Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 1011/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_1011/2012

Urteil vom 18. April 2013
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
T.________, handelnd durch seine Mutter
A.________, Procap für Menschen mit Handicap,
Froburgstrasse 4, 4600 Olten,
Beschwerdeführer,

gegen

Sanitas Grundversicherungen AG,
Reitergasse 1, 8004 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Krankenversicherung (Analysenliste),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 25.
Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
Im 2011 wurde am Spital R.________ eine Blutprobe von dem 2006 geborenen
T.________ molekulargenetisch untersucht (hochauflösende Reihen-Hybridisierung
in situ). Indikation für diese diagnostische Massnahme waren eine mentale
Retardierung unklarer Ätiologie, eine Mikrozephalie, zahlreiche Dysmorphien und
eine hyperkinetische Verhaltensstörung (Bericht Dr. med. S.________, Médecin
Adjoint Pädiatrie Spital L.________ vom 15. Juli 2011). Die Untersuchung ergab
eine Aberration in Form einer ca. 60 kb grossen Duplikation auf dem langen Arm
von Chromosom 14 (Bericht Spital R.________ vom 27. Mai 2011). Die Sanitas
Grundversicherungen AG (nachfolgend: Sanitas), bei welcher T.________
obligatorisch krankenpflegeversichert war, lehnte mit Verfügung vom 7. Dezember
2011 und Einspracheentscheid vom 29. März 2012 eine Übernahme der Kosten von
Fr. 2'863.- ab. Der Ablehnung vorausgegangen war eine ausführliche
Korrespondenz zwischen Dr. med. F.________, Vertrauensarzt des
Krankenversicherers, und Dr. S.________, der die genetische Untersuchung
angeordnet hatte.

B.
Die von A.________, Mutter und gesetzliche Vertreterin von T.________, erhobene
Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug,
Sozialversicherungsrechtliche Kammer, unter Berücksichtigung der von den
Parteien eingereichten Stellungnahmen des Dr. S.________ und von Prof. Dr.
M.________, Spezialarzt für Innere Medizin FMH, Spital B.________, mit
Entscheid vom 25. Oktober 2012 ab.

C.
A.________ hat Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht
mit den Rechtsbegehren, der Entscheid vom 25. Oktober 2012 sei aufzuheben und
die Sanitas sei zu verpflichten, Kostengutsprache für die diagnostischen und
genetischen Untersuchungen im Spital U.________ zu erteilen sowie die Kosten
für die fachmedizinische Stellungnahmen von Dr. S.________ und diejenige von
Prof. Dr. I.________, Medizinische Genetik FMH und FAMH, Chefarzt Medizinische
Genetik Spital B.________, die nachgereicht werde, zu übernehmen bzw. eine
angemessene Entschädigung zu bezahlen.

Die Sanitas beantragt die Abweisung der Beschwerde, desgleichen das kantonale
Verwaltungsgericht. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

D.
Zur Stellungnahme des Prof. Dr. I.________ vom 18. Januar 2013 hat die Sanitas
eine Entgegnung des Prof. Dr. M.________ vom 13. Februar 2013 eingereicht. Dazu
und zur Vernehmlassung des Krankenversicherers hat sich Prof. Dr. I.________ in
einer weiteren Stellungnahme vom 19. März 2013 zuhanden der Rechtsvertreterin
von T.________ bzw. A.________ geäussert.

Erwägungen:

1.
1.1 Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt
(Art. 99 Abs. 1 BGG). Vorbehalten ist der Fall, dass solche Aktenstücke neue
erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel darstellen, die zu einer
Revision (Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG) führen könnten. Tatsachen oder
Beweismittel, welche erst nach dem angefochtenen Entscheid sich ereigneten oder
entstanden, können nicht durch das weitergezogene Urteil veranlasst worden sein
und sind deshalb von vornherein unzulässig (Urteil 9C_334/2010 vom 23. November
2010 E. 2.1, nicht publ. in: BGE 136 V 395, aber in: SVR 2011 KV Nr. 5 S. 20;
vgl. auch Urteil 9C_506/2012 vom 27. September 2012 E. 1). Vom Novenverbot
nicht erfasst werden allgemein bekannte und gerichtsnotorische Tatsachen wie
beispielsweise allgemein zugängliche Fachliteratur (Urteil 9C_334/2010 vom 23.
November 2010 E. 2.3, nicht publ. in: BGE 136 V 395, aber in: SVR 2011 KV Nr. 5
S. 20; vgl. auch Urteil 4A_412/2011 vom 4. Mai 2012 E. 2.2, nicht publ. in: BGE
138 III 294).

1.2 Es kann offenbleiben, ob und inwieweit die Stellungnahme des Prof. Dr.
I.________ vom 18. Januar 2013, in welcher eine breite Auswahl von
Fachliteratur zitiert wird, ein (un-)zulässiges Novum bildet. Der
Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe den medizinischen Sachverhalt
offensichtlich unrichtig erhoben und die fachmedizinischen Beweismittel
willkürlich gewürdigt, insbesondere dadurch, dass sie auf die Beurteilung von
Internisten abgestellt habe, die über keine ausgewiesenen fachlichen
Qualifikationen in medizinischer Genetik verfügten. Eine rechtsfehlerhafte
Sachverhaltsfeststellung führt üblicherweise zur Rückweisung der Sache an die
Vorinstanz. Art. 105 Abs. 2 BGG ermächtigt indessen das Bundesgericht, den
Sachverhalt von Amtes wegen oder auf entsprechendes Begehren zu ergänzen oder
zu berichtigen. Das Bundesgericht kann den Sachverhalt dabei nicht nur auf
Grund der vorinstanzlichen Akten korrigieren, sondern auch gestützt auf die
Beweismittel der Parteien, welche im Rahmen des Schriftenwechsels angeboten
oder im Beweisverfahren selber eingeholt wurden. Das Bundesgericht ist zur
Abnahme solcher neuer Beweismittel freilich nicht verpflichtet; vielmehr wird
es von dieser Befugnis nur zurückhaltend Gebrauch machen (Botschaft des
Bundesrates vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl
2001 S. 4344 zu Art. 99 E-BGG). In concreto rechtfertigt es sich schon aus
prozessökonomischen Gründen, die Stellungnahme von Prof. Dr. I.________ in die
Beurteilung miteinzubeziehen, zumal der Beschwerdeführer damit - wie sich aus
seiner Begründung im Kostenpunkt ergibt - den Mangel einer zusätzlichen
Fachmeinung (neben derjenigen von Dr. S.________) als behoben erachtet und die
Beschwerdegegnerin Fachkompetenz von Prof. Dr. I.________ nicht in Frage
stellt.

2.
2.1 Die soziale Krankenversicherung gewährt Leistungen u.a. bei Krankheit (Art.
3 ATSG; Art. 1a Abs. 2 lit. a KVG). Die obligatorische
Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der
Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Diese
Leistungen umfassen u.a. die ärztlich verordneten Analysen (Art. 25 Abs. 1 und
Abs. 2 lit. b KVG). Die entsprechende Liste (AL) wird vom Departement nach
Anhören der Eidgenössischen Kommission für Analysen, Mittel und Gegenstände
erlassen (Art. 52 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 und Art. 33 Abs. 2 KVG, Art. 34 und
Art. 37f KVV). Die abschliessende in der Regel jährlich überarbeitete Liste der
vergütungsfähigen Analysen mit Tarif ist in Anhang 3 KLV enthalten (Art. 60 KVV
und Art. 28 KLV; SVR 2010 KV Nr. 2 S. 5, 9C_224/2009 E. 2.2 in fine).

Die beim Beschwerdeführer durchgeführte Reihen-Hybridisierung in situ war im
Zeitpunkt der Vornahme (April 2011) in der AL enthalten (vgl. Anhang 3 KLV
Ziff. 2.2.1.3 Molekulare Zytogenetik, Position 2018.05).

2.2 Voraussetzung für eine Kostenübernahme im Rahmen der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung sind Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und
Wirtschaftlichkeit der Leistung (Art. 32 Abs. 1 KVG). Eine Leistung ist
wirksam, wenn sie geeignet ist, das angestrebte diagnostische oder
therapeutische Ziel zu erreichen (BGE 137 V 295 E. 6.1 S. 303). Die
Zweckmässigkeit fragt nach dem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen der
Anwendung im Einzelfall unter Berücksichtigung der damit verbundenen Risiken,
gemessen am angestrebten Heilerfolg der möglichst vollständigen Beseitigung der
körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung sowie allenfalls an der
Missbrauchsgefahr (BGE 137 V 295 E. 6.2 S. 306). Das
Wirtschaftlichkeitserfordernis bezieht sich auf die Wahl unter mehreren
zweckmässigen Diagnose- oder Behandlungsalternativen Bei vergleichbarem
medizinischem Nutzen ist die kostengünstigste Variante bzw. diejenige mit dem
besten Kosten-/Nutzen-Verhältnis zu wählen. Wo es nur eine Diagnose- oder
Behandlungsmöglichkeit gibt, ist nach dem allgemeinen Grundsatz der
Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) die Leistung zu verweigern, wenn
zwischen Aufwand und Heilerfolg ein grobes Missverhältnis besteht (BGE 136 V
395 E.7.4 S. 407; vgl. zum Ganzen Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in:
Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 494 ff.).
2.3
2.3.1 Diagnostische Massnahmen müssen (in Abgrenzung zu Untersuchungen zur
Früherkennung von Krankheiten im Sinne von Art. 26 Abs. 1 KVG) im Zusammenhang
mit der Behandlung einer manifesten Erkrankung oder eines konkreten
Krankheitsverdachts stehen, damit sie durch die obligatorische
Krankenpflegeversicherung zu vergüten sind (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts K 55/05 vom 24. Oktober 2005 E. 1.1). Sie müssen
letztlich der Krankheitsbehandlung dienen (Eugster, a.a.O., Rz. 316 S. 500),
wozu auch gehört, das Eintreten einer Krankheit zu verhindern einschliesslich
eine (Erb-) Krankheit auszuschliessen (RKUV 1995 Nr. K 957 S. 12, K 28/94). Das
bedeutet, dass sie - bei prognostischer Beurteilung (SVR 2008 KV Nr. 1 S. 1, K
47/06 E. 4.1) - therapeutische Konsequenzen haben können. Trifft dies nicht zu,
d.h. ist in dem Sinne der diagnostische Endpunkt erreicht, dass die Therapie
feststeht oder keine (andere) mehr möglich ist, besteht keine
Kostenübernahmepflicht (Eugster, a.a.O., Rz. 320 S. 500). Im Urteil I 322/05
vom 4. Dezember 2005 erachtete das Eidg. Versicherungsgericht als entscheidend
für die Übernahme der Kosten einer molekulargenetischen Blutuntersuchung durch
die Invalidenversicherung bei einem Versicherten, der an einem Geburtsgebrechen
litt, inwiefern in Bezug auf Art und Ausmass der Störung der körperlichen
Funktionen Unklarheit bestand, und ob diesbezüglich von der Massnahme neue, für
die Anwendung der bereits zugesprochenen und durchgeführten oder allenfalls
anderer Therapien bedeutsame Erkenntnisse erwartet werden konnten (E. 4.2.2).
2.3.2 In den einleitenden Bemerkungen zur Analysenliste in Anhang 3 KLV (in der
hier anwendbaren Fassung vom 1. Januar 2011) werden Analysen von der
Kostenübernahme ausgeschlossen, bei denen schon zum Zeitpunkt der Anordnung
feststeht, dass das Resultat keine medizinisch-therapeutischen Konsequenzen
hat. In der Beschwerde wird sinngemäss richtig vorgebracht, dass damit
lediglich gesagt wird, wann eine Leistungspflicht sicher entfällt. Von ebenso
grossem Interesse ist, unter welchen Voraussetzungen eine Vergütung durch die
obligatorische Krankenpflegeversicherung in Betracht fällt. Im Rahmen der
Änderung per 1. Januar 2013 sind gestützt auf einen entsprechenden Vorschlag
des BAG vom 10. Juli 2012 in den einleitenden Bemerkungen zur Analysenliste
solche Bedingungen formuliert worden. Danach gilt Folgendes: "Die Diagnostik
hat mit einer akzeptablen Wahrscheinlichkeit die Konsequenz, dass sie einen
Entscheid über Notwendigkeit und Art einer medizinischen Behandlung oder eine
richtungsgebende Änderung der bisher angewendeten medizinischen Behandlung oder
eine richtungsgebende Änderung der notwendigen Untersuchungen (z.B. zur
rechtzeitigen Verhütung, Erkennung oder Behandlung von typischerweise zu
erwartenden Komplikationen) oder einen Verzicht auf weitere Untersuchungen von
typischerweise zu erwartenden Krankheitssymptomen, Folgeerkrankungen oder
Beschwerden zur Folge hat. Analysen, bei denen schon zum Zeitpunkt der
Anordnung feststeht, dass das Resultat keine der oben erwähnten Konsequenzen
hat, sind von der Kostenübernahme ausgeschlossen". Es spricht nichts dagegen
und es ist unter den Parteien auch nicht streitig, diese Umschreibung der
Voraussetzungen für eine Vergütung von Analysen durch die obligatorische
Krankenpflegeversicherung auch im vorliegenden Fall zum Beurteilungsmassstab zu
nehmen.

3.
Die Vorinstanz hat erwogen, der verantwortliche Arzt habe weder darlegen
können, welche genaue Diagnose er mit der in-situ Reihenhybridisierung zu
bestätigen oder auszuschliessen hoffte, welches Spektrum konkreter Krankheiten
für ihn in Frage gekommen sei, noch habe er aufzuzeigen vermocht, in welcher
Weise die Massnahme die aufgrund der klar erhobenen Symptome bereits
eingeleitete Therapie (intensive heilpädagogische Früherziehung) beeinflussen
könnte. Er sei nicht in der Lage gewesen, die konkreten therapeutischen
Konsequenzen je nach Erkenntnis der Ätiologie aufzuzeigen. In diesem
Zusammenhang sei die Aussage von Prof. Dr. M.________ unwidersprochen
geblieben, wonach auch irgendeine Fehlfunktion eines der in der
Chromosomenuntersuchung unauffällig gebliebenen 25'000 bis 40'000 Gene die
Krankheit hätte verursachen können. Selbst der Umstand, dass eine genetische
Ursache der Erkrankung des Beschwerdeführers offenbar auf der Hand gelegen
habe, sei mangels irgendwie gearteter absehbarer Aussichten auf therapeutische
Konsequenzen nicht von Bedeutung. Sei man sich nämlich weitgehend einig, dass
das Wissen um die Ätiologie der mentalen Retardierung am therapeutischen
Vorgehen nichts zu ändern vermöge - immerhin bestehe Konsens darüber, dass es
keine entsprechende Gentherapie gebe -, so erweise sich die durchgeführte
Chromosomenuntersuchung überwiegend wahrscheinlich nicht als zweckmässig und
folglich auch nicht als wirtschaftlich. Dies gelte sinngemäss umso mehr, als
der diagnostische Endpunkt als erreicht gelte, wenn keine weiteren
therapeutischen Konsequenzen zu erwarten seien.

4.
4.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die
Vorinstanz habe mit keinem Wort zu den mit der Replik eingereichten
Empfehlungen des BAG vom 10. Juli 2012 zur Anpassung des Einleitungstextes zur
Analysenliste Stellung genommen. Abgesehen davon, dass er nicht dartut,
inwiefern dieser angebliche Mangel entscheidrelevant sein könnte (Art. 106 Abs.
2 BGG), werden die aufgrund der erwähnten bundesamtlichen Empfehlungen auf den
1. Januar 2013 vorgenommenen Änderungen in den einleitenden Bemerkungen zur
Analysenliste vorliegend berücksichtigt (E. 2.3.2).
4.2
4.2.1 Materiell trägt der Beschwerdeführer vor, Hauptgrund für den genetischen
Untersuch sei gewesen, mit einer gesicherten Diagnose den Verlauf und die
Risiken seiner Erkrankung besser beurteilen und so die optimale Behandlung
festlegen bzw. die bisherige Therapie anpassen zu können. Diese Zielsetzung
liegt indessen jeder diagnostischen Massnahme zugrunde und vermag für sich
allein genommen die hier zur Diskussion stehende Reihen-Hybridisierung in situ
nicht als wirksame, zweckmässige und wirtschaftliche Leistung im Sinne von Art.
32 Abs. 1 KVG darzutun. Weiter bringt der Beschwerdeführer vor, die genaue
Kenntnis der Natur des Leidens sei von grundsätzlicher Bedeutung und für die
Bestimmung und Anwendung therapeutischer Massnahmen ausschlaggebend. Die
Vervollständigung einer Verdachtsdiagnose könne ausserdem auch in anderer
Hinsicht, z.B. im Hinblick auf die spätere berufliche Eingliederung, von
grösstem Interesse sein. Aus diesen im Grundsatz richtigen Ausführungen lassen
sich jedoch keine Schlussfolgerungen für den hier zu beurteilenden Sachverhalt
ziehen, insbesondere nicht, inwiefern in Bezug auf die konkret in Frage
stehende Analyse die Voraussetzungen gemäss den zum 1. Januar 2013 geänderten
einleitenden Bemerkungen zur AL (E. 2.3.2) gegeben sind. Im Übrigen legt der
Beschwerdeführer nicht dar, welche Verdachtsdiagnose bestand und - im Hinblick
auf mögliche therapeutische Konsequenzen - verifiziert oder ausgeschlossen
werden musste. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob die (sprachbetonte)
mentale Retardierung, um die es hauptsächlich geht, lediglich als ein Symptom
(Krankheitszeichen) zu betrachten oder als eigenständige Diagnose aufzufassen
ist. Wie Prof. Dr. I.________ in seiner Stellungnahme vom 18. Januar 2013
festhält, können heute auch (blosse) Symptome in Diagnoselisten wie die ICD-10
enthalten sein, wenn bzw. weil es nicht immer möglich sei, eine
zugrundeliegende Krankheit zu identifizieren.

Zwei Aussagen von Prof. Dr. I.________ werfen im Übrigen die Frage nach der
Wirksamkeit einer Reihenhybridisierung in situ beim konkreten Beschwerdebild
auf: Indikation für diese diagnostische Massnahme waren eine mentale
Retardierung unklarer Ätiologie, eine Mikrozephalie und verschiedene
Dysmorphien (Bericht Dr. S.________ vom 15. Juli 2011). Prof. Dr. I.________
führt aus, auch wenn die Wahrscheinlichkeit für eine genetische Ursache hoch
sei, bleibe bei etwa der Hälfte aller Patienten mit vergleichbaren Symptomen
die Diagnose unklar. Eine andere Ursache müsse nach wie vor in Betracht gezogen
werden. Je nach untersuchtem Patientenkollektiv bestehe eine Wahrscheinlichkeit
von 20 %, eine Chromosomenanomalie zu identifizieren. Punktmutationen, also
Veränderungen in der Grössenordnung von wenigen Basenpaaren, die durchaus auch
zu den hier in Frage stehenden Symptomen führen könnten, seien auch durch eine
hochauflösende Chromosomenuntersuchung (wie die konkret durchgeführte
Reihen-Hybridisierung in situ) nicht zu erkennen, sondern erforderten spezielle
Nachweismethoden. Die Untersuchung beim Beschwerdeführer ergab eine Aberration
in Form einer ca. 60 kb grossen Duplikation auf dem langen Arm von Chromosom 14
(Bericht Spital R.________ vom 27. Mai 2011). Aus den Ausführungen von Prof.
Dr. I.________ ergibt sich zudem, dass die Entdeckung einer Chromosomenanomalie
häufig und auch im vorliegenden Fall nicht auf einen ursächlichen Zusammenhang
mit den klinischen Symptomen schliessen lässt. Diese Unsicherheit ist auch für
die Frage der Zweckmässigkeit von Bedeutung, wenn davon ausgegangen wird, dass
eine möglichst genaue Diagnose bzw. Kenntnis der Ursache der Symptomatik für
die Wahl der Behandlung oder eine Änderung der Therapie (mit-) entscheidend
ist. Die Diagnostik muss mit einer akzeptablen Wahrscheinlichkeit die in den
einleitenden Bemerkungen zur Analysenliste (in der seit 1. Januar 2013
geltenden Fassung) alternativ umschriebenen Konsequenzen haben (E. 2.3.2).
4.2.2 Schliesslich bestreitet der Beschwerdeführer, dass in seinem Fall der
diagnostische Endpunkt bereits erreicht und die Therapie feststehe. Im
kantonalen Verfahren seien die möglichen Therapieoptionen sowie weitere
wertvolle Erkenntnisse aus dem genetischen Untersuch (z.B. frühzeitige
Erkennung anderer Krankheiten, rechtzeitige Einleitung von schulischen
Fördermassnahmen) hinlänglich dokumentiert worden. Damit übt er in erster Linie
unzulässige appellatorische Kritik an der betreffenden Feststellung der
Vorinstanz (E. 3; BGE 137 II 353 E. 5.1 S. 356). Im Übrigen ist das Vorbringen
auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme von Prof. Dr. I.________ vom 18.
Januar 2013 nicht stichhaltig. Der Facharzt hält u.a. fest, es bestehe kein
vernünftiger Grund anzunehmen, dass bereits bei der Anordnung der Untersuchung
ein Fehlen medizinisch-therapeutischer Konsequenzen ihres Resultats
festgestanden habe. Eine Feststellung in diesem Sinne hat die Vorinstanz
indessen nicht getroffen, ebenso wenig wie sie die Möglichkeit einer Heilung
der angeborenen Behinderung (durch eine Gentherapie) als Voraussetzung der
Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung für ihre
Diagnose postuliert hat.

Weiter erwähnt Prof. Dr. I.________ Beispiele von genetischen Erkrankungen
(Chromosomenanomalien), die unmittelbare Auswirkungen auf Therapie und
klinisches Management haben können, wobei er zwischen kausalen (die Ursachen
beeinflussenden) und symptomatischen (die Symptome mildernden) Behandlungen
unterscheidet (vgl. auch BGE 121 V 289 E. 4b S. 295). Dabei führt er u.a. aus,
Betroffene mit seltenen "privaten" Mikrodeletions- und Duplikationssyndromen
könnten unmittelbar von den in Datenbanken und Publikationen zugänglichen
Erfahrungen mit vergleichbaren Anomalien profitieren. Diese beträfen die
Wirksamkeit durchgeführter Behandlungen, Erkenntnisse zur Prognose, zu
geeigneten Fördermassnahmen und Konsequenzen für die Lebensplanung. In einer
retrospektiven Studie sei gezeigt worden, dass die Diagnose einer Mikrodeletion
oder -duplikation das klinische Management bei der Mehrzahl der Patienten
beeinflusst habe. In seiner Stellungnahme vom 19. März 2013 erwähnt Prof. Dr.
I.________ eine neue Studie, wonach hochauflösende Chromosomenuntersuchungen in
7 % aller befundeten Tests zu Managementempfehlungen der Evidenzlevel 1 oder 2
geführt haben. Der Facharzt vermag indessen kein Beispiel mit einigermassen
vergleichbarer Symptomatik wie beim Beschwerdeführer anzugeben, wo eine
aufgrund eines mehr oder weniger starken Verdachts auf eine - allenfalls
ursächliche - Chromosomenanomalie durchgeführte diagnostische Untersuchung, wie
namentlich eine hochauflösende Reihen-Hybridisierung in situ, zu konkreten
therapeutischen Konsequenzen im Sinne der einleitenden Bemerkungen zur
Analysenliste (in der seit 1. Januar 2013 geltenden Fassung; vgl. E. 2.3.2)
führte. In diesem Zusammenhang ist die Aussage von Prof. Dr. M.________ in
seiner Entgegnung vom 9. Februar 2013 unwidersprochen geblieben, wonach bei
keiner der verschiedenen genetischen Ursachen der mentalen Retardierung bisher
eine Therapie gefunden werden konnte. Auch im konkreten Fall zeitigte das
Resultat der beim Beschwerdeführer durchgeführten Chromosomenanalyse offenbar
keine weiteren für die Frage der Vergütung durch die obligatorische
Krankenpflegeversicherung bedeutsame Folgen auch nicht im Sinne einer
richtunggebenden Klärung der Frage, welche zusätzlichen diagnostischen
Massnahmen mit akzeptabler Wahrscheinlichkeit zu einer der seit 1. Januar 2013
geforderten Konsequenzen führen können.

4.3 Nach dem Gesagten verletzt der vorinstanzlich Entscheid kein Bundesrecht.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Einen Anspruch auf
Parteientschädigung für seine anwaltliche Vertretung hat er nicht (Art. 68 Abs.
2 BGG). Jedoch sind ihm unter diesem Titel von der Beschwerdegegnerin die
Kosten der Stellungnahme des Prof. Dr. I.________ vom 18. Januar 2013 - nicht
jedoch diejenigen des Dr. S.________ - zu ersetzen, da sie nicht von vornherein
unberechtigt war (vgl. E. 1.2; vgl. RKUV 2004 Nr. U 503 S. 15, U 282/00 E. 5.1)
Dies gilt hier umso mehr, als die Beschwerdegegnerin mit Prof. Dr. M.________ -
wenn auch bereits als Prozesspartei - bewusst eine kritische Stimme beauftragt
hatte.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen

2.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer Fr. 2'625.- für die
Stellungnahme des Prof. Dr. I.________ vom 18. Januar 2013 zu bezahlen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug,
Sozialversicherungsrechtliche Kammer, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. April 2013

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Der Gerichtsschreiber: Fessler

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