Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.712/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_712/2012

Urteil vom 26. September 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Unseld.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Fürsprecher Kurt Gaensli,
Beschwerdeführer,

gegen

Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Diebstahl, Sachbeschädigung etc.; Willkür, Grundsatz in dubio pro reo;
reformatio in peius; Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung,
1. Strafkammer, vom 14. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.

A.a. Das Kollegialgericht Emmental-Oberaargau sprach X._______ am 12. Mai 2011
der Gehilfenschaft zu Diebstahl, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch, des
mehrfachen banden- und gewerbsmässigen Diebstahls sowie des Versuchs dazu, der
mehrfachen Sachbeschädigung, des mehrfachen Hausfriedensbruchs und der
mehrfachen Widerhandlung gegen das Ausländergesetz (AuG) sowie das
Betäubungsmittelgesetz (BetmG) schuldig. Es auferlegte ihm eine Freiheitsstrafe
von 34 Monaten, unter Einbezug der mit Urteil der Préfecture du district de
Lavaux-Oron vom 7. Februar 2008 ausgesprochenen Geldstrafe von 10 Tagessätzen,
sowie eine Busse von Fr. 200.--. Zudem erklärte es die mit Urteil des
Kreisgerichts Thun vom 26. Juni 2008 bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe von
20 Monaten für vollziehbar. X.________ erhob gegen dieses Urteil Berufung.

A.b. Das Obergericht des Kantons Bern befand X._______ am 14. Juni 2012 des
Diebstahls, des banden- und gewerbsmässigen Diebstahls sowie des Versuchs dazu,
der mehrfachen Sachbeschädigung, des mehrfachen Hausfriedensbruchs und der
mehrfachen Widerhandlung gegen das Ausländergesetz schuldig. Es verurteilte ihn
zu einer Freiheitsstrafe von 34 Monaten und erklärte die Strafe von 20 Monaten
gemäss Urteil des Kreisgerichts Thun vom 26. Juni 2008 für vollziehbar. Auf den
Widerruf der von der Préfecture du district de Lavaux-Oron am 7. Februar 2008
bedingt ausgesprochenen Geldstrafe von 10 Tagessätzen verzichtete es. Der
erstinstanzliche Schuldspruch wegen Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz und die Busse von Fr. 200.-- erwuchsen unangefochten in
Rechtskraft.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, ihn vollumfänglich
freizusprechen. Eventualiter sei seine Beteiligung an den Straftaten als
Gehilfenschaft zu werten und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Subeventualiter sei die Strafe zu mildern und vom Widerruf
abzusehen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.

C.
Das Obergericht beantragte die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Stellungnahme.

D.
Das Bundesgericht fällte sein Urteil in einer öffentlichen Sitzung.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorinstanzliche
Beweiswürdigung. Er bestreitet, an den ihm zur Last gelegten
Einbruchdiebstählen beteiligt gewesen zu sein. In seiner Eventualbegründung
macht er geltend, sein Tatbeitrag sei nur von untergeordneter Bedeutung
gewesen.

1.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur
gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie
willkürlich ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 134 IV 36 E. 1.4.1). Dem Grundsatz in
dubio pro reo kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren
vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende
Bedeutung zu (BGE 127 I 38 E. 2a; 124 IV 86 E. 2a; je mit Hinweisen).
Willkür bei der Beweiswürdigung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht (BGE 138 I 305 E. 4.3; 137 I 1 E. 2.4). Die Rüge der Willkür
muss präzise vorgebracht und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Der
Beschwerdeführer muss im Einzelnen darlegen, inwiefern der angefochtene
Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet. Auf eine
rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht
nicht ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 II 489 E. 2.8; je mit Hinweisen).

1.3. Dem Beschwerdeführer werden mit weiteren Tatbeteiligten sechs
Einbruchdiebstähle zur Last gelegt, wobei es in zwei Fällen mangels Beute beim
Versuch blieb. Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer vor, er habe als
"Logistiker" gehandelt und namentlich Fahrzeug und Werkzeuge zur Verfügung
gestellt sowie bei der vorgängigen Rekognoszierung der Einbruchsobjekte
mitgeholfen. Sie legt dar, gestützt auf welche Beweise und Indizien sie zur
Überzeugung gelangt, der Beschwerdeführer sei an den sechs Einbruchdiebstählen
beteiligt gewesen, und dies nicht bloss in untergeordneter Stellung. Ihre
Beweiswürdigung ist nicht willkürlich. Der Beschwerdeführer verlangt einen
Freispruch in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo. Er wirft der
Vorinstanz vor, gewisse Indizien zu Unrecht zu seinen Ungunsten und
verbleibende Zweifel an seiner Tatbeteiligung nicht zu seinen Gunsten
berücksichtigt zu haben. Damit verkennt er, dass das Bundesgericht in Tatfragen
nur einschreitet, wenn der vorinstanzliche Entscheid offensichtlich unhaltbar
ist. Inwiefern dies der Fall sein könnte, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf.
Seine Vorbringen erschöpfen sich in einer unzulässigen appellatorischen Kritik.
Darauf ist nicht einzutreten.

1.4. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde zudem, soweit der
Beschwerdeführer in der Eventualbegründung eine falsche rechtliche Würdigung
rügt und geltend macht, sein Tatbeitrag sei lediglich als Gehilfenschaft zu
qualifizieren. Der Beschwerdeführer legt seiner Rüge eigene
Sachverhaltsfeststellungen zugrunde oder macht auch in diesem Zusammenhang
geltend, der vorinstanzliche Sachverhalt sei nicht erstellt. Inwiefern die
rechtliche Qualifikation als Mittäter ausgehend von den verbindlichen
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG) falsch
sein soll, begründet er nicht.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe ihn bezüglich des
Einbruchdiebstahls vom 21. Mai 2009 in Verletzung von Art. 391 Abs. 2 StPO
wegen Mittäterschaft verurteilt, obschon erstinstanzlich lediglich ein
Schuldspruch wegen Gehilfenschaft ergangen sei. Das Verbot der reformatio in
peius sei auch bei einem klar verwerflicheren Schuldspruch verletzt.

2.2. Die Vorinstanz argumentiert in ihrer Vernehmlassung, das Verbot der
reformatio in peius gelte nach der einheitlichen Lehre und Praxis allein für
die zu verhängende Sanktion (act. 17 S. 1).

2.3.

2.3.1. Das Berufungsgericht ist, ausser wenn es Zivilklagen beurteilt, nicht an
die Anträge der Parteien gebunden (Art. 391 Abs. 1 lit. b StPO). Dieser
Grundsatz wird in zweifacher Hinsicht eingeschränkt: Einerseits hat das
Berufungsgericht nur die angefochtenen Punkte des erstinstanzlichen Urteils zu
überprüfen (Art. 404 Abs. 1 StPO), anderseits hat es das in Art. 391 Abs. 2
StPO verankerte Verbot der reformatio in peius zu beachten (Botschaft vom 21.
Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1311).
Danach darf die Rechtsmittelinstanz Entscheide nicht zum Nachteil der
beschuldigten oder verurteilten Person abändern, wenn das Rechtsmittel nur zu
deren Gunsten ergriffen worden ist (Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO). Vorbehalten
bleibt eine strengere Bestrafung aufgrund von Tatsachen, die dem
erstinstanzlichen Gericht nicht bekannt sein konnten (Art. 391 Abs. 2 Satz 2
StPO). Das Verbot der reformatio in peius zählt nicht zu den
verfassungsmässigen Rechten und lässt sich nicht aus der EMRK herleiten (vgl.
Urteile 6B_332/2009 vom 4. August 2009 E. 4.2; 6B_411/2007 vom 2. November 2007
E. 1.3). Der Grundsatz war jedoch bereits vor Inkrafttreten der StPO in den
meisten kantonalen Strafprozessordnungen verankert (vgl. BBl 2006 1311; Gilbert
Kolly, Zum Verschlechterungsverbot im schweizerischen Strafprozess, ZStrR 113/
1995, S. 296). Die Wirkung des Verschlechterungsverbots war allerdings von
unterschiedlicher Tragweite. Die kantonalen Gesetzesbestimmungen sahen zum Teil
ausdrücklich vor, dass sich das Verbot nur auf die Strafe, nicht jedoch auf den
Schuldspruch bezog. Andere Kantone präzisierten in ihrer Gesetzgebung nicht,
was unter einer verbotenen Verschlechterung zu verstehen war (dazu Kolly,
a.a.O., S. 309 f. mit Nachweisen; vgl. auch Hauser/Schweri/Hartmann,
Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl. 2005, N. 5 f. S. 478). In diesen
Kantonen wurde teilweise die Meinung vertreten, das Verbot der reformatio in
peius sei auch bei einer schwereren rechtlichen Qualifikation der Tat verletzt
(Hauser/Schweri/Hartmann, a.a.O., N. 6 S. 478; Stefan Wehrle, Das Risiko der
reformatio in peius - trotz Verbot, in: Risiko und Recht, Festgabe zum
Schweizerischen Juristentag 2004, S. 618 ff.). Die zwei unterschiedlichen
Konzepte des Verbots der reformatio in peius finden sich auch im
internationalen Vergleich: Deutschland (§ 331 Abs. 1 StPO/D), Österreich (§ 290
Abs. 2 StPO/A) und Italien (Art. 597 Ziff. 3 StPO/I) beispielsweise umschreiben
das Verschlechterungsverbot in ihrer Gesetzgebung eng, während die Praxis in
Frankreich eine weite Auslegung kennt (vgl. Kolly, a.a.O., S. 310 mit
Nachweisen). Im bundesgerichtlichen Verfahren ergab sich das Verbot der
reformatio in peius aus der Bindung des Bundesgerichts an die Anträge der
Parteien (BGE 111 IV 51 E. 2; Urteil 6B_411/2007 vom 2. November 2007 E. 1.3).

2.3.2. Die Auslegung von Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO ist umstritten. Im
Schrifttum wird einerseits die Auffassung vertreten, die Bestimmung beziehe
sich nur auf die zu verhängende Sanktion ( NIKLAUS SCHMID, Schweizerische
Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2009, N. 3 zu Art. 391 StPO; NIKLAUS
OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, N. 1635 S. 577).
Nach anderen Autoren ist auch eine schärfere rechtliche Qualifikation der Tat
untersagt ( HANS MATHYS, Erstinstanzliches Hauptverfahren - Berufungsverfahren,
in: Schweizerische Strafprozessordnung, Tag/Hauri [Hrsg.], 2010, S. 141; VIKTOR
LIEBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/
Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2010, N. 12 zu Art. 391 StPO; Goldschmid/Maurer/
Sollberger, Kommentierte Textausgabe zur Schweizerischen Strafprozessordnung,
2008, S. 384; Martin Ziegler, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Strafprozessordnung, 2011, N. 3 zu Art. 391 StPO; Richard Calame, in:
Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 8 zu Art. 391
StPO).

2.3.3. Das Bundesgericht legte sich in seiner bisherigen Rechtsprechung auf
keine Auslegung des Verbots der reformatio in peius fest. Es hatte sich vor
Inkrafttreten der StPO namentlich mit § 399 der Strafprozessordnung des Kantons
Zürich vom 4. Mai 1919 (aStPO/ZH) zu befassen, der sich nicht explizit zur
Tragweite des Verbots aussprach. Die Bestimmung untersagte im
Rechtsmittelverfahren eine Abänderung des Urteils zuungunsten des Angeklagten,
sofern nicht auch die Gegenpartei das Rechtsmittel ergriffen hatte (§ 399 aStPO
/ZH). Gemäss der zürcherischen Rechtsprechung verstösst eine Abänderung des
Schuldspruchs ohne Verschärfung des Strafmasses nicht gegen § 399 aStPO/ZH, was
vom Bundesgericht als mit dem Willkürverbot vereinbar angesehen wurde. Es
erwog, diese Auffassung entspreche einer in Literatur und Rechtsprechung
verbreiteten Meinung. Sie widerspreche weder dem Wortlaut von § 399 aStPO/ZH
noch seinem offensichtlichen Sinn und Zweck (Urteil 1P.338/2000 vom 23. Oktober
2000 E. 2c; bestätigt in Urteil 6B_199/2011 vom 10. April 2012 E. 8.3.2). Da
das Bundesgericht die Auslegung des kantonalen Strafprozessrechts nur auf
Willkür überprüfte, ist nicht ausgeschlossen, dass eine andere Interpretation
ebenfalls vertretbar oder gar vorzuziehen gewesen wäre (vgl. zum Willkürbegriff
BGE 138 IV 13 E. 5.1; 137 I 1 E. 2.4).

2.4.

2.4.1. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist
der Text nicht klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, muss unter
Berücksichtigung aller Auslegungselemente nach der wahren Tragweite gesucht
werden. Abzustellen ist namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm
(historische Auslegung) und ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie auf die
Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt
(systematische Auslegung). Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von
Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur allein auf
den Wortlaut abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige
Lösung ergab. Sind mehrere Interpretationen denkbar, soll jene gewählt werden,
welche die verfassungsrechtlichen Vorgaben am besten berücksichtigt (BGE 137 II
164 E. 4.1 mit Hinweis). Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar
entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen.
Namentlich bei neueren Texten kommt den Materialien - bei noch kaum veränderten
Umständen oder gewandeltem Rechtsverständnis - eine besondere Stellung zu (BGE
136 V 216 E. 5.1 und 5.3.1; 135 V 153 E. 4.1).

2.4.2. Art. 459 Abs. 2 lit. a des Vorentwurfs zur StPO bestimmte ausdrücklich,
dass lediglich eine schwerere Bestrafung, nicht aber z.B. eine
Schuldigsprechung wegen eines schwereren Delikts, untersagt sein sollte (vgl.
Begleitbericht zum Vorentwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung,
2001, S. 260; Wehrle, a.a.O., S. 619). Diese Einschränkung des Verbots der
reformatio in peius wurde im Vernehmlassungsverfahren von mehreren
Vernehmlassern kritisiert (vgl. Zusammenfassung der Ergebnisse des
Vernehmlassungsverfahrens über die Vorentwürfe zu einer Schweizerischen
Strafprozessordnung und zu einem Bundesgesetz über das Schweizerische
Jugendstrafverfahren, Bericht des Bundesamtes für Justiz, Februar 2003, S. 83).
Der Wortlaut von Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO lässt demgegenüber beide
Auslegungen zu (Lieber, a.a.O., N. 12 zu Art. 391 StPO). Art. 391 Abs. 2 Satz 1
StPO entspricht § 399 aStPO/ZH (Mathys, a.a.O., S. 141), der eine enge
Auslegung erfuhr (vgl. Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Aufl. 2004, N. 985
ff. S. 371 f. mit Hinweisen; Urteil 1P.338/2000 vom 23. Oktober 2000 E. 2; oben
E. 2.3.3). Die bundesrätliche Botschaft spricht sich allerdings klar für die
gegenteilige Lösung aus. Danach schützt die Bestimmung von Art. 391 Abs. 2 Satz
1 StPO die verurteilte Person nicht nur gegen eine strengere Verurteilung, d.h.
gegen eine Verschärfung der im Urteilsdispositiv verhängten Sanktion und die
Wahl einer anderen, strengeren Sanktionsart, sondern auch gegen eine Abänderung
der ursprünglichen juristischen Qualifikation der Tatsachen in eine strengere
Qualifikation (BBl 2006 1311). Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO und der Hinweis in
der bundesrätlichen Botschaft gaben anlässlich der parlamentarischen Beratungen
zu keinen Diskussionen Anlass, obschon die Frage der engen oder weiten
Auslegung des Verbots der reformatio in peius im Vernehmlassungsverfahren zur
Sprache kam, der Bundesrat bewusst vom Vorentwurf abwich und die Problematik
bereits früher in Lehre und Rechtsprechung diskutiert worden war. Mangels
gegenteiliger Anhaltspunkte ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber
die weite Auslegung bevorzugte.

2.4.3. Zu keinem anderen Ergebnis führt die teleologische Auslegung. Der Sinn
des Verbots der reformatio in peius besteht darin, dass der Angeklagte nicht
durch die Befürchtung, strenger angefasst zu werden, von der Ausübung eines
Rechtsmittels abgehalten werden soll ( WEHRLE, a.a.O., S. 621; KOLLY, a.a.O.,
S. 298; NICOLAUS BERNOULLI, Das Verbot der reformatio in peius im
schweizerischen Strafprozessrecht, 1953, S. 9 und 54 ff.). Durch die
Verurteilung zu einer schwerer eingestuften Straftat erhöht sich der
Schuldvorwurf, was per se eine Schlechterstellung bewirkt ( WEHRLE, a.a.O., S.
622). Mündet das Rechtsmittelverfahren in einen Schuldspruch wegen einer
verwerflicheren Tat, leidet darunter auch der Leumund der betroffenen Person.
Zu denken ist beispielsweise an eine Verurteilung wegen vorsätzlicher anstelle
der ursprünglichen fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung. Daneben kann eine
Umqualifikation einer Übertretung in ein Verbrechen oder Vergehen konkrete
Nachteile wie einen Eintrag im Strafregister (vgl. Art. 366 Abs. 2 lit. a StGB;
Art. 3 und 9 der Verordnung vom 29. September 2006 über das Strafregister [SR
331]) nach sich ziehen (vgl. WEHRLE, a.a.O., S. 623). Schlechterstellungen
dieser Art können den Rechtsuchenden davon abhalten, ein Rechtsmittel
einzulegen.

2.4.4. Das Verbot der reformatio in peius steht im Widerspruch zum Prinzip der
materiellen Wahrheit (Bernoulli, a.a.O., S. 57 f.). Der Gesetzgeber wollte die
materielle Wahrheit in der StPO mit der Möglichkeit der Revision zuungunsten
der beschuldigten Person (Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO; BBl 2006 1319) auf
Kosten des Verschlechterungsverbots privilegieren. In die gleiche Richtung geht
der Vorbehalt in Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO zum Verbot der reformatio in
peius. Der Gesetzgeber knüpfte jedoch sowohl die Revision zuungunsten der
beschuldigten Person als auch den Vorbehalt von Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO an
bestimmte Voraussetzungen. Der Grundsatz der materiellen Wahrheit ist auch in
anderer Hinsicht nicht absolut. Er wird durch verschiedene strafprozessuale
Institutionen wie etwa die gesetzlichen Beweisverwertungsverbote eingeschränkt,
die zu inhaltlich falschen Entscheiden führen können. Auch die systematische
Auslegung spricht folglich nicht gegen ein weites Verständnis des Verbots der
reformatio in peius von Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO.

2.5. Eine Verletzung des Verschlechterungsverbots liegt entsprechend dem
gesetzgeberischen Willen daher nicht nur bei einer Verschärfung der Sanktion,
sondern auch bei einer härteren rechtlichen Qualifikation der Tat vor. Dies ist
der Fall, wenn der neue Straftatbestand eine höhere Strafdrohung (Ziegler,
a.a.O., N. 3 zu Art. 391 StPO; a.M. Calame, a.a.O., N. 8 und 9 zu Art. 391
StPO, wonach mit dem neuen Schuldspruch auch eine Verschärfung der früheren
Qualifikation als Übertretung bzw. als Vergehen einhergehen muss) vorsieht,
d.h. einen höheren oberen Strafrahmen oder eine (höhere) Mindeststrafe, sowie
bei zusätzlichen Schuldsprüchen. Gleich verhält es sich, wenn der Verurteilte
im Berufungsverfahren für die vollendete Tat statt wegen Versuchs (Mathys,
a.a.O., S. 141; Calame, a.a.O., N. 8 zu Art. 391 StPO) oder als Mittäter
anstatt als Gehilfe verurteilt wird, da ein fakultativer bzw. obligatorischer
Strafmilderungsgrund wegfällt. Ob dies auch für die Teilnahmeform der
Anstiftung oder andere Strafmilderungsgründe gilt, braucht an dieser Stelle
nicht beantwortet zu werden.

2.6. Massgeblich für die Frage, ob eine unzulässige reformatio in peius
vorliegt, ist das Dispositiv (Urteil 6B_199/2011 vom 10. April 2012 E. 8.3.2).
Der Rechtsmittelinstanz ist es hingegen nicht untersagt, sich in ihren
Erwägungen zur rechtlichen Qualifikation zu äussern, wenn das erstinstanzliche
Gericht von einer abweichenden Sachverhaltswürdigung oder falschen rechtlichen
Überlegungen ausging (vgl. Calame, a.a.O., N. 9 zu Art. 391 StPO; Wehrle,
a.a.O., S. 624 f.). Entscheidend ist, dass sich dies im Dispositiv nicht in
einem schärferen Schuldspruch niederschlägt und auch nicht zu einer härteren
Strafe führt, wenn ausschliesslich die beschuldigte oder verurteilte Person ein
Rechtsmittel ergriff.

2.7. Nicht zu beanstanden ist unter dem Gesichtspunkt des
Verschlechterungsverbots, wenn die Vorinstanz in ihren Erwägungen darauf
hinweist, dass der Beschwerdeführer ihrer Auffassung nach am Einbruchdiebstahl
vom 21. Mai 2009 in Konolfingen direkt beteiligt war (Urteil S. 45). Sie konnte
diesem Umstand bei der beantragten Reduktion des Strafmasses Rechnung tragen.
Dies durfte sich aber nicht auf den Schuldspruch auswirken, da der
Beschwerdeführer in diesem Punkt erstinstanzlich wegen blosser Gehilfenschaft
verurteilt wurde und die Staatsanwaltschaft weder Berufung noch
Anschlussberufung erhob. Indem die Vorinstanz es bezüglich des
Einbruchdiebstahls vom 21. Mai 2009 nicht bei der Verurteilung wegen
Gehilfenschaft zu Diebstahl belässt, sondern den Beschwerdeführer wegen
Diebstahls schuldig spricht, verletzt sie Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO. Die Rüge
des Beschwerdeführers ist begründet.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 116 Abs. 1 lit. a AuG.
Er habe nicht wissen können, dass A._______, B.________ und C._______ über
keine Aufenthaltsbewilligung verfügten. Eventualiter sei er zu einer Busse zu
verurteilen, da es sich höchstens um einen leichten Fall im Sinne von Art. 116
Abs. 2 AuG handle.

3.2. Den Tatbestand von Art. 116 Abs. 1 lit. a AuG erfüllt, wer im In- oder
Ausland einer Ausländerin oder einem Ausländer die rechtswidrige Ein- oder
Ausreise oder den rechtswidrigen Aufenthalt in der Schweiz erleichtert oder
vorbereiten hilft.

3.3. Der Beschwerdeführer brachte seine aus dem Kosovo stammenden Mittäter
A.________, B.________ und C.________, welche zuvor illegal in die Schweiz
eingereist waren, bei sich bzw. bei einem Bekannten unter. Die Vorinstanz
stellt fest, er habe aus eigener Erfahrung gewusst, dass seine Landsleute eine
Aufenthaltsbewilligung benötigten. Er habe A.________, B.________ und
C.________ im Wissen um den illegalen Aufenthalt in der Schweiz eine Unterkunft
zur Verfügung gestellt. Sie geht davon aus, der Beschwerdeführer habe mit
direktem Vorsatz gehandelt (Urteil S. 37 ff. und 45 ff.).

3.4. Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft so genannte innere
Tatsachen, welche vor Bundesgericht nur im Rahmen von Art. 97 Abs. 1 BGG gerügt
werden können (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 135 IV 152 E. 2.3.2; je mit Hinweisen).
Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, weshalb die vorinstanzliche Würdigung
offensichtlich unhaltbar und damit willkürlich sein könnte. Auf seine Rüge ist
nicht einzutreten, soweit er sich gegen die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung wendet. Der Schuldspruch wegen mehrfacher Förderung
des rechtswidrigen Aufenthalts ist bundesrechtskonform. Die Vorinstanz durfte
einen leichten Fall im Sinne von Art. 116 Abs. 2 AuG verneinen.

4.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes "ne bis in idem". Er
werde für das illegale Beherbergen seiner Mittäter sowohl gestützt auf Art. 116
Abs. 1 lit. a AuG als auch wegen Diebstahls bestraft, da die Vorinstanz ihm
vorwerfe, er habe als Logistiker gehandelt.
Der Einwand ist unbegründet. Die Vorinstanz erachtet die Beteiligung des
Beschwerdeführers an den Einbruchdiebstählen nicht alleine deshalb als
erwiesen, weil er seinen Mittätern in der Schweiz eine Unterkunft zur Verfügung
stellte. Sie weist vielmehr darauf hin, dass er an den Diebstählen beteiligt
war, dass er Fahrzeug und Werkzeug zur Verfügung stellte und auch mithalf, die
Einbruchsobjektive vorgängig zu rekognoszieren.

5.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung.

5.1. Das Sachgericht verfügt auf dem Gebiet der Strafzumessung über einen
Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde in Strafsachen hin
nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder
unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien
ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. durch
Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 136 IV
55 E. 5.6; 135 IV 130 E. 5.3.1; 134 IV 17 E. 2.1).

5.2. Soweit der Beschwerdeführer seiner Rüge eigene, von den vorinstanzlichen
Feststellungen abweichende Tatsachenbehauptungen zugrunde legt, ist darauf
nicht einzutreten.

5.3. Der Beschwerdeführer rügt, die Freiheitsstrafe sei unverhältnismässig
hoch. Angemessen seien 26 Monate. Er beruft sich auf einen vom Obergericht des
Kantons Bern im Mai 2012 beurteilten Fall. Damals sei gegenüber einem
Wiederholungstäter für mehr als 50 Einbrüche eine Freiheitsstrafe von 44
Monaten verhängt worden, d.h. weniger als einen Monat pro Einbruch (Beschwerde
S. 25). Daraus kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Er
verkennt, dass die Strafe nach dem in Art. 49 StGB verankerten
Asperationsprinzip nicht proportional zur Anzahl der Straftaten steigt. Er
übersieht zudem, dass sich die Höhe des Strafmasses nach den konkreten Tat- und
Täterkomponenten bemisst und es im Strafrecht keinen Anspruch auf
"Gleichbehandlung im Unrecht" gibt (BGE 135 IV 191 E. 3.3).

5.4. Die Vorinstanz setzt sich in ihren Erwägungen zur Strafzumessung mit den
wesentlichen schuldrelevanten Komponenten auseinander und würdigt diese
zutreffend. Dass sie sich von rechtlich nicht massgeblichen Gesichtspunkten
hätte leiten lassen oder wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt hätte, ist
nicht ersichtlich. Die Freiheitsstrafe von 34 Monaten hält sich im Rahmen des
sachrichterlichen Ermessens.

6.

6.1. Der Beschwerdeführer beanstandet, die Voraussetzungen für den Widerruf des
bedingten Vollzugs der Freiheitsstrafe von 20 Monaten seien nicht geprüft
worden. Die Vorinstanz stelle auf die Ausführungen des erstinstanzlichen
Gerichts ab, welches lediglich auf seine Erwägungen zum unbedingten Vollzug der
Hauptstrafe verweise.

6.2. Ein während der Probezeit begangenes Verbrechen oder Vergehen führt nicht
zwingend zum Widerruf des bedingten Strafaufschubs. Dieser soll nach Art. 46
Abs. 1 StGB nur erfolgen, wenn wegen der erneuten Straffälligkeit eine
eigentliche Schlechtprognose besteht (BGE 134 IV 140 E. 4.2 und 4.3). Nach
welchen Grundsätzen die Prüfung des Widerrufs erfolgen soll, hat das
Bundesgericht in seinem Grundsatzentscheid BGE 134 IV 140 dargelegt. Weder die
Vorinstanz noch das erstinstanzliche Gericht nehmen darauf Bezug. Die
Vorinstanz erkennt zwar, dass für den Widerruf der Freiheitsstrafe von 20
Monaten erhöhte Anforderungen gelten (Urteil S. 53). Eine eigentliche Prüfung
nimmt sie hingegen nicht vor. Der angefochtene Entscheid genügt den
Begründungsanforderungen nicht. Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt
begründet.

7.

7.1. Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen und das angefochtene Urteil
bezüglich des Schuldspruchs wegen Diebstahls, begangen am 21. Mai 2009 in
Konolfingen, und des Widerrufs des mit Urteil des Kreisgerichts Thun vom 26.
Juni 2008 für die Freiheitsstrafe von 20 Monaten gewährten bedingten Vollzugs
aufzuheben. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann.

7.2. Der Kanton Bern hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren im Umfang seines Obsiegens eine angemessene Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Die Entschädigung ist dem Rechtsvertreter
des Beschwerdeführers zuzusprechen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
wird in diesem Umfang gegenstandslos. Soweit der Beschwerdeführer unterliegt,
ist es zufolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und
2 BGG). Seiner finanziellen Lage ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten
Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des
Kantons Bern vom 14. Juni 2012 teilweise aufgehoben und die Sache zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde
abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht
gegenstandslos geworden ist.

3.
Dem Beschwerdeführer werden Gerichtskosten von Fr. 800.-- auferlegt.

4.
Der Kanton Bern hat Fürsprecher Kurt Gaensli für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Strafabteilung, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. September 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Unseld

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