Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.685/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_685/2012

Urteil vom 15. Mai 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Keller.

Verfahrensbeteiligte
Y.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510
Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Entschädigung der amtlichen Verteidigung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 18.
Juli 2012.

Sachverhalt:

A.
Rechtsanwalt Y.________ amtete als amtlicher Verteidiger von X.________. Das
Obergericht des Kantons Thurgau verurteilte diesen am 13. Dezember 2011 wegen
qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer
teilbedingten Freiheitsstrafe von 21 Monaten. Das gegen diesen Schuldspruch
angerufene Bundesgericht bestätigte im Verfahren 6B_684/2012 das angefochtene
Urteil.

B.
Y.________ stellte für seine Aufwendungen Fr. 8'105.-- in Rechnung. Das
Bezirksgericht Weinfelden kürzte diesen Betrag auf pauschal Fr. 5'000.--. Die
von Y.________ dagegen eingereichte Beschwerde hiess das Obergericht des
Kantons Thurgau am 18. Juli 2012 teilweise gut und sprach ihm Fr. 7'545.--
(inkl. MWST) zu.

C.
Y.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und "Verfassungsbeschwerde". Er
beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und er sei mit Fr.
8'205.-- zu entschädigen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zur
Festsetzung der Entschädigung zurückzuweisen mit der Anweisung, ihn vor einer
allfälligen Nichtentschädigung einzelner Arbeiten anzuhören.

D.
Das Obergericht des Kantons Thurgau beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die
Generalstaatsanwaltschaft liess sich nicht vernehmen.

Erwägungen:

1.
Mit Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG kann grundsätzlich jede
Rechtsverletzung geltend gemacht werden, die bei Anwendung materiellen
Strafrechts oder Strafprozessrechts begangen wird (BGE 134 IV 36 E. 1.4.3 S.
41). Dies gilt auch für die Verletzung von Verfassungsrecht (Art. 95 lit. a
BGG). Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist somit ausgeschlossen (Art. 113
BGG). Sie ist als Beschwerde in Strafsachen entgegenzunehmen. Im Übrigen ist
auf sie nicht einzutreten.

2.
Gemäss Art. 135 Abs. 3 der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober
2007 (StPO; SR 312.0) kann die amtliche Verteidigung gegen den
Entschädigungsentscheid bei der Beschwerdeinstanz Beschwerde führen, wenn der
Entscheid von der Staatsanwaltschaft oder dem erstinstanzlichen Gericht gefällt
wurde (lit. a.) beziehungsweise beim Bundesstrafgericht, wenn der Entscheid von
der Beschwerdeinstanz oder dem Berufungsgericht des Kantons gefällt wurde (lit.
b.). Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, die Vorinstanz habe ihm als
obsiegende Partei für das Verfahren vor Obergericht keine Entschädigung
ausgerichtet (Beschwerde, S. 10-13 und S. 15 f.), ist auf sein Vorbringen
mangels Zuständigkeit des Bundesgerichts nicht einzutreten. Die Vorinstanz ist
gemäss Vernehmlassung freilich bereit, dem Beschwerdeführer Fr. 800.--
zuzusprechen (act. 10, S. 2).

3.
3.1 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe ihm die Arbeitsentschädigung
für das Untersuchungs- und das erstinstanzliche Hauptverfahren von Fr. 6'880.--
auf Fr. 6'561.40 und den Sachaufwand um Fr. 109.-- gekürzt. Die Vorinstanz
korrigiere zwar die pauschale Kürzung der ersten Instanz. Sie streiche jedoch
neu die angeblich unnötigen Kopien und das Studium der beigezogenen Strafakten
des Kantons Basel-Stadt. Der Untersuchungsrichter habe diese Akten beigezogen,
weshalb er selber nicht habe annehmen müssen, dass dies grundlos geschehen sei.
Dass diese Akten keine Bedeutung erlangen könnten und die Staatsanwaltschaft
daraus nichts Nachteiliges ableiten würde, sei nicht absehbar gewesen. Die
Akten habe er nie studiert und ein Aktenstudium nicht im Leistungsverzeichnis
aufgeführt. Dennoch habe ihm die Vorinstanz das Honorar um zwei Arbeitsstunden
bzw. Fr. 318.-- gekürzt. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die
Vorinstanz stelle den Aufwand von vier Stunden für die Überarbeitung und
Aktualisierung seiner Plädoyerstichworte in Frage. Die Überarbeitung der
Plädoyernotizen sei notwendig gewesen, da er nach acht Monaten unverschuldeter
Prozessverzögerung mit diesen Notizen keinen Parteivortrag hätte halten können.
Weder die Staatsanwaltschaft noch die erste Instanz habe sich im Übrigen an
diesen Einzelpositionen gestört. Er sei vor dieser überraschenden Kürzung durch
die Vorinstanz nicht angehört worden, obwohl das Bundesgericht in anderen
Fällen verschiedentlich eine solche Anhörung verlangt habe. Ihm stehe kein
ordentliches Rechtsmittel zur Verfügung, das diesen Mangel heilen könnte. Die
Vorinstanz verletze dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör und das Recht
auf wirkungsvolle notwendige Verteidigung. Zudem verstosse sie gegen das
Willkürverbot und das Fairnessgebot (Beschwerde, S. 10 f. und S. 13 ff.).

3.2 Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe eine Honorarnote über Fr.
8'105.10 eingereicht. Sie erachtet die pauschale Kürzung der ersten Instanz als
nicht angemessen. Es dränge sich jedoch trotzdem eine Korrektur in einzelnen
Punkten auf. Sämtliche Kopien der Gerichtsakten von Basel-Stadt aus dem Jahre
1998 im Betrag von Fr. 109.-- seien unnötig. Der damalige Strafregistereintrag
sei gelöscht und im vorliegenden Verfahren nicht mehr relevant. Zudem hätten
diese Akten nicht studiert werden müssen, weshalb zwei Stunden Aktenstudium
abzuziehen seien. Schliesslich seien Aktenkopien mit höchstens 20 Rp./Seite (ab
1000 Kopien 10 Rp./Seite) zu fakturieren, während der Beschwerdeführer 50 Rp./
Seite berechnet habe. Ohne die Basler Gerichtsakten resultiere eine Summe von
insgesamt Fr. 401.50. Es rechtfertige sich daher eine Kürzung um pauschal Fr.
200.--. Schliesslich sei es fraglich, ob der Beschwerdeführer das vorbereitete
Plädoyer für die erstinstanzliche Hauptverhandlung während vier Stunden habe
überarbeiten müssen, nachdem die Verhandlung um mehrere Monate verschoben
worden sei. Die Honorarnote samt Barauslagen sei auf insgesamt Fr. 7'545.--
(inkl. MWST) festzulegen (Urteil, S. 4 ff.).

3.3 Der Vorinstanz kommt bei der Bemessung des Honorars eines amtlichen
Rechtsvertreters ein weiter Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht schreitet
nur ein, wenn der Ermessensspielraum klarerweise überschritten worden ist und
Bemühungen nicht honoriert werden, die zweifelsfrei zu den Obliegenheiten eines
amtlichen Verteidigers gehören. Es wendet grosse Zurückhaltung an, wenn der
Aufwand als übersetzt bezeichnet wird, denn es ist Sache der kantonalen
Instanzen, die Angemessenheit anwaltlicher Bemühungen zu beurteilen (BGE 118 Ia
133 E. 2; Urteil des Bundesgerichts 6B_130/2007 vom 11. Oktober 2007 E. 3.2).

3.4 Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz die vom Beschwerdeführer
angefertigten Kopien der Gerichtsakten des Kantons Basel-Stadt aus dem Jahre
1998 als unnötig bezeichnet und die Barauslagen entsprechend tiefer ansetzt.
Zudem überschreitet die Vorinstanz ihren Ermessensspielraum nicht, wenn sie die
Kopierkosten von 50 Rp. auf 20 Rp./Seite kürzt. Dasselbe gilt für die -
freilich nicht exakt bezifferte - Kürzung der Arbeitszeit für die Überarbeitung
der Plädoyernotizen des Beschwerdeführers.
Die Vorinstanz begeht allerdings eine Ermessensüberschreitung in Bezug auf die
Kürzung des Aufwandes um zwei Stunden für das Studium der Gerichtsakten des
Kantons Basel-Stadt. Wie der Beschwerdeführer zutreffend argumentiert, hat er
diese Akten nicht studiert beziehungsweise das Aktenstudium zumindest im
Leistungsverzeichnis weder aufgeführt noch in Rechnung gestellt (vgl.
Honorarnote des Beschwerdeführers vom 15. November 2011, ohne Aktennummer).

3.5 Die Vorinstanz wird über die Angemessenheit der Honorarnote des
Beschwerdeführers neu zu befinden haben. Da sie dabei den Beschwerdeführer
ohnehin anhören muss, kann dahingestellt bleiben, ob sie vorliegend seinen
Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, indem sie ohne vorgängige Anhörung
sein Honorar gekürzt hat.

3.6 Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden
kann. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 18. Juli 2012 ist
aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind dem Beschwerdeführer
reduzierte Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 BGG). Der
Kanton Thurgau hat dem Beschwerdeführer eine reduzierte Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der
Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 18. Juli 2012 wird
aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer werden Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- auferlegt.

3.
Der Kanton Thurgau hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr.
1'500.-- auszurichten.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Mai 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Keller

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