Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.719/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_719/2012

Urteil vom 13. Mai 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Pasquini.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat Oliver Borer,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach,
4001 Basel,
2. A.Y.________,
3. B.Y.________,
4. C.Y.________,
alle drei vertreten durch Advokat Christoph Dumartheray,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Mord,

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
vom 4. September 2012.

Sachverhalt:

A.
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt befand X.________ am 18. Januar 2011
des Mordes, der einfachen Körperverletzung und der Nötigung schuldig. Es
verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren. Gegen dieses Urteil
erhoben die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und X.________ Berufung.

B.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt sprach X.________ am 4.
September 2012 des Mordes und der Nötigung schuldig. Vom Vorwurf der einfachen
Körperverletzung sprach es ihn frei. Es verurteilte ihn zu einer
Freiheitsstrafe von 14 ¾ Jahren und bestätigte im Übrigen das erstinstanzliche
Urteil.
Das Appellationsgericht geht beim Tötungsdelikt von folgendem Sachverhalt aus:
Die Liebesbeziehung zwischen X.________ und D.Y.________ war seit geraumer Zeit
von gegenseitiger Eifersucht geprägt. Es kam wiederholt zu Streit. D.Y.________
störte es, dass ihr Geliebter mit seiner Ehefrau zusammenlebte und ihrer
Vorstellung nach mit dieser auch intim verkehrte. Daher wollte sie ihn
zeitweise nicht mehr sehen und ihre Beziehung beenden. Sie kontaktierte ihren
Liebhaber und wollte ihn mit der Behauptung eifersüchtig machen, sie habe eine
anderweitige sexuelle Beziehung. X.________ suchte in der Nacht vom 23./24.
Oktober 2010 D.Y.________ in deren Wohnung auf. Da beschuldigte sie ihn erneut,
mit seiner Ehefrau sexuellen Verkehr gehabt zu haben. Nachdem sie wiederholt
erklärte, sie habe ihn auch betrogen, holte X.________ ein Messer, um die
Wahrheit herauszufinden. Obwohl er seine Geliebte damit bedrohte, blieb sie bei
der Behauptung eines anderweitigen sexuellen Kontakts. Der von X.________ in
den Hals seiner Liebhaberin geführte Messerstich durchtrennte deren
Hauptschlagader. Neben dieser zum Tod führenden Verletzung befand sich in ihrer
Lendengegend eine weitere tiefe Stichwunde.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil des
Appellationsgerichts sei teilweise aufzuheben. Er sei vom Vorwurf des Mordes
freizusprechen. Stattdessen sei er der (eventual-)vorsätzlichen Tötung schuldig
zu befinden und zu einer Freiheitsstrafe von maximal acht Jahren zu
verurteilen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem stellt er das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die rechtliche Würdigung der Tötung.
Mangels besonderer Skrupellosigkeit liege kein Mord vor. Sein Handeln sei das
Ergebnis einer jahrelangen Konfliktsituation, die teilweise durch das Opfer
heraufbeschworen worden sei und unter der beide stark gelitten hätten. Die
Schlussfolgerung der Vorinstanz, er habe seine Geliebte aus egoistischen
Motiven getötet - er sei eifersüchtig und wütend gewesen - sei nicht haltbar.
Er habe sie zuvor lange mit ihrem Ehemann "teilen" müssen. Es sei nicht
ersichtlich, inwiefern er egoistisch gehandelt habe, indem er "seine Liebste"
getötet habe. Vielmehr habe er sich in einer heftigen Gemütsbewegung befunden,
als er das Opfer in den Hals gestochen habe. Die Vorinstanz stelle den
Sachverhalt unrichtig fest, da sie willkürlich Tatmotive hinein interpretiere.
Im Lichte aller Umstände - namentlich der Tatausführung sowie des
Nachtatverhaltens - und insbesondere, dass das Tatmotiv nicht klar sei und ein
Tatentschluss fehle, sei "in dubio pro reo" anzunehmen, er habe den Tod seiner
Geliebten lediglich eventualvorsätzlich in Kauf genommen.

1.2 Die Vorinstanz erwägt unter Verweis auf die erste Instanz, der
Beschwerdeführer habe aus der Küche ein Messer geholt, um seine Geliebte damit
zu bedrohen. Da sie sich nicht zur gewünschten Aussage habe nötigen lassen,
habe er seine Drohung in die Tat umgesetzt. Er habe somit nicht im Affekt zu
einem Messer gegriffen, das zufällig in der Nähe gewesen sei. Auch wenn nicht
erstellt sei, dass die Trennungsabsichten der Geliebten unwiderruflich gewesen
seien, habe das mögliche Ende der Beziehung bereits seit einiger Zeit im Raum
gestanden und den Beschwerdeführer in der Tatnacht nicht unvorbereitet
getroffen. Auch den angeblich neuen Freund der Liebhaberin habe diese schon
früher erwähnt. Gemäss forensisch-psychiatrischem Gutachten fehlten mehrere
entscheidende Merkmale eines Affektdelikts (kein charakteristischer
Affektaufbau und -abbau, keine schwere Erschütterung unmittelbar nach der Tat,
keine Störung der Sinn- und Erlebniskontinuität und keine Einengung des
Wahrnehmungsfelds sowie der seelischen Abläufe) (Urteil S. 4 f. E. 3.1;
erstinstanzliches Urteil S. 24 E. 3.4.2; Gutachten kantonale Akten S. 1741/33).
Die Vorinstanz führt weiter aus, auch das Nachtatverhalten des
Beschwerdeführers spreche gegen ein Handeln im Affekt. So habe er den Tatort
nach der tödlichen Verletzung entgegen seinen Behauptungen nicht fluchtartig
verlassen, sondern dem Opfer einen weiteren tiefen Stich beigebracht und sich
danach um die Beseitigung der Spuren bemüht. Es bestünden ferner keine
Hinweise, dass er unter einer grossen seelischen Belastung gestanden habe.
Insgesamt sei keine Ausnahmesituation zu erkennen, die den Entschluss zur Tat
als menschlich begreiflich oder einfühlbar erscheinen lasse (Urteil S. 5 E.
3.1).
Die Vorinstanz hält fest, gemäss Angaben des Beschwerdeführers habe er seiner
Geliebten im Zusammenhang mit ihrer Behauptung, intim mit einem anderen Mann
verkehrt zu sein, das Messer in den Hals gestochen. Wenn er sie wegen dieser
Mitteilung getötet habe, d.h. aus Eifersucht und Wut aufgrund ihrer Untreue, so
liege hierin ein offensichtlich egoistisches Motiv. Dies gelte auch, wenn er
eine Trennung hätte befürchten müssen, da er ihr diesfalls die Berechtigung
abgesprochen hätte, ohne ihn weiterzuleben. Die Beziehung sei zwar gegen Ende
durch gegenseitige Eifersucht belastet gewesen. Gleichwohl hätten diesbezüglich
weder aussergewöhnliche noch überraschende Umstände vorgelegen. Zudem habe der
Beschwerdeführer nicht geglaubt, dass seine Geliebte ihn mit einem anderen Mann
betrogen habe. Wenn er an ihre Treue geglaubt habe, sei er nur darüber
verärgert gewesen, dass sie nicht gesagt habe, was er habe hören wollen, d.h.
dass sie ihn nicht ernst genommen habe und er in dieser Hinsicht keine
Kontrolle und Macht über sie habe ausüben können. Für diese Motivation spreche
der Umstand, dass er sie mit dem Messer bedroht habe, bloss weil ihm ihre
Äusserung nicht gepasst habe. Dabei bezeichne er sein Vorgehen als "normal"
bzw. "Spass". Er habe die Wahrheit "rausholen" wollen. Insofern liege ein noch
krasseres Missverhältnis zwischen den vom Beschwerdeführer verfolgten
Interessen und der Auslöschung des Lebens seiner Geliebten vor, welches die Tat
erst recht als besonders skrupellos erscheinen lasse (Urteil S. 7 f. E. 3.2.4).

1.3 Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung wendet, setzt er sich darüber hinweg, ergänzt sie und
nimmt eine eigene Beweiswürdigung vor, ohne dass sich aus seinen Ausführungen
ergäbe, dass und inwiefern die Beweiswürdigung der Vorinstanz willkürlich und
ihre tatsächlichen Feststellungen offensichtlich unrichtig wären. Auf die
Beschwerde ist insoweit nicht einzutreten. Die Sachverhaltsfeststellung der
Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie willkürlich ist
(Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; 134 IV 36 E. 1.4.1; zu den
Begründungsanforderungen Art. 106 Abs. 2 BGG sowie BGE 136 I 49 E. 1.4.1 mit
Hinweisen).

1.4 Eine vorsätzliche Tötung ist als Mord zu qualifizieren, wenn der Täter
besonders skrupellos handelt, namentlich wenn sein Beweggrund, der Zweck der
Tat oder die Art der Ausführung besonders verwerflich sind (Art. 112 StGB).
Mord zeichnet sich nach der Rechtsprechung durch eine aussergewöhnlich krasse
Missachtung fremden Lebens bei der Durchsetzung eigener Absichten aus. Es geht
um die besonders verwerfliche Auslöschung eines Menschenlebens. Für die
Qualifikation verweist das Gesetz in nicht abschliessender Aufzählung auf
äussere (Ausführung) und innere Merkmale (Beweggrund, Zweck). Diese müssen
nicht alle erfüllt sein, um Mord anzunehmen. Entscheidend ist eine
Gesamtwürdigung der äusseren und inneren Umstände der Tat. Eine besondere
Skrupellosigkeit kann beispielsweise entfallen, wenn das Tatmotiv einfühlbar
und nicht krass egoistisch war, so etwa wenn die Tat durch eine schwere
Konfliktsituation ausgelöst wurde. Für Mord typische Fälle sind die Tötung
eines Menschen zum Zwecke des Raubes, Tötungen aus religiösem oder politischem
Fanatismus oder aus Geringschätzung. Die für eine Mordqualifikation
konstitutiven Elemente sind jene der Tat selber, während Vorleben und Verhalten
nach der Tat nur heranzuziehen sind, soweit sie tatbezogen sind und ein Bild
der Täterpersönlichkeit geben (BGE 127 IV 10 E. 1a mit Hinweisen).

1.5 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe den Tod seiner Geliebten
lediglich in Kauf genommen (Beschwerde S. 8 N. 16).
1.5.1 Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen
und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der
Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 2). Das Bundesgericht hat
wiederholt dargelegt, wann Eventualvorsatz gegeben ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3
S. 4 mit Hinweis).
1.5.2 Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, indem sie annimmt, angesichts
der Tatausführung habe der Beschwerdeführer direkt vorsätzlich gehandelt. Sie
erwägt zutreffend, ein von der Seite gegen die Halsmitte bis zur Wirbelsäule
beigebrachter Messerstich (ca. 1.5 cm breit und 5-6 cm lang) könne nur
bedeuten, dass der Täter den Tod des Opfers beabsichtigt habe. Bei einem
solchen Vorgehen sei der Tod nicht nur wahrscheinlich, sondern sicher (Urteil
S. 4 E. 3). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann im Übrigen auch
ein Mord eventualvorsätzlich begangen werden (BGE 112 IV 65 E. 3b; Urteil
6B_232/2012 vom 8. März 2013 E. 1.4.2 mit Hinweisen).

1.6 Angesichts der von der Vorinstanz schlüssig dargelegten möglichen Tatmotive
und der Ausführung der Tat bestehen an der besonderen Skrupellosigkeit des
Handelns des Beschwerdeführers keine Zweifel. Die in Frage kommenden
Beweggründe, (a) Eifersucht und Wut wegen der Untreue seiner Geliebten, (b) ihr
ein vom Beschwerdeführer getrennt geführtes Leben zu verunmöglichen oder (c)
den Ärger darüber, dass sie sich trotz der Bedrohung mit dem Messer nicht
entsprechend seinen Wünschen äusserte, sind vorliegend besonders verwerflich.
Selbst die vom Beschwerdeführer dargelegten Umstände lassen keines dieser
Tatmotive als einfühlbar oder als Ausdruck einer schweren Konfliktsituation
erscheinen, sondern als krass egoistischen Akt. Indizien für die besondere
Skrupellosigkeit ergeben sich auch aus der Ausführung der Tat, indem der
Beschwerdeführer zielstrebig und kaltblütig mit einem Messerstich die
Halsschlagader durchtrennte. Der Umstand, die Tat ohne Rücksicht darauf
ausgeführt zu haben, dass der Sohn des Opfers im Zimmer daneben schlief und er
den Jungen nach der Tötung alleine in der Wohnung zurückliess mit der
naheliegenden Möglichkeit, dass dieser die blutüberströmte Leiche auffinden
würde, wie es dann auch der Fall war (Anklageschrift vom 10. September 2010,
erstinstanzliches Urteil S. 12), offenbart eine besondere Gefühlskälte. Die Tat
zeichnet sich durch eine aussergewöhnlich krasse Missachtung fremden Lebens bei
der Durchsetzung eigener Absichten aus. Die Verurteilung des Beschwerdeführers
wegen Mordes verletzt kein Bundesrecht.

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge
Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der
finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der
Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Beschwerde S. 9; Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Pasquini

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