Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.708/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_708/2012

Urteil vom 8. Juli 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Näf.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Hälg,
Beschwerdeführerin,

gegen

1.  Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
2. Swissmedic, Schweizerisches Heilmittelinstitut, Hallerstrasse 7, 3012 Bern.
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mehrfache fahrlässige Widerhandlung gegen das Heilmittelgesetz; lex mitior;
Ersatzforderung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 17. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.

 X.________ ist als Fachärztin für Rheumatologie tätig. Sie bestellte in der
Zeit vom 30. Mai 2005 bis zum 29. Mai 2006 insgesamt 700 Dosen zu je 100
Tabletten des damals von der Swissmedic nicht zugelassenen Präparats "GC" und
gab dieses an Familienangehörige und Freunde sowie an Patienten mit
Arthrosebeschwerden ab. Das Präparat "GC" wurde von der A.________ AG
produziert und zum Befüllen der Dosen an die B.________ AG weitergegeben. Diese
füllte das Präparat in Dosen zu 100 Tabletten ab, verschloss die Dosen und
lieferte diese an die C.________ AG beziehungsweise an die D.________ AG, wo
sie zwischengelagert und entsprechend den Bestellungen ausgeliefert wurden.
X.________ respektive ihre Mitarbeiterinnen bestellten die Dosen mit dem
Präparat "GC" über E.________ beziehungsweise dessen Firma F.________ GmbH.
Das Präparat "GC" ist ein Kombinationspräparat bestehend aus Glucosaminsulfat
und Chondroitinsulfat. Der letztgenannte Wirkstoff ist in der Stoffliste der
Swissmedic in der Kategorie B (Abgabe auf ärztliche oder tierärztliche
Verschreibung) aufgeführt. Das Präparat "GC" wurde zur Behandlung von
Arthrosebeschwerden eingesetzt und bis 2006 praktisch ausschliesslich über
Ärzte vertrieben.

B.

B.a. Mit Strafverfügung vom 10. Februar 2010 bestrafte das Statthalteramt des
Bezirkes Zürich X.________ wegen mehrfacher fahrlässiger Übertretung des
Bundesgesetzes über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG; SR
812.21) im Sinne von Art. 87 Abs. 1 lit. f und Abs. 3 i.V.m. Art. 86 Abs. 1
lit. b HMG mit einer Busse von 300 Franken.
X.________ erhob Einsprache und verlangte die gerichtliche Beurteilung.

B.b. Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach X.________
am 17. Oktober 2012 in Bestätigung des Entscheids des Einzelgerichts des
Bezirkes Zürich (10. Abteilung) vom 20. Februar 2012 der mehrfachen
fahrlässigen Widerhandlung gegen das Heilmittelgesetz im Sinne von Art. 87 Abs.
1 lit. f in Verbindung mit Art. 86 Abs. 1 lit. b und Art. 87 Abs. 3 HMG
schuldig. Sie sah unter Hinweis auf das Verbot der "reformatio in peius" wie
das Einzelgericht von der Ausfällung einer Strafe ab. Sie verpflichtete
X.________, dem Staat als Ersatz für widerrechtlich erlangten Vermögensvorteil
Fr. 11'500.-- zu bezahlen.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des
Obergerichts sei aufzuheben, und sie sei freizusprechen. In jedem Fall sei auf
die Einziehung eines Vermögensvorteils zu verzichten. Eventualiter sei die
Ersatzforderung angemessen zu reduzieren. Subeventualiter sei die Sache zur
Neubeurteilung des einzuziehenden Vermögensvorteils an die erste Instanz
zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

1.1. Gemäss Art. 86 Abs. 1 HMG wird, sofern keine schwerere strafbare Handlung
nach dem Strafgesetzbuch oder dem Betäubungsmittelgesetz vorliegt, mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer die Gesundheit
von Menschen gefährdet, indem er oder sie vorsätzlich (lit. b) Arzneimittel
ohne Zulassung, ohne Bewilligung oder entgegen anderen Bestimmungen dieses
Gesetzes herstellt, in Verkehr bringt, verschreibt, einführt, ausführt oder
damit im Ausland handelt. Nach Art. 87 Abs. 1 HMG wird mit Busse bis zu 50'000
Franken bestraft, wer vorsätzlich (lit. f) die Tatbestände nach Artikel 86
Absatz 1 erfüllt, ohne dass dadurch die Gesundheit von Menschen gefährdet wird.
Wer fahrlässig handelt, wird gemäss Art. 87 Abs. 3 HMG mit Busse bis zu 10'000
Franken bestraft.
Arzneimittel sind nach der gesetzlichen Definition gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. a
HMG Produkte chemischen oder biologischen Ursprungs, die zur medizinischen
Einwirkung auf den menschlichen oder tierischen Organismus bestimmt sind oder
angepriesen werden, insbesondere zur Erkennung, Verhütung oder Behandlung von
Krankheiten, Verletzungen und Behinderungen; zu den Arzneimitteln gehören auch
Blut und Blutprodukte. Nahrungsmittel sind gemäss der gesetzlichen Definition
in Art. 3 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände
(Lebensmittelgesetz, LMG; SR 817.0) Erzeugnisse, die dem Aufbau oder dem
Unterhalt des menschlichen Körpers dienen und nicht als Heilmittel angepriesen
werden. Die Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln kann schwierig
sein. Zu den für die Abgrenzung massgebenden Umständen gehören die
Zusammensetzung des Produkts, die pharmakologischen Wirkungen einschliesslich
der unerwünschten Nebenwirkungen und der Verwendungszweck nach dem Eindruck des
durchschnittlichen Konsumenten. Welchen Eindruck der Konsument in Bezug auf den
Verwendungszweck gewinnt, hängt von verschiedenen Umständen ab. Von Bedeutung
sind unter anderem die Art und Weise der Präsentation des Produkts, die
Aufmachung, die Darreichungsform und die Vertriebskanäle (Urteil 6B_979/2009
vom 21. Oktober 2010 E. 4.2). Das Bundesgericht hat im genannten Entscheid
erkannt, dass das Präparat "GC" in Anbetracht der gesamten massgebenden
Umstände im beurteilten Fall als Arzneimittel zu qualifizieren ist (zitiertes
Urteil E. 4.3; siehe auch Urteil 6B_526/2011 vom 20. März 2012 E. 1.2).

1.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, nach der vom Bundesamt für
Gesundheit (BAG) im Zeitpunkt der Beurteilung vertretenen Auffassung werde das
Präparat "GC" nicht mehr als Arzneimittel, sondern als Nahrungsergänzungsmittel
qualifiziert. Als solches dürfe es ohne Zulassung in Verkehr gebracht werden.
In Anwendung des Grundsatzes der " lex mitior " sei sie daher freizusprechen.
Der im Präparat "GC" enthaltene Wirkstoff Chondroitinsulfat ist seit Frühjahr
2008 in einer maximalen Tagesdosis von 500 mg für Erwachsene in
Nahrungsergänzungsmitteln zugelassen (siehe Anhang 13 der Verordnung des EDI
über Speziallebensmittel; SR 817.022.104). Der Grund hiefür liegt darin, dass
dieser Stoff gemäss neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen aus dem Jahr 2007
nur geringe beziehungsweise keine über den Placebo-Effekt hinausgehende
Wirkungen zeitigt und bei üblichem Gebrauch nicht im Sinne von Art. 13 Abs. 1
LMG die Gesundheit gefährden kann. Daher wurden seit 2008 einige Präparate,
welche eine im Wesentlichen gleiche Zusammensetzung wie das Präparat "GC"
aufweisen, von der zuständigen Behörde als Nahrungsergänzungsmittel bewilligt
(siehe Urteil 6B_979/2009 vom 21. Oktober 2010 E. 4.3.2). Daraus kann die
Beschwerdeführerin jedoch nichts zu ihren Gunsten ableiten. Die tatsächlichen
Verhältnisse waren seit 2008 infolge Änderung des wissenschaftlichen
Kenntnisstandes betreffend die möglichen Wirkungen von Chondroitinsulfat andere
als im Zeitraum der inkriminierten Handlungen (Mai 2005 bis Mai 2006).
Massgebend ist aber der Stand der Wissenschaft zur Zeit der Taten. Dies gilt
nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots (vgl. Urteil
6B_979/2009 vom 21. Oktober 2010 E. 4.3.2), sondern auch unter dem Aspekt der
" lex mitior " (siehe Urteil 6B_212/2012 vom 14. Februar 2013 E. 2).

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin macht wie bereits im kantonalen Verfahren geltend,
das Präparat "GC" bedürfe auch im Falle seiner Qualifikation als Arzneimittel
keiner Zulassung, da es im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. b HMG in der seit 1.
Oktober 2010 geltenden Fassung gestützt auf eine " Formula magistralis "
defekturmässig hergestellt worden sei. Dieses neue, seit 1. Oktober 2010 und
somit bereits im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Beurteilung geltende Recht
hätte im vorliegenden Fall als " lex mitior " angewendet werden müssen. Bei
Anwendung dieser Bestimmung habe sie den objektiven Tatbestand von Art. 87 Abs.
1 lit. f in Verbindung mit Art. 86 Abs. 1 lit. b HMG nicht erfüllt.

2.2. Verwendungsfertige Arzneimittel dürfen nur in Verkehr gebracht werden,
wenn sie vom Schweizerischen Heilmittelinstitut zugelassen sind. Vorbehalten
sind internationale Abkommen über die Anerkennung von Zulassungen (Art. 9 Abs.
1 HMG). Keine Zulassung brauchen unter anderem Arzneimittel, die in einer
öffentlichen Apotheke oder in einer Spitalapotheke in Ausführung einer
ärztlichen Verschreibung für eine bestimmte Person oder einen bestimmten
Personenkreis hergestellt werden ( Formula magistralis ); gestützt auf eine
solche Verschreibung kann das Arzneimittel in der öffentlichen Apotheke oder
der Spitalapotheke ad hoc oder defekturmässig hergestellt, aber nur auf
ärztliche Verschreibung hin abgegeben werden (Art. 9 Abs. 2 lit. a HMG in der
Fassung gemäss Bundesgesetz vom 13. Juni 2008, in Kraft seit 1. Oktober 2010).
Gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. a aHMG in der bis zum 30. September 2010 und somit
auch zur Zeit der inkriminierten Handlungen geltenden Fassung (AS 2001 2790)
brauchten keine Zulassung Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke, in
einer Spitalapotheke oder, in deren Auftrag, in einem anderen Betrieb, der über
eine Herstellungsbewilligung verfügte, nach ärztlicher Verschreibung für eine
bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis hergestellt wurden
( Formula magistralis ).
Der Anwendungsbereich der " Formula magistralis " wurde mithin durch die
Revision von Art. 9 Abs. 2 lit. a gemäss Bundesgesetz vom 13. Juni 2008
einerseits eingeschränkt und andererseits ausgeweitet. Zum einen kann eine
Ausnahme von der Zulassungspflicht nur noch bei Arzneimitteln bestehen, die in
einer öffentlichen Apotheke oder in einer Spitalapotheke hergestellt werden,
nicht mehr auch bei Arzneimitteln, welche, im Auftrag einer solchen Apotheke,
in einem anderen Betrieb, der über eine Herstellungsbewilligung verfügt,
produziert werden. Zum anderen werden die Anforderungen an die " Formula
magistralis " gelockert, damit sie den Bedürfnissen der Fachpersonen und den
produktionstechnischen Erfordernissen entsprechen. Die zu behandelnde Person
oder der zu behandelnde Personenkreis muss vor der Herstellung nicht mehr
namentlich bekannt sein. Daher wird neu die defekturmässige Herstellung in
einem beschränkten Ausmass zugelassen. Darunter versteht man die Herstellung
von Arzneimitteln zur Lagerhaltung und späteren Abgabe. Die defekturmässige
Herstellung zeichnet sich gemäss den Ausführungen in der Botschaft durch einen
häufigeren Gebrauch der betreffenden Arzneimittel und eine entsprechende
Standardisierung aus. Ein defekturmässig hergestelltes Arzneimittel wird im
Voraus gefertigt und gelagert, ohne dass zu diesem Zeitpunkt der künftige
Anwender, für welchen das Arzneimittel bestimmt ist, bekannt sein muss. Die
defekturmässige Herstellung ist somit zwischen der Ad-hoc-Herstellung und der
serienmässigen, industriellen Produktion im grossen Massstab anzusiedeln
(Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2007 zur Änderung des
Heilmittelgesetzes, BBl 2007 2393 ff., 2406 f., 2414 f.; Urteil 6B_526/2011 vom
20. März 2012 E. 1.3).

2.3. Zur Zeit der inkriminierten Handlungen galt Art. 9 Abs. 2 lit. a aHMG. Im
Zeitpunkt der Ausfällung des angefochtenen Urteils und auch bereits des
erstinstanzlichen Entscheids galt Art. 9 Abs. 2 lit. a HMG in der seit 1.
Oktober 2010 in Kraft stehenden neuen Fassung, wonach unter den in dieser
Bestimmung genannten weiteren Voraussetzungen nicht mehr nur ad hoc, sondern
auch defekturmässig hergestellte Arzneimittel keine Zulassung brauchen. Ob in
dieser Konstellation der Grundsatz der " lex mitior " anwendbar und
gegebenenfalls das neue Recht milder ist, liess das Bundesgericht in einem
früheren Entscheid offen (Urteil 6B_526/2011 vom 20. März 2012 E. 1.4.1). Die
Frage muss auch im vorliegenden Fall nicht entschieden werden, da die
Voraussetzungen einer "Formula magistralis" nach den zutreffenden Ausführungen
im angefochtenen Urteil sowohl altrechtlich als auch neurechtlich nicht erfüllt
sind.
Das Präparat "GC", welches die Beschwerdeführerin abgab, wurde von der
A.________ AG in grösseren Mengen serienmässig auf Vorrat und nicht erst nach
ärztlicher Verschreibung der Beschwerdeführerin hergestellt. Schon aus diesem
Grunde ist Art. 9 Abs. 2 lit. a aHMG in der alten Fassung nicht anwendbar. Die
Firma A.________ AG, welche das Präparat "GC" herstellte, ist weder eine
öffentliche Apotheke noch eine Spitalapotheke. Daher gelangt Art. 9 Abs. 2 lit.
a HMG in der neuen Fassung nicht zur Anwendung.

2.4. Die Beschwerdeführerin macht wie bereits im kantonalen Verfahren geltend,
sie sei aufgrund von Abklärungen davon ausgegangen, dass das Präparat "GC",
welches sie bei dem ihr wohl bekannten Pharmavertreter E.________ bestellt
habe, vom verantwortlichen Apotheker G.________ der H.________-Apotheke in
Zürich hergestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin will mit diesem
Vorbringen offenbar geltend machen, dass sie die Voraussetzungen von Art. 9
Abs. 2 lit. a HMG in der neuen Fassung (Herstellung in einer Apotheke) aufgrund
eines nicht vorwerfbaren Irrtums als gegeben erachtet und daher den Tatbestand
weder vorsätzlich noch fahrlässig erfüllt habe. Sie legt allerdings nicht dar,
aufgrund welcher Umstände sie in guten Treuen habe annehmen können, das
Präparat "GC" sei in einer Apotheke hergestellt worden. Dass ihr angeblich der
Pharmavertreter E.________ mitgeteilt habe, das Präparat werde vom Apotheker
G.________ produziert, rechtfertigte eine solche Annahme nicht. Es wäre für die
Beschwerdeführerin ein Leichtes gewesen, beispielsweise durch eine Anfrage beim
Apotheker G.________ abzuklären, ob tatsächlich dieser das Präparat "GC"
herstelle. Eine solche Nachfrage wäre der Beschwerdeführerin auch ohne weiteres
zumutbar gewesen, da es immerhin um die Abgabe von Arzneimitteln ohne Zulassung
über einen längeren Zeitraum ging.
Dass und inwiefern sie schuldlos irrtümlich angenommen habe, die
Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 2 lit. a aHMG in der alten Fassung seien
erfüllt, legt die Beschwerdeführerin nicht dar.

3.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Verfahren hätte wegen Geringfügigkeit
der ihr vorgeworfenen Handlungen eingestellt beziehungsweise sie hätte aus
diesem Grunde freigesprochen werden müssen. Sie beruft sich auf Art. 87 Abs. 6
HMG, Art. 52 StGB und Art. 8 StPO.

3.1. Gemäss Art. 87 Abs. 6 HMG kann in besonders leichten Fällen auf
Strafverfolgung und Bestrafung verzichtet werden. Nach Art. 52 StGB sieht die
zuständige Behörde von einer Strafverfolgung, einer Überweisung an das Gericht
oder einer Bestrafung ab, wenn Schuld und Tatfolgen geringfügig sind. Die
beiden Bestimmungen unterscheiden sich darin, dass der Verzicht auf
Strafverfolgung oder Bestrafung nach Art. 87 Abs. 6 HMG fakultativ, gemäss Art.
52 StGB hingegen zwingend ist. Zudem ist Art. 87 Abs. 6 HMG etwas allgemeiner
formuliert.

3.2.

3.2.1. Die Beschwerdeführerin beantragte im Verfahren vor dem Statthalteramt
des Bezirkes Zürich unter Berufung auf Art. 52 StGB, es sei wegen
Geringfügigkeit von Schuld und Tatfolgen von einer Strafverfolgung abzusehen.
Das Statthalteramt lehnte diesen Antrag ab (kant. Akten act. 10). Es erwog, die
Voraussetzungen von Art. 52 StGB seien nicht erfüllt, da die Beschwerdeführerin
in der Zeit von Mai 2005 bis Mai 2006 insgesamt 900 Dosen des Präparats "GC"
bezogen und einen Teil davon ihren an Arthrose leidenden Patienten abgegeben
habe. Mit der Frage, ob ein besonders leichter Fall im Sinne von Art. 87 Abs. 6
HMG vorliegt, setzte sich das Statthalteramt in seiner Strafverfügung nicht
ausdrücklich auseinander.

3.2.2. Die Beschwerdeführerin stellte vor der ersten Gerichtsinstanz für den
Fall, dass sie nicht freigesprochen werde, den Antrag, das Verfahren wegen
offensichtlicher Geringfügigkeit im Sinne von Art. 87 Abs. 6 HMG einzustellen.

 Die erste Gerichtsinstanz wies diesen Antrag mit der Begründung ab, dass der
vorliegende Fall angesichts der von der Beschwerdeführerin bezogenen und
abgegebenen Menge des Präparats "GC" in objektiver Hinsicht keinen blossen
Bagatellcharakter mehr aufweise (erstinstanzliches Urteil S. 7). Sie sprach die
Beschwerdeführerin der mehrfachen Übertretung des Heilmittelgesetzes schuldig.
Von der Ausfällung einer Strafe sah sie in Anwendung von Art. 87 Abs. 6 HMG und
Art. 52 StGB ab. Zur Begründung erwog sie, dass das Verschulden der
Beschwerdeführerin geringfügig und das Präparat "GC" ungefährlich sei. Unter
den Gesichtspunkten der Spezial- und der Generalprävention reiche ein
Schuldspruch ohne Strafe aus. Seit den inkriminierten Handlungen sei viel Zeit
verstrichen, und das Verfahren habe sehr lange gedauert (kant. Akten act. 42 S.
22 f.). Mit der Frage, ob das Gericht bei geringfügiger Tat im Sinne von Art.
52 StGB und/oder Art. 87 Abs. 6 HMG das Verfahren gestützt auf Art. 8 der seit
1. Januar 2011 in Kraft stehenden Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO)
zwingend einstellen muss, setzte sie sich nicht auseinander. Sie hatte dazu
auch keinen Anlass, weil ihres Erachtens für das erstinstanzliche
Gerichtsverfahren gemäss Art. 455 i.V.m. Art. 453 Abs. 1 StPO die
Strafprozessordnung des Kantons Zürich zur Anwendung gelangte, da die
Strafverfügung des Statthalteramtes, gegen welche die Beschwerdeführerin
Einsprache erhob, vor dem Inkrafttreten der StPO gefällt worden war.

3.2.3. Die Beschwerdeführerin beantragte im Berufungsverfahren, sie sei
freizusprechen, eventualiter sei auf die Strafverfolgung wegen offensichtlicher
Geringfügigkeit im Sinne von Art. 87 Abs. 6 HMG und Art. 52 StGB zu verzichten,
da das inkriminierte Verhalten objektiv und subjektiv eine Bagatelle sei (kant.
Akten act. 43 S. 2, S. 12 f.). Die Vorinstanz bestätigt den erstinstanzlichen
Schuldspruch. Sie weist darauf hin, dass mangels Berufung und Anschlussberufung
der Anklagebehörde der erstinstanzliche Entscheid nicht zum Nachteil der
Beschwerdeführerin abgeändert werden dürfe (Art. 391 Abs. 2 StPO), weshalb mit
der ersten Instanz von der Ausfällung einer Strafe abzusehen sei. Mit der
Frage, ob das Strafverfahren in Anwendung von Art. 87 Abs. 6 HMG und/oder Art.
52 StGB gestützt auf Art. 8 StPO zwingend einzustellen sei, setzt sich die
Vorinstanz nicht ausdrücklich auseinander.

3.2.4. Ob im Verfahren vor der ersten Gerichtsinstanz noch die
Strafprozessordnung des Kantons Zürich anwendbar war, wie die erste Instanz
unter Hinweis auf Art. 455 i.V.m. Art. 453 Abs. 1 StPO annahm, oder ob im
erstinstanzlichen Gerichtsverfahren entsprechend einer Bemerkung im
angefochtenen Urteil (S. 6) die StPO hätte angewendet werden müssen, weil die
Strafverfügung nach deren Inkrafttreten beim Gericht eingereicht wurde, kann
dahingestellt bleiben, da allein das Urteil der Vorinstanz Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens bildet.
Jedenfalls im Berufungsverfahren war die StPO anwendbar, wovon auch die
Vorinstanz unter Hinweis auf Art. 454 Abs. 1 StPO ausgeht. Diese hätte daher
prüfen müssen, ob sich aus Art. 8 StPO ergibt, dass sie zufolge der
Geringfügigkeit der Tat das Verfahren einstellen muss.

3.3. In den Anwendungsfällen der Strafbefreiung im Sinne von Art. 52 bis 54
StGB ist im Stadium des gerichtlichen Verfahrens nach der Anklageerhebung nur
ein Schuldspruch unter Verzicht auf Strafe möglich. Ein Freispruch fällt ausser
Betracht (Franz Riklin, in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. Aufl. 2013, N.
18, 26 vor Art. 52 ff. StGB). Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Art.
52, 53 und 54 StGB, wonach die zuständige Behörde von einer "Bestrafung"
absieht (renonce à lui "infliger une peine"; prescinde "dalla punizione").
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist in diesen Fällen auch eine
Verfahrenseinstellung ausgeschlossen (BGE 135 IV 27 E. 2 betreffend Art. 53
StGB). Zu prüfen ist, ob diese Rechtsprechung in Anbetracht der Schweizerischen
Strafprozessordnung, die am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist, zu ändern
beziehungsweise obsolet geworden ist.

3.4. Gemäss Art. 8 Abs. 1 StPO sehen Staatsanwaltschaft und Gerichte von der
Strafverfolgung ab, wenn das Bundesrecht es vorsieht, namentlich unter den
Voraussetzungen der Artikel 52, 53 und 54 StGB. Nach Art. 8 Abs. 4 StPO
verfügen sie in diesen Fällen, dass kein Verfahren eröffnet oder das laufende
Verfahren eingestellt wird.
Es stellt sich die Frage, ob das Gericht, das im Verfahren nach der
Anklageerhebung die Voraussetzungen von Art. 52, 53 oder Art. 54 StGB als
erfüllt erachtet, entsprechend BGE 135 IV 27 E. 2 über die Anklage entscheiden
und im Falle eines Schuldspruchs von einer Bestrafung absehen muss oder ob es
gemäss Art. 8 Abs. 1 und Abs. 4 StPO das Verfahren einzustellen hat.

3.4.1. In der Lehre sind die Meinungen geteilt. Nach der überwiegenden
Auffassung hat das Gericht in den Anwendungsfällen von Art. 52 bis 54 StGB
gestützt auf Art. 8 Abs. 1 und Abs. 4 StPO das Verfahren einzustellen (siehe
Fiolka/Riedo, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2010,
Art. 8 StPO N. 105 ff.; Wolfgang Wohlers, in: Kommentar zur Schweizerischen
Strafprozessordnung, 2010, Art. 8 StPO N. 11; Niklaus Schmid, Handbuch des
schweizerischen Strafprozessrechts, 2009, N. 202 Fn. 335; Robert Roth, in:
Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, art. 8 n. 8;
Jeanneret/Kuhn, Précis de procédure pénale, 2013, n. 4091; wohl auch Pierre
Cornu, Exemption de peine et classement, RPS 127/2009 p. 393 ss, 418). Diese
Ansicht stützt sich im Wesentlichen auf den Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 StPO,
worin neben der Staatsanwaltschaft auch die Gerichte genannt werden, sowie auf
Art. 329 Abs. 4 StPO, wonach unter der darin genannten Voraussetzung das
Gericht nach Anklageerhebung das Verfahren einstellt. Nach der anderen
Auffassung hat das Gericht bei Vorliegen der diesbezüglichen Voraussetzungen
einen Schuldspruch auszufällen und von einer Bestrafung abzusehen. Mit den
"Gerichten" im Sinne von Art. 8 StPO seien offensichtlich gerichtliche
Beschwerdeinstanzen gemeint, die im Vorverfahren wegen einer
Verfahrenseinstellung oder deren Ablehnung angerufen werden (Franz Riklin,
a.a.O., N. 27 vor Art. 52 ff. StGB).

3.4.2. Bereits der Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartements vom Juni 2001 zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung
sowie der Entwurf des Bundesrates vom Dezember 2005 enthielten in Art. 8 eine
Regelung betreffend das "Opportunitätsprinzip" beziehungsweise den "Verzicht
auf Strafverfolgung" unter anderem bei geringfügiger Tat. Art. 8 Abs. 3 sah
vor, dass Staatsanwaltschaft und Gerichte in diesen Fällen eine
Nichtanhandnahme- oder Einstellungsverfügung erlassen. Der Verzicht auf
Strafverfolgung sollte nur in Form einer solchen Verfügung erfolgen können,
gegen welche die Beschwerde an das Gericht zulässig ist (Begleitbericht zum
Vorentwurf, S. 36; Botschaft des Bundesrates vom 21. Dezember 2005 zur
Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085 ff., 1131 f.).

 Der Begleitbericht zum Vorentwurf enthält keine Anhaltspunkte für die
Auffassung, dass das Gericht nach Anklageerhebung gestützt auf Art. 8 das
Verfahren einstellen muss, wenn es beispielsweise die Tat als geringfügig
erachtet. Aus den Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates ergibt sich
nicht, dass durch Art. 8 StPO etwas an der bisherigen Rechtslage betreffend das
Vorgehen in den Anwendungsfällen von Art. 52 bis 54 StGB geändert werden
sollte. Diese Bestimmungen sehen neben dem Absehen von einer Strafverfolgung
und einer Überweisung an das Gericht ausdrücklich auch das Absehen von
Bestrafung vor. Mit Letzterem ist nicht eine Verfahrenseinstellung, sondern ein
Schuldspruch unter Verzicht auf Strafe gemeint. Dies folgt auch aus der
Botschaft des Bundesrates vom 21. September 1998 zur Revision des Allgemeinen
Teils des Strafgesetzbuches, worin zu Art. 52 des Entwurfs (entsprechend Art.
52 StGB) festgehalten wird, dass die zuständige Behörde unter den in dieser
Bestimmung genannten Voraussetzungen zwingend darauf verzichten muss, das
laufende Verfahren fortzusetzen oder eine Strafe aufzuerlegen (Botschaft, BBl
1999 1979 ff., 2064). Die Botschaft weist darauf hin, dass in der künftigen
eidgenössischen Strafprozessordnung gemäss dem Konzeptbericht der
Expertenkommission von 1997 ein gemässigtes Opportunitätsprinzip gelten soll,
welches unter anderem geringfügige Straftaten erfasst. Bei den Ausnahmen vom
Verfolgungszwang soll in der eidgenössischen Strafprozessordnung besonderes
Gewicht gelegt werden auf die rechtsstaatliche Überprüfbarkeit der Verfügungen,
die den Verzicht auf die Strafverfolgung begründen (Botschaft, a.a.O., S.
2065). Damit ist offenkundig die Überprüfung von Nichtanhandnahme- und
Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft durch ein Gericht gemeint.

3.4.3. Gemäss Art. 52 bis 54 StGB sieht die zuständige Behörde unter den darin
genannten Voraussetzungen "von einer Strafverfolgung, einer Überweisung an das
Gericht oder einer Bestrafung" ab. Nach Art. 8 Abs. 1 StPO sehen
Staatsanwaltschaft und Gerichte "von der Strafverfolgung" ab, wenn das
Bundesrecht es vorsieht, namentlich unter den Voraussetzungen der Art. 52, 53
und 54 StGB. Gemäss Art. 8 Abs. 4 StPO verfügen sie in diesen Fällen, "dass
kein Verfahren eröffnet oder das laufende Verfahren eingestellt wird". Art. 8
StPO erfasst nur die "Strafverfolgung", von welcher in Art. 52 bis 54 StGB
ebenfalls die Rede ist, nicht auch die in Art. 52 bis 54 StGB darüber hinaus
genannte "Bestrafung". Art. 8 StPO betrifft nur die Verfahrensabschnitte bis
zur Anklageerhebung, mithin die Strafverfolgung (siehe Art. 1 Abs. 1 StPO)
durch die Strafverfolgungsbehörden (vgl. Art. 12 StPO), nicht auch die
Beurteilung (siehe Art. 1 Abs. 1 StPO) durch die Gerichte (vgl. Art. 13 StPO)
nach der Anklageerhebung (siehe Art. 351 Abs. 1 StPO). Aus Art. 8 Abs. 1 und
Abs. 4 StPO kann somit nicht geschlossen werden, dass das Gericht, welches nach
der Anklageerhebung im Rahmen der Beurteilung die Voraussetzungen von Art. 52,
53 oder 54 StGB als erfüllt erachtet, abweichend von der in diesen Bestimmungen
ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit der Befreiung von einer Bestrafung das
Verfahren einzustellen hat. Soweit in Art. 8 Abs. 1 StPO neben der
Staatsanwaltschaft auch die "Gerichte" genannt werden, sind damit nicht die
Gerichte gemeint, die im Hauptverfahren über die Anklage entscheiden (siehe
Art. 328 ff., 351 StPO), sondern diejenigen Gerichte, welche über Beschwerden
gegen Nichtanhandnahmeverfügungen und Einstellungsverfügungen der
Staatsanwaltschaft befinden. Dies ergibt sich auch aus nachstehenden Gründen.

3.4.4. Die Staatsanwaltschaft verfügt die Nichtanhandnahme unter anderem, wenn
"aus den in Artikel 8 genannten Gründen auf eine Strafverfolgung zu verzichten
ist" (Art. 310 Abs. 1 lit. c StPO). Sie verfügt die Einstellung des Verfahrens
unter anderem, wenn "nach gesetzlicher Vorschrift auf Strafverfolgung oder
Bestrafung verzichtet werden kann" (Art. 319 Abs. 1 lit. e StPO). Die
Nichtanhandnahme- und die Einstellungsverfügung sind mit Beschwerde an die
gerichtliche Beschwerdeinstanz anfechtbar (Art. 322 Abs. 2, Art. 393 Abs. 1
lit. a StPO). Art. 310 Abs. 1 lit. c und Art. 319 Abs. 1 lit. e StPO wären
überflüssig, wenn sich die Kompetenz der Staatsanwaltschaft zum Erlass einer
Nichtanhandnahme- beziehungsweise Einstellungsverfügung in den Anwendungsfällen
von Art. 52 bis 54 StGB bereits aus Art. 8 StPO ergeben würde.

3.4.5. Wird das Verfahren von der Staatsanwaltschaft nicht eingestellt, so
erhebt sie Anklage beim zuständigen Gericht, wenn sie aufgrund der Untersuchung
die Verdachtsgründe als hinreichend erachtet und keinen Strafbefehl erlassen
kann (Art. 324 StPO). Damit wird das Verfahren beim Gericht rechtshängig (Art.
328 StPO). Die Verfahrensleitung prüft gemäss Art. 329 Abs. 1 StPO, ob (a.) die
Anklageschrift und die Akten ordnungsgemäss erstellt sind; (b.) die
Prozessvoraussetzungen erfüllt sind; (c.) Verfahrenshindernisse bestehen.
Ergibt sich aufgrund dieser Prüfung oder später im Verfahren, dass ein Urteil
zurzeit nicht ergehen kann, so sistiert das Gericht das Verfahren. Falls
erforderlich, weist es die Anklage zur Ergänzung oder Berichtigung an die
Staatsanwaltschaft zurück (Art. 329 Abs. 2 StPO). Das Gericht entscheidet, ob
ein sistierter Fall bei ihm hängig bleibt (Art. 329 Abs. 3 StPO). Kann ein
Urteil definitiv nicht ergehen, so stellt das Gericht gemäss Art. 329 Abs. 4
StPO das Verfahren ein, nachdem es den Parteien und weiteren durch die
Einstellung beschwerten Dritten das rechtliche Gehör gewährt hat. Art. 329 Abs.
4 StPO steht offensichtlich im Kontext mit Art. 329 Abs. 1 StPO und betrifft
somit Fälle, in welchen eine Prozessvoraussetzung definitiv nicht erfüllt ist
oder ein Verfahrenshindernis definitiv bestehen bleibt. Art. 329 Abs. 4 StPO
bezieht sich nicht auf gesetzliche Vorschriften, wonach auf Strafverfolgung und
/oder Bestrafung verzichtet werden kann oder verzichtet werden muss. In den
Anwendungsfällen von Art. 52 bis 54 StGB kann ohne weiteres ein Urteil ergehen,
nämlich ein Entscheid in Form eines Schuldspruchs unter Verzicht auf Strafe,
und ist daher die in Art. 329 Abs. 4 StPO genannte Voraussetzung, dass ein
Urteil definitiv nicht ergehen kann, nicht erfüllt. Art. 328 ff. StPO
betreffend das gerichtliche Hauptverfahren enthalten keine Bestimmung, welche
Art. 310 Abs. 1 lit. c StPO (bezüglich Nichtanhandnahmeverfügung der
Staatsanwaltschaft) oder Art. 319 Abs. 1 lit. e StPO (hinsichtlich
Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft) entspricht. Die
Strafprozessordnung sieht nicht vor, dass das Gericht nach der Anklageerhebung
über die in Art. 329 Abs. 4 StPO genannten Fälle hinaus das Verfahren
einstellen muss.
Kann das Gericht materiell über die Anklage entscheiden, so fällt es ein Urteil
über die Schuld, die Sanktionen und die weiteren Folgen (Art. 351 Abs. 1 StPO).
Ist Anklage erhoben worden, so hat das Gericht, auch wenn es einen
Anwendungsfall von Art. 52 bis 54 StGB als gegeben erachtet, im Hauptverfahren
zu prüfen, ob und inwiefern der eingeklagte Sachverhalt erstellt ist und einen
Straftatbestand erfüllt. Fehlt es an einem Straftatbestand, muss das Gericht
die beschuldigte Person freisprechen. Ist ein Straftatbestand gegeben und sind
auch die übrigen Voraussetzungen für einen Schuldspruch erfüllt, hat es sie
schuldig zu sprechen und in Anwendung von Art. 52, Art. 53 oder Art. 54 StGB
von einer Bestrafung abzusehen.

 Dies liegt auch im Interesse der Privatklägerschaft, die im Strafverfahren
adhäsionsweise Zivilansprüche geltend gemacht hat. Denn das Gericht müsste im
Falle der Verfahrenseinstellung die Zivilklage nicht behandeln (siehe Art. 329
Abs. 4 in Verbindung mit Art. 320 Abs. 3 StPO). Auch die beschuldigte Person,
welche den eingeklagten Sachverhalt beziehungsweise dessen
Tatbestandsmässigkeit bestreitet, kann ein berechtigtes Interesse daran haben,
dass das Gericht über die Anklage entscheidet, womit auch die Chance eines
Freispruchs besteht.

3.4.6. Über den Anwendungsbereich von Art. 329 Abs. 4 StPO hinaus kommt nach
der Anklageerhebung eine Verfahrenseinstellung durch das Gericht nur in
Betracht, soweit das Gesetz eine solche vorsieht. Dies gilt beispielsweise für
Art. 55a StGB (Ehegatte usw. als Opfer), wonach bei den in dieser Bestimmung
aufgeführten Straftaten unter den darin genannten Voraussetzungen (Ersuchen des
Opfers etc.) die Staatsanwaltschaft und die Gerichte die Einstellung des
Verfahrens verfügen. Diese Regelung ergibt sich daraus, dass das Ersuchen des
Opfers um Sistierung beziehungsweise die Zustimmung des Opfers zu einem
entsprechenden Antrag der zuständigen Behörde als ein Prozesshindernis zu
qualifizieren ist, das in jedem Stadium des Verfahrens, mithin auch im
gerichtlichen Hauptverfahren nach der Anklageerhebung, zur
Verfahrenseinstellung führt. Art. 55a StGB unterscheidet sich von Art. 52 bis
54 StGB, welche nicht Prozessvoraussetzungen beziehungsweise
Prozesshindernisse, sondern Strafbefreiungsgründe zum Inhalt haben. Daher kann
aus Art. 55a StGB nicht abgeleitet werden, dass das Gericht auch in den
Anwendungsfällen von Art. 52 bis 54 StGB das Verfahren einzustellen hat.

3.4.7. Art. 8 Abs. 1 StPO bildet demnach keine Grundlage für die Einstellung
des Verfahrens durch das Gericht nach der Anklageerhebung in den
Anwendungsfällen von Art. 52 bis 54 StGB. Dies ergibt sich aus Art. 310 Abs. 1
lit. c, Art. 319 Abs. 1 lit. e, Art. 329 Abs. 4 und Art. 351 Abs. 1 StPO
einerseits sowie aus Art. 52 bis 54 und Art. 55a StGB andererseits.
An der in BGE 135 IV 27 begründeten Rechtsprechung ist unter dem
Geltungsbereich der StPO festzuhalten.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die kantonalen Instanzen hätten, da sie
die Schuld und die Tatfolgen im Sinne von Art. 52 StGB als geringfügig
erachteten, das Verfahren gestützt auf Art. 8 Abs. 1 und Abs. 4 StPO einstellen
müssen, ist unbegründet.

4.

4.1. Die Vorinstanz verpflichtete die Beschwerdeführerin in Bestätigung des
erstinstanzlichen Urteils, dem Staat als Ersatz für widerrechtlich erlangten
Vermögensvorteil Fr. 11'500.-- zu bezahlen. Sie geht davon aus, dass die
Beschwerdeführerin von den Dosen des Präparats "GC", die sie zum Preis von Fr.
49.-- pro Dose erworben hatte, im Zeitraum von Mai 2005 bis Mai 2006 550 Dosen
zum Preis von mindestens Fr. 70.-- an ihre Patienten abgab, wodurch sie einen
Nettogewinn von Fr. 11'500.-- erzielte. Die Vorinstanz stützt die staatliche
Ersatzforderung auf das zur Zeit der inkriminierten Handlungen geltende alte
Recht (Art. 59 Ziff. 1 und Ziff. 2 aStGB), weil das im Zeitpunkt der
Beurteilung geltende neue Recht (Art. 70 Abs. 1 und Art. 71 Abs. 1 StGB)
insoweit materiell unverändert und daher nicht milder ist.

4.2. Das Gericht verfügt die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine
Straftat erlangt worden sind, sofern sie nicht dem Verletzten zur
Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden (Art. 70 Abs.
1 StGB; Art. 59 Ziff. 1 aStGB). Die Einziehung ist ausgeschlossen, wenn ein
Dritter die Vermögenswerte in Unkenntnis der Einziehungsgründe erworben hat und
soweit er für sie eine gleichwertige Gegenleistung erbracht hat oder die
Einziehung ihm gegenüber sonst eine unverhältnismässige Härte darstellen würde
(Art. 70 Abs. 2 StGB; Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB). Sind die der Einziehung
unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf
eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten
jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist (Art.
71 Abs. 1 StGB; Art. 59 Ziff. 2 aStGB).

4.2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, auf die Einziehung beziehungsweise
die staatliche Ersatzforderung sei zu verzichten, wenn ihrem Hauptantrag auf
Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit entsprochen werde.
Dieser Hauptantrag ist indessen gemäss den vorstehenden Erwägungen unbegründet,
und der vorinstanzliche Schuldspruch unter Verzicht auf Strafe verstösst nicht
gegen Bundesrecht.

4.2.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, eine Einziehung beziehungsweise
eine staatliche Ersatzforderung sei ausgeschlossen, da sie im Sinne von Art. 70
Abs. 2 StGB (entsprechend Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB) die Vermögenswerte in
Unkenntnis der Einziehungsgründe erworben habe und die Einziehung ihr gegenüber
eine unverhältnismässige Härte darstellen würde.
Der Einwand ist unbegründet. Die Beschwerdeführerin erlangte die Vermögenswerte
durch die von ihr begangene Straftat des fahrlässigen Inverkehrbringens von
zulassungspflichtigen Arzneimitteln ohne Zulassung, indem sie das Arzneimittel,
welches sie zum Preis von Fr. 49.-- pro Dose erworben hatte, zum Preis von
mindestens Fr. 70.-- pro Dose an ihre Patienten abgab. Die Beschwerdeführerin
ist nicht eine Dritte im Sinne von Art. 70 Abs. 2 StGB respektive Art. 59 Ziff.
1 Abs. 2 aStGB, und diese Bestimmungen sind nicht anwendbar.

4.2.3. Die Beschwerdeführerin bestreitet die der Ersatzforderung zugrunde
liegenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz. Was sie dazu vorbringt,
erschöpft sich in appellatorischer Kritik an der Beweiswürdigung, die zur
Begründung der Willkürrüge nicht genügt. Die vorinstanzliche Beweiswürdigung
(Urteil S. 6, 21) ist vertretbar.

5.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die
bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Oberstaatsanwaltschaft des
Kantons Zürich, dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, und der
Swissmedic, Schweizerisches Heilmittelinstitut, Bern, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. Juli 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Näf

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