Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 1005/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_1005/2012

Urteil vom 19. Dezember 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Kernen,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
G.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Ausgleichskasse Zug,
Baarerstrasse 11, 6300 Zug,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 6.
November 2012.

Sachverhalt:

A.
Mit Einspracheentscheid vom 31. August 2012 wurde G.________ verpflichtet, der
Ausgleichskasse Zug Schadenersatz für entgangene Sozialversicherungsbeiträge in
der Höhe von Fr. 14'622.- zu bezahlen.

B.
Auf die von der Versicherten dagegen erhobene Beschwerde (Postaufgabe: 10.
Oktober 2012) trat das Verwaltungsgericht des Kantons Zug zufolge verspäteter
Einreichung nicht ein (Entscheid vom 6. November 2012).

C.
G.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt sinngemäss, der kantonale Nichteintretensentscheid sei aufzuheben und
das Verwaltungsgericht sei zu verpflichten, auf die rechtzeitig erhobene
Beschwerde einzutreten.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.
Gemäss Art. 60 Abs. 1 ATSG ist die Beschwerde innerhalb von 30 Tagen nach der
Eröffnung des Einspracheentscheides oder der Verfügung, gegen welche eine
Einsprache ausgeschlossen ist, einzureichen. Diese Frist kann nicht erstreckt
werden (Art. 40 Abs. 1 ATSG). Nach Art. 39 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 60
Abs. 2 ATSG ist die 30-tägige Frist nur gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens
am letzten Tag der Frist beim erstinstanzlichen Versicherungsgericht
eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer
schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben wird.
Läuft die Frist unbenützt ab, so erwächst der Verwaltungsentscheid in
(formelle) Rechtskraft mit der Wirkung, dass das erstinstanzliche Gericht auf
eine verspätet eingereichte Beschwerde nicht eintreten darf (vgl. BGE 134 V 49
E. 2 S. 50 f.).

3.
Wie die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat, ging der
Einspracheentscheid der Ausgleichskasse vom 31. August 2012 am 1. September
2012 bei der Poststelle in X.________ ein. Aufgrund eines von der
Beschwerdeführerin erteilten Rückbehaltungsauftrages behielt die Post in
X.________ die Sendung zurück. Am 11. September 2012 holte die
Beschwerdeführerin sie schliesslich am Schalter in Y.________ ab (vgl. auch
Sendungsverfolgung der Post).

3.1 Gestützt auf die Rechtsprechung, gemäss welcher eine eingeschriebene
Sendung, sofern der Adressat mit deren Zustellung hatte rechnen müssen,
spätestens am letzten Tag einer Frist von sieben Tagen ab Eingang bei der
Poststelle am Ort des Empfängers als zugestellt gilt, wenn der Post vom
fraglichen Empfänger ein Zurückbehaltungsauftrag erteilt worden ist (BGE 134 V
49 E. 4 S. 52), gelangte die Vorinstanz zum Ergebnis, dass die siebentägige
Frist am 1. September 2012, als die Sendung bei der Poststelle in X.________
einging, zu laufen begann und am 8. September 2012 endete. Die demnach ab 9.
September 2012 laufende Beschwerdefrist habe am 8. Oktober 2012 geendet. Damit
sei die am 10. Oktober 2012 der Post übergebene Beschwerde verspätet.

3.2 Die Beschwerdeführerin macht sinngemäss geltend, eingeschriebene Sendungen
würden an ihrem Wohnort am Samstag nie zugestellt und es erfolge an diesem Tag
auch keine Avisierung im Briefkasten. Auch ohne einen
Postzurückbehaltungsauftrag (welchen sie erteilt habe, weil sie mit der
Zustellung des Entscheides gerechnet habe) wäre der Erstzustellversuch deshalb
auf den folgenden Montag, 3. September 2012, gefallen. Damit wäre die Sendung
bei der Poststelle "an ihrem Ort" in Y.________ (wo sie eingeschriebene
Sendungen stets abzuholen habe - nie in X.________) am 4. September 2012
eingegangen und der siebte Tag der Abholfrist der 11. September 2012. Sie
verweist in diesem Zusammenhang auf die auf der Abholungseinladung angegebene,
damit übereinstimmende Abholfrist. Die Rechtsmittelfrist habe demnach am 11.
September 2012 zu laufen begonnen und am 10. Oktober 2012 geendet, womit die
Beschwerde rechtzeitig erhoben worden sei. Im Übrigen habe sie den
Rückbehaltungsauftrag nicht erteilt, "um die Frist unnötigerweise zu
verlängern". Ihrer Eingabe legt die Beschwerdeführerin eine Übersicht über die
eingeschränkten Öffnungszeiten der Poststelle Y.________ bei, insbesondere um
zu belegen, dass eingeschriebene Sendungen samstags nicht abgeholt werden
können.

3.3 Mit dieser Argumentation übersieht die Beschwerdeführerin, dass bei einem
Postrückbehaltungsauftrag eine eingeschriebene Sendung stets spätestens am
letzten Tag der siebentägigen, ab Eingang bei der Poststelle am Ort des
Adressaten laufenden Frist als zugestellt gilt (BGE 134 V 49 E. 4 S. 52) und
einer anderslautenden Abholungseinladung der Post keine Bedeutung zukommt. So
ging auch in dem mit Urteil 4A_422/2012 vom 15. August 2012 beurteilten
Sachverhalt die eingeschriebene Sendung an einem Samstag, 2. Juni 2012, bei der
Poststelle am Ort des Empfängers ein (hier: am Samstag, 1. September 2012) und
wurde diesem zufolge eines Auftrages "Zurückbehalten gemäss Auftrag Empfänger/
Eingang ausserhalb der Geschäftszeit" erst am darauf folgenden Montag, 4. Juni
2012, zur Abholung gemeldet (hier: am Montag, 3. September 2012). Auch in
dieser analogen Konstellation galt die Sendung nach einer Frist von sieben
Tagen ab 2. Juni 2012, mithin am 9. Juni 2012, als zugestellt (hier: nach einer
Frist von sieben Tagen ab 1. September 2012, mithin am 8. September 2012), dies
ungeachtet der davon abweichenden Abholungseinladung der Post (welcher der
damalige Beschwerdeführer erst am siebten Tag, am 11. Juni 2012, folgte).

Was die Beschwerdeführerin aus dem Umstand, dass sie eingeschriebene Sendungen
samstags nicht abholen könne, abzuleiten versucht, ist nicht nachvollziehbar.
Denn es verhält sich ohnehin so, dass am Freitag aufgegebene eingeschriebene
Sendungen (wie diejenige vom 31. August 2012) nach den Gepflogenheiten der Post
nicht am Samstag, sondern erst am Montag zugestellt werden (ausgenommen bei
Postfächern). Dies ändert aber nichts daran, dass, wer einen
Postrückbehaltungsauftrag erteilt hat, sich die ab Eintreffen bei der
Poststelle laufende Frist, welche bei Postaufgabe am Freitag in aller Regel auf
einen Samstag fällt (wie hier auf den 1. September 2012), entgegenhalten lassen
muss.

Nichts ergibt sich sodann aus der von der Beschwerdeführerin angeführten
Tatsache, dass sie eingeschriebene Postsendungen nie in X.________ abzuholen
habe. Denn bei der Poststelle in X.________ handelt es sich um die zuständige
Distributionsstelle, an welche nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin
der Postrückbehaltungsauftrag ging. Würde anders entschieden, hätte die
Beschwerdeführerin es mit der Erteilung eines Postrückbehaltungsauftrages an
die Poststelle in X.________ in der Hand, eine Verlängerung der Frist zu
erwirken.

Demnach muss es mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass die beim
Verwaltungsgericht am 10. Oktober 2012 eingereichte Beschwerde verspätet ist.

3.4 Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren
nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt.

4.
Ausgangsgemäss hat die unterliegende Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 200.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug,
Sozialversicherungsrechtliche Kammer, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. Dezember 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann