Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.732/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_732/2012

Urteil vom 30. Mai 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber Held.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat Bruno Muggli,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung Sissach, Hauptstrasse 2,
4450 Sissach,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Grobe Verletzung der Verkehrsregeln; Willkür, rechtliches Gehör,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Strafrecht, vom 4. September 2012.

Sachverhalt:

A.

 Daniel X.________ wird vorgeworfen, mit seinem Motorrad ausserorts die
zulässige Höchstgeschwindigkeit nach Abzug der Sicherheitsmarge von 4 km/h um
41 km/h überschritten zu haben.
Im Berufungsverfahren verurteilte das Kantonsgericht Basel-Landschaft Daniel
X.________ in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils wegen grober Verletzung
der Verkehrsregeln zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 150.-- sowie
einer Busse von Fr. 800.--.

B.

 Daniel X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil
des Kantonsgerichts sei aufzuheben, und er sei freizusprechen.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 183 StPO i.V.m. Art. 56
StPO. Der gerichtlich bestellte Gutachter Y.________ hätte in den Ausstand
treten müssen, denn dieser habe in seiner Funktion als Sektionschef des
Bundesamtes für Metrologie METAS bei der Ausstellung des Eichzertifikats für
das bei der Geschwindigkeitsmessung verwendete Lasermessgerät mitgewirkt.
Eichung und Zertifizierung seien notwendige Durchgangsstufen für die
Verurteilung. Y.________ sei als Gutachter zweimal in der gleichen Sache tätig
gewesen und somit vorbefasst. Das Gutachten vom 23. Februar 2011 sowie das
Ergänzungsgutachten vom 12. April 2011 seien demnach nicht verwertbar. Zudem
bestünden aufgrund der bei den Akten liegenden Publikationen des Gutachters
starke Zweifel an dessen Unabhängigkeit.

1.2. Die Vorinstanz erwägt, eine Vorbefassung des Gutachters liege nicht vor.
Der Sachverständige äussere sich in den Gutachten lediglich dazu, ob die
Geschwindigkeitsmessungen mit dem Lasermessgerät korrekt durchgeführt worden
seien, nicht hingegen, ob dies auch auf die Eichung und Zertifizierung
zutreffe.

1.3.

1.3.1. Gemäss Art. 183 Abs. 3 StPO gelten für Sachverständige die
Ausstandsgründe nach Art. 56 StPO. Nach dieser Bestimmung tritt eine in einer
Strafbehörde tätige Person namentlich in den Ausstand, wenn sie in einer
anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, als Rechtsbeistand
einer Partei, als Sachverständige oder Sachverständiger, als Zeugin oder Zeuge,
in der gleichen Sache tätig war (lit. b) oder aus anderen Gründen, insbesondere
wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand,
befangen sein könnte (lit. f). Gemäss Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK
hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen,
unvoreingenommenen und unbefangenen Richter entschieden wird. Diese
Verfahrensgarantie wird sinngemäss auf das Erfordernis der Unabhängigkeit und
Unparteilichkeit von Sachverständigen übertragen (BGE 132 V 93 E. 7.1 S. 109;
126 III 249 E. 3c S. 253; je mit Hinweis).

1.3.2. Voreingenommenheit und Befangenheit werden bejaht, wenn Umstände
vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die
Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erwecken. Solche Umstände können in
einem bestimmten Verhalten des betreffenden Sachverständigen oder in gewissen
äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet
sein. Hierbei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen,
sondern das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver
Weise begründet erscheinen. Es genügt bereits der Anschein der Befangenheit und
Voreingenommenheit. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der
Sachverständige tatsächlich befangen ist (BGE 136 I 207 E. 3.1 S. 210 mit
Hinweisen). Der Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit kann auch
dadurch erweckt werden, dass die sachverständige Person in einem früheren
Zeitpunkt in amtlicher Funktion mit der konkreten Sache schon zu tun hatte (BGE
132 V 93 E. 7.2.2 S. 110 mit Hinweis).

1.4.
Der pauschale Verweis auf Beweismittel in den kantonalen Akten zum Nachweis
einer allfälligen Voreingenommenheit des Gutachters genügt den
Rügeanforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG nicht (BGE 133 IV 286 E. 6.2 S. 288;
133 II 400 E. 2 S. 403 f.; je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer legt nicht
dar, wo in den Akten sich die entsprechenden Unterlagen angeblich befinden. Es
ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, die kantonalen Akten auf einzelne
Dokumente oder Behauptungen hin zu durchforsten. Zudem enthalten die kantonalen
Akten keine Publikationen des Gutachters, sondern lediglich Veröffentlichungen
Dritter, in denen auf (allfällige) von ihm gemachte Äusserungen Bezug genommen
wird. Die Rüge ist unbegründet, soweit überhaupt darauf eingetreten werden
kann.
Der Einwand, der Gutachter sei in der Sache vorbefasst, ist unbegründet. Wie
die Vorinstanz zutreffend ausführt, wurden die Eichzertifikate des verwendeten
Lasermessgerätes vom Gutachter Anfang November 2009 und 2010 unterzeichnet.
Diese Tätigkeit (Eichung und Zertifizierung) weist keinerlei Sachbezug mit dem
gegen den Beschwerdeführer erst im Januar 2011 eröffneten Strafverfahren auf.
Gegenstand beider Gutachten war nicht, ob das Messgerät technisch einwandfrei
funktionierte (und/oder ob dies aufgrund der Eichung und Zertifizierung
unterstellt werden könne). Der Sachverständige äusserte sich ausschliesslich
zur Frage, ob die nicht dokumentierte Einhaltung bzw. ein allfälliges Abweichen
von den Bedienungsvorschriften die Messergebnisse beeinflusst hat oder haben
könnte. Insofern kann keine Rede davon sein, dass Y.________ in seiner
Eigenschaft als Gutachter im Eichverfahren ähnliche oder qualitativ gleiche
Frage wie im Strafverfahren geprüft hat. Die Vorinstanz durfte die Gutachten
als Beweismittel heranziehen.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine willkürliche
Sachverhaltsfeststellung und einseitige Beweiswürdigung vor. Die
Geschwindigkeitsmessungen seien nicht korrekt durchgeführt worden, denn weder
das Messverfahren noch die Messsystematik entsprächen den rechtlichen
Anforderungen. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen seien falsch und
willkürlich. Die Vorinstanz stelle auf die einzige vom Gutachter als gültig
deklarierte Messung ab und lasse alle übrigen Beweismittel unberücksichtigt.
Insgesamt bestünden aufgrund der Beweise derart erhebliche Zweifel, dass der
Beschwerdeführer in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" freizusprechen
sei.

2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung
kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die
Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 134
IV 36 E. 1.4.1; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 138 I 305 E. 4.3; 137 I 1 E.
2.4). Die Willkürrüge prüft das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nur
insoweit, als sie in der Beschwerde explizit vorgebracht und substantiiert
begründet worden ist. Auf eine bloss appellatorische Kritik am angefochtenen
Urteil tritt es nicht ein (BGE 138 I 171 E. 1.4; 136 II 489 E. 2.8; je mit
Hinweisen). Dem Grundsatz in dubio pro reo kommt in der vom Beschwerdeführer
angerufenen Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem
Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende
Bedeutung zu (BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweisen).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) beinhaltet u.a., dass
das Gericht die rechtserheblichen Vorbringen der vom Entscheid in ihrer
Rechtsstellung betroffenen Person auch tatsächlich hört, prüft und in der
Entscheidfindung berücksichtigt (BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236 mit Hinweisen).

2.3. Die Vorinstanz war bei der Beurteilung der Beweismittel frei. Der Umstand,
dass das Messprotokoll unvollständig und die durchgeführte
Geschwindigkeitsmessung damit nicht weisungskonform ist, schliesst nicht aus,
dass sich die Vorinstanz aufgrund anderer Beweise von der Überschreitung der
Höchstgeschwindigkeit überzeugte. Die (technischen) Weisungen des ASTRA lassen
die freie Beweiswürdigung durch die Gerichte unberührt (Ziff. 21 der Weisungen
über polizeiliche Geschwindigkeitskontrollen und Rotlichtüberwachung im
Strassenverkehr; Urteil 6B_473/2010 vom 19. Juli 2010 E. 3.1 mit Hinweisen).
Was der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzliche Beweiswürdigung vorbringt,
erschöpft sich weitgehend in appellatorischer Kritik, die nicht geeignet ist,
Willkür zu begründen. Er wiederholt im Wesentlichen seine erstinstanzlichen
Einwände, ohne sich mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils
auseinanderzusetzen. Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind ungeeignet, die
Gutachten zu erschüttern. Sämtliche Einwendungen zu Berechnungsmethoden und
-ergebnissen werden umfassend und nachvollziehbar widerlegt. Der
Sachverständige legt überzeugend dar, dass die von den Polizeibeamten nicht
beachteten Vorschriften die Messergebnisse nicht beeinflusst haben. Die zweite
Messung ist technisch korrekt durchgeführt worden, und es bestehen keine
Zweifel, dass die gemessenen 121 km/h (nach Abzug der Sicherheitsmarge) der
tatsächlich vom Beschwerdeführer gefahrenen Geschwindigkeit entsprechen. Der
Beschwerdeführer legt nicht dar, welche Vorbringen oder Tatsachen das Gericht
bei der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt hat. Dies ist zudem nicht
ersichtlich. Die Vorinstanz durfte aufgrund des Gutachtens und des
Ergänzungsgutachtens willkürfrei zur Überzeugung gelangen, dass der
Beschwerdeführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 41 km/h überschritten
hat.

3.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer
auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Mai 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Held

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