Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 1033/2012
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_1033/2012

Urteil vom 8. November 2013

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Borella,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Glanzmann,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Verfahrensbeteiligte
W.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Rémy Wyssmann,
Beschwerdeführer,

gegen

Pensionskasse Swatch Group,
Faubourg de l'Hôpital 3, 2000 Neuenburg,
vertreten durch Advokat Dr. Christoph Degen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 12. November 2012.

Sachverhalt:

A. 
Der 1948 geborene W.________ ist gelernter Feinmechaniker und war seit 1982 als
Werkzeugmacher bei der Firma X.________ SA angestellt und bei der Pensionskasse
Swatch Group (nachfolgend: Pensionskasse) berufsvorsorgeversichert. Mit
Verfügung vom 12. Mai 2009 sprach ihm die IV-Stelle Bern rückwirkend ab 1. Juli
2003 eine ganze Rente zu (Invaliditätsgrad von 68 % bis 31. Dezember 2003 bzw.
70 % ab 1. Januar 2004). Am 5. Juni 2009 beendigte die X.________ SA das
Arbeitsverhältnis auf den gleichen Tag. Die Pensionskasse anerkannte im
Grundsatz den Anspruch des W.________ auf eine Invalidenrente der beruflichen
Vorsorge. Sie verweigerte jedoch die Auszahlung mit der Begründung, die Rente
sei wegen eines Vorbezugs für Wohneigentum und zufolge Überentschädigung zu
kürzen (Schreiben vom 10. März 2009 und 15. Dezember 2009).

B.

B.a. Am 29. Mai 2012 liess W.________ beim Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn gegen die Pensionskasse Klage erheben und beantragen:

"1. Die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger spätestens ab 1. Juli 2003 und
weiterhin die gesetzlichen und reglementarischen Leistungen nach Massgabe einer
Erwerbsunfähigkeit von mindestens 68 % resp. 70 % und in der Höhe von
mindestens Fr. 9'536.- jährlich oder Fr. 795.- monatlich zuzüglich einem
Verzugszins zu 5 % seit wann rechtens und zuzüglich Teuerungszulage
auszurichten; diesbezüglich sei zu berücksichtigen, dass sich die Frage der
Überversicherung mit Wegfall des Erwerbseinkommens mit Austritt des Klägers aus
den Diensten des Arbeitgebers per 5. Juni 2009 ohnehin nicht mehr stellt.
2. - 6. "

B.b. Anlässlich der Hauptverhandlung vom 5. November 2012 liess W.________
zusätzliche Rechtsbegehren stellen. Im Hauptpunkt modifizierte er seinen Antrag
insoweit, als er die gesetzlichen und reglementarischen Leistungen spätestens
ab 6. Juni 2009 verlangte.

B.c. Soweit das Versicherungsgericht auf die Klage eintrat bzw. diese nicht
gegenstandslos geworden war, wies es sie mit Entscheid vom 12. November 2012
wegen Überschreitung der Überentschädigungsgrenze ab.

C. 
W.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, die Pensionskasse sei zu verpflichten, ihm spätestens ab 6. Juni
2009 und weiterhin die gesetzlichen und reglementarischen Leistungen nach
Massgabe einer Erwerbsunfähigkeit von 70 % und ohne Anrechnung eines fiktiven
Ersatzeinkommens in der Höhe von mindestens Fr. 9'536.- jährlich oder Fr. 795.-
monatlich zuzüglich Verzugszins zu 5 % seit wann rechtens und zuzüglich
Teuerungszulage auszurichten; eventualiter sei die Beschwerdesache an die
Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie ihn von Amtes wegen befrage sowie die
IV-Akten beiziehe und beweisrechtlich würdige.
Vorinstanz und Pensionskasse schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf Vernehmlassung.

D. 
Mit Eingabe vom 26. April 2013 lässt W.________ die Beiladung seiner vormaligen
Anwälte als Nebenintervenienten beantragen; am 2. Mai 2013 reicht er den
Bericht des Dr. med. S.________, Allgemeine Medizin FMH, Manuelle Medizin SAMM,
vom 19. März 2013 ein.
Die Pensionskasse fordert, die Eingabe und das ärztliche Attest seien als
verspätet aus dem Recht zu weisen. Soweit darauf einzutreten sei, sei der
Antrag auf Beiladung der vormaligen Anwälte abzuweisen.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Nebenintervention soll einem Dritten ermöglichen, auf den Ausgang
eines hängigen Rechtsstreits Einfluss zu nehmen, sofern das Urteil seine
Rechtsstellung mittelbar oder unmittelbar beeinflussen könnte. Da dem Dritten
Gelegenheit zur Teilnahme am Verfahren gegeben und ihm damit das rechtliche
Gehör gewährt wird, kann das Urteil auch für ihn bindende Wirkung entfalten.
Die Nebenintervention kann auf eigene Initiative oder aufgrund einer
vorgängigen Streitverkündung erfolgen (Zuber/Gross, Berner Kommentar, 2012, N.
2 zu Art. 74 ZPO). Der erstmalige Beitritt eines Nebenintervenienten muss im
kantonalen Verfahren erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren vor Bundesgericht ist
eine erstmalige Intervention nicht mehr zulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG; Urteil
4A_235/2009 vom 13. Oktober 2009). Abgesehen davon haben die vormaligen Anwälte
kein Interventionsgesuch gestellt. Der heutige Rechtsvertreter ist
diesbezüglich nicht bevollmächtigt, handelt er doch ausschliesslich im Namen
und Auftrag des Beschwerdeführers.
Auf das Gesuch um Beiladung der vormaligen Rechtsvertreter als
Nebenintervenienten ist nicht einzutreten.

1.2. Der am 2. Mai 2013 nachgereichte Bericht des Dr. med. S.________ vom 19.
März 2013 bleibt unbeachtlich. Der Beschwerdeführer macht - anders als
hinsichtlich der mit der Beschwerde neu eingereichten Belege - keinen im Sinne
von Art. 99 Abs. 1 BGG relevanten Grund geltend. So oder anders erfolgte die
Auflage verspätet. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel
beruft, sind den Rechtsschriften beizulegen (Art. 42 Abs. 3 BGG). Im
Begleitschreiben vom 2. Mai 2013 bleibt unbegründet, weshalb der Bericht nicht
schon mit der Stellungnahme vom 26. April 2013 zur Beschwerdeantwort
eingereicht werden konnte.

2. 
Streitig ist, ob die Pensionskasse berechtigt war, dem Beschwerdeführer bei der
Bemessung der Invalidenrente der Jahre 2009-2012 ein fiktives Erwerbs- oder
Ersatzeinkommen anzurechnen und ihm gestützt darauf zur Vermeidung einer
Überentschädigung die Ausrichtung einer Leistung zu verweigern. Dieser rügt
vorab, die Beschwerdegegnerin habe ihm dazu nicht wie geboten das rechtliche
Gehör gewährt, weshalb die Anrechnung aus formellen Gründen nicht zulässig sei.

3.

3.1. Nach Art. 34a Abs. 1 BVG erlässt der Bundesrat Vorschriften zur
Verhinderung ungerechtfertigter Vorteile des Versicherten beim Zusammentreffen
mehrerer Leistungen. Gestützt darauf ist in Art. 24 Abs. 1 BVV 2 geregelt, dass
die Vorsorgeeinrichtung die Invalidenleistungen kürzen kann, soweit sie
zusammen mit anderen anrechenbaren Einkünften 90 Prozent des mutmasslich
entgangenen Verdienstes übersteigen. Bezügern von Invalidenleistungen wird das
weiterhin erzielte oder zumutbarerweise noch erzielbare Erwerbs- oder
Ersatzeinkommen angerechnet (Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2 in der seit 1. Januar
2005 geltenden Fassung [ab 1. Januar 2012 eingefügte Ergänzung hier nicht
relevant]).

3.2.

3.2.1. Gemäss BGE 134 V 64 E. 4.2.1 S. 70 f. basiert das zumutbarerweise
erzielbare Erwerbseinkommen im Sinne von Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2 - insofern
abweichend vom Invalidenversicherungsrecht mit der Beurteilungsgrundlage des
ausgeglichenen Arbeitsmarktes - allein auf dem Zumutbarkeitsgrundsatz (zu dem
genannten Urteil siehe auch: HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, 2.
Aufl. 2012, Rz. 1036-1038; HANS-ULRICH STAUFFER/MARKUS MOSER, Berufliche
Vorsorge; Überentschädigungskürzung; Anrechnung des zumutbarerweise erzielbaren
Einkommens, in: AJP 2008 S. 619 f., insbes. S. 621; FELIX SCHMID/MARTIN WÜRMLI,
Das mutmassliche Erwerbseinkommen nach Art. 24 BVV 2, in: AJP 2008 S. 719 f.,
insbes. S. 722; zur Thematik: MARC HÜRZELER, Die Invaliditätsbemessung in der
Invalidenversicherung und der beruflichen Vorsorge, in: Personen-Schaden-Forum
2008, S. 217 f.; MARKUS MOSER/HANS-ULRICH STAUFFER, Die
Überentschädigungskürzung berufsvorsorgerechtlicher Leistungen im Lichte der
Rechtsprechung, SZS 2008, S. 91 f.; UELI KIESER, Zumutbares
Resterwerbseinkommen in der beruflichen Vorsorge, in: AJP 2005 S. 226 f.).
Nach E. 4.2.1 (letzter Absatz) dieses Entscheides verlangt der
Zumutbarkeitsgrundsatz bezogen auf das noch erzielbare Erwerbseinkommen, dass
die Vorsorgeeinrichtung, welche eine Kürzung ihrer obligatorischen
Invalidenleistungen beabsichtigt, dem teilinvaliden Versicherten vorgängig das
rechtliche Gehör hinsichtlich jener arbeitsmarktbezogenen und persönlichen
Umstände gewähren muss, die ihm die Erzielung eines Resterwerbseinkommens in
der Höhe des Invalideneinkommens erschweren oder verunmöglichen. Solche
subjektiven Gegebenheiten, denen unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten Rechnung zu
tragen ist, sind alle Umstände, welche - im Rahmen einer objektivierenden
Prüfung - für die effektiven Chancen des betreffenden Versicherten, auf dem
jeweiligen tatsächlichen Arbeitsmarkt eine geeignete und zumutbare
Arbeitsstelle zu finden, von wesentlicher Bedeutung sind.

3.2.2. Verfahrensrechtlich steht gemäss E. 4.2.2 S. 71 f. des erwähnten Urteils
dem Recht der versicherten Person, mit subjektiven Gegebenheiten und
tatsächlichen Arbeitsmarktchancen gehört zu werden, welche die Erzielung eines
dem Invalideneinkommen quantitativ entsprechenden Resterwerbseinkommens
erschweren oder verunmöglichen, eine diesbezügliche Mitwirkungspflicht
gegenüber. Die versicherte Person hat die im konkreten Einzelfall massgebenden
persönlichen Umstände und tatsächlichen Arbeitsmarktchancen, welche der
Erzielung eines mit dem Invalideneinkommen äquivalenten Resterwerbseinkommens
entgegenstehen, im Überentschädigungsverfahren zu behaupten, zu substanziieren
und hiefür soweit möglich Beweise anzubieten, namentlich durch den Nachweis
erfolglos gebliebener Stellenbemühungen. Dies führt zu einer Umkehr der
Beweislast.

3.2.3. Somit darf nach BGE 134 V 64 E. 4.3 S. 72 die Vorsorgeeinrichtung bei
der Prüfung der Frage, ob und in welchem Umfang die Invalidenleistung aus der
obligatorischen beruflichen Vorsorge für eine Teilinvalidität zu einer
Überentschädigung führt, von der gesetzlichen Vermutung (aus Richterrecht [vgl.
dazu SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. des von
Oscar Vogel begründeten Werkes, 2010, § 43 N. 58]) ausgehen, dass das
zumutbarerweise noch erzielbare Erwerbseinkommen mit dem von der IV-Stelle
ermittelten Invalideneinkommen übereinstimmt. Sie hat vorgängig der
versicherten Person das Gehörsrecht mit Bezug auf persönliche Umstände und die
tatsächliche Lage auf dem im Einzelfall relevanten Arbeitsmarkt zu gewähren.
Die versicherte Person trifft dabei eine Mitwirkungspflicht im umschriebenen
Rahmen.

4. 
Vorab stellt sich die Frage, ob dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der
Überentschädigungsberechnung das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV)
hinreichend gewährt wurde.

4.1. Im Lichte des in E. 3.2 Gesagten ist die koordinationsrechtliche Kürzung
einer BVG-Invalidenrente nicht ein rein rechnerischer Entscheid. Vielmehr hat
die Pensionskasse den Versicherten ins Verfahren einzubeziehen, d.h. zu prüfen,
ob von den Kriterien der Invalidenversicherung abzuweichen ist und einen
eigenen Ermessensentscheid zu fällen ( FELIX SCHMID/MARTIN WÜRMLI, Das
mutmassliche Erwerbseinkommen nach Art. 24 BVV 2, in: AJP 2008 S. 724 vor Ziff.
4). Nachdem das Klageverfahren der ursprünglichen Verwaltungsrechtspflege, wie
sie im Berufsvorsorgeprozess gemäss Art. 73 Abs. 1 BVG stattfindet, keine
Verfügung zum Ausgangspunkt hat (BGE 138 V 86 E. 5.2.3 S. 97; 129 V 450 E. 2 S.
452) und das Bundesrecht zum dargelegten Vorgehen bei der
Überversicherungsberechnung nichts Weiteres vorschreibt - das Bundesgesetz über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) erfasst die
berufliche Vorsorge grundsätzlich nicht -, liegen Form und Modalität des
Einbezugs der versicherten Person im Rahmen der verfassungsmässigen Schranken
im Ermessensbereich der Vorsorgeeinrichtung. Bei der Wahl ist den spezifischen
Fallkonstellationen und der konkreten Interessenlage Rechnung zu tragen. Das
Verhältnismässigkeitsprinzip gebietet jene Lösung zu wählen, die nach den
Umständen als angemessen erscheint ( MICHELE ALBERTINI, Der verfassungsmässige
Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates,
2000, Bern, S. 332). In jedem Fall darf die Gehörsgewährung nicht ihres Gehalts
beraubt werden, weshalb es grundsätzlich mehr bedarf, als in einem blossen
Schreiben die Kürzung mitzuteilen. Ihre hinreichende Umsetzung erfordert in der
Regel eine ausdrückliche Einladung, sich zur Möglichkeit, ein
Resterwerbseinkommen in der Höhe des Invalideneinkommens effektiv erzielen zu
können, zu äussern, wobei es der Vorsorgeeinrichtung frei steht - es sich der
Klarheit halber und mit Blick auf eine beförderliche Erledigung aber empfiehlt
-, eine angemessene Einwendungsfrist einzuräumen. Jedenfalls genügt die
Gewährung einer Äusserungsgelegenheit; die Pensionskasse ist nicht
verpflichtet, die tatsächliche Ausübung des Einwendungsrechts herbeizuführen.
Umstände, die sich aus den Akten ergeben, hat sie aber - in Nachachtung des
Verbots des überspitzten Formalismus (Art. 29 Abs. 1 BV) - von sich aus zu
berücksichtigen.

4.2. Die IV-Stelle Bern sprach dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 12. Mai
2009 rückwirkend ab 1. Juli 2003 eine ganze Invalidenrente zu, und zwar bei
einem Invaliditätsgrad von 68 % bzw. 70 % (ab 1. Januar 2004). In der Folge
wurde sein Arbeitsverhältnis mit der X.________ SA am 5. Juni 2009 mit
sofortiger Wirkung aufgehoben. Im besagten Schreiben wurde auf Art. 13.4 des
Swatch Group Personalhandbuchs verwiesen, wonach das Arbeitsverhältnis mit dem
Erhalt einer ganzen IV-Rente der Invalidenversicherung ende. In der
Austrittsmeldung zuhanden der Pensionskasse vom 5. Juni 2009 war entsprechend
vermerkt, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus gesundheitlichen
Gründen erfolge. Von einer rechtsgenüglichen Gehörsgewährung kann in diesem
Zusammenhang nicht gesprochen werden, zumal es um eine Angelegenheit zwischen
Pensionskasse und Versichertem und nicht zwischen Arbeitgeber und Versichertem
(Aufhebungsvertrag) bzw. Arbeitgeber und Pensionskasse (Austrittsmeldung) geht.
Soweit die Vorinstanz gestützt auf letztere Mitteilung davon ausging, die
Pensionskasse habe nicht ohne Weiteres annehmen müssen, dass der
Beschwerdeführer, der zuvor 26 Jahre bei der X.________ SA angestellt gewesen
sei, nun von einem Tag auf den anderen jegliche Erwerbstätigkeit eingestellt
habe, so beschlägt dies den - hier (noch) nicht zur Diskussion stehenden -
Zumutbarkeitsgesichtspunkt (vgl. dazu E. 5 nachfolgend).

4.3. Auch die blosse Berechnung vom 3. Juli 2009, in welcher die Pensionskasse
für die Zeit ab 6. Juni 2009 von einem möglichen Erwerbseinkommen ausging, das
gemäss vorinstanzlicher Feststellung "nahezu dem zuvor bis 5. Juni 2009
erzielten Verdienst entsprach", lässt sich nicht als Aufforderung verstehen,
sich zum aktuell anrechenbaren Erwerbseinkommen zu äussern (vgl. E. 4.1).

4.4. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 wies die Pensionskasse unter Nennung
von E. 6 des Urteils 9C_347/2008 vom 21. Oktober 2008 auf die vom Bundesgericht
geschaffene gesetzliche Vermutung hin, wonach das zumutbarerweise noch
erzielbare Erwerbseinkommen mit dem von der IV-Stelle ermittelten
Invalideneinkommen übereinstimmt (vgl. E. 3.2.3). Gleichzeitig hielt sie fest,
der Versicherte habe die Möglichkeit, sich bei der Arbeitslosenversicherung
anzumelden und könne damit zeigen, dass er versuche, eine Anstellung zu finden,
um die Resterwerbsfähigkeit zu verwerten. Diesfalls werde sie nicht mehr das
mögliche Erwerbseinkommen anrechnen, sondern die tatsächlich bezogenen
Arbeitslosengelder. Diesem Schreiben, das an den (damaligen) Rechtsvertreter
des Beschwerdeführers gerichtet ist, ging ein solches von dessen Seite vom 15.
Oktober 2009 voraus. Zwar wurde darin ausschliesslich die Behandlung des
Vorbezugs kritisiert, wie die Vorinstanz festgestellt hat (vgl. Art. 105 Abs. 1
BGG). Dessen ungeachtet hielt der Rechtsvertreter im Kontext mit der von ihm
vertretenen Berechnungsweise fest, dass sich die Frage nach der
Überversicherung durch den Wegfall des Erwerbseinkommens mit dem Austritt des
Versicherten per 5. Juni 2009 nicht mehr stelle. Indem die Pensionskasse in
ihrer Antwort vom 15. Dezember 2009 von der fraglichen Anrechnung nicht Abstand
genommen, sondern die erwähnte Vermutungsbasis explizit unterstrichen hat, wie
sie sich auch aus E. 6.2 des im Schreiben zitierten Urteils ergibt, war für den
beschwerdeführerischen Anwalt das Einwendungsrecht erkennbar oder er hätte es
bei gebührender Aufmerksamkeit erkennen müssen. Es findet ebenfalls in E. 6.2
des Urteils 9C_347/2008 Erwähnung. Selbst wenn dessen Konsultierung nicht
erwarten werden darf, was hier offen gelassen werden kann, muss ein Anwalt - in
Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes von Art. 8 ZGB, der auch im
öffentlichen Recht gilt (BGE 138 II 465 E. 6.8.2 S. 486; 138 V 218 E. 6 S. 222)
-, wissen, dass eine gesetzliche Vermutung der Widerlegung zugänglich ist.
Eines ausdrücklichen Hinweises auf das Einwendungsrecht bedurfte es unter
diesen Umständen nicht ( ALBERTINI, a.a.O., S. 334). Es trifft nicht zu, dass
der Anwalt des Beschwerdeführers dadurch zum "Informationsbeauftragen" oder
"Erfüllungsträger" der Pensionskasse mutierte. Vielmehr dürfen die
Anforderungen an die Gehörsgewährung geringer gehalten werden, wenn die
Parteien durch einen Anwalt vertreten sind.

4.5. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, selbst die Vorinstanz habe der
Pensionskasse eine unklare Ausdrucksweise vorgeworfen, so übersieht er, dass
sich diese Erwägung auf die reglementarische resp. überobligatorische
Berechnungsweise bezieht. Demgegenüber steht hier ein Aspekt der BVG-Regelung
im Zentrum.

 Das rechtliche Gehör muss in zeitlicher Hinsicht nicht vorgängig - vor dem
Zeitpunkt der Anrechnung - gewährt werden. Eine Rentenkürzung wegen
Überentschädigung kann ohne Weiteres auch für den Zeitraum vor der erstmaligen
Einräumung des Gehörsrechts erfolgen. Die weitergehende Funktion einer
Voranzeige in dem Sinne, dass erst mit Wirkung für die Zukunft gekürzt werden
dürfte, ist der nach der Rechtsprechung erforderlichen Einräumung des
rechtlichen Gehörs jedenfalls nicht beizumessen (SVR 2010 BVG Nr. 45 S. 171,
9C_592/2009 E. 3.3).

 Wenn auch das Schreiben vom 15. Dezember 2009 in französischer Sprache
abgefasst ist, obwohl der Beschwerdeführer deutscher Muttersprache ist und auch
die übrige Korrespondenz in Deutsch erfolgte, darf nicht ausser Acht gelassen
werden, dass die Pensionskasse, die ihren Sitz im französischsprachigen Raum
hat, nicht nur Arbeitnehmer in der Deutschschweiz, sondern auch in der Romandie
versichert. Im Kanton Solothurn ist zwar Deutsch Amtssprache. Diese ist jedoch
allein im Behördenverkehr massgeblich, während die Leistungserbringung im
nichtstreitigen Verfahren grundsätzlich nach privatrechtlichen Grundsätzen
ausgestaltet ist (vgl. E. 4.1). Dessen ungeachtet durfte der Beschwerdeführer
nach Treu und Glauben nicht über zwei Jahre zuwarten, bis er erstmals (vor dem
kantonalen Gericht) geltend machte, das in französischer Sprache verfasste
Schreiben nicht verstanden zu haben. Der vorinstanzliche Verzicht auf die
Abnahme verschiedener Beweise, welche die Annahme entkräftigen sollten, dass
jeder Solothurner und jede Solothurnerin Französisch verstehe, ist demnach
nicht zu beanstanden.

4.6. Nach dem Gesagten steht fest, dass die Pensionskasse dem anwaltlich
vertretenen Beschwerdeführer in hinreichender Weise das rechtliche Gehör
gewährt hat.

5. 
Streitig und zu prüfen bleibt die Frage, ob und inwieweit dem Beschwerdeführer
ab 6. Juni 2009 ein zumutbarerweise erzielbares Resterwerbseinkommen in der
Höhe des von der IV-Stelle ermittelten Invalideneinkommens angerechnet werden
kann.

5.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, sein fortgeschrittenes Alter von 61
Jahren, seine geringe Anpassungsfähigkeit, weil er 26 Jahre lang als
Prüfungsarbeiter in der Messmittelkontrolle beim gleichen Arbeitgeber
gearbeitet habe, und die Unvereinbarkeit einer Teilzeitstelle von 30 % mit
einem Mess- und Prüfjob verunmögliche die Verwertung der verbliebenen
Erwerbsfähigkeit. Letztere Behauptung ist nicht weiter substanziiert und
leuchtet auch nicht auf Anhieb ein. Einen Beweis bleibt der Beschwerdeführer
ebenfalls schuldig (vgl. E. 3.2.2). Gleiches gilt hinsichtlich der (sinngemäss)
vorgebrachten hohen Spezialisierung. Diese ist nicht weiter dargetan, sodass
nicht nachvollziehbar ist, weshalb er bei keinem anderen Arbeitgeber eine
gleichwertige oder zumindest ähnliche Funktion ausüben könnte.

5.2. Aus dem Umstand, dass dem Beschwerdeführer ein Pensioniertenausweis
zugestellt bzw. kein Arbeitszeugnis ausgestellt worden ist, lässt sich nichts
zu seinen Gunsten ableiten. Zum einen bleiben in Bezug auf den
Pensioniertenausweis sowohl das Ausstellungsdatum als auch das Datum der
Zusendung im Dunkeln. Zum andern ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, von
sich aus ein Arbeitszeugnis auszustellen. Gemäss Art. 330a Abs. 1 OR kann der
Arbeitnehmer jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die
Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein
Verhalten ausspricht. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, ein solches
angefordert zu haben.

5.3. Was das fortgeschrittene Alter betrifft, so schliesst dieses für sich
allein die Verwertbarkeit noch nicht aus. Der Einfluss des Lebensalters auf die
Möglichkeit, das verbliebene Leistungsvermögen auf dem ausgeglichenen
Arbeitsmarkt zu verwerten, lässt sich nicht nach einer allgemeinen Regel
bemessen, sondern hängt ab von den Umständen, die mit Blick auf die
Anforderungen der Verweisungstätigkeiten massgebend sind (beispielsweise Art
und Beschaffenheit des Gesundheitsschadens und seiner Folgen; absehbarer
Umstellungs- und Einarbeitungsaufwand und in diesem Zusammenhang auch
Persönlichkeitsstruktur, vorhandene Begabungen und Fertigkeiten, Ausbildung,
beruflicher Werdegang oder Anwendbarkeit von Berufserfahrung aus dem
angestammten Bereich (Urteil 9C_954/2012 vom 10. Mai 2013 E. 2).

5.4. Es steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer bis zum 5.
Juni 2009 bei der X.________ SA erwerbstätig war und ein Resterwerbseinkommen
im Rahmen einer 30%igen Erwerbstätigkeit erzielte. Als gelernter Feinmechaniker
/Werkzeugmacher war er dort während 26 Jahren im Prüf- und Messverfahren tätig.
Rein arbeitsmarktbezogen gibt es angesichts der in den vergangenen Jahren
prosperierenden Uhrenbranche im Raum Solothurn/Grenchen/ Biel/Lyss mehr
Stellenmöglichkeiten, als der Beschwerdeführer meint. Indes ist nach so langer
Betriebszugehörigkeit und Angewöhnung an eine einzige Unternehmungskultur ein
Stellenwechsel mit weit grösseren Angewöhnungsschwierigkeiten und höherem
Betreuungsaufwand seitens des neuen Arbeitgebers verbunden. Dazu kommen
erschwerend die Gegebenheiten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. So löste
die X.________ SA das Arbeitsverhältnis nach 26 Dienstjahren - trotz bis zum
Schluss ausgeübter Resterwerbstätigkeit - aus gesundheitlichen Gründen auf
(vgl. E. 4.2). Diese persönlichen Umstände, für die Pensionskasse aus ihren
verfügbaren Daten (Versicherungsbeginn, Austrittsanzeige, lückenlose Meldung
der Einkommen bis zum Austritt) erkennbar (vgl. E. 4.1 in fine), bilden
offensichtlich einen Hinderungsgrund, weiterhin ein Einkommen realisieren zu
können, wäre doch realistischerweise kein anderer Arbeitgeber gewillt gewesen,
den gesundheitlich angeschlagenen Beschwerdeführer mit seiner stark reduzierten
Resterwerbsfähigkeit anzustellen. Namentlich der Umstand, dass er im
massgebenden Zeitpunkt nur noch rund vier Jahre vor seiner Pensionierung stand,
hätte erfahrungsgemäss einen Arbeitgeber davon abgehalten, die mit einer
Anstellung einhergehenden Risiken wie krankheitsbedingte Ausfälle und hohen
Anpassungsaufwand auf sich zu nehmen. Wenn schon die X.________ SA nicht bereit
war, ihren langjährigen und erfahrenen Mitarbeiter aufgrund seines
Gesundheitszustands weiter zu beschäftigen, ist die Annahme, ein anderer
Arbeitgeber hätte ihn beschäftigt, gänzlich unwahrscheinlich. Bei dieser
Sachlage ist die passive Haltung des Beschwerdeführers nicht entscheidend.

5.5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in Anbetracht der persönlichen
Umstände das kantonale Gericht diese Momente nicht oder nicht ausreichend
berücksichtigt hat, weshalb das Bundesgericht den Sachverhalt ergänzt (Art. 105
Abs. 2 BGG; BGE 136 V 362 E. 4.1 S. 366), womit die Vermutung widerlegt ist,
das von der IV-Stelle festgelegte Invalideneinkommen und das ab 6. Juni 2009
zumutbarerweise noch erzielbare Erwerbseinkommen nach Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV
2 seien kongruent.
Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie über das
Klagebegehren des Beschwerdeführers neu befinde. Gleichzeitig kann
offenbleiben, ob ab einem bestimmten - und ab welchem - Invaliditätsgrad
regelmässig auf eine Anrechnung zu verzichten ist. Ebenso wenig braucht
beantwortet zu werden, ob angesichts der offenkundigen Parallelen zwischen
beruflicher Vorsorge und Ergänzungsleistungen hinsichtlich der Anrechnung eines
hypothetischen Arbeitserwerbs bei Teilinvaliden (SVR 2011 BVG Nr. 18 S. 67,
9C_73/2010 E. 6.1) für die Belange der Überentschädigungsberechnung nach Art.
24 Abs. 1 und 2 BVV 2 die gleiche (ergänzungsleistungsrechtliche) Alterslimite
von 60 Jahren (vgl. Art. 14a Abs. 2 ELV) gelten soll.

6. 
Eine Rückweisung zu erneutem Entscheid mit offenem Ausgang gilt als Obsiegen
(Urteil 2C_60/2011 vom 12. Mai 2011 E. 2.4 mit Hinweis auf BGE 131 II 72 E. 4
S. 80 betreffend das öffentliche Recht); das Gesuch des Beschwerdeführers um
Beiladung der früheren Rechtsvertreter als Nebenintervenienten ist im Gesamten
von untergeordneter Bedeutung. Die Ausnahmeregelung von Art. 66 Abs. 4 BGG ist
nicht anwendbar, da die Vorsorgeeinrichtung in ihrem Vermögensinteresse
handelt. Ausserdem hat sie dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf das Gesuch des Beschwerdeführers um Beiladung der früheren Rechtsvertreter
als Nebenintervenienten wird nicht eingetreten.

2. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Versicherungsgerichts des
Kantons Solothurn vom 12. November 2012 wird, soweit angefochten, aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

4. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. November 2013
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Der Gerichtsschreiber: Schmutz

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben