Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 114/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_114/2012

Urteil vom 12. März 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Nussbaumer.

Verfahrensbeteiligte
H.________,
vertreten durch Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 10.
November 2011.

Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 25. Februar 2011 wies die IV-Stelle Basel-Landschaft das
Gesuch der H.________ (geboren 1946) um Kostenbeiträge an die Erstellung eines
neuen Badezimmers und an die Anpassung von Türschwellen ab.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, mit Entscheid vom 10. November 2011 ab.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt H.________
beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der
Verwaltungsverfügung seien ihr die Kosten für den Badeumbau und die Anpassung
der Türschwellen zuzusprechen.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E.
1.2 S. 252 mit Hinweisen; 133 III 545 E. 2.2 S. 550; 130 III 136 E. 1.4 S.
140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen
Rüge- und Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG),
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel
nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von
Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist
(BGE 134 IV 36 E. 1.4.1 S. 39). Die entsprechende Rüge prüft das Bundesgericht
nur insoweit, als sie in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert
begründet worden ist.

2.
2.1 Der Versicherte hat im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste
Anspruch auf jene Hilfsmittel, deren er für die Ausübung der Erwerbstätigkeit
oder der Tätigkeit im Aufgabenbereich, zur Erhaltung oder Verbesserung der
Erwerbsfähigkeit, für die Schulung, die Aus- und Weiterbildung oder zum Zwecke
der funktionellen Angewöhnung bedarf (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 IVG). Der
Versicherte, der infolge seiner Invalidität für die Fortbewegung, für die
Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge kostspieliger
Geräte bedarf, hat im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste ohne
Rücksicht auf die Erwerbsfähigkeit Anspruch auf solche Hilfsmittel (Art. 21
Abs. 2 IVG).

2.2 Der Anspruch auf Hilfsmittel für die Selbstsorge wird in Ziffer 14
HVI-Anhang geregelt. Ziffer 14.04 Anhang HVI nennt unter dem Titel
"Invaliditätsbedingte bauliche Änderungen in der Wohnung" abschliessend (SVR
1999 IV Nr. 27 S. 84 E. 3a) folgende Massnahmen:
"Anpassen von Bade-, Dusch- und WC-Räumen an die Invalidität, Versetzen oder
Entfernen von Trennwänden, Verbreitern oder Auswechseln von Türen, Anbringen
von Haltestangen, Handläufen und Zusatzgriffen, Entfernen von Türschwellen oder
Erstellen von Schwellenrampen, Installation von Signalanlagen für hochgradig
Schwerhörige, Gehörlose und Taubblinde. (...)."

2.3 Begnügt sich ein Versicherter, der Anspruch auf ein in der Liste des
Anhangs aufgeführtes Hilfsmittel hat, mit einem andern, kostengünstigeren
Hilfsmittel, das dem gleichen Zweck wie das ihm zustehende dient, so ist ihm
dieses selbst dann abzugeben, wenn es in der Liste nicht aufgeführt ist (Art. 2
Abs. 5 HVI). Gestützt darauf hat das Eidgenössische Versicherungsgericht
folgenden Grundsatz aufgestellt: Umfasst das vom Versicherten selber
angeschaffte Hilfsmittel auch die Funktion eines ihm an sich zustehenden
Hilfsmittels, so steht einer Gewährung von Amortisations- und Kostenbeiträgen
nichts entgegen; diese sind alsdann auf der Basis der Anschaffungskosten des
Hilfsmittels zu berechnen, auf das der Versicherte an sich Anspruch hat
(Austauschbefugnis; BGE 120 V 292 E. 3c, 111 V 213 E. 2b; ZAK 1988 S. 182 E.
2b, 1986 S. 527 E. 3a; MEYER-BLASER, Zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz im
staatlichen Leistungsrecht, Diss. Bern 1985, S. 87 ff.). Die Austauschbefugnis
kommt nur zum Tragen, wenn zwei unterschiedliche, aber von der Funktion her
austauschbare Leistungen in Frage stehen. Vorausgesetzt wird mithin neben einem
substitutionsfähigen aktuellen gesetzlichen Leistungsanspruch auch die
funktionelle Gleichartigkeit der Hilfsmittel (BGE 127 V 123 f. E. 2b mit
Hinweisen).
Des Weitern unterliegt eine Hilfsmittelversorgung den allgemeinen
Anspruchsvoraussetzungen gemäss Art. 8 IVG (Geeignetheit, Erforderlichkeit,
Eingliederungswirksamkeit; SVR 1999 IV Nr. 27 S. 84 E. 3c in fine; vgl. BGE 122
V 214 E. 2c).

3.
3.1 Streitig ist einzig, ob die Beschwerdeführerin für den neu erstellten Anbau
an ihr Haus einen Anspruch auf Kostenbeiträge an die Erstellung des neuen
Badezimmers einerseits und an die Anpassung von Türschwellen anderseits im
Umfang derjenigen Kosten geltend machen kann, die bei einem Umbau des Bades und
die Anpassung der Türschwellen im alten Hausteil entstanden wären. Dabei hat
das kantonale Gericht für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG)
und im Übrigen unbestrittenermassen festgestellt, dass die IV-Stelle davon
ausgegangen sei, im Rahmen eines Neubaus könnten die Kosten für den
invaliditätsgerechten Umbau von Türschwellen planerisch vermieden werden. Durch
das Erstellen von schwellenlosen Türen entstünden im Vergleich mit dem
Erstellen von Türen, welche eine Türschwelle aufwiesen, keine Mehrkosten.
Invaliditätsbedingte, planerisch auch bei einem Neubau unvermeidbare Mehrkosten
habe die Beschwerdeführerin denn auch nicht geltend gemacht. Hinsichtlich des
neu gebauten Badezimmers seien Kostenbeiträge bei Neubauten nur ausnahmsweise
möglich. In diesem Eingliederungsbereich könnten für invaliditätsbedingte,
planerisch unvermeidbare Mehrkosten bei einem Neubau Kostenbeiträge
zugesprochen werden, nicht aber für allgemeine Mehrkosten. Die
Beschwerdeführerin lege nicht dar, inwiefern die vorliegend geltend gemachten
Mehrkosten des Badneubaus als invaliditätsbedingte, auch bei einem Neubau
planerisch unvermeidbare Mehrkosten einzustufen wären.

3.2 Die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des kantonalen Gerichts sind
in allen Teilen bundesrechtskonform. Daran vermögen die Einwendungen in der
Beschwerde, die im Übrigen eine Bundesrechtsverletzung nicht substanziiert
dartun, nichts zu ändern. Namentlich kann die Beschwerdeführerin unter dem
Titel der Austauschbefugnis nichts zu ihren Gunsten ableiten. Insbesondere kann
sie unter diesem Rechtstitel die Kosten, die für die Entfernung der
Türschwellen im Altbau erforderlich gewesen wären, nicht ersetzen lassen, wenn
im Neubau von vornherein gar keine Türschwellen eingesetzt worden sind. Sodann
hat das kantonale Gericht verbindlich festgestellt, die Beschwerdeführerin habe
keine durch den Neubau (vgl. auch BGE 127 V 124 E. 2b mit Hinweis) für das
Badezimmer und die Türschwellen entstandenen invaliditätsbedingten Mehrkosten
nachgewiesen. Schliesslich kann aus der Übernahme gewisser durch den Neubau
entstandener Kosten durch die IV nichts zugunsten der hier noch strittigen
Ansprüche abgeleitet werden. Bei Neubauten können zwar auch Beiträge an
invaliditätsbedingte bauliche Änderungen gewährt werden, jedoch unter
Ausschluss solcher Vorkehren, die von vorneherein eingeplant und im Rahmen des
ordentlichen Bauaufwandes ohne zusätzliche Kosten verwirklicht werden können
(BGE 104 V 88 f.; Urteil I 54/06 vom 19. Juli 2006 E. 2.4).

4.
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft Abteilung
Sozialversicherungsrecht und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 12. März 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Nussbaumer