Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.739/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_739/2012

Urteil vom 13. Mai 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Borner.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Suter,
Beschwerdeführer,

gegen

Jugendanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus,
5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Elternbeiträge an Unterbringungskosten,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau,
Jugendbeschwerdekammer, vom 17. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
Im Rahmen eines Jugendstrafverfahrens verfügte die Jugendanwaltschaft des
Kantons Aargau am 12. Januar resp. 13. April 2010 die vorsorgliche
Unterbringung des Y.________.

Das Jugendgericht Muri verurteilte ihn am 24. Januar 2012 wegen verschiedener
Vermögens- und SVG-Delikte zu einem 12-monatigen Freiheitsentzug und ordnete
als Schutzmassnahme seine Unterbringung an.

B.
Die Jugendanwaltschaft verpflichtete am 15. Mai 2012 die Eltern von Y.________,
ab Anfang 2011 monatlich Fr. 750.-- an die Unterbringungskosten ihres Sohnes zu
zahlen (Art. 45 Abs. 5 JStPO).

Eine Beschwerde des Vaters, X.________, gegen diesen Entscheid wies das
Obergericht des Kantons Aargau am 17. Oktober 2012 ab.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt sinngemäss, das
angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei von jeglicher Zahlungspflicht zu
befreien.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Art. 277 Abs. 2 ZGB. Die
Unterstützungspflicht der Eltern eines mündigen Kindes dauere nicht unbestimmt
lange, auch nicht bis zum Abschluss der Ausbildung, sondern gemäss gesetzlicher
Vorgabe bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Ausbildung ordentlicherweise
abgeschlossen werden kann.

Sein Sohn (geb. 1992) habe nach der obligatorischen Schulpflicht (Sommer 2008)
weder eine Ausbildung begonnen noch sich nur dafür interessiert. Im Frühjahr
2009 habe er mit seiner deliktischen Tätigkeit begonnen, bis er Ende desselben
Jahres verhaftet worden sei. Die Kochlehre habe er jedoch erst im August 2011
und damit drei Jahre nach Schulaustritt begonnen.

1.1 Die Eltern haben das Kind ihren Verhältnissen entsprechend zu erziehen und
ihm eine angemessene allgemeine und berufliche Ausbildung zu verschaffen. Zu
diesem Zweck sollen sie in geeigneter Weise mit der Schule und, wo es die
Umstände erfordern, mit der öffentlichen und gemeinnützigen Jugendhilfe
zusammenarbeiten (Art. 302 ZGB).
Mit Ausbildung ist ein umfassender Prozess gemeint, der mit der Volksschule
beginnt und sich in Schulen allgemeinbildender oder berufsbezogener Art,
praktischer Anlehre oder Berufslehre fortsetzt. Die Unterhaltspflicht der
Eltern nach der Mündigkeit hat ihren Grund in der elterlichen Pflicht, dem Kind
eine angemessene Ausbildung zu verschaffen. Diese soll das Kind zur
Eigenverantwortung befähigen, vor allem auch dazu, für seinen Unterhalt selbst
aufzukommen (CYRIL HEGNAUER, Berner Kommentar, N 28 f. und 44 zu Art. 277 ZGB).

1.2 Dass und inwiefern die Eltern sich bemüht hätten, ihren Sohn nach der
obligatorischen Schulzeit zu einer Berufsausbildung zu bewegen, zeigt der
Beschwerdeführer nicht auf. Für eine Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe finden
sich ebenso wenig Hinweise. Erst mit der vorsorglichen Unterbringung des Sohnes
im Januar 2010 und damit noch vor seiner Volljährigkeit griff die
Jugendanwaltschaft ein, um seine Eigenverantwortung zu fördern. Dass es dann
noch mehr als ein Jahr dauerte, bis der Sohn mit der Kochlehre begann, ist
angesichts seiner Vorgeschichte nachvollziehbar.

Unstreitig handelt es sich bei der Kochlehre um seine Erstausbildung. Deshalb -
und weil die Eltern im Anschluss an die obligatorische Schulzeit nicht auf
einer Berufsausbildung ihres Sohnes beharrten - durfte die Vorinstanz die
Unterhaltspflicht der Eltern bejahen, ohne Art. 277 ZGB zu verletzen. Die Höhe
des Unterhaltsbeitrags stellt der Beschwerdeführer nicht in Frage.

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, alle Kosten, die sich bis zum Erlass eines
Strafurteils ansammeln, seien Untersuchungskosten, über deren Tragung im
Strafurteil zu befinden sei. Aus Art. 45 Abs. 5 JStPO ergebe sich nichts
Gegenteiliges.

Die Rüge ist unbegründet. Der Vollzug von Schutzmassnahmen wie die
Unterbringung des Sohnes (Art. 10 i.V.m. Art. 15 JStG), und zwar auch die
vorsorgliche, zählt zu den Vollzugskosten (Art. 45 Abs. 1 lit. a und b JStPO).

3.
Die Beschwerde ist kostenpflichtig abzuweisen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Jugendbeschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2013
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Borner

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