Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.718/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_718/2012

Urteil vom 13. Mai 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Boog.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat Dr. Alex Hediger,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach,
4001 Basel,
2. Y.________,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Versuchte Vergewaltigung, sexuelle Nötigung; Strafzumessung; Beweiswürdigung,

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt,
Ausschuss,
vom 14. September 2012.

Sachverhalt:

A.
Y.________ besuchte mit ihrer Zwillingsschwester und einer Kollegin am frühen
Morgen des 1. Januar 2010, um ca. 03.30 Uhr die "A.________ Bar" in Basel, um
dem dortigen Geschäftsführer X.________, den sie als Bekannten ihres Vaters und
von früheren Besuchen des Lokals her kannten, ein gutes neues Jahr zu wünschen.
Nachdem jener und weitere Gäste mehrere Getränke spendiert hatten, gingen die
beiden Schwestern gegen 04.30 Uhr auf Aufforderung von X.________ mit diesem in
ein Zimmer im zweiten Obergeschoss der Bar. X.________ wird vorgeworfen, er
habe dort versucht, die damals knapp 19-jährige Y.________ zu vergewaltigen,
und er habe sie anschliessend zum Oralverkehr gezwungen. Die Zwillingsschwester
sei vom kurze Zeit später dazugestossenen Cousin von X.________ sexuell
genötigt worden.

B.
Das Strafgericht (Dreiergericht) Basel-Stadt erklärte X.________ mit Urteil vom
25. Februar 2011 der versuchten Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung
schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, unter
Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft und mit bedingtem Strafvollzug,
unter Auferlegung einer Probezeit von 2 Jahren. Ferner verpflichtete es ihn zur
Zahlung einer Genugtuung von CHF 6'000.-- an Y.________. Ihre
Schadenersatzforderung verwies es auf den Zivilweg.

Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (Ausschuss) bestätigte am 14.
September 2012 auf Berufung des Beurteilten hin das erstinstanzliche Urteil im
Schuldpunkt und verurteilte X.________ zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten,
unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft und mit bedingtem
Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren. In den übrigen Punkten
bestätigte es das erstinstanzliche Urteil.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Er beantragt,
das angefochtene Urteil sei aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe
freizusprechen. Eventualiter sei das angefochtene Urteil an die Vorinstanz
zurückzuweisen mit der Weisung, er sei lediglich wegen sexueller Nötigung
schuldig zu sprechen und entsprechend zu bestrafen.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des
Sachverhalts. Er räumt ein, dass es zwischen ihm und der Beschwerdegegnerin 2
zu Zungenküssen, Berührungen und zum Oralverkehr gekommen sei. Er stellt sich
aber auf den Standpunkt, die sexuellen Handlungen seien einvernehmlich erfolgt.
In Bezug auf den Schuldspruch der versuchten Vergewaltigung macht er geltend,
die Beschwerdegegnerin 2 habe nie ausgesagt, dass er versucht habe, von hinten
vaginal in sie einzudringen, wie dies die Vorinstanz ihrem Urteil zugrunde
lege. Zugestanden und aktenkundig sei lediglich, dass es zwischen ihm und der
Beschwerdegegnerin 2 zum Oralverkehr gekommen sei. Der Schuldspruch könne sich
somit nicht auf die Akten stützen (Beschwerde S. 3 ff.).

Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, auch der Schuldspruch wegen
sexueller Nötigung beruhe auf einer offensichtlich unrichtigen Feststellung des
Sachverhalts. Die in diesem Punkt angeklagten sexuellen Handlungen seien nicht
gegen den Willen der Beschwerdegegnerin 2 erfolgt. Diese habe auch selber keine
Strafanzeige eingereicht. Eine solche sei erst 12 Tage nach dem Vorfall von dem
mit ihm befreundeten Vater der Beschwerdegegnerin 2 erstattet worden, nachdem
er sich bei diesem anlässlich eines Gesprächs dafür entschuldigt habe, dass es
zwischen ihm und seiner Tochter zu einvernehmlichen sexuellen Kontakten
gekommen sei. Die Beschwerdegegnerin 2 und er hätten sich gut gekannt. Er habe
daher von deren Einverständnis ausgehen dürfen. Jedenfalls habe die
Beschwerdegegnerin 2 nicht klar und deutlich zu erkennen gegeben, dass sie mit
den sexuellen Handlungen nicht einverstanden gewesen sei. Dass sie durch Worte
oder Taten für ihn deutlich gemacht habe, dass sie die von ihm vorgenommenen
Handlungen nicht wolle, ergebe sich aus ihren Aussagen nicht. Der Schuldspruch
wegen sexueller Nötigung sei daher nicht haltbar (Beschwerde S. 6 ff.).

1.2 Die kantonalen Instanzen gelangen zum Schluss, es bestehe kein vernünftiger
Zweifel daran, dass sich der Sachverhalt so ereignet habe, wie er in der
Anklageschrift umschrieben sei. Sie stützen sich für ihren Schuldspruch im
Wesentlichen auf die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 und ihrer
Zwillingsschwester. Die Beschwerdegegnerin 2 habe bei allen Einvernahmen
konstante, logisch konsistente, in sich stimmige und sich ergänzende,
lebensnahe und in jeder Hinsicht überzeugende Aussagen gemacht, die eine Fülle
von Realitätskriterien aufwiesen. Es falle auf, dass sie Einzelheiten auch im
Kerngeschehen und bei freier Rede geschildert sowie zeitliche und räumliche
Angaben miteinander in Beziehung gebracht habe. Beide Frauen hätten die
Interaktionen der vier Beteiligten je aus ihrem Blickwinkel geschildert und die
Gespräche teilweise in direkter Rede wiedergegeben. Dabei werde der
Beschwerdeführer nicht übermässig belastet und das eigene Handeln kritisch
reflektiert. Die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 und ihrer Schwester würden
zudem durch diejenigen ihrer Eltern gestützt (angefochtenes Urteil S. 3 ff.;
erstinstanzliches Urteil S. 7 ff.).

Demgegenüber erachtet die Vorinstanz die Aussagen des Beschwerdeführers in
wesentlichen Punkten als widersprüchlich und lebensfremd. Seine Darstellung des
Vorfalles lasse sich zudem nicht in Übereinstimmung bringen mit dem Umstand,
dass er mit dem Vater der Beschwerdegegnerin 2 Kontakt aufgenommen habe, ohne
je mit dieser gesprochen zu haben, und ihm eine Zahlung von CHF 5'000.-- als
Wiedergutmachung angeboten habe. Sein Verhalten lasse sich nur als Versuch
deuten, eine drohende Strafanzeige abzuwenden. Dieser Eindruck werde auch durch
die an den Vater der Beschwerdegegnerin 2 versandten SMS bekräftigt, welche in
ihrem Tonfall weniger von Scham und schlechtem Gewissen als von Verzweiflung
und Angst vor möglichen Folgen zeugten (angefochtenes Urteil S. 5 ff.;
erstinstanzliches Urteil S. 11 ff.).

2.
2.1 Gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG kann die Feststellung des Sachverhalts durch die
Vorinstanz nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h.
willkürlich ist oder auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne
von Art. 95 BGG beruht. Die Rüge der willkürlichen Feststellung des
Sachverhalts prüft das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nur insoweit,
als sie in der Beschwerde explizit vorgebracht und substantiiert begründet
worden ist. In der Beschwerde muss im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der
angefochtene Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel
leidet. Auf eine blosse appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt
das Bundesgericht nicht ein (BGE 138 I 171 E. 1.4; 136 II 489 E. 2.8; 133 IV
286 E. 1.4; je mit Hinweisen).

Den kantonalen Instanzen steht bei der Beweiswürdigung ein weiter Spielraum des
Ermessens zu. Nach ständiger Rechtsprechung genügt für die Annahme von Willkür
gemäss Art. 9 BV nicht, wenn eine andere Lösung oder Würdigung vertretbar
erscheint oder gar vorzuziehen ist. Willkür liegt nur vor, wenn der
angefochtene Entscheid auf einer schlechterdings unhaltbaren Beweiswürdigung
beruht, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit
der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem
offenkundigen Fehler beruhen. Dabei genügt es nicht, wenn sich der angefochtene
Entscheid lediglich in der Begründung als unhaltbar erweist; eine Aufhebung
rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 138
I 49 E. 7.1 und 305 E. 4.3; 138 V 74 E. 7; je mit Hinweisen).

2.2 Was der Beschwerdeführer gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanz
einwendet, genügt für den Nachweis von Willkür nicht. Er beschränkt sich
darauf, seine Sicht der Dinge darzulegen, wie er sie im kantonalen Verfahren
vorgetragen hat, und selektiv diejenigen Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 im
Untersuchungsverfahren und in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung zu
zitieren, welche nach seiner Ansicht für seine Darstellung des Geschehens
sprechen. Er hätte indes dartun müssen, dass die Feststellungen der Vorinstanz
offensichtlich unhaltbar sind und die vorhandenen Beweise andere
Schlussfolgerungen geradezu aufdrängen. Dass sich dies so verhält, macht er
nicht rechtsgenügend geltend und ist auch nicht ersichtlich.

So ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Aussagen der
Beschwerdegegnerin 2 grundsätzlich als glaubhaft erachtet. Dies bezieht sich
namentlich auf die Aussagen anlässlich der ersten Einvernahme vom 13. Januar
2010, in welcher sie detailliert über das Geschehen berichtet. Die
Beschwerdegegnerin 2 schildert darin im Einzelnen, wie der Beschwerdeführer
sie, als sie den Raum im zweiten Stock verlassen und die Treppe herunter
wollte, am Arm und der Schulter zurückgehalten, sie mit dem Rücken an den Tisch
gedrückt und ihre Strumpfhosen heruntergerissen habe. Er habe Sex gewollt, sie
habe aber gesagt, sie wolle nicht, er solle sie loslassen. Er habe sie dann
umgedreht, so dass sie mit dem Bauch auf dem Tisch gelegen habe. Er habe
vaginal eindringen wollen. Sie habe sich dann umgedreht und ihre Unterhose und
Strumpfhose wieder hochgezogen, worauf er ihren Kopf genommen und an sein
Geschlechtsteil gedrückt habe. Sie sei schlussendlich auf den Knien gewesen und
habe seinen Penis in den Mund nehmen müssen. Nachher sei sie abgehauen und
weinend die Treppe herunter und nach draussen gerannt, wo sie zusammengeklappt
sei. Sie habe dem Beschwerdeführer immer wieder gesagt, er solle aufhören, sie
wolle nicht. Sie habe sich nicht getraut, ihm eine Ohrfeige zu geben. Sie habe
sich nicht körperlich wehren können, weil sie sich in einem Schockzustand
befunden habe (Akten S. 187/188/189, 280 ff. und 393/395 [HV Protokoll]).
Diese Schilderung wird auch von der Zwillingsschwester der Beschwerdegegnerin 2
bestätigt, die ausführte, diese sei weinend in die unteren Räumlichkeiten
gestürmt, habe die Bar fluchtartig verlassen und sei draussen
zusammengebrochen. Sie habe geschildert, dass der Beschwerdeführer die Hosen
runtergelassen und Sex von ihr gewollt habe. Sie habe das aber nicht gewollt
und habe immer wieder gesagt, er solle aufhören; er habe aber weitergemacht.
Dann habe er ihren Kopf an seinen Penis gedrückt, bis er gekommen sei (Akten S.
200 und 403 [HV Protokoll]). Ausserdem berichteten auch die Eltern von
Verhaltensauffälligkeiten der Tochter nach dem Vorfall (erstinstanzliches
Urteil S. 11). Wie die kantonalen Instanzen zutreffend erkennen, lässt sich das
in diesen Aussagen geschilderte Verhalten nicht erklären, wenn die sexuellen
Kontakte einvernehmlich erfolgt wären. Dasselbe gilt für den Umstand, dass der
Beschwerdeführer mit dem Vater der Beschwerdegegnerin 2 Kontakt aufnahm und ihm
CHF 5'000.-- als Wiedergutmachung anbot.

Aufgrund dieser Schilderungen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin
2 mit den sexuellen Handlungen nicht einverstanden war und dies zumindest
verbal, aber auch durch das Hochziehen ihrer Unterbekleidung klar und deutlich
zum Ausdruck brachte. Was der Beschwerdeführer hiegegen einwendet, geht an der
Sache vorbei. Dass er die Beschwerdegegnerin 2 als Tochter eines regelmässigen
Gastes seit längerem gekannt hat, kann nicht bedeuten, dass sie sich gegen
sexuelle Übergriffe in qualifizierter Weise hätte wehren müssen. Dass der Täter
mit einer Frau eine Bekanntschaft pflegt, ist für sich allein kein Indiz für
deren Einverständnis mit aufgedrängten sexuellen Handlungen. Dies gilt
angesichts des Altersunterschieds zwischen Täter und Opfer im zu beurteilenden
Fall umso mehr.

Schliesslich kann der Beschwerdeführer auch aus dem Umstand, dass die
Strafanzeige nicht von der Beschwerdegegnerin 2 oder ihrer Schwester
ausgegangen, sondern erst 12 Tage nach dem Vorfall von ihrem Vater eingereicht
worden ist, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Wie die Vorinstanz einleuchtend
ausführt, befanden sich die beiden Schwestern offensichtlich in einem
Zwiespalt. Sie hatten sich geschämt, weil sie sich selbst in eine schwierige
Lage gebracht hatten, mit zwei angetrunkenen Männern in den oberen Stock des
Lokals gegangen waren und weil die Beschwerdegegnerin 2 sich nicht rechtzeitig
wirksam wehren und ihre Schwester ihr nicht helfen konnte. Erst nachdem die
Schwestern davon erfahren hatten, dass der Beschwerdeführer ihrem Vater die
Übergriffe beschönigend geschildert hatte, hätten sie sich den Eltern
anvertrauen können (angefochtenes Urteil S. 4 und 7; vgl. auch Akten S. 192 und
282).

Insgesamt sind die Schuldsprüche wegen versuchter Vergewaltigung und sexueller
Nötigung nicht zu beanstanden. Jedenfalls ist das angefochtene Urteil nicht
schlechterdings unhaltbar. Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Boog

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