Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.738/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_738/2012

Urteil vom 18. Juli 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Faga.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechsanwalt Arthur Zeller,
Beschwerdeführerin,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Fahrlässige Tötung; Willkür, rechtliches Gehör,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
2. Kammer, vom 16. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.

 Am 30. März 2009 ereignete sich auf der Kreuzung Badenerstrasse/
Dättwilerstrasse in Dättwil (AG) eine Kollision zwischen einem Ambulanzfahrzeug
und einem Motorrad. X.________ befand sich als Lenkerin des Ambulanzfahrzeugs
auf einer dringlichen Dienstfahrt. Sie überfuhr die Kreuzung bei Rot und
kollidierte mit dem Motorrad von Y.________, der die Kreuzung von links bei auf
Grün stehender Lichtsignalanlage befuhr. Y.________ erlitt durch den Unfall
verschiedene Verletzungen, an deren Folgen er gleichentags verstarb.

B.

 Das Bezirksgericht Baden verurteilte X.________ am 14. April 2011 wegen
fahrlässiger Tötung und bestrafte sie mit einer bedingten Geldstrafe von 60
Tagessätzen zu Fr. 50.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren sowie mit einer
Busse von Fr. 1'000.--. Das Obergericht des Kantons Aargau bestätigte am 16.
Oktober 2012 auf Berufung von X.________ den Schuldspruch wie auch die Höhe der
Geldstrafe und reduzierte die Busse auf Fr. 750.--.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Aargau sei aufzuheben, und sie sei von Schuld und
Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

 Die Vorinstanz geht von folgendem Sachverhalt aus (Entscheid S. 11 ff.) : Die
Beschwerdeführerin fuhr in Begleitung zweier Kollegen anlässlich einer
dringlichen Dienstfahrt vom Spital Baden aus auf der Dättwilerstrasse in
Richtung Wettingen. Bereits ab der Notfallpforte schaltete sie das Blaulicht
und wenig später das Wechselklanghorn des Ambulanzfahrzeugs ein. Als sie sich
mit ca. 60 km/h der Kreuzung Dättwilerstrasse/Badenerstrasse näherte, sah sie,
dass die Lichtsignalanlage auf Rot stand und die vor der Ampel stehenden
Fahrzeuge eine Gasse gebildet hatten. Ebenso hatten auf der Badenerstrasse
(rechte Fahrspur in Richtung Bern/Bremgarten) zwei Personenwagen angehalten.
Die Beschwerdeführerin reduzierte die Geschwindigkeit auf 12 km/h, passierte
mit 12 - 19 km/h die vor dem Lichtsignal durch die Autos gebildete Gasse und
überfuhr die Haltelinie der Ampel, welche immer noch auf Rot stand, mit 19 km/
h. Ab der Haltelinie bis zum Kollisionsort betrug die Geschwindigkeit der
Ambulanz konstant 19 km/h. Der Motorradfahrer näherte sich mit einer
Geschwindigkeit von 71 km/h. Die Kollision erfolgte, nachdem die
Beschwerdeführerin die aus ihrer Sicht erste Fahrspur der Badenerstrasse
überfahren hatte. Im Zeitpunkt, als sich das Ambulanzfahrzeug 8.8 m vom
Kollisionsort entfernt befand und damit die Wartelinie noch nicht überquert
hatte, war der Motorradfahrer für die Beschwerdeführerin erkennbar. Die
Vorinstanz stellt nicht fest, dass die Beschwerdeführerin den Motorradfahrer
vor dem Unfall erblickte.

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin sieht Art. 117 StGB in Verbindung mit Art. 12 Abs.
3 StGB verletzt. Sie argumentiert, die gutachterliche Schlussfolgerung des
"Dynamic Test Center" (nachfolgend: DTC), wonach sie den Motorradfahrer hätte
sehen können, als sie 8.8 m vom Kollisionsort entfernt war, möge zutreffen.
Jedoch blende die Vorinstanz die Komplexität der Kreuzung aus. Sie habe sehr
wohl nach links geschaut. Wenn sie kurz vor dem fraglichen Zeitpunkt nach links
geschaut habe, als der Motorradfahrer noch nicht sichtbar gewesen sei, und in
der Folge ihren Blick nach rechts habe schweifen lassen, so sei die Kollision
nicht vermeidbar gewesen. Sie habe sich erst zum Losfahren entschieden, nachdem
sie sich vergewissert habe, dass auf allen Spuren die Fahrzeuge stillgestanden
hätten. Zudem sei die Adäquanz zu verneinen. Sie habe nicht damit rechnen
müssen, dass der Motorradfahrer das Wechselklanghorn, das Blaulicht und die auf
allen Spuren stehenden Fahrzeuge nicht wahrnehme. Auch habe er die
signalisierte Höchstgeschwindigkeit missachtet. Sein Fahrverhalten sei die
unmittelbarste Ursache der Kollision. Indem die Vorinstanz die Adäquanz bejahe,
verletze sie Bundesrecht (Beschwerde S. 4 ff.).

2.2. Die Vorinstanz erwägt, teilweise unter Hinweis auf das erstinstanzliche
Urteil, der Sorgfaltsmassstab richte sich unter anderem nach den Bestimmungen
des Strassenverkehrsgesetzes und dem Merkblatt des Eidgenössischen Departements
für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) vom 6. Juni 2005 zur
Verwendung von Blaulicht und Wechselklanghorn. Danach müsse bei der Einfahrt in
eine Verzweigung so langsam gefahren werden, dass noch rechtzeitig angehalten
werden könne, falls andere vortrittsberechtigte Verkehrsteilnehmer die
besonderen Warnsignale übersehen oder nicht beachten. Die Beschwerdeführerin
habe, nachdem sie die von den Fahrzeugen gebildete Gasse passiert habe, die
Geschwindigkeit auf 19 km/h erhöht und die Verzweigung ohne zu bremsen
überfahren. Dies sei sorgfaltswidrig. Sie hätte sich vergewissern müssen, dass
von links kein Fahrzeug nahen würde respektive die jeweiligen
Verkehrsteilnehmer auf den drei Fahrspuren auf der Dättwilerstrasse (gemeint:
Badenerstrasse) sie gesehen hätten und sich korrekt verhalten würden. Bei einer
allfälligen Ungewissheit nach dem Überfahren der Haltelinie hätte sie
mindestens noch einmal abbremsen müssen. Die Vorinstanz legt in der Folge dar,
dass auch der Motorradfahrer unaufmerksam gewesen sei, seine Fahrweise jedoch
an der Voraussehbarkeit des Erfolgseintritts nichts ändere (Entscheid S. 14
ff.).

2.3.

2.3.1. Fahrlässig handelt, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger
Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt (Art. 12 Abs.
3 StGB). Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung gemäss Art. 117 StGB setzt
voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht
verursacht hat. Sorgfaltswidrig ist die Handlungsweise, wenn der Täter zum
Zeitpunkt der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten
die damit bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können
und müssen und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten
hat. Wo besondere, der Unfallverhütung und der Sicherheit dienende Normen ein
bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der zu beachtenden
Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften. Fehlen solche, kann auf
analoge Regeln privater oder halbprivater Vereinigungen abgestellt werden,
sofern diese allgemein anerkannt sind. Dies schliesst nicht aus, dass der
Vorwurf der Fahrlässigkeit auch auf allgemeine Rechtsgrundsätze wie etwa den
allgemeinen Gefahrensatz gestützt werden kann (BGE 135 IV 56 E. 2.1 S. 64; 127
IV 62 E. 2d S. 64 f.; je mit Hinweisen). Die Zurechenbarkeit des Erfolgs
bedingt die Vorhersehbarkeit nach dem Massstab der Adäquanz. Weitere
Voraussetzung ist, dass der Erfolg vermeidbar war. Dabei wird ein
hypothetischer Kausalverlauf untersucht und geprüft, ob der Erfolg bei
pflichtgemässem Verhalten des Täters ausgeblieben wäre. Für die Zurechnung des
Erfolgs genügt, wenn das Verhalten des Täters mindestens mit einem hohen Grad
an Wahrscheinlichkeit die Ursache des Erfolgs bildete (BGE 135 IV 56 E. 2.1 S.
64 f. mit Hinweisen).

2.3.2. Nach Art. 100 Ziff. 4 SVG ist der Führer eines Feuerwehr-, Sanitäts-
oder Polizeifahrzeugs auf einer dringlichen Dienstfahrt wegen Missachtung der
Verkehrsregeln und der besonderen Anordnungen für den Verkehr nicht strafbar,
sofern er die erforderlichen Warnsignale gibt und alle Sorgfalt beobachtet, die
nach den besonderen Verhältnissen erforderlich ist. Das Bundesgericht hat
festgehalten, dass das Mass der zu beachtenden Sorgfalt umso grösser ist, je
wichtiger die verletzte Verkehrsregel für die Verkehrssicherheit ist. Der
Fahrzeuglenker, der die ordentlichen Vortrittsregeln missachtet, muss die durch
die Umstände gebotenen Vorsichtsmassnahmen beachten, insbesondere seine
Geschwindigkeit reduzieren (Urteil 6S.162/2003 vom 4. August 2003 E. 3.1 mit
Hinweis). Das Merkblatt des UVEK vom 6. Juni 2005 zur Verwendung von Blaulicht
und Wechselklanghorn verlangt höchste Sorgfalt, wenn eine Verzweigung bei roter
Lichtsignalanlage befahren wird. Bei der Einfahrt in eine Verzweigung, bei der
andere Strassenbenützer normalerweise den Vortritt haben, muss der Führer so
langsam fahren, dass er noch rechtzeitig anhalten kann, falls andere
Verkehrsteilnehmer die besonderen Warnsignale übersehen oder nicht beachten
(vgl. Ziffer 4 des genannten Merkblatts).

2.4.

2.4.1. Die Beschwerdeführerin befand sich auf einer dringlichen Dienstfahrt und
kündigte ihre Fahrt durch Blaulicht und Wechselklanghorn an (vgl. Art. 27 Abs.
2 SVG und Art. 16 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR
741.11). Zu prüfen ist, ob sie die durch die Umstände gebotene Vorsicht
beachtet hat.

 Die Beschwerdeführerin fuhr auf die Kreuzung zu, als die Lichtsignalanlage für
sie bereits Rot zeigte. Die Haltelinie der Ampel überfuhr sie rund 19 Sekunden
nach Rotbeginn (Entscheid S. 12 mit Hinweis auf die vorinstanzlichen Akten act.
108; erstinstanzliches Urteil S. 23). Die Beachtung der Lichtsignale stellt für
die Verkehrssicherheit eine der wichtigsten Verkehrsregeln dar.

 Die Beschwerdeführerin argumentiert, ihr könne nicht vorgeworfen werden, zu
einem genau bestimmten Zeitpunkt respektive in einer Entfernung von 8.8 m zum
Kollisionsort nicht nach links geschaut zu haben. Darin ist ihr grundsätzlich
beizupflichten. Die Badenerstrasse führt von Birmenstorf her mit drei Spuren
und von Baden her mit vier Spuren zur Kreuzung. Die Dättwilerstrasse mündet von
Dättwil her mit zwei und von der Autobahnausfahrt her mit vier Fahrbahnen in
die Kreuzung. Die Beschwerdeführerin hatte mithin mehrere Fahrspuren einer eher
grossen, wenn auch übersichtlichen Kreuzung zu beobachten. Das Mass der
Aufmerksamkeit, das vom Fahrzeuglenker verlangt wird, beurteilt sich nach den
gesamten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen,
der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen. Wenn er sein
Augenmerk im Wesentlichen auf bestimmte Stellen zu richten hat, kann ihm für
andere eine geringere Aufmerksamkeit zugebilligt werden (BGE 129 IV 282 E.
2.2.1 S. 285; 127 II 302 E. 3c S. 303; je mit Hinweisen). Dass die
Beschwerdeführerin in einer Entfernung von 8.8 m zum Kollisionsort, mithin noch
hinter der Wartelinie, ihren Blick, wie sie vorbringt, nach rechts schweifen
liess und damit die Fahrspuren von der Autobahn und von Baden her
kontrollierte, stellt für sich genommen nicht eine Verletzung der gebotenen
Vorsichtsmassnahmen dar. Gleichwohl hat sie das Manöver nicht mit der nötigen
Sorgfalt durchgeführt.

 Der Rettungswagen beschleunigte, während er durch die Gasse auf das auf Rot
stehende Lichtsignal zufuhr, von 12 auf 19 km/h. Er überfuhr die Haltelinie bei
der Lichtsignalanlage mit 19 km/h, um mit konstanter Geschwindigkeit auf die
Kreuzung zuzufahren, die Wartelinie zu passieren und in die Kreuzung in
Richtung Autobahneinfahrt hineinzufahren. Macht die Beschwerdeführerin geltend,
sie habe "sich nachweislich erst zum "Go" entschieden, nachdem sie sich
vergewissert hatte (zeitlich gestaffelter Blick nach links, rechts und dann
geradeaus), dass auf allen Spuren die Fahrzeuge stillstanden", kann ihr nicht
gefolgt werden. Ein Fahrzeuglenker, der ab dem Überfahren des Rotlichts (das
heisst hier in einer Entfernung von rund 18 m zur Wartelinie) mit konstanter
Geschwindigkeit fährt und in der Folge nicht mehr abbremst, kann nicht
behaupten, er habe sich erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden
loszufahren.

 Es kann dahingestellt bleiben, wann die Beschwerdeführerin den Motorradfahrer
frühestens hätte erblicken können. Das Gutachten äussert sich zu dieser Frage
nicht. Es prüfte vielmehr, wann die Verkehrsteilnehmer bei einer
Geschwindigkeit von 19 - 21 km/h (Ambulanz) respektive 62 - 71 km/h (Motorrad)
spätestens hätten reagieren müssen, um die Kollision zu vermeiden. Dieser
sogenannte Reaktionsaufforderungspunkt befand sich für die Beschwerdeführerin
in einer Distanz von 8.8 m zur Kollisionsstelle und mithin rund 3 m vor der
Wartelinie. Der Motorradfahrer war zum besagten Zeitpunkt für die
Beschwerdeführerin erkennbar. Diese behauptet, kurz vor diesem Moment nach
links geschaut zu haben. In der Folge, so ihre Darstellung, habe sie ihren
Blick nach rechts und geradeaus gewandt, um die anderen Fahrbahnen der
Dättwilerstrasse von der Autobahnausfahrt her und jene der Badenerstrasse von
Baden her zu beobachten. Mit dieser Schilderung, welche den vorinstanzlichen
Sachverhaltsfeststellungen entspricht, räumt die Beschwerdeführerin ein, noch
vor dem Überfahren der Wartelinie nicht mehr nach links geschaut zu haben.

 Das Befahren der Kreuzung bei Rotlicht erfolgte auf einer dringlichen
Dienstfahrt und war damit grundsätzlich erlaubt. Es setzte mit Blick auf die
Bedeutung der missachteten Verkehrsregel ein erhebliches Mass der zu
beachtenden Sorgfalt voraus. Indem die mit den örtlichen Verhältnissen
vertraute Beschwerdeführerin bereits mehrere Meter vor dem Überqueren der
Wartelinie ihren Blick von der Verkehrssituation links auf der Badenerstrasse
abwandte, kam sie dieser Sorgfaltspflicht nicht nach. Unter Berücksichtigung
der konkreten Verhältnisse waren beim Überfahren der Wartelinie die
wesentlichen und voraussehbaren Gefahrenquellen in einer ersten Phase die
mittlere und rechte Fahrspur der Badenerstrasse von Birmenstorf her (wobei der
Verkehr auf der rechten Fahrbahn erkennbarerweise bereits stillstand), zwei
abbiegende Spuren der Dättwilerstrasse von der Autobahnausfahrt her in Richtung
Baden (wo ebenfalls auf mindestens einer Fahrbahn der Verkehr stillstand) sowie
eine abbiegende Spur der Badenerstrasse von Baden her in Richtung Dättwil.
Diese Richtung wurde zudem vom Beifahrer der Beschwerdeführerin beobachtet.
Selbst wenn die Beschwerdeführerin somit ihr Augenmerk auf verschiedene
Fahrbahnen zu richten hatte, verlangten die von links aus Richtung Birmenstorf
kommenden Fahrzeuge und im Speziellen die mittlere Fahrspur der Badenerstrasse
eine erhöhte Aufmerksamkeit. Der Verkehr stand auf dem Mittelstreifen nicht
still. Im Gegensatz zur Bahn rechts davon durfte die Beschwerdeführerin im
Widerspruch zu ihrer Darstellung (Beschwerde S. 7) nicht annehmen, dass von
dort kein Verkehr nahen würde. Zudem würden die bei Grünlicht auf der mittleren
Spur herannahenden Fahrzeuge die Kreuzung ohne abzubiegen und damit in aller
Regel ohne Geschwindigkeitsreduktion passieren. Gleichzeitig verlangten die
Spuren mit angehaltenem Verkehr sowie die Fahrbahnen auf der Badenerstrasse von
Baden nach Birmenstorf und zur Autobahneinfahrt eine geringere Aufmerksamkeit.
Indem die Beschwerdeführerin noch vor der Wartelinie und damit noch vor dem
Einmünden in die Kreuzung ihren Blick von linksendgültig abwandte, war sie
pflichtwidrig unvorsichtig.

 Letztendlich überfuhr die Beschwerdeführerin die Fahrspur des Motorradfahrers,
ohne sich genügend vergewissert zu haben, dass kein Verkehr nahte. Das Vorhaben
verlangte höchste Sorgfalt, welche das ausgeführte Manöver vermissen liess. Die
Beschwerdeführerin sah den Motorradfahrer bis zur Kollision nicht. Ihr ist
damit vorzuwerfen, den Motorradfahrer sorgfaltswidrig übersehen zu haben. Aus
der vorgebrachten Komplexität der Kreuzung vermag sie nichts für sich
abzuleiten. Jene hätte vielmehr nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz
eine Geschwindigkeitsreduktion als angezeigt erscheinen lassen und bringt
zutage, dass das Befahren der Kreuzung mit gleichbleibender Geschwindigkeit
ohne abzubremsen nicht situationsangemessen war. Eine reduzierte
Geschwindigkeit respektive ein sich Vortasten in die Kreuzung hinein hätte
erlaubt, beide Fahrbahnen der Badenerstrasse in Richtung Baden vor dem
Überfahren (nochmals) zu kontrollieren. Selbst ein Sicherheitshalt, den die
Weisungen des UVEK nicht a priori ausschliessen, wäre nötigenfalls möglich
gewesen.

2.4.2. Ein die Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts unterbrechendes
Selbstverschulden des Motorradfahrers, mit dem die Beschwerdeführerin
schlechthin nicht zu rechnen hatte, liegt nach den zutreffenden
vorinstanzlichen Erwägungen nicht vor. Zwar ist dem Motorradfahrer, der das
Wechselklanghorn, das Blaulicht und die bei Grünlicht auf der rechten Fahrbahn
stehenden Fahrzeuge nicht bemerkte, eine unaufmerksame Fahrweise vorzuwerfen.
Selbst wenn er das Ambulanzfahrzeug allenfalls nicht rechtzeitig sehen konnte
(vgl. Gutachten S. 10), so wurde gleichwohl die Notstandsfahrt mindestens durch
die Sirene der Ambulanz angekündigt. Dass aber Verkehrsteilnehmer und
Fussgänger das durch die Sanität etc. auf einer dringlichen Dienstfahrt
beanspruchte Vortrittsrecht missachten, weil sie die besonderen Warnsignale
nicht oder zu spät wahrnehmen oder nicht (adäquat) reagieren, kann nicht als
aussergewöhnlich bezeichnet werden. Die Vorinstanz erwägt zutreffend, dass
deshalb unter anderem die Weisungen des UVEK ein Fehlverhalten in diesem Sinne
thematisieren. Ebenso wenig reichen für die Verneinung der Adäquanz die
übersetzte Geschwindigkeit des Motorradfahrers (maximal 71 km/h bei einer
signalisierten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h) und ein aufgrund von Art. 47
Abs. 3 der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV; SR 741.21)
allfällig zu bejahendes Selbstverschulden aus, zumal es im Strafrecht keine
Schuldkompensation gibt (BGE 106 IV 58 E. 1 S. 59). Die
Geschwindigkeitsüberschreitung ist kein ganz aussergewöhnlicher Umstand, mit
dem schlechthin nicht gerechnet werden musste und der derart schwer wiegt, dass
er als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolgs erscheint und
so das Fahrverhalten der Beschwerdeführerin in den Hintergrund drängt (vgl. zum
Massstab der Adäquanz BGE 135 IV 56 E. 2.1 S. 64 f. mit Hinweisen).

 Hätte die Beschwerdeführerin die durch die Umstände gebotenen
Vorsichtsmassnahmen beachtet, hätte sie den Motorradfahrer frühzeitig erkannt
und ihre Fahrt rechtzeitig zumindest verlangsamt. Dadurch wäre der Unfall mit
einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit vermieden worden.

2.4.3. Der Schuldspruch der fahrlässigen Tötung verletzt kein Bundesrecht (Art.
117 und Art. 12 Abs. 3 StGB).

3.

 Im Eventualstandpunkt bestreitet die Beschwerdeführerin, dass der
Motorradfahrer sichtbar war, als sie sich 8.8 m entfernt von der Unfallstelle
befand. Der Verzicht auf ein Ergänzungsgutachten verletze ihr rechtliches Gehör
(Beschwerde S. 3 f. und S. 8 ff.).

 Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung zur Erkennbarkeit des
Motorradfahrers stützt sich auf das Gutachten des DTC vom 3. Mai 2010. Das
Gericht würdigt Gutachten grundsätzlich frei. In Fachfragen darf es davon
indessen nicht ohne triftige Gründe abweichen, und Abweichungen müssen
begründet werden. Ein Abweichen ist zulässig, wenn die Glaubwürdigkeit des
Gutachtens durch die Umstände ernsthaft erschüttert ist. Umgekehrt kann das
Abstellen auf nicht schlüssige Gutachten unter Verzicht auf die gebotenen
zusätzlichen Beweiserhebungen gegen das Willkürverbot und gegen
Verfahrensrechte der Parteien verstossen. Ob ein Gericht die im Gutachten
enthaltenen Erörterungen für überzeugend hält oder nicht und ob es
dementsprechend den Schlussfolgerungen des Experten folgen oder ein
Ergänzungsgutachten beziehungsweise eine Oberexpertise einholen soll, ist eine
Frage der Beweiswürdigung, die mit Beschwerde in Strafsachen wegen Verletzung
des Willkürverbots aufgeworfen werden kann. Dasselbe gilt für die Frage, ob ein
Gutachten in sich schlüssig ist. Eine entsprechende Kritik muss substanziiert
dargelegt werden (BGE 138 III 193 E. 4.3.1 S. 198 f.; 133 II 384 E. 4.2.3 S.
391; 132 II 257 E. 4.4.1 S. 269; 106 IV 236 E. 2a S. 238, 97 E. 2b S. 99 f.; je
mit Hinweisen).

 Die Beschwerdeführerin setzt sich mit der Expertise nicht auseinander. Die
Wiedergabe der im kantonalen Verfahren aufgeworfenen Ergänzungsfragen ist
ungeeignet, Mängel des Gutachtens substanziiert aufzuzeigen und dessen
Überzeugungskraft in Frage zu stellen. Soweit die Beschwerdeführerin auf ihre
Berufungserklärung verweist, ist sie damit nicht zu hören. Die Begründung der
Beschwerde muss in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein, und der blosse
Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten reicht
nicht aus (BGE 138 IV 47 E. 2.8.1 S. 54; 133 II 396 E. 3.1 S. 399 f.; je mit
Hinweisen). Auf die Beschwerde ist in diesem Punkt nicht einzutreten.

4.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die
bundesgerichtlichen Kosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Juli 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Faga

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