Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.74/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_74/2012

Urteil vom 30. März 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Schöbi,
Gerichtsschreiber C. Monn.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Strafzumessung (mehrfache Veruntreuung, mehrfache Körperverletzung etc.);
bedingter Strafvollzug,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 2. Dezember 2011.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bezirksgericht Zürich sprach X.________ am 17. Juni 2010 der mehrfachen
ungetreuen Geschäftsbesorgung, der mehrfachen Veruntreuung in drei Fällen, der
Urkundenfälschung, des Betrugs, der mehrfachen vorsätzlichen Körperverletzung,
der groben Verletzung der Verkehrsregeln, des Verstosses gegen Art. 23 Abs. 1
al. 5 ANAG sowie des Verstrickungsbruchs schuldig und verurteilte ihn zu einer
Freiheitsstrafe von drei Jahren. Der Vollzug wurde nicht aufgeschoben.

X.________ stellte im kantonalen Berufungsverfahren die Anträge, er sei von den
Vorwürfen der ungetreuen Geschäftsbesorgung, der Veruntreuung, der
Urkundenfälschung und des Betrugs freizusprechen. In Bezug auf die
Körperverletzung sei auf fahrlässige Tatbegehung zu erkennen. Er sei mit einer
Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 50.-- und eventualiter mit einer
Freiheitsstrafe von höchstens 18 Monaten zu bestrafen. Es sei ihm der bedingte
Strafvollzug zu gewähren.

Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 2. Dezember 2011 von
den Vorwürfen der Veruntreuung in einem Fall, der Urkundenfälschung und des
Betrugs frei. Für die restlichen Straftaten verurteilte es ihn zu 28 Monaten
Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 50.--. Der
Vollzug beider Strafen wurde nicht aufgeschoben.

X.________ wendet sich mit Beschwerde ans Bundesgericht und beantragt, die
Strafe sei auf höchstens zwei Jahre anzusetzen. Der bedingte Vollzug sei zu
gewähren.

2.
Am Rande äussert sich der Beschwerdeführer zu zwei Schuldsprüchen (Beschwerde
S. 3-5 E. 3). Da sein Begehren nur auf eine Änderung des angefochtenen
Entscheids im Strafpunkt lautet, ist fraglich, ob darauf einzutreten ist (Art.
42 Abs. 1 BGG). Die Frage kann offen bleiben, weil die Vorbringen unbegründet
sind.

In Bezug auf die Veruntreuung zweier Ringe kann in Anwendung von Art. 109 Abs.
3 BGG auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. angefochtenen
Entscheid S. 9-15 E. 4). Der Beschwerdeführer bemängelt den Sachverhalt
(Beschwerde S. 3/4). Dieser kann vor Bundesgericht angefochten werden, wenn die
Vorinstanz ihn offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG bzw.
willkürlich im Sinne von Art. 9 BV festgestellt hat. Willkür liegt vor, wenn
der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen
Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dass eine andere Lösung ebenfalls
vertretbar erscheint, genügt nicht (BGE 137 I 1 E. 2.4). Die angebliche Willkür
ist präzise zu rügen, und die Rüge ist zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerde nicht. So macht der
Beschwerdeführer z.B. geltend, die Vereinbarung, mit der er nach den
Feststellungen der Vorinstanz anerkannt hat, die beiden vom Geschädigten
eingelieferten Ringe unrechtmässig und auf eigene Rechnung verkauft zu haben,
sei "unter enormem Druck und Erpressung sowie Drohungen" zustandegekommen
(Beschwerde S. 3). Die Vorinstanz erachtet das Vorbringen als unglaubhaft, weil
nicht erklärlich sei, dass der Beschwerdeführer auf die angebliche
Drucksituation erst im Berufungsverfahren hingewiesen hat (angefochtener
Entscheid S. 11/12). Was an dieser Überlegung willkürlich sein könnte, ergibt
sich aus der Beschwerde nicht.

In Bezug auf den zweiten Schuldspruch wegen Veruntreuung macht der
Beschwerdeführer geltend, dass man auf Seiten der Geschädigten über sein
Vorleben bestens informiert gewesen sei, weshalb eine "erhöhte Aufmerksamkeit"
angebracht gewesen wäre (Beschwerde S. 5). Dieses Vorbringen wäre allenfalls
bei einem Betrugsvorwurf im Rahmen der Prüfung der Arglist von Belang, während
eine Veruntreuung auch begeht, wer nicht arglistig handelt.

3.
Zur Hauptsache wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe der Strafe.
Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden
des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse
und die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die Bewertung des
Verschuldens richtet sich gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung nach der Schwere
der Verletzung oder der Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der
Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie
danach, wie weit er nach den innern und äussern Umständen in der Lage war, die
Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden. Es liegt im Ermessen des Sachgerichts,
in welchem Umfang es den verschiedenen Strafzumessungsfaktoren Rechnung trägt.
Das Bundesgericht greift nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen
Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht
massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser
Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch
gewichtet hat (BGE 134 IV 17 E. 2.1 mit Hinweisen).

In Anwendung von Art. 109 Abs. 3 BGG kann auf die einlässlichen und
überzeugenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. angefochtenen
Entscheid S. 31-43 E. 10).

Der Beschwerdeführer bemängelt, dass die Vorinstanz trotz der Freisprüche eine
fast gleich hohe Strafe wie das Bezirksgericht verhängt habe (Beschwerde S. 3).
Da es indessen insbesondere bei einer sehr schwerwiegenden Veruntreuung im
Deliktsbetrag von rund Fr. 230'000.-- sowie der zweifachen vorsätzlichen
Körperverletzung bleibt, liegt die durch die Vorinstanz festgesetzte Strafe
innerhalb des Ermessens.

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er der im Deliktsbetrag von Fr.
230'000.-- Geschädigten Fr. 15'000.-- zurückbezahlt habe (Beschwerde S. 3).
Dies hat die Vorinstanz nicht übersehen. Sie stellt jedoch zusätzlich fest, der
gute Eindruck werde dadurch getrübt, dass der Beschwerdeführer sich nach der
Rückzahlung wieder auf eine Vertröstungs- und Verzögerungstaktik verlegt habe
(angefochtener Entscheid S. 40).

Zur Frage der Verletzung des Beschleunigungsgebotes äussert sich die Vorinstanz
ausführlich (angefochtener Entscheid S. 40-42). Angesichts der übrigen
Strafzumessungsfaktoren ist nicht ersichtlich, dass sie die Bearbeitungslücke
von Januar 2006 bis September 2007 nicht hinreichend berücksichtigt hätte. Dass
es vom 18. März bis zum 9. Mai 2011 dauerte, bis beim Gericht eine von diesem
verlangte verbesserte Anklageschrift einging (vgl. angefochtenen Entscheid S. 6
/7), ist entgegen der Meinung des Beschwerdeführers (Beschwerde S. 5) unter dem
Gesichtswinkel des Beschleunigungsgebotes nicht zu beanstanden.

Zur Frage der Vorstrafe äussert sich die Vorinstanz ebenfalls (angefochtener
Entscheid S. 38). Zu Recht gewichtet sie erheblich straferhöhend, dass der
Beschwerdeführer relativ kurz nach der Verbüssung einer Freiheitsstrafe erneut
in gleicher Art zu delinquieren begann. Dass die Vorstrafe weit zurückliegt und
mit den heute zu beurteilenden Vorfällen nichts zu tun hat (Beschwerde S. 5),
ist demgegenüber nicht ausschlaggebend.
Der Beschwerdeführer verweist auf seine familiäre und berufliche Situation
(Beschwerde S. 5/6). Die Verbüssung einer Freiheitsstrafe ist indessen für
jeden arbeitstätigen und in ein familiäres Umfeld eingebetteten Beschuldigten
mit einer gewissen Härte verbunden. Als unmittelbare gesetzmässige Sanktion
darf diese Konsequenz nur bei aussergewöhnlichen Umständen erheblich
strafmindernd wirken (Urteil 6B_449/2011 vom 12. September 2011 E. 3.5). Solche
Umstände sind nicht ersichtlich.

Die Vorinstanz stellt fest, dem Beschwerdeführer sei es reichlich spät in den
Sinn gekommen, Reue und Einsicht zu bekunden (angefochtener Entscheid S. 39).
Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, dass er ausdrücklich auf sein Recht
hingewiesen worden sei, jede Aussage zu verweigern (Beschwerde S. 6). Dieses
Recht hatte er tatsächlich. Indessen führt der Umstand, dass jemand von diesem
Recht Gebrauch macht, zwangsläufig dazu, dass es kein frühzeitiges Geständnis
gibt, welches ihm zugute gehalten werden könnte.

Gesamthaft gesehen ist die Strafzumessung nicht zu beanstanden.

4.
Der Beschwerdeführer strebt schliesslich den bedingten Strafvollzug an
(Beschwerde S. 7). Auch in diesem Punkt kann in Anwendung von Art. 109 Abs. 3
BGG auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. angefochtenen
Entscheid S. 43). Angesichts des Umstands, dass der Beschwerdeführer nur gerade
neun Monate nach der teilweisen Verbüssung einer Freiheitsstrafe von
zweieinhalb Jahren, die wegen verschiedener Vermögensdelikte ausgesprochen
worden war, erneut einschlägig delinquierte und dies auch während der laufenden
Untersuchung nicht unterliess, ist die Annahme einer ungünstigen Prognose nicht
zu beanstanden. Zur Strafempfindlichkeit kann auf das in E. 3 Gesagte verwiesen
werden.

5.
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BG). Das nachträglich gestellte
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG
abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der finanziellen
Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu
tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. März 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Monn