Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.694/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_694/2012

Urteil vom 27. Juni 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Faga.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Beat Wieduwilt,
Beschwerdeführer,

gegen

1.  Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
2.  Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Steiner,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Mehrfache qualifizierte Freiheitsberaubung und Entführung etc., Strafzumessung,
Zivilforderungen,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 10. September 2012.

Sachverhalt:

A.
Y.________ und X.________ heirateten im Jahre 2004. Sie haben zwei Söhne,
A.________ (Jahrgang 2004) und B.________ (Jahrgang 2006). Der Vizepräsident
des Bezirksgerichts Frauenfeld erliess am 26. März 2009 eine
Eheschutzverfügung. Die gemeinsamen Kinder wurden unter die elterliche Obhut
von Y.________ gestellt. X.________ wurde ein wöchentliches Besuchs- und ein
Ferienbesuchsrecht eingeräumt. Am 19. August 2010 holte X.________ seine Kinder
ab. Anstatt sie wie vereinbart am 22. August 2010 zurückzubringen, reiste er
mit ihnen nach Gandoubah/Tunesien, wo sie seither leben.

B.
Das Bezirksgericht Winterthur sprach X.________ am 19. Januar 2012 der
mehrfachen qualifizierten Freiheitsberaubung und Entführung, des mehrfachen
Entziehens von Unmündigen sowie der versuchten Erpressung schuldig. Das
Verfahren betreffend Drohung stellte es ein. Das Bezirksgericht bestrafte
X.________ mit einer Freiheitsstrafe von acht Jahren. Es verpflichtete ihn,
Y.________ eine Genugtuung von Fr. 30'000.-- zu bezahlen. Zudem wurde
X.________ dem Grundsatz nach verpflichtet, seiner Ehefrau Schadenersatz sowie
den Kindern Schadenersatz und Genugtuung zu leisten.
In teilweiser Gutheissung der Berufung von X.________ erkannte das Obergericht
des Kantons Zürich am 10. September 2012 auf eine Freiheitsstrafe von sechs
Jahren unter Anrechnung der Untersuchungshaft und des vorzeitigen Strafvollzugs
von 693 Tagen. Zugleich stellte es insbesondere fest, dass der erstinstanzliche
Entscheid im Schuldpunkt (mehrfache qualifizierte Freiheitsberaubung und
Entführung, mehrfaches Entziehen von Unmündigen sowie versuchte Erpressung) in
Rechtskraft erwachsen war. X.________ wurde verpflichtet, Y.________ eine
Genugtuung von Fr. 30'000.-- und dem Grundsatz nach Schadenersatz zu leisten.
Die Schadenersatz- und Genugtuungsbegehren der beiden Kinder verwies das
Obergericht auf den Weg des Zivilprozesses.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt im Wesentlichen, die
vorinstanzlichen Urteile seien aufzuheben. Es sei festzustellen, dass seine
Verhaftung völkerrechtswidrig erfolgt sei, und er sei aus dem Freiheitsentzug
zu entlassen. Eventualiter sei er mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu
bestrafen. Für die rechtswidrigen respektive ungerechtfertigten
Zwangsmassnahmen sei er angemessen zu entschädigen. Zudem ersucht er um
Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung.

Erwägungen:

1.
Auf die Beschwerde kann in mehreren Punkten nicht eingetreten werden.

1.1. Nicht einzutreten ist auf das Rechtsmittel, soweit der Beschwerdeführer
die Aufhebung des erstinstanzlichen Entscheids verlangt. Anfechtungsobjekt
bildet einzig das kantonal letztinstanzliche Urteil der Vorinstanz vom 10.
September 2012 (Art. 80 Abs. 1 BGG).

1.2. Der Beschwerdeführer wurde zwei Monate nach der Entführung von A.________
und B.________ am 19. Oktober 2010 in Marokko verhaftet und am 3. Mai 2011 in
die Schweiz überführt. Er bringt vor, Y.________ (Beschwerdegegnerin) habe ihn
unter einem falschen Vorwand von Tunesien nach Marokko gelockt. Seine
Verhaftung und die Auslieferung an die Schweiz verstiessen gegen das Recht auf
Freiheit und Sicherheit (Art. 5 EMRK) sowie gegen den Anspruch auf ein faires
Verfahren (Art. 9 und Art. 29 BV, Art. 6 EMRK; Beschwerde S. 13 ff.). Damit ist
er nicht zu hören. Der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es, der
Vorinstanz bekannte rechtserhebliche Einwände vorzuenthalten und diese erst
nach dem Ergehen eines ungünstigen Entscheids im anschliessenden
Rechtsmittelverfahren zu erheben (BGE 133 III 638 E. 2 S. 640; 117 Ia 491 E. 2a
S. 495; je mit Hinweisen). Die Rügen sind nicht Gegenstand des angefochtenen
Urteils. Der Beschwerdeführer macht weder eine Rechtsverweigerung geltend, noch
legt er eine solche dar. Dass er entsprechende Rügen vor Vorinstanz oder vor
dem kantonalen Zwangsmassnahmengericht erhoben hätte, geht aus den Akten (act.
112, 118 und 37/5 ff.) nicht hervor. Sein Verhalten bzw. sein Zuwarten
widerspricht Treu und Glauben. Ausserdem ist insofern der kantonale
Instanzenzug nicht erschöpft und der Entscheid nicht letztinstanzlich im Sinne
von Art. 80 Abs. 1 BGG.

1.3. Der Beschwerdeführer beschränkte die Berufung auf den Strafpunkt, den
Entscheid über die Zivilansprüche der Beschwerdegegnerin und der Kinder sowie
den Entscheid über die Kostenauflage (erstinstanzliches
Urteilsdispositiv-Ziffern 3, 4 und 7 Abs. 1). In den übrigen Punkten erwuchs
das Urteil des Bezirksgerichts Winterthur in Teilrechtskraft (Art. 399 Abs. 3
und 4 sowie Art. 402 StPO). Dies merkte die Vorinstanz vor
(Beschlussdispositiv-Ziffer 1).
Die Vorinstanz hat die Schuldsprüche der mehrfachen qualifizierten
Freiheitsberaubung und Entführung, des mehrfachen Entziehens von Unmündigen und
der versuchten Erpressung nicht neu beurteilt und bestätigt (Beschwerde S. 9).
Sie waren nicht zu überprüfen. Dies verkennt der Beschwerdeführer. Er stellt
sich unter anderem auf den Standpunkt, der objektive und subjektive Tatbestand
von Art. 183 StGB sei nicht erfüllt (vgl. etwa Beschwerde S. 23 f. und S. 27
f.). Was er unter den Titeln "Tatbestand der Entführung sowie Abgrenzung zum
Tatbestand des Entziehens von Unmündigen", "Entziehen von Unmündigen" sowie
"versuchte Erpressung" vorbringt (Beschwerde S. 17 ff.), geht an der Sache
vorbei. Damit ist er nicht zu hören.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer kritisiert die Strafzumessung und beantragt, er sei
mit einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren zu bestrafen. Er macht
geltend, die Vorinstanz habe die Deliktsdauer, die nachteiligen Folgen der
Entwicklung der Kinder und die Vorgehensweise unzutreffend gewürdigt und
deshalb die objektive Tatschwere zu hoch eingestuft. Sie werfe ihm zudem ohne
Grund ein egoistisches Verhalten vor. Sein Nachtatverhalten und die Umstände
seiner Verhaftung seien strafmindernd zu veranschlagen (Beschwerde S. 26 ff.).

2.2. Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff.
StGB wiederholt dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff. S. 59 ff. mit Hinweisen).
Entsprechendes gilt für die Bildung der Einsatzstrafe und der Gesamtstrafe nach
Art. 49 Abs. 1 StGB in Anwendung des Asperationsprinzips (BGE 127 IV 101 E. 2b
S. 104 mit Hinweis; Urteil 6B_460/2010 vom 4. Februar 2011 E. 3.3.4 mit
Hinweis, nicht publ. in: BGE 137 IV 57). Darauf kann verwiesen werden.

2.3. Die Vorinstanz setzt sich mit den wesentlichen schuldrelevanten
Komponenten auseinander und würdigt sämtliche Zumessungsgründe zutreffend. Dass
sie sich dabei von rechtlich nicht massgeblichen Gesichtspunkten hätte leiten
lassen oder wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hätte, ist nicht
ersichtlich (angefochtenes Urteil S. 6 ff.).

2.3.1. Ein Dauerdelikt liegt vor, wenn die Begründung des rechtswidrigen
Zustands mit den Handlungen, die zu seiner Aufrechterhaltung vorgenommen
werden, bzw. mit der Unterlassung seiner Aufhebung eine Einheit bildet und das
auf Fortführung des deliktischen Erfolgs gerichtete Verhalten vom betreffenden
Straftatbestand ausdrücklich oder sinngemäss mitumfasst wird (BGE 135 IV 6 E.
3.2 S. 9 mit Hinweisen). Dauerdelikte sind mit anderen Worten dadurch
gekennzeichnet, dass die zeitliche Fortdauer eines rechtswidrigen Zustands oder
Verhaltens noch tatbestandsmässiges Unrecht bildet (BGE 131 IV 83 E. 2.1.2 S.
87 mit Hinweisen). Eine Dauerstraftat wurde von der Rechtsprechung bisher etwa
für die Freiheitsberaubung und die qualifizierte Entführung gemäss Art. 183
Ziff. 2 in Verbindung mit Art. 184 Abs. 4 StGB angenommen (BGE 119 IV 216 E. 2f
S. 221 mit Hinweisen).
Die Entführung von A.________ und B.________ nach Tunesien ist nach den
zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz ein Dauerdelikt. Die Berücksichtigung
dessen Länge als objektive Tatkomponente ist nicht zu beanstanden. Die
Vorinstanz hält dazu fest, massgebend sei die Zeitspanne bis zur
erstinstanzlichen Urteilsfällung. Der Beschwerdeführer habe seine Machtposition
während knapp 1 ½ Jahren (19. August 2010 - 19. Januar 2012) ausgeübt
respektive durch seine Verwandten (Eltern und Schwester) ausüben lassen. An der
Rechtswidrigkeit seines Verhaltens änderten auch die in der Zwischenzeit
ergangenen Entscheide tunesischer Gerichte nichts. Im Verfahren vor dem
Bezirksgericht Gandoubah, in dem die Obhut über die Kinder dem Beschwerdeführer
zugesprochen worden ist, habe dieser wahrheitswidrig angegeben, die
Beschwerdegegnerin wohne ebenfalls in Gandoubah. Diese sei über das Verfahren
weder ordnungsgemäss informiert geschweige denn angehört worden. Der Entscheid
des Bezirksgerichts Gandoubah vom 1. November 2010 sei deshalb in der Schweiz
nicht anerkennbar. In einem weiteren Verfahren seien die Kinder erneut unter
die Obhut des Beschwerdeführers gestellt worden. Dieser Entscheid (vom 2.
Januar 2012) sei nicht rechtskräftig. Deshalb sei die Verfügung des
Vizepräsidenten des Bezirksgerichts Frauenfeld vom 26. März 2009 weiterhin
massgebend. Zudem blieben bei einer Kindsentführung grundsätzlich die Behörden
am bisherigen Aufenthaltsort zuständig (Entscheid S. 8 ff.).
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Deliktsdauer sei höchstens bis zu
seiner Verhaftung in Marokko (19. Oktober 2010) zu bemessen, kann ihm nicht
beigepflichtet werden. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen erwirkte der
Beschwerdeführer in Tunesien ein Ausreiseverbot für seine Kinder und sicherte
dadurch seine Machtposition ab. A.________ und B.________ befinden sich seit
der Verhaftung des Beschwerdeführers unter der Obhut dessen Eltern. Dies
entspricht dem Willen des Beschwerdeführers. Die Vorinstanz verweist auf dessen
früheren Einvernahmen, worin er in klarer Weise seine Absicht äusserte, die
Kinder sollten mindestens bis zu ihrem 14. Lebensjahr in Tunesien bleiben. Der
Beschwerdeführer ist nach den tatsächlichen vorinstanzlichen Feststellungen
nicht bereit, die Kinder in die Schweiz zurückzubringen. Die Vorinstanz hält
fest, dass er den rechtswidrigen Zustand auch seit der erstinstanzlichen
Verurteilung aufrecht erhält und für die Rückführung der Kinder in die Schweiz
Forderungen (unter anderem nach einer Niederlassungsbewilligung in der Schweiz)
stellt. Auf die Frage anlässlich der Berufungsverhandlung, ob er, falls das
Bezirksgericht Winterthur im Scheidungsverfahren die Kinder unter die
elterliche Sorge der Beschwerdegegnerin stellte, den Entscheid akzeptiere,
antwortete er: "Wenn ich das bekomme (...), dann glaube ich, dass ich meine
Kinder zurückbringen muss" (act. 110 S. 6). Es kann festgehalten werden, dass
der Beschwerdeführer selbst nach seiner Verhaftung und mindestens bis zur
Verurteilung im Jahre 2012 die Geschicke seiner Kinder weiterhin in der Hand
hatte und eine Rückführung in die Schweiz verhinderte. Der Freiheitsentzug ab
19. Oktober 2010 führte damit nicht zum Abbruch des verbotenen Verhaltens. Dies
unterstreicht der Beschwerdeführer im Grunde genommen in seiner
Beschwerdeschrift selbst. Er führt aus, die Kinder seien seit über zwei Jahren
fester Bestandteil seiner Familie in Tunesien. Ordne er gegenüber seiner
Familie an, dass sie die Kinder in die Schweiz bringen oder einer Rückführung
zustimmen müsse, sei fraglich, ob dieser Anordnung Folge geleistet würde
(Beschwerde S. 20). Der Beschwerdeführer (der sich seit 17. November 2011 im
vorzeitigen Strafvollzug befindet) räumt damit selbst vor Bundesgericht
implizit ein, dass er entsprechende Vorkehrungen treffen könnte, jedoch bis zum
heutigen Tag unterlassen hat. Das Delikt der Entführung ist mit der
Verwirklichung des Tatbestands nicht abgeschlossen, sondern der rechtswidrige
Zustand wird durch den fortdauernden Willen des Täters aufrechterhalten und
erneuert sich gewissermassen fortlaufend (BGE 135 IV 6 E. 3.2 S. 9 mit
Hinweisen). Die Vorinstanz geht im Rahmen der Strafzumessung von einer
zutreffenden Deliktsdauer bis zur erstinstanzlichen Urteilsfällung aus.
Im Hinblick auf die rund 1 ½-jährige Deliktsspanne vermag der Beschwerdeführer
aus dem ersten Verfahren vor dem Bezirksgericht Gandoubah, in dem ihm die Obhut
über die Kinder zugesprochen wurde, nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Dieser
Entscheid ist in der Schweiz nicht anerkennbar. Tunesien ist nicht
Vertragsstaat des Übereinkommens vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit,
das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf
dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Massnahmen zum Schutz von
Kindern (Haager Kindesschutzübereinkommen, HKsÜ; SR 0.211.231.011). Art. 85
Abs. 4 IPRG sieht für diesen Fall vor, dass Massnahmen anerkannt werden, wenn
sie im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ergangen sind oder dort
anerkannt werden. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. b IRPG hat eine natürliche Person
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat, in dem sie während längerer Zeit
lebt, selbst wenn diese Zeit zum vornherein befristet ist. A.________ und
B.________ wurden am 19. August 2010 entführt. Als am 1. November 2010 der
Entscheid des Bezirksgerichts Gandoubah erging, hatten sie ihren gewöhnlichen
Aufenthalt nicht in Tunesien. Eine kurze Dauer von rund 2 ½ Monaten genügt
nicht, um im Entführungsfall den neuen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zu
begründen (vgl. BGE 117 II 334 E. 4b S. 338). Die Obhutszuteilung vom 1.
November 2010 erfolgte demnach nicht durch den Staat des gewöhnlichen
Aufenthalts. Sie wäre aus einem weiteren Grund in der Schweiz nicht
anerkennbar. Der Prozess vor dem Bezirksgericht Gandoubah wurde in Abwesenheit,
ohne gehörige Vorladung und Mitwirkung der Beschwerdegegnerin durchgeführt.
Damit bliebe dem Entscheid vom 1. November 2010 (auf Antrag hin) auch wegen
Verletzung des verfahrensrechtlichen Ordre public die Anerkennung versagt (vgl.
Art. 27 Abs. 2 IPRG). Es braucht deshalb nicht weiter erörtert zu werden,
inwiefern die Anerkennung eines ausländischen Entscheids, der die Obhut
demjenigen Elternteil zuspricht, welcher die Kinder wenige Wochen zuvor
rechtswidrig in seinen Heimatstaat verbracht hat, auch gegen den
schweizerischen materiellen Ordre public im Sinne von Art. 27 Abs. 1 IPRG
verstösst. Betreffend die Deliktsdauer respektive die zeitliche Fortdauer der
Entführung ist im Übrigen das zweite Gerichtsverfahren in Tunesien, in dem die
Obhut am 2. Januar 2012 erneut dem Beschwerdeführer zugesprochen wurde, nicht
von Relevanz. Dieser Entscheid erging wenige Tage vor der strafrechtlichen
Verurteilung in der Schweiz, auf deren Zeitpunkt die Vorinstanz für die
Bemessung der objektiven Tatschwere abstellt. Dass er nicht in Rechtskraft
erwuchs, braucht nicht näher thematisiert zu werden (vgl. Art. 25 lit. b IPRG).

2.3.2. Keinen Bedenken begegnet auch, dass die Vorinstanz betreffend die
Tatschwere den nachteiligen Folgen für die Entwicklung der beiden Kinder
Rechnung trägt. Sie legt in überzeugender Weise die Umstände dar, weshalb der
Beschwerdegegnerin verunmöglicht wird, eine ernsthafte Beziehung zu ihren
Kindern aufrechtzuerhalten. Dass die Kinder durch ihre Grosseltern angemessen
versorgt werden und der Beschwerdeführer respektive seine Familie in Tunesien
Besuche durch die Beschwerdegegnerin (wenn auch unter schwierigen
Verhältnissen) zulässt, berücksichtigt die Vorinstanz zu Gunsten des
Beschwerdeführers. Straferhöhend wirkt sich laut Vorinstanz der Umstand aus,
dass der Beschwerdeführer bereits im Januar 2009 erste Vorbereitungen traf,
indem er ohne Wissen seiner Ehefrau tunesische Pässe für die Kinder ausstellen
liess. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, weicht zum einen in
unzulässiger Weise vom verbindlichen Sachverhalt der Vorinstanz ab (Art. 105
Abs. 1 BGG). Zum andern vermag seine Kritik, soweit er die Verletzung des
Willkürverbots (Art. 9 BV) rügt, keine Verfassungsverletzung darzutun (vgl. zum
Begriff der Willkür BGE 138 I 49 E. 7.1 S. 51; 136 III 552 E. 4.2 S. 560; je
mit Hinweisen). Auf die vorinstanzlichen Erwägungen kann verwiesen werden
(Entscheid S. 10 ff.).

2.3.3. Die Vorinstanz stellt fest, dass der Beschwerdeführer seine Kinder
einzig aus egoistischen Gründen in sein Heimatland verbrachte. Namentlich ist
er durch die hiesigen Behörden nicht benachteiligt worden und hat die
Beschwerdegegnerin weder angekündigt, auf einen Entzug des Besuchsrechts
hinzuwirken, noch hat sie selbst mit der Entführung der Kinder in die USA
gedroht. Die subjektive Tatschwere wirkt sich laut Vorinstanz zu Lasten des
Beschwerdeführers aus (Entscheid S. 13 ff.). Was dieser geltend macht,
überzeugt nicht. Seine Behauptung etwa, es sei ihm gerichtlich verboten worden,
seine Kinder mit dem muslimischen Glauben bekannt zu machen, ist mit Blick auf
die im Eheschutzverfahren abgeschlossene Vereinbarung aktenwidrig
(vorinstanzliche Akten act. 20/4/41). Sein Vorbringen zielt im Wesentlichen auf
seine Beweggründe, betrifft damit die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung
und erschöpft sich in appellatorischer Kritik. Damit ist er nicht zu hören.

2.3.4. Die Vorinstanz erkennt im Verhalten des Beschwerdeführers keine Einsicht
und Reue und würdigt seine Verweigerungshaltung straferhöhend. Damit verletzt
sie kein Bundesrecht. Es ist offensichtlich, dass der Beschwerdeführer durch
die Entführung beider Kinder ein "Fait accompli" schaffen will. Seine Absicht
wird dadurch unterstützt, dass Tunesien nicht Vertragsstaat entsprechender
Übereinkommen ist und dies eine Rückführung massgeblich erschwert. Die
Befragung des Beschwerdeführers vor Vorinstanz macht deutlich, dass er (rund
zwei Jahre nach der Entführung und nachdem er diesbezüglich bereits
rechtskräftig verurteilt worden war) nicht nur seine Straftat billigt, sondern
überdies Bedingungen für die Rückführung der Kinder stellt, falls ein
zukünftiges Scheidungsurteil die elterliche Sorge der Beschwerdegegnerin
zusprechen sollte. Damit bringt der Beschwerdeführer eine absolute Überzeugung
zum Ausdruck, im Recht zu sein. Diese Haltung widerspiegelt sich auch teilweise
in seinen Ausführungen vor Bundesgericht. Beispielsweise lässt er trotz
rechtskräftiger Verurteilung bestreiten, dass er den Tatbestand der Entführung
erfüllt habe. Auch stellt er sich auf den Standpunkt, es könne nicht massgebend
sein, ob die schweizerischen Behörden die Entscheide seines Heimatlandes
anerkennen würden oder nicht. Die Vorinstanz verletzt ihr Ermessen nicht, indem
sie sein Nachtatverhalten straferhöhend berücksichtigt (vgl. zur fehlenden
Einsicht und Reue BGE 113 IV 56 E. 4c S. 57; Urteil 6B_858/2008 vom 20. Mai
2009 E. 4.3.3 mit Hinweisen).

2.3.5. Das Verhalten der Beschwerdegegnerin respektive das nach der Entführung
ausserhalb von Tunesien vereinbarte Treffen ist für die Strafzumessung
irrelevant. Damit ist auch unerheblich, zu welchem (allenfalls vorgeschobenen)
Zweck sich die Eheleute trafen (vgl. zudem E. 1.2 hievor).

2.4. Eine ermessensverletzende Gewichtung der Faktoren respektive eine
Verletzung von Bundesrecht (Art. 47 StGB) ist nicht ersichtlich. Die
Freiheitsstrafe von sechs Jahren hält sich auch bei einer Gesamtbetrachtung
innerhalb des sachrichterlichen Ermessens und ist nicht zu beanstanden. Die
Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.

3.

3.1. D ie Vorinstanz verpflichtete den Beschwerdeführer, der Beschwerdegegnerin
für die Folgen der Entziehung zweier Kinder eine Genugtuung von insgesamt Fr.
30'000.-- zu leisten. Sie erwägt, die Beschwerdegegnerin könne als
Obhutsberechtigte das elementare Recht, den Aufenthaltsort der Kinder zu
bestimmen, nicht ausüben. Es bestehe die Gefahr einer totalen Entfremdung
zwischen Mutter und Kindern, und es liege eine schwere widerrechtliche
Verletzung der Persönlichkeit der Beschwerdegegnerin vor. Die Vorinstanz zieht
einen Leitfaden des Bundesamts für Justiz heran und verweist auf Hütte/Ducksch/
Guerrero (Die Genugtuung: Eine tabellarische Übersicht über Gerichtsentscheide
aus den Jahren 1990 - 2005, 3. Aufl. 2005). Mit Blick auf die drohende totale
Entfremdung sei es nicht abwegig, die Ansätze bei Verlust des eigenen Kindes
heranzuziehen. Da es A.________ und B.________ abgesehen von der vorenthaltenen
Beziehung zur Mutter gut gehe, seien die Ansätze entsprechend zu reduzieren
(Entscheid S. 22 ff.).

3.2. Gemäss Art. 49 Abs. 1 OR hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als
Genugtuung, wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, sofern
die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders
wiedergutgemacht worden ist.
Die Bemessung der Genugtuung richtet sich vor allem nach der Art und Schwere
der Verletzung, der Intensität und Dauer der Auswirkungen auf die
Persönlichkeit sowie dem Grad des Verschuldens des Schädigers. Die Genugtuung
bezweckt den Ausgleich für erlittene Unbill, indem das Wohlbefinden anderweitig
gesteigert oder die Beeinträchtigung erträglicher gemacht wird (BGE 132 II 117
E. 2.2.2 S. 119 mit Hinweisen). Die Festlegung der Höhe beruht auf der
Würdigung sämtlicher Umstände und richterlichem Ermessen (Art. 4 ZGB). Das
Bundesgericht überprüft zwar als Rechtsfrage frei, ob das kantonale Gericht
sein Ermessen richtig ausgeübt hat. Es auferlegt sich jedoch nach konstanter
Praxis Zurückhaltung und schreitet nur ein, wenn das Sachgericht grundlos von
den in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Bemessungsgrundsätzen abweicht,
oder wenn Tatsachen berücksichtigt worden sind, die für den Entscheid im
Einzelfall keine Rolle spielen oder umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen
worden sind, die in den Entscheid hätten einbezogen werden müssen. Ausserdem
greift das Bundesgericht in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese als
offensichtlich unbillig bzw. als in stossender Weise ungerecht erweisen (Urteil
4A_373/2007 vom 8. Januar 2008 E. 3.2 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 134
III 97).

3.3. Die obhutsberechtigte Beschwerdegegnerin ist seit Ende August 2010 von
ihren Kindern getrennt. Im Zeitpunkt der Entführung waren diese rund 4 ½ und 6
Jahre alt. Die Vorinstanz hält für das Bundesgericht verbindlich fest, dass die
Beschwerdegegnerin ihre Kinder nur unter schwierigen Umständen in Tunesien
besuchen kann und dabei befürchtet, ohne Grund verhaftet zu werden. A.________
und B.________ sprechen in der Zwischenzeit kaum mehr deutsch. Die
Beschwerdegegnerin schilderte anlässlich ihrer Befragung vor dem Bezirksgericht
Winterthur, sie hätten bei ihren Besuchen vorwiegend mit Händen und Füssen
kommuniziert. Die Kinder wollten, vermutlich wegen der sprachlichen
Schwierigkeiten, nicht mehr mit ihr telefonieren (Entscheid S. 11 mit Hinweis
auf act. 63/2 S. 4 f.). Die Vorinstanz stellt nachvollziehbar fest, dass sich
die Kinder je länger je mehr von ihrer Mutter entfremden. Vor diesem
Hintergrund vermag der Beschwerdeführer, der ein gänzliches Absehen von der
Zusprechung einer Genugtuung beantragt und sich mit den vorinstanzlichen
Erwägungen nicht auseinandersetzt, nicht aufzuzeigen, weshalb die Vorinstanz
ihr Ermessen überschritten haben sollte. Die Vorinstanz führt zu Recht aus,
dass die bei Verlust eines Kindes von den Gerichten zugesprochenen
Genugtuungssummen in den Jahren 2003 - 2005 im Bereich von Fr. 30'000.-- lagen
( Hütte/Ducksch/Guerrero, a.a.O.; vgl. auch Beatrice Gurzeler, Beitrag zur
Bemessung der Genugtuung, 2005, S. 323, welche für den Verlust eines Kindes bei
gemeinsamen Haushalt eine Genugtuung von Fr. 40'000.-- verlangt). Unter
Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse verletzt die Vorinstanz ihr
Ermessen nicht, wenn sie (je Kind) von der Hälfte jener Ansätze ausgeht. Die
Kritik an der Bemessung der Genugtuungssumme ist, soweit sie überhaupt den
Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG genügt, unbegründet.

3.4. Die Vorinstanz verpflichtet den Beschwerdeführer in Anwendung von Art. 126
Abs. 3 StPO dem Grundsatze nach, der Beschwerdegegnerin Schadenersatz zu
leisten (Entscheid S. 25 f.). Indem der Beschwerdeführer festhält, für die
Beschwerdegegnerin fielen "zahlreiche Ausgabepositionen" nicht mehr an, setzt
er sich mit den vorinstanzlichen Erwägungen nicht argumentativ auseinander.
Wohl wendet das Bundesgericht Bundesrecht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Das bedeutet jedoch nicht, dass überhaupt nicht zu erörtern wäre,
inwiefern der angefochtene Entscheid bundesrechtliche Normen verletzen könnte.
Die Beschwerde genügt den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG nicht, weshalb
darauf nicht einzutreten ist.

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der
Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er
ersucht um unentgeltliche Verbeiständung. Das Gesuch ist abzuweisen, da die
Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario).
Seinen angespannten finanziellen Verhältnissen ist mit reduzierten
Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Juni 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Faga

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