Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 112/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

9C_112/2012 {T 0/2}

Urteil vom 19. November 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
Bundesamt für Sozialversicherungen, Effingerstrasse 20, 3003 Bern 3,
Beschwerdeführer,

gegen

G.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ueli Kieser,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 29. November 2011.

Sachverhalt:

A.
Die 1974 geborene G.________ schloss 2002 ihre Ausbildung zur
Orchesterdirigentin an der X.________ ab. Seit 2001 arbeitete sie teilzeitlich
als Chorleiterin/Dirigentin bei der Gemeinde Y.________ sowie als
Orchesterdirigentin/künstlerische Leiterin bei der Orchestergesellschaft
B.________. Ab 2005 war sie zudem als Dirigentin beim Kammerchor W.________
tätig.
Im Dezember 2007 trat bei G.________ eine Autoimmunkrankheit auf,
diagnostiziert als "akute demyelinisierende Erkrankung, foudroyanter MS-Schub,
DD: ADEM". Im Februar 2008 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau klärte die medizinischen
und erwerblichen Verhältnisse ab. Sie sprach der Versicherten Hilfsmittel
(Rollstuhl, Rutschbrett, WC-Sitzerhöhung, Treppensteiggerät, WC-Dusch- und
Trockenanlage, bauliche Änderungen, Gehhilfe etc.) und eine
Hilflosenentschädigung zu. Des Weitern übernahm sie die Kosten für ein
Belastbarkeits-/Aufbautraining beim Kammerchor W.________ vom 1. Dezember 2008
bis 30. November 2009 und richtete für diese Zeit Taggelder aus. Mit Wirkung
auf Ende November 2009 wurden die Integrationsmassnahmen beendet. Nach
Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle den Anspruch auf
eine Invalidenrente (Verfügung vom 19. Oktober 2010).

B.
Beschwerdeweise liess G.________ das Rechtsbegehren stellen, es sei ihr eine
ganze IV-Rente zuzusprechen. Die Sache sei zur Ermittlung des massgebenden
Sachverhalts, konkret zur Klärung der verbleibenden Arbeitsfähigkeit anhand
eines aktuellen und detaillierten Berichtes des behandelnden Arztes, und zur
Überprüfung des Invaliditätsgrades an die IV-Stelle zurückzuweisen. Das
Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess die Beschwerde teilweise gut, hob
die angefochtene Verfügung auf und sprach G.________ eine halbe Invalidenrente
mit Wirkung ab 1. Dezember 2009 zu (Entscheid vom 29. November 2011).

C.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) führt Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, die Beschwerde
sei unter Bestätigung der Verfügung der IV-Stelle gutzuheissen und der
kantonale Entscheid insoweit aufzuheben, als der Versicherten eine Rente der
Invalidenversicherung zugesprochen worden sei. Eventualiter sei die Beschwerde
gutzuheissen und der kantonale Entscheid insoweit aufzuheben, als der
Versicherten ab April 2010 mehr als eine Viertelsrente zugesprochen worden sei.
In prozessualer Hinsicht wird beantragt, der Beschwerde sei die aufschiebende
Wirkung zuzuerkennen.
G.________ lässt die Abweisung der Beschwerde beantragen. Die IV-Stelle
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Verfügung vom 28. Mai 2012 hat das Bundesgericht der Beschwerde des BSV die
aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

2.
Es steht fest und ist unbestritten, dass die IV-Stelle den allfälligen
Rentenbeginn zu Recht auf den 1. Dezember 2009 festgesetzt hat. Uneinigkeit
besteht in der Frage, wie der Invaliditätsgrad zu ermitteln ist.

2.1 Das Beschwerde führende BSV stellt sich auf den Standpunkt, bei richtiger
Anwendung der Einkommensvergleichsmethode resultiere kein anspruchsbegründender
Invaliditätsgrad. Es macht im Wesentlichen geltend, es sei nicht korrekt, für
die Beurteilung der Unterdurchschnittlichkeit des Valideneinkommens das
Anforderungsniveau 1+2 des Tabellenlohnes heranzuziehen. Ohnehin falle aber
eine Parallelisierung der Vergleichseinkommen ausser Betracht, wenn - wie
vorliegend - auf Seite des Invalideneinkommens auf konkrete tatsächliche Löhne
abgestellt werde, zumal wenn sich dabei die gleichen invaliditätsfremden
Faktoren negativ auf das Lohnniveau auswirkten, welche bereits das
Valideneinkommen negativ beeinflusst hätten. Eventualiter, falls doch zu
parallelisieren wäre, müsste für das Jahr 2010 von veränderten wirtschaftlichen
Verhältnissen ausgegangen werden, welche revisionsweise zu berücksichtigen
wären (Anspruch auf eine Viertelsrente ab April 2010).

2.2 Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin ist die von der Vorinstanz
vorgenommene Parallelisierung der Vergleichseinkommen richtig. Sie bringt vor,
das BSV mache mit der entsprechenden Rüge keine Rechtsverletzung geltend; die
Festsetzung des Valideneinkommens sei eine Sachverhaltsfrage, welche das
Bundesgericht nicht überprüfen dürfe. Die Aufwertung des Validenein-kommens sei
eine Frage des Ermessens. Eine Ermessensüberschreitung oder ein
Ermessensmissbrauch werde zu Recht nicht dargetan. Für den Fall, dass das
Bundesgericht das Valideneinkommen wider Erwarten doch prüfe, sei es
angemessener, den Invaliditätsgrad mittels Betätigungsvergleichs zu bestimmen,
welche Methode ebenso zu einem Invaliditätsgrad von mehr als 50 % führe.

3.
Streitig und zu prüfen ist zunächst die von der Beschwerdegegnerin aufgeworfene
Frage der anwendbaren Methode der Invaliditätsbemessung. Sie beschlägt
Rechtliches und kann daher vom Bundesgericht frei überprüft werden (Urteil
9C_236/2009 vom 7. Oktober 2009 E. 3.4, in: SVR 2010 IV Nr. 11 S. 35) .

3.1 Die Vorinstanz ging davon aus, dass die Versicherte im Gesundheitsfalle
weiterhin zu 70 % erwerbstätig gewesen wäre. Mit Blick darauf, dass die
Beschwerdegegnerin seit ihrem Abschluss an der Musikhochschule im Jahre 2002
(d.h. in den letzten fünf Jahren vor Stellung des Rentengesuchs) nie in einem
100 %-Pensum tätig war, sind diese tatsächlichen Feststellungen (vgl. dazu
Urteil I 708/06 vom 23. November 2006 E. 3.1) nicht offensichtlich unrichtig
oder unvollständig und daher für das Bundesgericht verbindlich. Daran vermag
die in den Akten keine Stütze findende Behauptung der Versicherten, sie sei vor
der Erkrankung zu mehr als 100 % Dirigentin gewesen, nichts zu ändern. Ohnehin
wäre auch diesfalls der Invaliditätsgrad anhand der Einkommensvergleichsmethode
zu ermitteln.

3.2 Nicht zu überzeugen vermag, was die Beschwerdegegnerin für die
Anwendbarkeit des erwerblich gewichteten Betätigungsvergleichs vorbringt. Denn
wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt, kann nicht die Rede davon
sein, dass sich die beiden hypothetischen Vergleichseinkommen (oder wenigstens
eines davon) nicht zuverlässig ermitteln oder schätzen liessen, was indessen
Voraussetzung für die Durchführung des von der Versicherten im
letztinstanzlichen Verfahren vorgeschlagenen ausserordentlichen
Bemessungsverfahrens wäre (BGE 128 V 29 E. 1 S. 30 f.; Urteil 9C_236/2009 vom
7. Oktober 2009 E. 3 und 4, in: SVR 2010 IV Nr. 11 S. 35). Hinzu kommt, dass
der erwerblich gewichtete Betätigungsvergleich von der Natur der Sache her auf
Selbstständigerwerbende zugeschnitten ist (Ulrich Meyer, Rechtsprechung des
Bundesgerichts zum IVG, 2. Aufl. 2010, S. 299; Urteil 8C_346/2012 vom 24.
August 2012 E. 4.5), die Beschwerdegegnerin aber als Unselbstständigerwerbende
zu qualifizieren ist.

4.
Im Rahmen der Einkommensvergleichsmethode gelangen die IV-Stelle und das BSV zu
einem rentenausschliessenden (36 % [2009] nach der IV-Verfügung vom 19. Oktober
2010) und die Vorinstanz und die Beschwerdegegnerin zu einem rentenbegründenden
Invaliditätsgrad (49.53 % bzw. gerundet 50 % gemäss dem angefochtenen
Entscheid).

4.1 Dem Invalideneinkommen ist nach IV-Stelle, Vorinstanz und BSV
übereinstimmend der tatsächlich erzielte Verdienst zugrundezulegen (Fr.
26'300.- [2009]), weil die Versicherte ihre zumutbare Restarbeitsfähigkeit
damit voll ausschöpft, besonders stabile Verhältnisse vorliegen und ihr kein
Soziallohn gezahlt wird (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301). Weiterungen dazu
erübrigen sich.

4.2 Hinsichtlich der vom Bundesamt gerügten Festsetzung des Valideneinkommens
macht die Beschwerdegegnerin zu Unrecht geltend, es handle sich um eine vom
Bundesgericht nicht überprüfbare Tatfrage. Denn dies trifft nur zu, soweit die
Ermittlung des Valideneinkommens auf konkreter Beweiswürdigung beruht;
demgegenüber stellt sie eine Rechtsfrage dar, soweit sich der Entscheid nach
der allgemeinen Lebenserfahrung richtet (beispielsweise die Fragen, ob
Tabellenlöhne anwendbar sind, welches die massgebliche Tabelle ist und ob ein
[behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter] Leidensabzug vorzunehmen
sei; BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399; Urteil 9C_189/2008 vom 19. August 2008 E. 1
in fine und 4, in: SVR 2009 IV Nr. 6 S. 11). Rechtlicher Natur ist sodann auch
die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Parallelisierung der
Vergleichseinkommen erfüllt sind (beispielsweise die Frage, ob die Abweichung
vom branchenüblichen Durchschnittseinkommen die Erheblichkeitsschwelle
erreicht; BGE 135 V 297 E. 6.1.1 S. 302). Im hier zu beurteilenden Fall steht
gerade diese Rechtsfrage, ob die Vorinstanz die Rechtsprechung zur
Parallelisierung der Vergleichseinkommen richtig angewendet hat, im Zentrum.
Sie ist vom Bundesgericht frei zu prüfen (vgl. E. 1 hiervor).

4.3 Im Rahmen der Ermittlung des Valideneinkommens zog die Vorinstanz zwar wie
die IV-Stelle die Einkommen heran, welche die Versicherte im Jahr 2009 beim
Kammerchor W.________, der Orchestergesellschaft B.________ sowie beim
Kirchenchor Y.________ als Orchesterdirigentin, musikalische Leiterin und
Chorleiterin (drei Teilpensen von insgesamt 70 %) erzielt hätte (Fr. 41'139.-).
Anders als die IV-Stelle wertete sie diese Einkommen unter Hinweis auf die
Rechtsprechung zur Parallelisierung der Vergleichseinkommen (um 33.01 %
[Kammerchor W.________], 26.57 % [Orchestergesellschaft B.________] und 21.41 %
[Gemeinde Y.________]) auf, dies mit der Begründung, die tatsächlichen
Einkommen lägen erheblich (38.01 %, 31.57 % und 26.41 %) unter dem
branchenüblichen Lohn gemäss Lohnstrukturerhebung (LSE; Tabelle TA1,
Anforderungsniveau 1+2, Frauen, 90-93 sonstige öffentliche und persönliche
Dienstleistungen, Unterhaltung, Kultur und Sport). Auf diese Weise gelangte sie
für das Jahr 2009 zu einem Valideneinkommen von Fr. 52'108.- .

4.4 Die Vorinstanz stützte sich hierfür auf die Rechtsprechung, wonach in den
Fällen, in denen eine versicherte Person aus invaliditätsfremden Gründen (z.B.
geringe Schulbildung, fehlende berufliche Ausbildung, mangelnde
Deutschkenntnisse, beschränkte Anstellungsmöglichkeiten wegen Saisonnierstatus)
ein deutlich unterdurchschnittliches Einkommen erzielt, diesem Umstand bei der
Invaliditätsbemessung nach Art. 16 ATSG Rechnung zu tragen ist, sofern keine
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie sich aus freien Stücken mit einem
bescheideneren Einkommensniveau begnügen wollte (BGE 125 V 146 E. 5c/bb S. 157
mit Hinweisen). Mit diesem Vorgehen wird der Grundsatz gewahrt, dass die auf
invaliditätsfremde Gesichtspunkte zurückzuführenden Lohneinbussen entweder
überhaupt nicht oder aber bei beiden Vergleichseinkommen gleichmässig zu
berücksichtigen sind (BGE 129 V 222 E. 4.4 S. 225).

Praxisgemäss kann diese Parallelisierung der Einkommen entweder auf Seiten des
Valideneinkommens durch eine entsprechende Heraufsetzung des effektiv erzielten
Einkommens oder durch Abstellen auf die statistischen Werte (BGE 135 V 297 E.
5.1 S. 300 f.; 134 V 322 E. 4.1 S. 325) oder aber auf Seiten des
Invalideneinkommens durch eine entsprechende Herabsetzung des statistischen
Wertes erfolgen (BGE 135 V 297 E. 5.1 S. 300 f.; 135 V 58 E. 3.1 S. 59). Dabei
gilt der tatsächlich erzielte Verdienst als unterdurchschnittlich, wenn er
mindestens 5 % vom branchenüblichen Tabellenlohn abweicht; eine
Parallelisierung der Vergleichseinkommen hat jedoch - bei Erfüllen der übrigen
Voraussetzungen - nur in dem Umfang zu erfolgen, in welchem die prozentuale
Abweichung den Erheblichkeitsgrenzwert von 5 % übersteigt (BGE 135 V 297 E.
6.1.2 und 6.1.3 S. 302 ff.).
Eine Parallelisierung der Vergleichseinkommen rechtfertigt sich nach der
Rechtsprechung aufgrund der Überlegung, dass nicht anzunehmen ist, eine
gesundheitlich beeinträchtigte versicherte Person könnte einen (anteilmässig)
durchschnittlichen Lohn erzielen, wenn sie schon in der Tätigkeit, die sie als
Gesunde ausgeführt hatte, einen deutlich unterdurchschnittlichen Lohn erzielt
hatte, weil ihre persönlichen Eigenschaften (namentlich fehlende Ausbildung
oder Sprachkenntnisse, ausländerrechtlicher Status) die Erzielung eines
Durchschnittslohnes verunmöglicht hatten (BGE 135 V 58 E. 3.4.3 S. 62 und 297
E. 5.1 S. 301; vgl. zum Ganzen: Meyer, a.a.O., S. 321 ff.).

4.5 Es steht fest und ist unbestritten, dass die Versicherte aus
invaliditätsfremden Gründen - nach den Mutmassungen des BSV die schlecht
bezahlte Branche, die Zersplitterung durch mehrere kleine Teilzeitstellen, der
Karrierebeginn etc. - als Gesunde mit ihrer Tätigkeit beim Kammerchor
W.________, der Orchestergesellschaft B.________ und der Kirchgemeinde
Y.________ nur ein unterdurchschnittliches Einkommen erzielt hat. Seit Eintritt
des Gesundheitsschadens übt sie mit Ausnahme ihrer Tätigkeit beim Kirchenchor
Y.________ dieselben Tätigkeiten aus. Damit wirken sich die gleichen
invaliditätsfremden Faktoren lohnmindernd auch auf ihr - mithin ebenfalls
unterdurchschnittlich ausfallendes - Invalideneinkommen aus. Haben mit anderen
Worten bei Validen- und Invalideneinkommen die gleichen invaliditätsfremden
Faktoren einen negativen Einfluss auf das Lohnniveau, erübrigt sich eine dem
Ausgleich von Verzerrungen dienende Parallelisierung der Vergleichseinkommen im
Sinne der in E. 4.4 dargelegten Rechtsprechung.

4.6 Für eine Erhöhung des Valideneinkommens kann - entgegen der Auffassung der
Versicherten - auch nicht angeführt werden, es müsste berücksichtigt werden,
dass im Zeitpunkt des Krankheitseintritts offene Kapazitäten bestanden hätten,
welche mit Aufträgen hätten gefüllt werden können. Denn das versicherte Risiko
in der Invalidenversicherung ist nicht der Verlust von Erwerbsmöglichkeiten,
sondern die effektive, gesundheitlich bedingte Einbusse im Erwerbseinkommen.
Mit anderen Worten ist bei einer versicherten Person, welche im Gesundheitsfall
ihr wirtschaftliches Potential nicht voll ausnützt, der nicht verwertete Teil
der Erwerbsfähigkeit nicht versichert (BGE 135 V 58 E. 3.4.1 S. 61; 131 V 51 E.
5.1.2 S. 53).

4.7 Der Einwand des BSV, es bestehe keine Handhabe für eine Parallelisierung
der Vergleichseinkommen, ist nach dem in E. 4.5 Dargelegten begründet. Demnach
ist das Valideneinkommen auf dem (unterdurchschnittlichen) Wert von Fr.
41'139.- (Vorinstanz) bzw. Fr. 41'320.- (IV-Stelle) zu belassen. Es erübrigen
sich Weiterungen zu den vom BSV beschwerdeweise thematisierten Fragen des
anwendbaren LSE-Tabellenwertes (massgebliche Stufe [Anforderungsniveau 1+2 oder
4]), welche Frage einen Einfluss auf das Mass der Unterdurchschnittlichkeit
hätte, und der Begründungspflicht im Zusammenhang mit der vorinstanzlichen
Feststellung, wonach Anhaltspunkte für einen freiwilligen Verzicht auf ein
höheres Einkommen fehlten.

4.8 Bei dieser Sachlage ist der vorinstanzliche, der Beschwerdegegnerin eine
halbe Rente zusprechende Entscheid aufzuheben. Die an die tatsächlich erzielten
Einkommen anknüpfende Invaliditätsbemessung der IV-Stelle, welche zu einem
rentenausschliessenden Invaliditätsgrad führt, ist Rechtens.

5.
Die Gerichtskosten sind der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Versicherungsgerichts
des Kantons Aargau vom 29. November 2011 aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und der IV-Stelle des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. November 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann