Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.701/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_701/2012

Urteil vom 11. März 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiberin Unseld.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Lucius Richard Blattner,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz etc.; Willkür,
Grundsatz in dubio pro reo etc.,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich, I. Strafkammer,
vom 24. September 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Das Bezirksgericht Zürich verurteilte X.________ am 20. März 2012 wegen
qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Ziff. 1
al. 3, 4 und 5 i.V.m. Art. 19 Ziff. 2 lit. a aBetmG), Geldwäscherei (Art.
305bis Ziff. 1 StGB) und Betrugs zum Nachteil der Sozialen Dienste Zürich (Art.
146 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Auf den Widerruf des
bedingten Vollzugs der vom Bezirksgericht Bülach am 12. Juli 2005 ausgefällten
Gefängnisstrafe von 9 Monaten verzichtete es.
A.b Auf Berufung von X.________ hin trat das Obergericht des Kantons Zürich am
24. September 2012 bezüglich des Betrugsvorwurfs in einem Punkt auf die Anklage
nicht ein. In einem weiteren Punkt sprach es ihn frei. Im Übrigen bestätigte es
die Schuldsprüche wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz, Geldwäscherei und Betrugs sowie das Strafmass und den
Verzicht auf den Widerruf der bedingten Strafe vom 12. Juli 2005.
Das Obergericht hält folgenden Sachverhalt für erwiesen:
X.________ übernahm im Juni 2008 im Auftrag der Drogenhändlerin A.A.________
von deren Ehemann B.A.________ in einer Wohnung in Zürich einen Koffer mit
mindestens 600 Gramm Kokaingemisch mit einem Reinheitsgrad von 50 % und übergab
diesen am Hauptbahnhof Zürich einer aus Italien stammenden Person. Eine Woche
später nahm er im Auftrag von A.A.________ an der Militärstrasse in Zürich von
einer ihm unbekannten Person ein Couvert mit Fr. 40'000.-- in bar entgegen, das
er B.A.________ aushändigte. X.________ nahm zumindest in Kauf, dass sich im
transportierten Koffer Kokain in der genannten Menge befand und das Geld im
Couvert aus dem Drogenhandel von A.A.________ stammte.
X.________ wurde zwischen November 2007 und September 2008 vom Sozialen Dienst
Zürich finanziell unterstützt. Er verschwieg, dass er im November und Dezember
2007 sowie vom 11. April bis Ende Mai 2008 und vom 21. August bis am 2.
September 2008 im Ausland weilte und folglich keinen oder höchstens einen
reduzierten Anspruch auf Sozialhilfeleistungen hatte. Er bewirkte dadurch, dass
ihm - nach Abzug eines Montags infolge Anspruchs auf Ferienabwesenheit -
während rund drei Monaten Leistungen von einigen Tausend Franken zu Unrecht
ausgerichtet wurden.

B.
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 24.
September 2012 aufzuheben, ihn freizusprechen und ihm für die erstandene
Untersuchungshaft eine Genugtuung von Fr. 13'400.-- zuzusprechen. Eventualiter
sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung. Nicht
nachgewiesen sei, dass sich Drogen im transportierten Koffer befunden hätten,
geschweige denn in welcher Menge. Selbst wenn davon auszugehen wäre, habe er
dies nicht wissen müssen, da A.A.________ ihm gegenüber stets angegeben habe,
der Koffer enthalte Kleider. Nicht rechtsgenügend erstellt sei zudem, dass es
sich bei den Fr. 40'000.-- im Couvert um deliktische Gelder handelte. Ihm könne
auch nicht vorgeworfen werden, er habe um die behauptete deliktische Herkunft
gewusst.

1.2 Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur
gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie
willkürlich ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 134 IV 36 E. 1.4.1). Willkür bei der
Beweiswürdigung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich
unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht.
Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar
zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 138 I 305
E. 4.3; 137 I 1 E. 2.4). Dem Grundsatz in dubio pro reo kommt in der vom
Beschwerdeführer angerufenen Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren
vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende
Bedeutung zu (BGE 127 I 38 E. 2a; 124 IV 86 E. 2a; je mit Hinweisen).
Die Rüge der Willkür muss präzise vorgebracht und begründet werden (Art. 106
Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer muss im Einzelnen darlegen, inwiefern der
angefochtene Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel
leidet. Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das
Bundesgericht nicht ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 II 489 E. 2.8; je mit
Hinweisen).

1.3 Die Vorinstanz durfte willkürfrei auf die Angaben von B.A.________
abstellen, wonach sich im Koffer Kokain befand. Dabei geht sie zugunsten des
Beschwerdeführers und entgegen den ersten Aussagen von B.A.________ nicht von 4
bis 5 Kilogramm Kokaingemisch, sondern lediglich von einer Drogenmenge von 600
Gramm aus (Urteil S. 7 ff.). Letzterer belastete sich mit seinem Geständnis
auch selbst, was für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben spricht. Die Vorinstanz
setzt sich eingehend mit dem Verhältnis des Beschwerdeführers zu A.A.________
auseinander und zeigt auf, dass diesem bekannt war, dass jene im Drogenhandel
tätig war (Urteil S. 10 ff.). Sie legt weiter dar, dass sich der
Beschwerdeführer in Widersprüchen verstrickte (Urteil S. 8 f. und 11) und seine
konstruiert wirkende Erklärung bezüglich der angeblichen Herkunft der Fr.
40'000.-- als unglaubhafte Schutzbehauptung zu qualifizieren ist (Urteil S. 12
ff.). Die Beweiswürdigung der Vorinstanz ist nicht willkürlich. Die Einwände
des Beschwerdeführers erschöpfen sich in einer unzulässigen appellatorischen
Kritik. Inwiefern die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung an einem
offensichtlichen und schweren Mangel leiden könnte, vermag er nicht darzutun.

2.
2.1 Bezüglich des Schuldspruchs wegen Betrugs rügt der Beschwerdeführer, die
Vorinstanz gehe willkürlich davon aus, er habe sich im November und Dezember
2007 in London aufgehalten. Er habe sich offensichtlich geirrt, als er
anlässlich der Einvernahme vom 2. September 2008 ausgesagt habe, er sei bis
Anfang 2008 in London wohnhaft gewesen. Nicht ersichtlich sei, weshalb er
während seiner Ferienabwesenheit in seinem Heimatland Nigeria im Frühling 2008
keinen Anspruch auf Unterstützungsleistungen gehabt haben soll. Aus der
Pflicht, Veränderungen in den Vermögensverhältnissen zu melden, könne nicht
abgeleitet werden, auch eine ferienbedingte Abwesenheit sei meldepflichtig. Die
Vorinstanz lege nicht dar, gestützt auf welche Grundlage und in welchem Umfang
die Leistungen bei einer Meldung der Ferienabwesenheit gekürzt worden wären.
Sie habe es in Verletzung von Art. 146 Abs. 1 StGB und Art. 9 BV versäumt, den
konkreten Schaden zu berechnen. Die Verurteilung erfolge lapidar für einen
Deliktsbetrag "in der Höhe von mindestens einiger Tausend Franken." Die Höhe
des Schadens sei für die Regelung allfälliger Zivilforderungen und nicht
zuletzt für die Bestimmung des Strafmasses von Bedeutung.

2.2 Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzliche Feststellung
wendet, er habe sich im November und Dezember 2007 nach wie vor im Ausland
aufgehalten, und zahlreiche Umstände vorbringt, welche für eine Anwesenheit in
Zürich sprechen sollen, ist auf die Beschwerde mangels Ausschöpfung des
kantonalen Instanzenzugs nicht einzutreten (Art. 80 Abs. 1 BGG; BGE 135 I 91 E.
2.1). Die Vorinstanz verweist auf das Urteil des Bezirksgerichts, da der
Beschwerdeführer die erstinstanzlich festgestellten Auslandaufenthalte im
Berufungsverfahren nicht substanziiert bestritten habe (Urteil S. 19 f.). Der
Beschwerdeführer beanstandet dies nicht. Er behauptet nicht, bereits die
Vorinstanz hätte sich mit den nunmehr vor Bundesgericht vorgebrachten Einwänden
auseinandersetzen müssen.

2.3 Für die Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen gilt kantonales Recht (BGE
138 V 310 E. 2.2). Das Bundesgericht überprüft die Auslegung und Anwendung
kantonalen Rechts - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - nur unter
dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür (vgl. Art. 95 BGG; BGE 138 IV 13 E.
2). Für die Rüge der Willkür gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 106
Abs. 2 BGG; oben E. 1.2). Die Rüge des Beschwerdeführers genügt diesen
Anforderungen nicht. Auf die sinngemässen Einwände, er habe auch während der
Aufenthalte in London und Nigeria Anspruch auf die gleichen
Sozialhilfeleistungen gehabt, und er sei nicht verpflichtet gewesen, das
Sozialamt über seine Auslandabwesenheit aufzuklären, ist nicht einzutreten, da
der Beschwerdeführer nicht dartut, die Vorinstanz habe das kantonale
Sozialhilferecht willkürlich angewandt.

2.4 Die Vorinstanz musste den exakten Schaden der Sozialen Dienste Zürich nicht
zwingend beziffern. Insoweit geht es um öffentlich-rechtliche Forderungen,
wobei die zuständige Behörde darüber zu befinden hat, ob und in welchem Umfang
Rückerstattungsansprüche gegenüber dem Beschwerdeführer für unrechtmässig
bezogene Leistungen geltend gemacht werden. Die Schadenhöhe ist jedoch für die
Strafzumessung von Relevanz. Hierfür können die vorinstanzlichen Feststellungen
noch als ausreichend präzise gelten. Der Beschwerdeführer bezog im November und
Dezember 2007 Sozialhilfe von Fr. 3'913.20 und im Mai 2008 über Fr. 2'398.60
(vgl. erstinstanzliches Urteil S. 29). Die Vorinstanz geht davon aus, er habe
auf diese Beträge keinen oder höchstens einen reduzierten Anspruch gehabt, was
einen Schaden von "mindestens einigen Tausend Franken" ergibt (Urteil S. 20).
Damit wird der Schaden genügend substanziiert.

3.
Die Strafzumessung ficht der Beschwerdeführer ausschliesslich mit der
Begründung an, die Strafe hätte im Vergleich zur erstinstanzlich
ausgesprochenen Sanktion deutlich tiefer ausfallen müssen, da das
Bezirksgericht von einer grösseren Drogenmenge und hinsichtlich des
Sozialhilfebetrugs von einem höheren Deliktsbetrag ausgegangen sei (Beschwerde
S. 34).
Das Sachgericht verfügt auf dem Gebiet der Strafzumessung über einen
Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde in Strafsachen hin
nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder
unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien
ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. durch
Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 136 IV
55 E. 5.6; 135 IV 130 E. 5.3.1; 134 IV 17 E. 2.1). Die Vorinstanz nahm eine
eigene Strafzumessung vor. Sie war nicht verpflichtet, die erstinstanzlich
ausgesprochene Strafe zu reduzieren, sondern hatte lediglich das
Verschlechterungsverbot (Art. 391 Abs. 2 StPO) zu beachten. Auf die Rüge des
Beschwerdeführers ist nicht weiter einzugehen, da er nicht geltend macht, die
Vorinstanz habe das ihr zustehende Ermessen überschritten oder sie sei von
falschen Strafzumessungsgrundsätzen ausgegangen.

4.
Auf das Entschädigungsbegehren ist nicht einzutreten, da der Beschwerdeführer
dieses ausschliesslich mit den beantragten Freisprüchen begründet.

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge
Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der
finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der
Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. März 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Unseld