwirbelsäule,
sondern die Folgerung, die in der abschliessenden Beurteilung gezogen wird.
Danach gehen die rezidivierenden (belastungs- und bewegungsabhängigen)
Kreuzschmerzen nicht mit genügend Leidensdruck einher, um eine Operation zu
indizieren; im Falle einer Exazerbation werde Physiotherapie empfohlen. Der
Bericht widmet sich nicht in erster Linie der Frage nach der Arbeitsfähigkeit.
Soweit indes festgestellt wird, eine schwere körperliche Arbeit sei nicht
sinnvoll, stimmt er ohne Weiteres mit der Einschätzung des Dr. P.________ vom
3. Februar 2009 (vollumfängliche Leistungsfähigkeit in angepassten Tätigkeiten)
überein.

3.3 Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, er habe in den Jahren 2010
und 2011 erneute Bandscheibenvorfälle operieren lassen müssen. Die
gesundheitliche Entwicklung nach dem massgebenden Beurteilungszeitpunkt (Ende
März 2009) kann nicht Gegenstand dieses Verfahrens bilden.

3.4 Mit Blick darauf, dass die bei den Akten liegenden ärztlichen
Stellungnahmen keine Diskrepanzen aufweisen und das nicht aufgelegte
MEDAS-Gutachten zuhanden der Invalidenversicherung keine wesentliche
Entscheidungsgrundlage bildet, erübrigt sich eine weitere Abklärung.

4.
Angesichts des eindeutigen Sachverhalts und der klaren Rechtslage ist es
vertretbar, wenn das kantonale Gericht die unentgeltliche Verbeiständung wegen
Aussichtslosigkeit der Beschwerdeführung verweigert hat.

5.
Die letztinstanzliche Beschwerde ist offensichtlich unbegründet (Art. 109 Abs.
2 lit. a BGG). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann nicht entsprochen
werden (vgl. Art. 64 BGG; BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135). Von der Erhebung von
Gerichtskosten wird indes umständehalber abgesehen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine
Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung und
Rechtsverbeiständung) wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 13. Februar 2013
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Der Gerichtsschreiber: Traub