Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.629/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_629/2012

Urteil vom 3. Dezember 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Denys,
Gerichtsschreiber C. Monn.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28,
4502 Solothurn,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Entschädigung, Genugtuung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 1. Oktober 2012.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Partnerin des Beschwerdeführers zeigte diesen bei der Kantonspolizei
Solothurn an. Er habe sie am 5. Mai 2011 gegen den Hinterkopf geschlagen, an
den Haaren hin und her gerissen und weggestossen. Verletzungen konnten keine
festgestellt werden.

Die Staatsanwaltschaft bestrafte den Beschwerdeführer am 26. Mai 2011 wegen
Tätlichkeiten mit einer Busse von Fr. 150.-- bzw. einer Ersatzfreiheitsstrafe
von zwei Tagen. Sein damaliger Verteidiger erhob fristgerecht Einsprache. Die
Untersuchungsbeamtin hielt am 23. November 2011 am Strafbefehl fest und
überwies die Akten dem Gerichtspräsidium Bucheggberg-Wasseramt. Dieses sprach
den Beschwerdeführer am 5. April 2012 frei und entschädigte ihn für die
Ausübung der Verfahrensrechte mit pauschal Fr. 300.--. Die Entschädigung war
für seine eigenen Aufwendungen bestimmt. Da der Beizug eines Anwaltes sachlich
nicht geboten gewesen sei, wurden die entsprechenden Kosten nicht entschädigt.
Eine dagegen gerichtete Berufung wies das Obergericht des Kantons Solothurn am
1. Oktober 2012 ab.

Der Beschwerdeführer wendet sich ans Bundesgericht und beantragt, es seien ihm
für das Strafverfahren vor dem Richteramt Bucheggberg-Wasseramt eine
Entschädigung von Fr. 2'314.80 plus Genugtuung und auch für das
Berufungsverfahren eine Entschädigung nebst Genugtuung auszurichten.

2.
2.1 In rechtlicher Hinsicht geht die Vorinstanz unter Hinweis auf die
bundesgerichtliche Praxis von zutreffenden Überlegungen aus (vgl. angefochtenen
Entscheid S. 3/4 E. 2). Danach sind beim Entscheid über die Angemessenheit des
Beizugs eines Anwalts die Schwere des Tatvorwurfs, die tatsächliche und
rechtliche Komplexität des Falls und die Auswirkungen des Verfahrens auf die
persönlichen und beruflichen Verhältnisse der beschuldigten Person zu
berücksichtigen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich im Einzelfall schon der
Beizug eines Anwalts als nicht angemessene Ausübung der Verfahrensrechte
erweist. Bei der Prüfung dieser Frage auferlegt sich das Bundesgericht eine
gewisse Zurückhaltung gegenüber der vorinstanzlichen Einschätzung (zur
Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichts 1B_704/2011 vom 11. Juli 2012
E. 2.3.4-2.3.6; bestätigt im nicht zur Publikation bestimmten Urteil 6B_563/
2012 vom 1. November 2012 E. 1.1 und 1.2).

In Bezug auf den konkreten Fall kann auf die Ausführungen der Vorinstanz
verwiesen werden (vgl. angefochtenen Entscheid S. 4/5 E. 3). Die Beschwerde ist
nur soweit zulässig, als sie sich damit befasst und begründet, inwieweit der
angefochtene Entscheid gegen das Recht im Sinne von Art. 95 BGG verstossen soll
(Art. 42 Abs. 2 BGG). Soweit sie diesen Anforderungen nicht genügt oder ihre
Ausführungen an der Sache vorbeigehen, ist darauf nicht einzutreten.
Beispielsweise hat die Behauptung, Ausländer erhielten generell eine geringere
Entschädigung als Einheimische (Beschwerde S. 2), mit dem vorliegenden Fall
nichts zu tun.

2.2 Der Beschwerdeführer bemängelt, dass er vorgängig nicht darüber in Kenntnis
gesetzt wurde, welche Ausübung der Verfahrensrechte angemessen sei (Beschwerde
S. 2). Eine Bestimmung, die eine solche Belehrung vorschreiben würde, existiert
indessen nicht.

2.3 Die Vorinstanz stellt fest, gegen den Beschwerdeführer sei kein schwerer
Vorwurf erhoben worden, da es sich bei der Tätlichkeit lediglich um eine
Übertretung handle und die Staatsanwaltschaft ihn nur mit Fr. 150.-- gebüsst
habe. Der Beschwerdeführer macht geltend, eine solche Bagatellisierung sei
"äusserst bedenklich" (Beschwerde S. 5). Indessen entspricht die Einschätzung
der Vorinstanz der in der Schweiz geltenden gesetzlichen Regelung, wonach eine
Tätlichkeit als Übertretung nur mit Busse bestraft wird (Art. 103 und 126
StGB). Von einer unzulässigen Bagatellisierung der Sache kann nicht die Rede
sein.

Nach Auffassung der Vorinstanz war der Fall weder tatsächlich noch rechtlich
komplex. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner Ausbildung und sprachlichen
Fähigkeiten durchaus in der Lage gewesen, die Sache ohne Anwalt zu erledigen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei nicht Jurist, sondern habe die
Handelsmittelschule absolviert. Er anerkennt indessen, dass es "keine
schwierige Angelegenheit" gewesen sei, "die Wahrheit ohne Rechtsbeistand zu
erzählen" (Beschwerde S. 3). Dass er sich überdurchschnittlich gewandt
ausdrücken und verteidigen kann, ergibt sich auch aus seiner Eingabe ans
Bundesgericht. Rechtlich bot der Fall keine Probleme. Die Einschätzung der
Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer seine Rechte auch ohne Anwalt hätte
wahren können, ist nicht zu beanstanden.

Zur Waffengleichheit des Beschwerdeführers mit seiner Partnerin stellt die
Vorinstanz fest, diese sei nicht im Strafverfahren, sondern im zivilrechtlichen
Schlichtungsverfahren vom 13. Juli 2011 durch eine Juristin der Sozialen
Dienste unterstützt worden. Das Bundesgericht kann sich mit dem Ablauf des
Schlichtungsverfahrens (Beschwerde S. 3/4) nicht befassen. Jedenfalls liegt
eine Verletzung der Waffengleichheit nicht vor.

Zur beruflichen Situation stellt die Vorinstanz fest, der Beschwerdeführer habe
wegen Geldnöten bei der Arbeitgeberin um eine Lohnerhöhung gebeten, worauf ihm
aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt worden sei. Vor Bundesgericht behauptet
er, Schlaflosigkeit, Stress und Absenzen hätten zu einer verminderten
Leistungsfähigkeit und diese zur Kündigung geführt (Beschwerde S. 4). Es ist
indessen nicht ersichtlich, dass und inwieweit die anders lautende Feststellung
der Vorinstanz offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG bzw.
willkürlich im Sinne von Art. 9 BV wäre.

Schliesslich geht die Vorinstanz in Bezug auf die persönlichen Verhältnisse
davon aus, dass der Beschwerdeführer glaubhaft versichere, angesichts der gegen
ihn erhobenen Vorwürfe befürchte er Schwierigkeiten bezüglich des Kontakts zum
gemeinsamen Sohn. Dies stelle indessen aufgrund der gesamten Umstände keinen
Grund für den Beizug eines Anwaltes dar. Auch diese Schlussfolgerung ist nicht
zu beanstanden. Der Beschwerdeführer reicht als Beilage zur Beschwerde den
anlässlich der Schlichtungsverhandlung abgeschlossenen Vergleich ein, woraus
sich ergibt, dass sich die Parteien bereits am 13. Juli 2011 über das
Besuchsrecht geeinigt haben (act. 3). Bei dieser Sachlage musste der
Beschwerdeführer am 8. August 2011, als er die erste Besprechung mit seiner
zweiten Verteidigerin hatte, nicht mehr ernstlich damit rechnen, dass es bei
der Ausübung des Besuchsrechts wegen eines Vorfalls vom 5. Mai 2011 zu
Schwierigkeiten kommen könnte.

Die Vorinstanz hat sich mit der Verweigerung einer Entschädigung für die
Verteidigungskosten im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens gehalten.

3.
Eine Genugtuung hatte der Beschwerdeführer vor der Vorinstanz nicht verlangt
(vgl. angefochtenen Entscheid S. 2/3 E. 4a). Folglich kann sich das
Bundesgericht mit diesem neuen und damit unzulässigen Begehren nicht befassen
(Art. 99 Abs. 2 BGG).

4.
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG abzuweisen, weil
die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der finanziellen Lage des
Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen
(Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Dezember 2012

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Monn